Umtausch....

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Dirk Barmeyer

Beitrag von Dirk Barmeyer »

Hallo Tenryu,

Du hast schon recht.
Nur, falls Du weiterhin Einzelhandelsgeschäfte bei dir in der Stadt sehen möchtest oder falls Du selbst -wenn auch nur sehr indirekt- auf diese Geschäfte als Geldbringer angewiesen bist kann deine Ansicht ein Problem mit sich bringen. Denn der Internet-Händler braucht dich nur als Kunde, der Händler um die Ecke ist vielleicht auch Kunde bei Dir.

Mal ein (blödes ?) Beispiel :
Du hast eine Bäckerei, nebenan im Dorf ist eine Metzgerei.
Solange Du deine Wurst nebenan kaufst und der Metzger seine Brötchen bei Dir ist alles im Lot. Nun fahr aber 10 km zum nächsten Supermarkt, kauf dort deine Wurst etwas billiger. Der Metzger geht pleite und hat kein Geld mehr für deine Brötchen. Hilft Dir das wirklich ?

Das Hauptproblem bei der Arbeitsplatzverlagerung ins Ausland ist meines Erachtens, daß der Produzent dann auch seine Kunden im Ausland suchen sollte. Denn wenn die Arbeitsplätze weg sind ist ja auch die Kaufkraft weg.

Ich hoffe, Dein Arbeitsplatz ist nicht von der regionalen Wirtschaft abhänig !
Viele Grüße
Dirk
Axel Hübener

Beitrag von Axel Hübener »

Moin Dirk,

Dein Beispiel ist schön plastisch.

Aber dass der Hersteller, der seine Produktion ins Ausland verlagert, dann seine Kunden auch dort suchen sollte, ist m.E. zu kurz gedacht. Der Hersteller verlagert ja seine Produktion ins Ausland, weil von dort schon vergleichbare Waren von anderen Herstellern nach Deutschland geliefert wurden, die seine, hier produzierten Waren preislich unterboten. Der Verbraucher hat ihn also durch sein Konsumverhalten erst dazu gezwungen.

Nun leben wir in einer globalen Wirtschaft und tragen die Folgen. Unsere Ansprüche sind hoch. Die der Menschen in anderen Ländern sind niedriger. Deren Ansprüche werden steigen - aber unsere müssen geringer werden. Erst wenn die Ansprüche aller Menschen ein vergleichbares Niveau haben, werden Produzenten auch wieder in den Ländern produzieren, wo ihre Waren verlangt werden, weil dann bei gleichen Löhnen die Transportwege ausschlaggebend sind.

Wir können natürlich auch Importzölle erheben, wie es die Amerikaner gerne tun, aber durch die Ausweitung der EG und den gemeinsamen Binnenmarkt ist das Anspruchsniveau in den einzelnen europäischen Ländern noch zu unterschiedlich, um Konsumgüter in Deutschland herzustellen. Auch hier ist wieder der Konsument gefragt, der durch seine Kaufentscheidung bestimmt, wo die Waren hergestellt werden.

Den europäischen Binnenmarkt abschotten und gleichzeitig das Niveau der "ärmeren" Länder innerhalb der EG heben? Ich glaube, dazu sind wir schon alle zu weit miteinander global verstrickt.

Noch ist Deutschland "Exportweltmeister", aber in welchen Bereichen? Die Asiaten saugen unseren Technologievorsprung schneller auf als wir zusehen können und dann???

In einem Punkt gebe ich Tenryu auch Recht. Dass sich die großen Konzerne nicht ausreichend um die Mitarbeiter kümmern - aber was bleibt ihnen denn anderes übrig in der Situation? Sie stehen im globalen Wettbewerb und können, ja dürfen nicht einmal Rücksicht auf lokale Absonderlichkeiten nehmen. Denn sonst sind sie komplett weg vom Fenster und damit ist Keinem geholfen.

Die Briten haben vor Jahrenden mal den Slogan geprägt: "Buy Brittish" und haben damit die eigene Wirtschaft angekurbelt. Das Pfund steht immer noch sehr stark, fast so stark zum Euro wie damals zu DM - also fast eine Verdoppelung des damaligen Wertes.

Nun, ich kaufe aus Prinzip nicht bei Aldi, Lidel oder sonst einem Discounter. Ich versuche alle Dinge des persönlichen Bedarfs hier in der Bremer Innenstadt zu bekommen und achte darauf, dass es möglichst von lokalen Herstellern stammt. Was es hier nicht gibt, brauche ich nicht. Zum Beispiel Lebensmittel. Dabei achte ich auch auf lokale Hersteller - warum muss z.B. ein Joghurt von Bayern nach Bremen transportiert und hier verkauft werden, wenn es auch Joghurt von Nordmilch gibt? Lebensmittel kaufe ich bewusst in den kleinen Fachgeschäften bei mir zu Hause um die Ecke. Ich bin froh, dass es diese Geschäfte alle noch gibt, denn dies sind natürlich auch meine potentiellen Kunden.

Besten Gruß,
Axel
Zuletzt geändert von Axel Hübener am 03.05.2006 22:11, insgesamt 2-mal geändert.
Katharsis
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Beitrag von Katharsis »

Das Beispiel welches Du gebracht hast ist theoretisch durchaus korrekt, auch wenn es in deinem Beispiel (Metzger & Bäcker) auch einfacher zu bewerkstelligen ist, aber der lokale Schreibwarenhändler ist kaum Kunde bei ihren Käufern (verhältnismäßig ist dies wirklich vernachlässigbar). Händler kaufen in großen Mengen bei den Firmen selber ein, weil es zuverlässiger und billiger ist und wohl nicht ein paar Sachen von vielen privaten Personen; das ist kaum der Fall...

Jedenfalls hat obiges nichts (bzw. kaum) mit Arbeitsplatzverlagerung ins Ausland zu tun, denn man kann wohl kaum behaupten, dass in Land A (z.B. Deutschland) weit mehr Produkte im Internet gekauft werden als in Land B (z.B. Österreich) und somit man als Händler in zweiterem besser leben kann... der Unterschied wird ziemlich minimal ausfallen. Ausserdem betrifft die Arbeitsplatzverlagerung großteils die Produktion, wegen den billigeren Betriebskosten und Bezahlungen der Mitarbeiter in manchen Ländern, wodurch logischerweise Produktionskosten gesenkt werden können (als Extrembeispiele natürlich die asiatischen Länder).

Edit: Die Antwort ging auch auf Dirk's post, ich war allerdings zu spät.
MiLo
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Beitrag von MiLo »

Hallo!

Nachdem ich nun schon seit einigen Wochen "still und heimlich" mitlese, wollte ich nach der Registrierung als neues Forumsmitglied meinen ersten Beitrag eigentlich als Erfahrungsbericht verfassen. Nun ist mir diese Diskussion in die Quere gekommen, zu der ich einfach nicht schweigen kann.

