Wie weit darf das Basteln gehen?

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4805,59_Berg
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Wie weit darf das Basteln gehen?

Beitrag von 4805,59_Berg »

Hallo, schon seit längerem frage ich mich immer wieder wie weit das Basteln an Füllern gehen darf. Ich mag Füller der 1940er bis 1960er Jahre am liebsten. Durch ein sehr schmales Budget, das Alter und sachgemäßen nichtsachgemäßen Gebrauch sind diese Schreiber, was hier im Forum wohl allen bekannt ist, häufig in schlechtem Zustand. Je höher die Qualität, desto einfacher ist es meist die Schreiber wieder in Schuss zu bekommen.
Doch ich frage mich sehr häufig, was kann man an Eingriff noch verzeihen und was nicht mehr. Das fängt harmlos an, z.B. mit der Frage ob es in Ordnung ist, den zerbröselten Gummi des Kolbens gegen einen Kork zu tauschen, über das Polieren der Oberfläche hin zum entfernen von Gravuren, Verbauen moderner (auch chinesischer Billigfedern) oder der Ausstattung mit nicht originalen Kappen und Clips wenn’s passt.

Ich habe es zuletzt noch einen Schritt weiter getrieben und dabei ein sehr schlechtes Gewissen und die Anregung für diesen Post hier bekommen. Ich habe aus einem größeren Konvolut einen Geha 708, oder das was von dem Schreiber übrig war, erhalten. Vergoldete Stahlfeder, Kappe mit zwei größeren Rissen, gerissenes Griffstück fehlender Clip und fehlende Kppenspitze. In dem Zustand hätte ich dafür sicherlich nicht mehr als 5€ bekommen und wenn überhaupt Ersatzteile verfügbar gewesen wären, hätten diese den Wet des Füllers maßlos überstiegen. Die Feder schreibt ganz in Ordnung (natürlich Nix besonderes) und ich habe mir gedacht, warum nicht wieder flott machen. Kolbenmechanismus gereinigt und mit Silikonfett gefettet. Dann ans Kleben der Risse mit Modellbaukleber. Ich trage den Kleber großflächig auf - leider geht der eine Riss genau durch die Gravur der Modellbezeichnung. Nachdem der Kleber getrocknet ist schleife ich diesen und minimal Oberfläche ab und poliere alles. Nachdem ich fertig bin glänzt der Füller, die Modellbezeichnung existiert auf diesem Schreiber aber nicht mehr. Das Gewinde an der Kappe, auf welches eigentlich Clip und dann die Spitze geschraubt wird stört mich und da beides Fehlt, ist das Gewinde kurzerhand mit der Feile entfernt und auch wieder poliert.
Das waren die Schandtaten meiner Bastlerei. Der 708er ist jetzt aber täglich fürs Tagebuch im Einsatz. Vielleicht rechtfertigt das ja die Aktion.

Habt Ihr auch schon sowas in die Richtung gemacht?
Hättet ihr das gemacht?
Wann geht es euch zu weit, bzw. was darf man alten Füllern antun?

Euch allen einen schönen restlichen Sonntag!
Herzliche Grüße, David


Angefügt ist beschriebener Füller…
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Strombomboli
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Re: Wie weit darf das Basteln gehen?

Beitrag von Strombomboli »

Das ist doch großartig! Du hast dir praktisch deinen eigenen Füller gebaut, an dem du dich jeden Tag erfreust, was will man denn mehr? Ich würde nur das Gewinde am Griffstück auch noch wegschleifen, wenn schon die Kappe keins mehr hat und also keins mehr braucht, aber das wäre mein Geschmack und nicht deiner.
Iris

Mein Avatar ist ein Gemälde von Ilja Maschkow (1881-1944): Selbstporträt; 1911, das in der neuen Tretjakow-Galerie (am Krimskij Wal) in Moskau hängt, wo ich es fotografiert habe.
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Felix
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Re: Wie weit darf das Basteln gehen?

Beitrag von Felix »

Moin,

interessantes Ergebnis! So weit sind meine Basteleien noch nicht gegangen, aber bevor diese Teile jahrelang nur herumliegen, finde ich dein Vorgehen absolut gerechtfertigt. Käme bei mir darauf an, was das für ein Füllhalter ist, der vor mir liegt.
Gruß Felix

No ink left behind!
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Reformator
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Re: Wie weit darf das Basteln gehen?

Beitrag von Reformator »

Hallo David,

guckst Du hier:
viewtopic.php?p=325136#p325136
Bis demnächst...
Helge
4805,59_Berg
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Re: Wie weit darf das Basteln gehen?

