Prioritäten im Grundschullehrplan
Moderatoren: Zollinger, desas, Linceo, Lamynator, MarkIV
Prioritäten im Grundschullehrplan
Liebe Freunde des kultivierten Schreibens,
als Vater von vier Kindern bekomme ich hautnah mit, was so in der Grundschule gelehrt wird. Meine Verwunderung über die Prioritäten ist erheblich. Es mag einiges von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein oder auch von Schule zu Schule. Manches ist vielleicht auch begründet, auch wenn es sich mir nicht erschließt. Da hier im Forum ja auch etliche Lehrer anwesend sind, mag es eine interessante Diskussion werden.
Nun rede ich von Prioritäten. Zuerst einmal scheint das Erlernen einer Schreibschrift überhaupt keine Priorität mehr zu haben. Soweit noch einheitliche Schriften im Gespräch sind, sind dies mehr oder minder verbundene Druckschriften. Eine Richtung, wie diese geschrieben werden, wird nicht mehr geschult. Jeder schreibt, wie er will.
Eine persönliche Schrift ist ja durchaus etwas Gutes. Aber ich hätte immer angenommen, dass man erst eine echte Schreibschrift erlernt, und daraus später von selbst eine individuelle, aber immer noch lesbare Schrift wird. Das Ganze wurde dann gut zusammengefasst, durch die Feststellung einer Lehrerin, schließlich sei ja jede von Hand geschriebene Schrift eine Handschrift. Und Stunden seien dafür allemal nicht mehr eingeplant.
Es kann natürlich auch nicht Ziel sein, Kalligrafen zu erziehen, aber am Anfang eine verbundene Schreibschrift erlernt zu haben, scheint mir schon dauerhaft von Vorteil zu sein.
Auf der anderen Seite werden Leistungen im Malen ungeheuer hoch geschätzt. Wer, wie ich, Kinder hat, die nicht so gern malen oder anmalen, muss sich schon im Kindergarten fragen lassen, ob die Kinder überhaupt schulreif sind. Bei Jungen ist das durchaus ein Problem. Später muss in benoteten Mappen alles angemalt werden. Ich hätte für eine Blümchengirlande um die Rechenaufgaben noch Abzüge bekommen, heute scheint das verpflichtend.
Ganz anders sieht es mit dem Rechnen aus. Hier werden kleine Rechenkönige herangezogen. Textaufgaben werden als zu schwer erachtet, aber Schnelligkeit im Rechnen ist alles.
Für mich deckt sich das nicht mit der Realität des Lebens. Alle Kollegen schreiben im beruflichen Alltag Notizen, wenn auch leider meist mit dem Kuli. Hier schnell und leserlich schreiben zu können, ist von erheblichem Vorteil. Gerechnet wird aber mit dem Taschenrechner oder inzwischen meist mit Excel. Etwas überschlagen zu können, das wäre nützlich, war aber zu meiner Zeit schon kein Schulstoff mehr. Und die Wirkung von Blümchengirlanden in der Konferenzmitschrift brauchen wir gar nicht zu diskutieren.
Aber vielleicht sehe ich das ja alles falsch!?
als Vater von vier Kindern bekomme ich hautnah mit, was so in der Grundschule gelehrt wird. Meine Verwunderung über die Prioritäten ist erheblich. Es mag einiges von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein oder auch von Schule zu Schule. Manches ist vielleicht auch begründet, auch wenn es sich mir nicht erschließt. Da hier im Forum ja auch etliche Lehrer anwesend sind, mag es eine interessante Diskussion werden.
Nun rede ich von Prioritäten. Zuerst einmal scheint das Erlernen einer Schreibschrift überhaupt keine Priorität mehr zu haben. Soweit noch einheitliche Schriften im Gespräch sind, sind dies mehr oder minder verbundene Druckschriften. Eine Richtung, wie diese geschrieben werden, wird nicht mehr geschult. Jeder schreibt, wie er will.
Eine persönliche Schrift ist ja durchaus etwas Gutes. Aber ich hätte immer angenommen, dass man erst eine echte Schreibschrift erlernt, und daraus später von selbst eine individuelle, aber immer noch lesbare Schrift wird. Das Ganze wurde dann gut zusammengefasst, durch die Feststellung einer Lehrerin, schließlich sei ja jede von Hand geschriebene Schrift eine Handschrift. Und Stunden seien dafür allemal nicht mehr eingeplant.