Die folgenden Anmerkungen beziehen sich auf einen Beitrag von Axel Hübener:
Axel Hübener hat geschrieben:
@ Dieter:
Leider, leider gibt es noch keine "Fahrgestellnummern" für Schreibgeräte (ausser bei Montblanc), mit der die Distributionswege der Schreibgeräte nachverfolgt werden können. Aber dies wäre eine gute Möglichkeit, "Graumarktware" zu erkennen und ggf. gesondert zu behandeln, sehr aufwändig aber wirkungsvoll. Ob die Hersteller bereit sind, dies zu tun?
Was soll denn eine solche Politik bringen? Solange gerade die als Beispiel genannte Firma Montblanc ihre ach so exklusiven Produkte bei Kaufhof, Karstadt und in "duty-free shops" an Flughäfen von ungeschultem Personal dem geneigten Kunden andienen lässt, halte ich eine solche Überwachung der Distributionswege für baren Unsinn. Zunächst sollte man sich bei Montblanc darüber Gedanken machen, wie man durchweg die Qualität entlang der Distributionswege sicherstellen kann, bevor man sich überlegt, wie man Kunden, die auf "alternativem" Wege zu Montblanc gelangt sind, größtmöglich diskrimieren kann. Denn gerade in den oben genannten Verkaufsstellen geht Montblanc mit den angeblich so geschätzten Vollpreiskunden alles andere als zimperlich um. Weder das "eigentümliche" Ambiente noch der oftmals erbärmlichen Kenntnisstand des dortigen Verkaufspersonals beweist den Premiumanspruch, den man bei Montblanc mit der Preispolitik verbindet. Wer sich als Kunde so etwas gefallen lässt und dort auch noch den vollen Preis bezahlt, ist selber Schuld. Wohlgemerkt: Ich spreche hier nicht von den vielen Fachgeschäften, die sich redlich um ihre Kunden bemühen.
Ich halte es aber für relativ sinn- und erfolglos, mit Aussenstehenden über die Kostenstrukturen und Kalkulationsnotwendigkeiten im Facheinzelhandel zu diskutieren. Dies können wirklich nur die verstehen, die im Facheinzelhandel tätig sind.

Auch wird von Aussenstehenden immer wieder behauptet, der Fachhandel verdiene sich bei den Schreibgeräten eine "goldene Nase". Schön wäre es ja, aber es stimmt leider ganz und gar nicht! Im Gegenteil, viele Schreibwarenhändler subventionieren ihre große Auswahl, ihr breites und tiefes Schreibgerätesortiment mit anderen Sortimentsteilen.
Die (im Durchschnitt!) vergleichweise mageren Umsatzrenditen im deutschen Einzelhandel sind ausreichend in der Wirtschaftspresse dokumentiert; zur Kenntnisnahme benötigt man also keinen Gewerbeschein als Facheinzelhändler. Gleichwohl können Sie auch nicht bestreiten, dass gerade die Margen bei "Luxusgütern" (wie edlen Schreibgeräten) überdurchschnittlich hoch sind. Dass der Verkauf hochwertiger Schreibgeräte von anderen Sortimentsteilen quersubventioniert wird, wäre mir absolut neu. Die Bilanzen, die ich bisher von Einzelhändlern gesehen habe, deuten jedenfalls nicht darauf hin. Allerdings habe ich festgestellt, dass man auf der Händlerseite gerne "uneigennützig" auf die mageren Durchschnittszahlen im gesamten Einzelhandel verweist, die sich im unteren einstelligen Bereich bewegen - zumindest wenn man auch den Lebensmitteleinzelhandel einbezieht.
Beweise?
Nun, die sind seit Jahren überall und von jedem zu sehen: Warum wohl wird das Angebot in den Schreibwarengeschäften immer geringer? Warum mussten und müssen immer mehr Schreibwarenfachgeschäfte in den Städten die Segel streichen? = Weil die zu realisierenden Preise keine ausreichenden Renditen mehr ermöglichen.


Und weil sich der eine oder andere mit seinem Sortiment vergaloppiert hat oder eine längst fällige Sortimentsanpassung seit Jahren oder gar Jahrzehnten verschlafen hat; oder weil mal wieder eine Nachfolgefrage ungelöst geblieben ist...

Natürlich gibt es einen deutlich sichtbaren und wenig erfreulichen Trend zur Konzentration hin zu Einzelhandelsketten. Aber es liegt auch an den Facheinzelhändlern, durch eine ausgewähltes Sortiment und durch hochwertige Dienstleistungen eine Nische zu behaupten. Oftmals trifft man im Facheinzelhandel stattdessen auf tief eingefahrene Rillen, auf wenig Fexibiltät und Lethargie. Nicht immer trägt allein der ach so egostische Konsument die Schuld. Viele Facheinzelhändler spielen sich selbst ins Abseits.
Was ist passiert?
Jeder Verbrauscher möchte ein ganz auf seine Wünsche zugeschnittenes oder ausgerichtetes Angebot bzw. Produkt. - Soweit verständlich und legitim.
Jeder Verbraucher ist bereit, dafür einen angemessenen Preis zu bezahlen. - Da treffen dann Realität und Wunschvorstellung aufeinander und stehen meistens konträr zueinander.
Die Konsequenz daraus ist, dass der Verbraucher sich sagt, dass er nur bis zu einem nach seinem Empfinden angemessenen Preis bereit ist, für seine Wunschrealisierung zu zahlen. -
Dies ist (bis hierher) sein gutes Recht.
Da dies dann meistens nicht erfüllbar ist, schraubt der Verbraucher seine Ansprüche entsprechend herunter, bis es mit dem Preis klappt.
Auch dies ist in Ordung, schließlich kann niemand auf Dauer über seinen (Einkommens-)Verhältnissen leben.
Und wirkliche Individualprodukte werden noch teurer.
Diesen Zusammenhang hätte ich gerne (empirisch oder anhand von Beispielen] belegt. Meine Beobachtung ist gerade im Luxusgüterbereich eine völlig andere. So haben die Luxusuhrenhersteller mit jedem neuen Verkaufsrekord kräftig die Preise erhöht. Und die Konzernbilanzen von Richemont und LVMH und anderen sind blitzsauber. Die Händler haben die höheren Preise einfach an die Kunden weitergereicht. Und inzwischen versuchen alle möglichen Luxusgüterhersteller, auf den fahrenden Zug aufzuspringen - siehe Montblanc.