Beitrag von 4805,59_Berg »

Strombomboli hat geschrieben:
05.05.2024 16:15
Das ist doch großartig! Du hast dir praktisch deinen eigenen Füller gebaut, an dem du dich jeden Tag erfreust, was will man denn mehr? Ich würde nur das Gewinde am Griffstück auch noch wegschleifen, wenn schon die Kappe keins mehr hat und also keins mehr braucht, aber das wäre mein Geschmack und nicht deiner.
Hi, die Kappe hat noch ein Innengewinde (zum Glück) nur da wo der goldene Punkt sitzt war früher mal mehr…
Klemmkappen kann ich leider auch noch nicht basteln ;)
4805,59_Berg
Beiträge: 4
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Re: Wie weit darf das Basteln gehen?

Beitrag von 4805,59_Berg »

Reformator hat geschrieben:
05.05.2024 16:43
Hallo David,

guckst Du hier:
viewtopic.php?p=325136#p325136
Hallo Helge, Danke für den Link. Ich bin also in bester Gesellschaft :)
Matthias MUC
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Re: Wie weit darf das Basteln gehen?

Beitrag von Matthias MUC »

Eine Katze bleibt ja auch eine Katze, auch wenn ihr z.B. unfallhalber eine Pfote fehlt. Genauso ist es legitim, bei verletzten Füllern auch mal was zu amputieren, plastische Chirurgie zu betreiben und wenn der Füller dann wieder funktioniert, schön schreibt und gefällt, ist das völlig legitim!
Funktionswiederherstellendes oder -erhaltendes Basteln wen's ums SCHREIBgerät geht, ist eigentlich durch nix begrenzt.
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Zollinger
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Re: Wie weit darf das Basteln gehen?

Beitrag von Zollinger »

Für mich hängt das auch immer vom betreffenden Füller ab. Ich hatte auch solche, bei denen es mit wert war originale Ersatzteile zu beschaffen und bin dabei sogar soweit gegangen, einen anderen Füller dafür zu opfern.

Bei anderen, aus meiner Sicht weniger interessanten Füllern hingegen würde ich das nicht tun. Schlussendlich ist das für mich eine persönliche Entscheidung, welche ich vom Wert abhängig mache, den der defekte Füller für mich hat.
G-H-L
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Re: Wie weit darf das Basteln gehen?

Beitrag von G-H-L »

Also, ich vertrete die Ansicht, wenn mit der Bastelei ein Füller wieder zum Leben erweckt und dann auch benutzt wird, dann ist fast jede Schandtat gerechtfertigt.
Gruß
Gerhard

Nein, das ist keine unleserliche Handschrift!
Der Text ist nur analog verschlüsselt! :)
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Orlando1212
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Re: Wie weit darf das Basteln gehen?

Beitrag von Orlando1212 »

Mir macht auch gerade das Aufarbeiten von alten und kuriosen Dingen großen Spaß und natürlich auch von alten Füllern. Es ist immer wieder schön, wenn die alten Schätzchen wieder in neuem Glanz erstrahlen. Ich bin in meinem Studium zum Auto-Restaurieren gekommen und war in ein paar Jahren so fit und versiert (mit alten englischen PKW Roadster-Veteranen), dass ich sogar Lohn-Restaurierungen für andere Veteranenfreunde übernommen hatte.

Heute als Pensionär bin ich oft auf Flohmärkten und auch auf klassischen Versteigerungen und Auktionen und kaufe nur noch kleine Sachen, wie eben auch Füllfederhalter, Reise-Tintenfässer und eben Kuriositäten, die ich wirklich alle aufarbeite, manchmal mithilfe von anderen Spezialisten und es ist immer wieder schön, diese Teile zu neuem Leben, Nutzen und Strahlen zu bringen. Teure Neuteile zu kaufen ist nicht so aufregend. wie "Wiederbelebungsrestaurationen" zu erleben, samt den ganzen Recherchen drumherum und dann eben auch mit anderen Restauratoren den fachlichen Austausch zu pflegen, auch über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus!

Ich hatte einfach mal so aus Scherz im letzten Jahr einen alten GEHA 703 G restauriert, das war mein erster Schulfüller 1960 und ich nutze ihn heute täglich, neben meinen anderen Füllhaltern, die sicherlich jeweils 10-20 mal so wertvoll sind, wie die restaurierte Kopie meines Schulfüllers - aber der hat eben auch (für mich) seinen eigenen Charme und seine eigene Geschichte!

Ein sehr bekannter und weltweit anerkannter Füllhalter-Restaurator war eigentlich LKW-Mechaniker in der DDR und weil es dort für die DDR-Füllhalter jegliche Ersatzteile zu kaufen gab, hat er als Hobby Füllhalter repariert.Aus seinem Hobby ist inzwischen kleines aber feines und weltweit bekanntes Unternehmen geworden und er hatte mir vor Jahren meinen ersteigerten PELIKAN 100N aufgearbeitet, als ich selbst noch nicht so fit war!
"Die Ontogenese ist die verkürzte Rekapitulation der Phylogenese!" :P
Helmut
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Re: Wie weit darf das Basteln gehen?