Es kann natürlich auch nicht Ziel sein, Kalligrafen zu erziehen, aber am Anfang eine verbundene Schreibschrift erlernt zu haben, scheint mir schon dauerhaft von Vorteil zu sein.
Auf der anderen Seite werden Leistungen im Malen ungeheuer hoch geschätzt. Wer, wie ich, Kinder hat, die nicht so gern malen oder anmalen, muss sich schon im Kindergarten fragen lassen, ob die Kinder überhaupt schulreif sind. Bei Jungen ist das durchaus ein Problem. Später muss in benoteten Mappen alles angemalt werden. Ich hätte für eine Blümchengirlande um die Rechenaufgaben noch Abzüge bekommen, heute scheint das verpflichtend.
Ganz anders sieht es mit dem Rechnen aus. Hier werden kleine Rechenkönige herangezogen. Textaufgaben werden als zu schwer erachtet, aber Schnelligkeit im Rechnen ist alles.
Für mich deckt sich das nicht mit der Realität des Lebens. Alle Kollegen schreiben im beruflichen Alltag Notizen, wenn auch leider meist mit dem Kuli. Hier schnell und leserlich schreiben zu können, ist von erheblichem Vorteil. Gerechnet wird aber mit dem Taschenrechner oder inzwischen meist mit Excel. Etwas überschlagen zu können, das wäre nützlich, war aber zu meiner Zeit schon kein Schulstoff mehr. Und die Wirkung von Blümchengirlanden in der Konferenzmitschrift brauchen wir gar nicht zu diskutieren.
Aber vielleicht sehe ich das ja alles falsch!?
Zuletzt geändert von drjokl am 02.03.2014 7:08, insgesamt 1-mal geändert.
Re: Prioritäten im Grundschullehrplan
Moin Dr. Jokl,
Du sprichst mir aus der Seele und dem ist nichts hinzu zu fügen. So ist es auch bei uns gewesen. Allerdings habe ich nur 1 Kind.
Eine Antwort habe ich nie bekommen, was das soll. Es sei denn, dass die Aussage "Das wird heute so gemacht" oder "Da wird heute kein Wert mehr drauf gelegt", eine Antwort sein soll. Für mich war und ist es keine Antwort.
Ausgenommen der Blumengirlanden um die Matheaufgaben, hat sich auch bis zur 7. Klasse für unseren Sohn nichts geändert.
Nun, ich bin mal gespannt, ob sich einer zu Wort meldet. Ich meine mich zu erinnern, dass ich meinem Ärger diesbezüglich schon mal Luft gemacht habe, wegen der radierbaren Tintenroller. Ich schaue es jetzt aber nicht nach.
Nein, ich will die Pilot Roller nicht schlecht machen. Es ärgert mich nur, dass sie den Füller ersetzt haben.
Du sprichst mir aus der Seele und dem ist nichts hinzu zu fügen. So ist es auch bei uns gewesen. Allerdings habe ich nur 1 Kind.
Eine Antwort habe ich nie bekommen, was das soll. Es sei denn, dass die Aussage "Das wird heute so gemacht" oder "Da wird heute kein Wert mehr drauf gelegt", eine Antwort sein soll. Für mich war und ist es keine Antwort.
Ausgenommen der Blumengirlanden um die Matheaufgaben, hat sich auch bis zur 7. Klasse für unseren Sohn nichts geändert.
Nun, ich bin mal gespannt, ob sich einer zu Wort meldet. Ich meine mich zu erinnern, dass ich meinem Ärger diesbezüglich schon mal Luft gemacht habe, wegen der radierbaren Tintenroller. Ich schaue es jetzt aber nicht nach.
Nein, ich will die Pilot Roller nicht schlecht machen. Es ärgert mich nur, dass sie den Füller ersetzt haben.
Wer Rechtschreibfehler gefunden hat, darf sich diese gerne ausdrucken und einrahmen.
Munter bleiben!
Heiko
Es gibt WICHTIGERES im Leben,
als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen.