Was sind die Folgen?
Das Angebot wird immer kleiner, die Vielfalt schrumpft. Weniger Vielfalt im Angebot bedeutet auch, dass noch weniger Fachhgeschäfte existieren werden. Dadurch hat aber die Industrie auch weniger Verkaufsstellen, wo sie ihre neuen Produkte einführen können. Daraus folgert, dass die Industrie auch weniger Innovationen entwickelt und ihr Angebot verringert. Dies wiederum hat zur Folge, dass sich die Entwicklung zur Einheitsgesellschaft beschleunigt. Eine Spirale ohne Ende?
Auch hier kann ich Ihnen nicht folgen; wir beide leben wohl in unterschiedlichen Welten. Sprechen Sie nun von ihrem PBS-Bereich oder vom Güterangebot im Allgemeinen? Nie war das Güterangebot insgesamt differenzierter als heute. Natürlich gibt es Branchen, in denen es zu einer Verschlankung des Angebots gekommen ist. Aber auch dies gehört zum Wirtschaftskreislauf.
Der Wunsch nach Individualität des Einzelnen - sich auch ausdrückend in seinen Konsumwünschen - wird ergänzt durch die Gesellschaftsentwicklung zum Egoismus. Jeder will für sich nur das Beste, aber zum günstigsten Preis. "Geiz ist geil". Ich, ich, ich - die anderen sind mir egal...
Es mag ja durchaus berechtigten Anlass zur Kritik an einigen Tendenzen geben, aber Ihre Einlassung finde ich ein wenig befremdlich. Unser Wirtschaftssystem fußt ganz elementar auf den Grundsätzen der individuellen Freiheit. Hierzu zählt ganz besonders auch die Gewerbefreiheit, von der auch Sie profitieren. Aber auch die Freiheit des Eizelnen, sich selbst der Nächste zu sein. Dies ist übrigens keine neue "Erfindung" unserer Gegenwart. Das wohlstandsstiftende Prinzip des Eigennutzes wurde bereits vom Urvater der Nationalökonomie, von Adam Smith, im Jahre 1776 in "The Wealth of Nations" aufgezeigt. Demnach backt ein Bäcker das Brot und schlachtet der Metzger ein Schwein nicht, um anderen einen Gefallen zu tun. Sie tun es aus eigenem Antrieb, aus Eigennutz (um Einkommen zu erzielen); und indem sie dies tun, vermehren Sie zugleich den Wohlstand der Gemeinschaft, die mit den notwendigen Gütern versorgt wird. Bis heute ist dieser Grundsatz fester und zugleich unverzichtbarer Bestandteil unser Wirtschaftsordnung.

Preise dienen in einem solchen System als "unsichtbare Hand", die als Koordinationsinstrumente Angebot und Nachfrage zum Ausgleich bringen und zugleich den Wert der Güter aus Sicht der Anbieter und eben auch Nachfrager widerspiegeln. Dass Letztere nur für sie akzektable (und dabei möglichst niedrige) Preise zahlen wollen, ist eine pure Selbstverständlichkeit. Das mag ein Anbieter zwar beklagen, aber unser Wirtschaftssystem basiert nun einmal darauf, dass Anbieter und Nachfrager jeweils für sich die jeweils akzeptablen Preise festlegen, auch wenn jede Partei die jeweils andere gerne von der Richtigkeit der eigenen Preisvorstellung überzeugen möchte.

Die autonome Entscheidung der Konsumenten zu "geiz ist geil" mag heutzutage nicht immer auf das Verständnis derer stoßen, die lieber Waren zu höheren Preisen verkaufen wollen. Aber es sind nun einmal die Grundregeln, dass die individuellen Entscheidungen aller Parteien zu respektieren sind. Wir haben keine besseren Regeln; das andere System, bei dem Preise verordnet wurden, ist "grandios" gescheitert.
Aber - oh Wunder - es gibt ja kaum noch Fachgeschäfte, wo ich die schicken Produkte mal anfassen kann; die Hersteller bieten ja meine Federstärke für diese Modell gar nicht mehr an; und für eine Reklamation muss ich etwa selber ein Paket packen und versenden? Wieso das? Ich habe doch immer nur meinen Vorteil gesucht und gefunden, und jetzt?
Zu unserem Marktgeschehen gehört auch, dass es das autonome Recht jedes Anbieters ist, Waren nicht mehr anzubieten. Damit muss halt dann der Kunde leben. Der eine oder andere Kunde mag dies beklagen, aber so ist der Lauf der Dinge.
Der Wunsch nach Individualität trifft also auf ein immer uniformeres Angebot? Ja schaut doch mal selbst: Wo gibt es denn heute noch eine große Federbreitenauswahl? Bei Pelikan und Montblanc werdet Ihr sagen - aber dort ist die Auswahl bei den neueren Modellen auch stark eingeschränkt und bei den älteren werden sie auch immer weniger. Sanford z.B. bietet einige Modelle sogar nur noch mit M-Feder an ...
Und wie hat sich die Produktqualität (z.B. bei den Pelikan-Federn) entwickelt?
Seit Jahrhunderten lebt die Wirtschaft vom und mit dem Wandel. Die Erfindung der Kugelschreiber hat den Füller stark zurückgedrängt und die Erfindung der Quarzuhr die mechanischen Uhren. Und vor über hundert Jahren verdrängte eine kleine Erfindung von Thomas Edison die Petroleumlampe und die Erfindung eines gewissen Carl Benz die Pferdekutsche. Zugegeben: Die heutige Auswahl an Pferdekutschen ist im Vergleich zum Jahr 1906 stark eingeschränkt.