Beitrag von Helmut »

Hallo David,
für meine Begriffe kommt es auf den Zustand des Umbauobjektes an und den zukünftigen Verwendungszweck.
Ein Museumsstück sollte natürlich orginalgetreu restauriert werden. Man kann allerdings auch hier die Meinung vertreten "Gebrauchszustand".
Ich persönlich vertrete die Ansicht, daß man durchaus Gebrauchsspuren sehen darf - es ist ein Zeitzeuge.

Willst Du ein günstiges Alltagsschreibgerät welches vom käuflichen Allerlei abhebt, dann ist eigentlich alles erlaubt. Es muß Dir gefallen - Du musst damit arbeiten. Es sollte praxisgerecht abgestimmt sein. Da interessiert mich die Meinung meiner Schreibtischnachbarin wenig. Die sieht mich im Büro an wie einen unliebsamen Schwiegervater wenn ich mit einem Füller schreibe - ganz zu schweigen, wenn ich die Tauchfeder verwende. Am Ende des Arbeitstages zählt jedoch die Produktivität. Und da hat im Altarchivbereich meine Altersklasse die Nase ganz vorne, auch wenn die "Frischlinge" von der Uni weg angeblich alles beherrschen - in der Praxis beginnen die jetzt richtig zu lernen!
In diesem Sinne
Viel Spass mit Deinem "Handwerkszeug"

Helmut
Crovax
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Re: Wie weit darf das Basteln gehen?

Beitrag von Crovax »

Im Prinzip muss man zwischen Reparieren und Modifizieren unterscheiden. Wenn ich einen defekten Füller erwerbe oder wenn mir ein Füller kaputtgeht, frage ich mich natürlich, ob sich der Aufwand lohnt. Ich habe aber auch schon billige Füller repariert, einfach, um daraus zu lernen. Manche Reparatur verlangt auch eine Modifikation, weil es passende Ersatzteile so nicht (mehr) gibt, es aber recht einfach ist, den Füller wieder auf andere Weise in Betrieb zu nehmen. Da muss man sich dann entscheiden, ob man ein nicht funktionierendes Original oder ein benutzbares Gerät haben will. Die Grenzen sind da für jeden anders. Been there, done that, got no T-Shirt.
Es macht aber auch Spaß, wenn man nach einiger Bastelei den Füller zum ersten Mal mit Tinte betankt und dann sieht, dass er wieder einwandfrei schreibt.

Eine Modifikation geht da schon etwas weiter. Da wird ein Füller umgebaut, weil die neue Version schöner/besser/interessanter wird und nicht, weil man es machen muss.
Auch da kann jeder machen, was er will, schliesslich gehört einem ja das Teil. Und wenn man den Füller unbedingt in Pink haben will, kann man den auch umlackieren. Oder man macht aus drei Füllern einen neuen. Gerne, Hauptsache, es macht Spass und man ist mit dem Ergebnis zufrieden. Auch der Austausch der Originalfeder gegen die eines anderen Herstellers ist eine Modifikation.

Bei allem gilt aber eine Regel: Diese Füller sollte man niemals als Originale ausgeben/weitergeben/verkaufen! Es gehört sich, den neuen Besitzer auf alle Reparaturen/Modifikationen hinzuweisen, damit sich der/diejenige eine Meinung bilden kann. Mancher ist froh, wenn jemand einen Vintagefüller wieder so hergerichtet hat, dass er einwandfrei funktioniert, auch wenn Feder, Clip und Tintensack ersetzt worden sind. Der Andere will ein absolut unverändertes Original für die Vitrine haben, was aber nicht unbedingt funktionstüchtig sein muss.

Viel Spaß beim Basteln und Lernen!
gruß
stephan

Let grammar, punctuation, and spelling into your life! Even the most energetic and wonderful mess has to be turned into sentences.” ― Terry Pratchett
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Frau MBr
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Re: Wie weit darf das Basteln gehen?

Beitrag von Frau MBr »

Crovax hat geschrieben:
07.05.2024 11:30
Bei allem gilt aber eine Regel: Diese Füller sollte man niemals als Originale ausgeben/weitergeben/verkaufen! Es gehört sich, den neuen Besitzer auf alle Reparaturen/Modifikationen hinzuweisen, damit sich der/diejenige eine Meinung bilden kann. Mancher ist froh, wenn jemand einen Vintagefüller wieder so hergerichtet hat, dass er einwandfrei funktioniert, auch wenn Feder, Clip und Tintensack ersetzt worden sind. Der Andere will ein absolut unverändertes Original für die Vitrine haben, was aber nicht unbedingt funktionstüchtig sein muss.
Sehr schön formuliert. Das sehe ich ganz genauso!
Viele Grüße,
Micha
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