Dennoch gibt es sie auch heute noch - und viele andere Produkte, die inzwischen eine Renaissance erlebt haben (wie die mechanische Uhr). Aber machen wir uns hier nichts vor: Es sind Produkte für Minderheiten. Dies gilt für Kutschen und für mechanische Uhren wie für Füller.
Wer hat daran Schuld?
Es ist alleine das Konsumverhalten der Verbraucher. Die "Geiz ist geil" Ellbogen-Welle, die dem Verbraucher einredet, dass er NUR auf seinen persönlichen Preis-Vorteil achten und die weiteren Konsequenzen nach dem Motto "was schert mich die Zukunft" ignorieren soll, hat diese neagtive Entwicklung nur aufgegriffen und verstärkt.
Bei allem Respekt, aber Ihre Behauptung deutet auf eine etwas krude Vorstellung von Konsumentenverhalten. Glauben Sie tatsächlich, dass die Werbekampagne eines bekannten Elektroeinzelhändlers ganze Heerscharen von Konsumenten zu willfährigen, quasi ferngesteuerten Schnäppchenjagd-Verliebten machen kann, die nach dem Motto "Hauptsache billig" entscheiden? Seit etlichen Jahren wird in Fachkreisen bereits das Phänomen des "Smartshoppers" diskutiert, der selektiv handelt, also sowohl auf Schnäppchenjagd geht als auch Luxusgüter nachfragt. Aber statt sich auf diese Konsumenten auszurichten, erstarrt die Branche lieber im Selbstmitleid, verharrt in Lethargie und beklagt das ach so ungehörige Verbraucherverhalten. Dabei heizt der Einzelhandel mit seinen Harakiri-Preisschlachtaktionen selbt das angeblich so schädliche Geiz-ist-geil-Verhalten an. Offensichtlich haben es deutsche Einzelhändler noch nicht wie ihre europäischen Nachbarn verstanden, den Verkauf von Waren attraktiver zu gestalten oder gar zu einem Erlebnis zu machen. Offensichtlich macht es vielen Deutschen mehr Spaß, mit dem Billigflieger zum "Shopping" nach Paris, London oder Mailand zu fliegen, statt in der immer wieder beklagten und oft auch tatsächlich vorzufindenen Dienstleistungswüste Deutschland den Einkauf vergällt zu bekommen. Dass hieran der deutsche Einzelhandel nicht unschuldig ist, das mag jeder erkennen, der schon einmal von dem oftmals äußerst höflichen und gut geschulten Personal im Facheinzelhandel des Auslands bedient wurde. Dort ist es nicht unfein, Diener des Kunden zu sein. Dort ist es auch selbstverständlich, dass der Verkäufer eines Montblanc-Schreibgerätes nicht wie die "Fachabteilungs-Repräsentantin" eines Karstadt-Hauses einen Kleidungsstil pflegt, den ich selbst nicht einmal dem Postboten bei der Entgegennahme eines Paketes an der Haustür zumuten würde. Erst recht würde dort niemand erwarten, dass der Kunde bei seinem Einkaufsvergnügen adretter gekleidet sein muss als der Repräsentant des Hauses, das ihm die Waren andienen möchte. Aber ich will dies hier nicht fortsetzen. Ich könnte noch stundenlang von Erlebnissen in der deutschen Konsumwelt und ihren Pendants im europäischen Ausland berichten...

- Heute ist der Verbraucher sogar noch stolz darauf, wenn er sich kostenintensiver, aber für ihn kostenloser Dienstleistungen im Fachhandel bedient und dann (vorher und/oder nachher) zu seinem günstigsten Preis anderswo Ware besorgt. -> Was ist daran fair und wie kann man darauf auch noch stolz sein, lieber Katharsis? Nur weil es "alle" so machen?
Wenn es denn so gewesen ist, wäre Ihr Einwand berechtigt. Aber ich habe den "Fall Katharisis" anders in Erinnerung. Der Federntausch war offensichtlich vom Händler angeboten worden - wahrscheinlich, weil dieser erkannt hat, dass man so auch Kunden an sicht binden und zukünftige Käufe bei diesem Händler motivieren kann. Ich vermag hier nicht Verwerfliches zu erkennen.
Der Schreibwarenhandel scheut keinen fairen Wettbewerb und Unternehmen wie das von Martin Lesny oder mir haben ihre erfolgreiche Nische im Markt gefunden, aber es werden noch viele Kollegen aufgeben müssen, weil sie schlicht und einfach vom Markt, von ihrem Standort verdrängt werden von anderen Branchen, die in der Lage sind, höhere Mieten zu zahlen.

In einigen Branchen muss man inzwischen für Dienstleistungen bezahlen, siehe z.B. Reisebüros. Branchen wie der Fotofachhandel sind quasi verschwunden, ebenso wie die gute alte Drogerie, und da gibt es noch einige weitere Beispiele.
Ich wiederhole mich, man mag dies beklagen, gleichwohl aufhalten lässt sich der Wandel in der Wirtschaft nicht. Wobei ich Ihre Grabrede bezüglich des Fotofachhandels nicht ganz nachvollziehen kann, seit dieser sich endlich darauf besonnen hat, auch im digitalen Zeitalter anzukommen. Wie viele Fachfotohändler haben sich gegen diese Tendenz gestemmt, bis sie nahe des Zusammenbruchs waren? Wie viele haben versucht, den Trend zur Digitalkamera als pure Spielerei einiger Computer-Freaks abzutun und sich damit ganz nebenbei von den Bedürfnissen ihrer Kunden zu entfremden? Letzteres ist in jedem Gewerbe tödlich!
Dies sei der Lauf der Dinge, sagen einige. Strukturwandel heisst dies in der Handelslandschaft. Solch einen Strukturwandel haben schon einige Branchen (z.B. Lebensmittel) hinter sich, die Schreibwarenbranche steckt noch drin und andere Branchen haben sie noch vor sich.

In allen Fällen ist ein Strukturwandel immer mit dem Abbau von Arbeitsplätzen und Verlust von Know-How verbunden. Jetzt auch noch in den Bereich Importprodukte versus Inlandsarbeitsplätze abzuschweifen, würde zu weit führen.
Aber haben wir es nicht selbst in der Hand, wie die Entwickung ist?
Hilfe, was für eine Grabrede! Und was für ein ökonomischer Unsinn! Deutschland geht eher an seiner Verkrustung und mangelnder Wandlungsfähigkeit zugrunde! Was der Verzicht auf einen intelligenten Strukturwandel und das Festhalten an längst nicht mehr wettbewerbsfähigen Industriezweigen anrichtet, das können Sie nicht nur im Ruhrgebiet studieren. Strukturwandel schafft Arbeitsplätze, er vernichtet sie nicht (siehe Bayern und Baden-Würtemberg sowie Sachsen)! Deutschland hatte in der Vergangenheit stets vom Fortschritt und vom Wandel profitiert. Erst seit wir unsere Innovationskraft eingebüßt haben und uns auf unsere liebgewonnenen Bequemlichkeiten ausruhen, verlieren wir im nennenswerten Umfang Arbeitsplätze an das Ausland.
Am meisten ärgert mich die Unweitsichtigkeit, die Uneinsichtigkeit und der Egoismus der Menschen, die meinen, wenn sie persönlich einen Vorteil erlangen können, dann nutzen sie diese "Chance" ohne Rücksicht auf andere oder die Folgen. "Mein Vorteil ist mir wichtiger als ein Nachteil für andere" - das ist Egozentrik pur.

Auch das Sankt-Florian-Denken: 'die anderen ja - aber ich nicht' ist das Denken von Egomanen. 'Ich will - aber die anderen sollen nicht' - wo führt das hin?
Genau hier reihen Sie sich aber selbst in die Phalanx der Sankt-Florian-Denker ein: Die Konsumenten sind die Bösewichter. Sollen die sich doch umstellen! Der Facheinzelhandel ist nur das Opfer...

Eben nicht! Und dies haben etliche Händler erkannt, die sich neue Zugänge zum Kunden erschlossen haben, statt herumzulamentieren und den Kunden zu beschimpfen. Sie selbst gehören offensichtlich auch zu den Umdenkern (siehe www.scription.de), oder etwa nicht? Umso mehr kann ich Ihre Wehklagerei nicht nachvollziehen.

So, das musste einmal heraus. Vielen Dank an alle, die bis hierhin durchgehalten haben.

MiLo
Dirk Barmeyer

Beitrag von Dirk Barmeyer »

Hallo Axel,

ja, meine Aussage, die Hersteller sollten sich ihre Kunden im Ausland suchen, ist nur bedingt richtig.
Ich hatte dabei die Schmuckindustrie im Blick. Wenn ein Großversender oder ein Kaufhaus seinen Schmuck bislang in Deutschland bezogen hat und wegen einer minimalen Preisreduzierung lieber in Asien fertigen lässt braucht er hier in Pforzheim seine Kataloge gar nicht mehr verteilen, da 'eh kein Geld mehr da ist ...

Ich behaupte, daß ich vielen Fällen nicht der Verbraucher der "Böse" war, der die Produktionsverlagerung ins Ausland erzwungen hat. Häufig ist die Unternehmensleitung der Meinung gewesen, damit mehr Gewinn einstreichen zu können. Ich denke da an Airbus, die ja über eine Produktion in China nachdenken.

Bei Montblanc sitzen die Kunden ja sowieso schon im Ausland. Dennoch kommt das Meiste aus Deutschland. Es scheint also zu gehen !

"unsere Ansprüche müssen geringer werden"
Da hast Du recht. Ich sehe darin eine Chance, anders zu leben.
Und warum soll ein Inder nicht die Möglichkeit haben, durch angenehme Arbeit zu bescheidenem (oder auch unbescheidenem) Wohlstand zu kommen ? Er hat das gleiche Recht darauf wie ich.

Doch, Katharsis, der lokale Schreibwarenhändler ist Kunde bei seinen Kunden. Nur teilweise sehr indirekt :-)
Wenn Axel in Bremen seine Wurst beim Metzger nebenan kauft kann der seine Angestellten vernünftig bezahlen und der Sohn des Angestellten bekommt zum Abitur einen Montblanc geschenkt (bei Axel gekauft). Oder noch komplizierter : Der Metzger macht mit Axel guten Umsatz, liest im Feierabend viele Bücher, die er beim örtlichen Buchhändler kauft, der seinem Sohn zum Abitur einen MB schenkt.

Aber das klingt jetzt alles viel zu protektionistisch !
Angenommen, ein Diplomat aus Trinidad mit Wohnsitz in USA würde auf meinen Rat hin Axel in Bremen besuchen und dort (nach perfekter Beratung und Service durch Axel) ein Geschenk für mich kaufen. Dagegen habe ich überhaupt nichts !
Die Leute dürfen kaufen, was und wo sie wollen. Wir sollten nur gelegentlich darüber nachdenken.

Und ja, MiLo, wir sollten nicht alle Einzelhandelsgeschäfte über einen Kamm scheren. Ich kenne auch viele bei denen ich eher froh sind, wenn sie endlich schließen !

Viele Grüße
Dirk
Dieter N
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Beitrag von Dieter N »

MiLo hat geschrieben:Wenn es denn so gewesen ist, wäre Ihr Einwand berechtigt. Aber ich habe den "Fall Katharisis" anders in Erinnerung. Der Federntausch war offensichtlich vom Händler angeboten worden - wahrscheinlich, weil dieser erkannt hat, dass man so auch Kunden an sicht binden und zukünftige Käufe bei diesem Händler motivieren kann. Ich vermag hier nicht Verwerfliches zu erkennen.
An der Stelle sei aus der ersten Katharsis, Absatz 3 zitiert:
"...Dieser [Anm. Dieter N.: Der Verkäufer des Füllers] hat nämlich gesagt im Problemfall soll ich die Feder an ihn schicken und die Garantie praktisch bei ihm habe. Jedoch wollte ich eben die Feder (die F) selber vorher testen (um zu sehen ob mir die strichstärke besser zusagen würde) und auch wollte ich nicht durch das rücksenden der Feder die Zeit verlieren. Denn bis ich die Feder weggeschickt hätte, der Verkäufer, die Feder gewechselt hätte und dann wieder zurückgeschickt hätte, würde doch einiges an Zeit vergehen... Zeit, in der ich auf den Füller nicht mehr verzichten würde. Ausserdem würden auch noch beachtliche Versandkosten zustande kommen... der Versand zwischen Österreich und Deutschland ist ja nicht gerade billig. ..."

Angebot des Händlers und gesunder Egoismus des bisherigen Füller-Nichtkunden stehen hier wohl zumindest 1:1 gegenüber :twisted:

Viele Grüße
Dieter
Atlan
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Beitrag von Atlan »

MiLo,
Whow - dein Beitrag war ja fast eine halbe Diplomarbeit der Volkswirtschaft. Vielen Dank! War interessant zu lesen.
Dirk Barmeyer hat geschrieben:Die Leute dürfen kaufen, was und wo sie wollen. Wir sollten nur gelegentlich darüber nachdenken.

Dirk
Ich denke, Dirk hat es hier auf den Punkt gebracht. Jeder sollte bei sich selbst anfangen zu überlegen WO WAS mit welchen Konsequenzen gekauft wird. Absolut meine Meinung.

Gruß, Atlan
MiLo
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Beitrag von MiLo »

Dieter N hat geschrieben:
MiLo hat geschrieben:Wenn es denn so gewesen ist, wäre Ihr Einwand berechtigt. Aber ich habe den "Fall Katharisis" anders in Erinnerung. Der Federntausch war offensichtlich vom Händler angeboten worden - wahrscheinlich, weil dieser erkannt hat, dass man so auch Kunden an sicht binden und zukünftige Käufe bei diesem Händler motivieren kann. Ich vermag hier nicht Verwerfliches zu erkennen.
An der Stelle sei aus der ersten Katharsis, Absatz 3 zitiert:
"...Dieser [Anm. Dieter N.: Der Verkäufer des Füllers] hat nämlich gesagt im Problemfall soll ich die Feder an ihn schicken und die Garantie praktisch bei ihm habe. Jedoch wollte ich eben die Feder (die F) selber vorher testen (um zu sehen ob mir die strichstärke besser zusagen würde) und auch wollte ich nicht durch das rücksenden der Feder die Zeit verlieren. Denn bis ich die Feder weggeschickt hätte, der Verkäufer, die Feder gewechselt hätte und dann wieder zurückgeschickt hätte, würde doch einiges an Zeit vergehen... Zeit, in der ich auf den Füller nicht mehr verzichten würde. Ausserdem würden auch noch beachtliche Versandkosten zustande kommen... der Versand zwischen Österreich und Deutschland ist ja nicht gerade billig. ..."

Angebot des Händlers und gesunder Egoismus des bisherigen Füller-Nichtkunden stehen hier wohl zumindest 1:1 gegenüber :twisted:

Viele Grüße
Dieter
Dieser Absatz war offensichtlich meinem Gedächtnis entflohen. So wie es sich hier darstellt, steht es im Fall Katharsis tatsächlich mindestens 1:1.

Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich werfe nicht dem gesamten Facheinzelhandel Versagen vor und behaupte auch nicht, das die Kunden sich alles herausnehmen dürfen. Nur wehre ich mich gegen den Pauschalvorwurf, das Konsumentenverhalten sei allein ursächlich dafür, dass der Facheinzelhandel aus den deutschen (Innen-)Städten verschwindet.

Erst am Dienstag hatte ich ein interessantes Erlebnis bei einem bekannten Hamburger Facheinzelhändler in der Hanse-Viertel-Passage. Der Fachverkäufer in der Schreibgeräte-Abteilung sah sich nicht in der Lage, einigermaßen fundierte Auskünfte zu geben. Er bestand darauf, dass die B-Feder eines Aurora-Füllers eine M-Feder sei, obwohl auf dem Tintenleiter deutlich sichtbar ein B eingeprägt war, zeigte sich unfähig, einen Aurora Talentum mit Konverter ordnungsgemäß zu befüllen (nachdem er den ganzen Tisch "eingesaut" hatte, erließ ich ihm diese Tortur), drückte mir nach meiner Frage nach einem schwarzen OMAS 360 in HT-Ausführung einen blauen Paragon mit gelbvergoldeten Beschlägen in die Hand (mit der Entschuldigung, man wolle OMAS in Zukunft nicht mehr im Sortiment behalten) und war auch sonst erstaunlich unwillig, auch nur das Geringste zum erfolgreichen Abschluss eines Schreibgerätekaufs beizutragen. Ich habe dann seinem implizit geäußertem Wunsch entsprochen und das Feld geräumt. Sicherlich auf Dauer!

Viele Grüße

MiLo
MiLo
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Beitrag von MiLo »

Hallo Atlan!
Atlan hat geschrieben:MiLo,
Whow - dein Beitrag war ja fast eine halbe Diplomarbeit der Volkswirtschaft. Vielen Dank! War interessant zu lesen.
Leider neige ich berufsbedingt zum Dozieren. :oops: Aber manchmal geht mir halt der Gaul durch, insbesondere wenn man sich mal wieder über die Freiheiten unseres Wirtschaftssystems beklagt, nur weil jemand seine Freiheiten anders interpretiert und ausübt, als man es selbst gerne hätte.
Dirk Barmeyer hat geschrieben:Die Leute dürfen kaufen, was und wo sie wollen. Wir sollten nur gelegentlich darüber nachdenken.

Dirk
Ich denke, Dirk hat es hier auf den Punkt gebracht. Jeder sollte bei sich selbst anfangen zu überlegen WO WAS mit welchen Konsequenzen gekauft wird. Absolut meine Meinung.
Dem kann man sich getrost anschließen.

Viele Grüße nach Baden-Württemberg

MiLo
Dieter N
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Beitrag von Dieter N »

MiLo hat geschrieben:...Damit ich nicht falsch verstanden werde...
Keine Sorge, MiLo!

Ich wollte nur vermeiden, dass die diskussionsbegründende Aktion im Laufe der Gespräche heimlich, still und leise die Seite wechselt.

Von den zuletzt dargestellten wirtschafts-philosophischen Gedanken bin ich leider in meine Grenzen gewiesen worden. Mein gesundes Halbwissen reicht dann doch nur für eine oberflächliche Gerechtigkeitsbetrachtung der Sache. Daher meine ehrliche Hochachtung vor deinem und dem Wissen aller fundiert Diskutierenden.

Viele Grüße
Dieter
G-H-L
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Umtausch

Beitrag von G-H-L »

Hallo,

in vielen Punkten muß ich MiLo Recht geben. Die Fachhändler vor Ort machen sich oft genug selber das Leben schwer, bzw. das eigene Geschäft kaputt. Geschultes Fachpersonal, das über die Produkte Bescheid weiß und das mit Kunden umgehen kann, ist selten. Ich kenne in meiner Gegend kein Fachgeschäft, wo ich im Sitzen Probeschreiben kann. Bei meinem letzten Füllerkauf, war selbstredend nur die Federbreite M vorrätig. Andere Federbreiten auszuprobieren war gar nicht möglich. Klar, daß ein Federtausch nur beim Hersteller durchgeführt werden kann. Natürlich wurde mir bestätigt, daß die Firma Waterman sehr kulant sei.

Zu Hause durfte ich dann feststellen, daß im gekauften Füller die eingesetzte Patrone schon länger drin sein mußte, da sie vollkommen leer war. Die Schreibfarbe war nicht mehr blau, sondern schwarz. Und erst nach einer gründlichen Ultraschallreinigung war es möglich in den extra dazugekauften Konverter eine andere Tinte einzufüllen. So etwas darf in einem Fachgeschäft einfach nicht passieren.

Gruß
Gerhard
MiLo
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Beitrag von MiLo »

Hallo Dieter!
Dieter N hat geschrieben: Von den zuletzt dargestellten wirtschafts-philosophischen Gedanken bin ich leider in meine Grenzen gewiesen worden. Mein gesundes Halbwissen reicht dann doch nur für eine oberflächliche Gerechtigkeitsbetrachtung der Sache. Daher meine ehrliche Hochachtung vor deinem und dem Wissen aller fundiert Diskutierenden.
Nun, solche Wirtschaftsthemen waren und sind zugegebenermaßen "mein Terrain". Dafür machen mir die meisten hier im Forum etwas beim Thema Schreibgeräte vor. Und um Letztere soll sich die Welt in diesem Forum doch eigentlich drehen... :wink:

Viele Grüße

MiLo
Axel Hübener

Beitrag von Axel Hübener »

Moin zusammen,

nachdem ich mit meinen bewusst polarisierenden und provokanten Beiträgen einige, auch bislang stille Mitleser aus der Reserve gelockt habe, haben wir zwar das Ursprungsthema etwas verlassen, aber zumindest eine interessante Diskussion in Gang gebracht. Nach einem verlängertem Wochendende, an dem ich mit meinen 2CV-Freunden eine schöne Ausfahrt gemacht und das Wetter genossen habe, will ich aber doch noch zu ein paar Punkten Stellung nehmen.
MiLo hat geschrieben: Die (im Durchschnitt!) vergleichweise mageren Umsatzrenditen im deutschen Einzelhandel sind ausreichend in der Wirtschaftspresse dokumentiert; zur Kenntnisnahme benötigt man also keinen Gewerbeschein als Facheinzelhändler.

Wenn man davon ausgeht, dass alle diese Dokumentationen auch richtig interpretieren können, sicherlich nicht. Aber selbst die Redakteure der Wirtschaftsmedien verstehen manchmal nicht, worüber sie schreiben.
Gleichwohl können Sie auch nicht bestreiten, dass gerade die Margen bei "Luxusgütern" (wie edlen Schreibgeräten) überdurchschnittlich hoch sind. Dass der Verkauf hochwertiger Schreibgeräte von anderen Sortimentsteilen quersubventioniert wird, wäre mir absolut neu. Die Bilanzen, die ich bisher von Einzelhändlern gesehen habe, deuten jedenfalls nicht darauf hin.

Oh doch, gerade dies bestreite ich! Die Margen bei "Luxusgütern" sind meistens sogar noch geringer als bei den "Normalgütern", von Renditen ganz zu schweigen - aber dies liesst man nicht in Bilanzen, sondern nur in betriebsinternen Warenwirtschaftssystemen. Selbst wenn die Margen gleich wären, kommt bei den "Luxusgütern" die geringere Umschlagshäufigkeit hinzu, welches ein Return on Investment in weite Ferne schiebt. Diese beiden Faktoren, Margen und Rendite, dürfen nicht verwechselt werden!

Allerdings habe ich festgestellt, dass man auf der Händlerseite gerne "uneigennützig" auf die mageren Durchschnittszahlen im gesamten Einzelhandel verweist, die sich im unteren einstelligen Bereich bewegen - zumindest wenn man auch den Lebensmitteleinzelhandel einbezieht.

Nun, den Lebensmitteleinzelhandel, wie auch den Kfz-Handel, Möbel-Handel habe ich hier ebensowenig gemeint, wie den Textil-Handel.
Beweise?
Nun, die sind seit Jahren überall und von jedem zu sehen: Warum wohl wird das Angebot in den Schreibwarengeschäften immer geringer? Warum mussten und müssen immer mehr Schreibwarenfachgeschäfte in den Städten die Segel streichen? = Weil die zu realisierenden Preise keine ausreichenden Renditen mehr ermöglichen.
... Und weil sich der eine oder andere mit seinem Sortiment vergaloppiert hat oder eine längst fällige Sortimentsanpassung seit Jahren oder gar Jahrzehnten verschlafen hat; oder weil mal wieder eine Nachfolgefrage ungelöst geblieben ist...

Stimmt natürlich auch! Aber wenn ich das geschrieben hätte, wäre der erste Teil untergegangen.
Und wirkliche Individualprodukte werden noch teurer.
Diesen Zusammenhang hätte ich gerne (empirisch oder anhand von Beispielen] belegt.
Ein Beispiel habe ich mit der Federbreitenauswahl gebracht.
Meine Beobachtung ist gerade im Luxusgüterbereich eine völlig andere. So haben die Luxusuhrenhersteller mit jedem neuen Verkaufsrekord kräftig die Preise erhöht. Und die Konzernbilanzen von Richemont und LVMH und anderen sind blitzsauber. Die Händler haben die höheren Preise einfach an die Kunden weitergereicht.
Was hat eine Weitergabe von Preiserhöhungen von Herstellern mit Margen und Renditen eines Händlers zu tun? Die Konzerne haben sicherlich mehr Möglichkeiten, eine positive Bilanz vorzulegen, aber dies sagt doch nun wirklich nichts über die Situation der Händler aus; dort sind die Margen gleich gebleiben und die Renditen wegen gestiegener Kosten gesunken.
... wir beide leben wohl in unterschiedlichen Welten. Sprechen Sie nun von ihrem PBS-Bereich oder vom Güterangebot im Allgemeinen?
Nun, ich denke dass wir schon in der selben Welt leben. Nur dass wir sie vielleicht aus unterschiedlichem Blickwinkel wahrnehmen. Ich habe natürlich nur von der sogenannten PBS-Branche und deren Sortimenten gesprochen, weil die Einbeziehung anderer Branchen hier zu weit führen würde.
Unser Wirtschaftssystem fußt ganz elementar auf den Grundsätzen der individuellen Freiheit. Hierzu zählt ganz besonders auch die Gewerbefreiheit, von der auch Sie profitieren. Aber auch die Freiheit des Eizelnen, sich selbst der Nächste zu sein. Dies ist übrigens keine neue "Erfindung" unserer Gegenwart. Das wohlstandsstiftende Prinzip des Eigennutzes wurde bereits vom Urvater der Nationalökonomie, von Adam Smith, im Jahre 1776 in "The Wealth of Nations" aufgezeigt. Demnach backt ein Bäcker das Brot und schlachtet der Metzger ein Schwein nicht, um anderen einen Gefallen zu tun. Sie tun es aus eigenem Antrieb, aus Eigennutz (um Einkommen zu erzielen); und indem sie dies tun, vermehren Sie zugleich den Wohlstand der Gemeinschaft, die mit den notwendigen Gütern versorgt wird. Bis heute ist dieser Grundsatz fester und zugleich unverzichtbarer Bestandteil unser Wirtschaftsordnung.
Diesem habe ich auch nie widersprochen! Ich habe nur versucht darzustellen, dass man sich - bei aller "Freiheit des Einzelnen, sich selbst der Nächste zu sein" - über die Langzeitfolgen im Klaren sein sollte.
Zu unserem Marktgeschehen gehört auch, dass es das autonome Recht jedes Anbieters ist, Waren nicht mehr anzubieten. Damit muss halt dann der Kunde leben. Der eine oder andere Kunde mag dies beklagen, aber so ist der Lauf der Dinge.
Genau darauf habe ich hinweisen wollen.
Glauben Sie tatsächlich, dass die Werbekampagne eines bekannten Elektroeinzelhändlers ganze Heerscharen von Konsumenten zu willfährigen, quasi ferngesteuerten Schnäppchenjagd-Verliebten machen kann, die nach dem Motto "Hauptsache billig" entscheiden?
Ja, der Meinung bin ich tatsächlich, dass sich viele Menschen von dieser (und anderen) Kampagne(n) beeinflussen lassen.
Seit etlichen Jahren wird in Fachkreisen bereits das Phänomen des "Smartshoppers" diskutiert, der selektiv handelt, also sowohl auf Schnäppchenjagd geht als auch Luxusgüter nachfragt. Aber statt sich auf diese Konsumenten auszurichten, erstarrt die Branche lieber im Selbstmitleid, verharrt in Lethargie und beklagt das ach so ungehörige Verbraucherverhalten. Dabei heizt der Einzelhandel mit seinen Harakiri-Preisschlachtaktionen selbt das angeblich so schädliche Geiz-ist-geil-Verhalten an. Offensichtlich haben es deutsche Einzelhändler noch nicht wie ihre europäischen Nachbarn verstanden, den Verkauf von Waren attraktiver zu gestalten oder gar zu einem Erlebnis zu machen. Offensichtlich macht es vielen Deutschen mehr Spaß, mit dem Billigflieger zum "Shopping" nach Paris, London oder Mailand zu fliegen, statt in der immer wieder beklagten und oft auch tatsächlich vorzufindenen Dienstleistungswüste Deutschland den Einkauf vergällt zu bekommen. Dass hieran der deutsche Einzelhandel nicht unschuldig ist, das mag jeder erkennen, der schon einmal von dem oftmals äußerst höflichen und gut geschulten Personal im Facheinzelhandel des Auslands bedient wurde. Dort ist es nicht unfein, Diener des Kunden zu sein. Dort ist es auch selbstverständlich, dass der Verkäufer eines Montblanc-Schreibgerätes nicht wie die "Fachabteilungs-Repräsentantin" eines Karstadt-Hauses einen Kleidungsstil pflegt, den ich selbst nicht einmal dem Postboten bei der Entgegennahme eines Paketes an der Haustür zumuten würde. Erst recht würde dort niemand erwarten, dass der Kunde bei seinem Einkaufsvergnügen adretter gekleidet sein muss als der Repräsentant des Hauses, das ihm die Waren andienen möchte. Aber ich will dies hier nicht fortsetzen. Ich könnte noch stundenlang von Erlebnissen in der deutschen Konsumwelt und ihren Pendants im europäischen Ausland berichten...
Nun haben Sie, Milo, sich ja auch ganz schön in Rage geschrieben. Aber im Ausland ist auch nicht alles eitel Sonnenschein und in Deutschland nicht alles miess und schlecht. Es gibt hier wie dort positive und negative Ausnahmen. Natürlich ist es nicht "unfein", Diener des Kunden zu sein - aber der Stellenwert, das Ansehen eines Verkäufers ist z.B. in den USA auch sehr viel höher als bei uns. An dieser Entwicklung müssen wir hier in Deutschland noch viel arbeiten!!!
Deutschland geht eher an seiner Verkrustung und mangelnder Wandlungsfähigkeit zugrunde! Was der Verzicht auf einen intelligenten Strukturwandel und das Festhalten an längst nicht mehr wettbewerbsfähigen Industriezweigen anrichtet, das können Sie nicht nur im Ruhrgebiet studieren. Strukturwandel schafft Arbeitsplätze, er vernichtet sie nicht (siehe Bayern und Baden-Würtemberg sowie Sachsen)! Deutschland hatte in der Vergangenheit stets vom Fortschritt und vom Wandel profitiert. Erst seit wir unsere Innovationskraft eingebüßt haben und uns auf unsere liebgewonnenen Bequemlichkeiten ausruhen, verlieren wir im nennenswerten Umfang Arbeitsplätze an das Ausland.
Auch eine schöne Grabrede! Aber im Grunde genommen haben wir das Gleiche gesagt: Wenn wir uns nicht umstellen, dürfen wir uns über den Verlust von Arbeitsplätzen nicht wundern.

In neuen Industrien entstehen neue Arbeitsplätze - keine Frage. In nicht mehr wettbewerbsfähigen Industiezweigen gehen welche verloren - auch das ist richtig.
Mir ging es aber in meiner Antwort an Tenryu und Karthasis eher darum, ihnen bewusst zu machen, dass z.B. ein deutscher Arbeiter in einem deutschen Automobilwerk, der sich aus legitimen, "autonomen Entscheidungsgründen" ein asiatisches Auto kauft, sich nicht wundern darf, wenn sein Arbeitsplatz verlagert wird.
Oder - auf unser Hobby verweisend - ein Interessent und Internetkäufer für einen hochwertigen Füllfederhalter sich nicht wundern darf, dass es bald kein Angebot für diese Nischenprodukte mehr "vor Ort" gibt, wo er die Haptik, das Gewicht, die Ballance, die Schreibqualität, verschiedene Federstärken usw. ausprobieren kann, wenn alle wie er handeln würden.

Nun, zugegeben, es gibt noch nicht viele "Kollegenfirmen", die auf Kundenfreundlichkeit, Service, qualifiziertes Personal, Erlebniskauf usw. wert legen und die sich den geänderten Anforderungen des Marktes angepasst haben. Das beklage ich wie viele Konsumenten auch! Aber ich will mir dies nicht nur leisten, sondern auch leisten können - und das auch noch zukünftig!
Mit Dörrbecker http://www.doerrbecker.de und Scription http://www.scription.de haben meine Frau, meine MitarbeiterInnen und ich Tradition mit Innovation erfolgreich verbunden. Noch macht uns der Umgang mit schönen, hochwertigen Schreibgeräten und dem entsprechenden Umfeld viel Spaß und Freude. Auch eines meiner privaten Hobbies, das Sammeln von historischen Montblanc Füllfederhaltern, macht mir Freude. Ebenso wie die Weitergabe von Fachwissen darüber im Forum http://community.fountainpen.de/compone ... Itemid,41/.
Aber letztendlich entscheidet die Wirtschaftlichkeit darüber, wohin z.B. die Entwicklung der Schreibgerätebranche geht - vielleicht stellt sich dann heraus, dass die "Smartshopper" dann doch nicht so smart sind.

Besten Gruß,
Axel
Zuletzt geändert von Axel Hübener am 09.05.2006 18:47, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von G-H-L »

Hallo,

Oder - auf unser Hobby verweisend - ein Interessent und Internetkäufer für einen hochwertigen Füllfederhalter sich nicht wundern darf, dass es bald kein Angebot für diese Nischenprodukte mehr "vor Ort" gibt, wo er die Haptik, das Gewicht, die Ballance, die Schreibqualität, verschiedene Federstärken usw. ausprobieren kann, wenn alle wie er handeln würden.

Man darf aber auch nicht vergessen, daß es viele Käufer gibt, die sich im Internet über die hochwertigen Füller informieren und dieses durchaus gerne im Fachhandel kaufen würden. Nur werden diese Kunden dann vom Fachhandel regelrecht enttäuscht.

Kundenfreundlichkeit, Service und qualifizierte Personal sucht man heutzutage fast schon vergeblich im Fachhandel.

Gruß
Gerhard
Gruß
Gerhard

Nein, das ist keine unleserliche Handschrift!
Der Text ist nur analog verschlüsselt! :)
Axel Hübener

Beitrag von Axel Hübener »

Moin Gerhard,

ich könnte auch keine Kollegenfirma in Erlangen oder Nürnberg direkt empfehlen, weil ich das Angebot dort nicht kenne. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es unter den folgenden 81 Adressen (wobei einige sicherlich nicht "dazu" gehören werden) nicht doch auch gute, kompetente und hilfsbereite Kollegen gibt.

http://branchenbuch.opusforum.org/branc ... nzelhandel

http://branchenbuch.opusforum.org/branc ... nzelhandel

Besten Gruß,
Axel
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