Mahatma Gandhi
Munter bleiben!
Heiko
Es gibt WICHTIGERES im Leben,
als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen.
Mahatma Gandhi
Re: Prioritäten im Grundschullehrplan
Ich nehme mal an, dass auch in den Volksschullehrplänen einiges sehr allgemein formuliert ist. Es wird sicher nix von Blümchengirlanden im Matheheft stehen, wohl aber unter dem ganzen Kompetenzzeugs sowas wie "Förderung der Kreativität".
Da ist es natürlich Ermessensssache wie die Lehrerin dies auslegt, ebenso wie die Wahl des Schreibgerätes. Von dem Fall im Bekanntenkreis hebe ich eh schon mal in oben erwähnten Thread erzählt. Der Bub ( 2. Klasse) bekommt von Oma Füller und Tinte, kann perfekt mit Konverter umgehen, schreibt für sein Leben gern... bis ihm in der Schule gesagt wird, dass er mit Fineliner schreiben muss.
Finde ich persönlich auch bedenklich.
Anders verhält es sich mit der zu lernenden Schrift. Wenn ich richtig informiert bin, wird gerade über "vereinfachte Ausgangsschrift"(Siehe dazu den Wiki-Artikel) und "Grundschrift" diskutiert, beides mit dem Ziel, den SchülerInnen die größtmögliche Freiheit bei der Entwicklung einer eigenen Schreibschrift zu ermöglichen (aha...)
Andererseits kann ich mir vorstellen, dass ein nicht geringer Prozentsatz der heutigen Kinder damit motorisch überfordert ist und man froh sein kann, wenn sie leserliche Druckbuchstaben produzieren können.
Ich denke es sind einerseits sicher nicht wenige Schülerinnen mit allen möglichen Problemen , andererseits auch eine gewisse Form von vorauseilendem Gehorsam und Wohlfühlpädagogik und "bloß nicht überfordern"... oft auch durch den Druck der Eltern (Übertrittszeugnis).
Aus meiner eigenen Praxis (kaufmännische Berufsschule) kann ich berichten, dass ca 2/3 meiner Lieben "so etwas ähnliches wie Schreibschrift" schreiben; mit Tinte schreibt ca 1/4.
Ich finde es jedes Mal wieder hochinteressant, wenn ich einmal im Jahr bei einer kreativen Aufgabe Tauchfedern mitbringe und sich die allergrößten Rabauken plötzlich mit höchster Konzentration bemühen, mit Flex zu schreiben. ("Frau Lehrer, wie haben Sie das zuerst gemacht, dass es breit wird?")
Das Interesse der Jugend an Handschrift wäre schon da, man müsste sie nur lassen und ihnen diese auch nicht dauernd als lästige Pflicht vermitteln.
Da ist es natürlich Ermessensssache wie die Lehrerin dies auslegt, ebenso wie die Wahl des Schreibgerätes. Von dem Fall im Bekanntenkreis hebe ich eh schon mal in oben erwähnten Thread erzählt. Der Bub ( 2. Klasse) bekommt von Oma Füller und Tinte, kann perfekt mit Konverter umgehen, schreibt für sein Leben gern... bis ihm in der Schule gesagt wird, dass er mit Fineliner schreiben muss.
Finde ich persönlich auch bedenklich.
Anders verhält es sich mit der zu lernenden Schrift. Wenn ich richtig informiert bin, wird gerade über "vereinfachte Ausgangsschrift"(Siehe dazu den Wiki-Artikel) und "Grundschrift" diskutiert, beides mit dem Ziel, den SchülerInnen die größtmögliche Freiheit bei der Entwicklung einer eigenen Schreibschrift zu ermöglichen (aha...)
Andererseits kann ich mir vorstellen, dass ein nicht geringer Prozentsatz der heutigen Kinder damit motorisch überfordert ist und man froh sein kann, wenn sie leserliche Druckbuchstaben produzieren können.
Ich denke es sind einerseits sicher nicht wenige Schülerinnen mit allen möglichen Problemen , andererseits auch eine gewisse Form von vorauseilendem Gehorsam und Wohlfühlpädagogik und "bloß nicht überfordern"... oft auch durch den Druck der Eltern (Übertrittszeugnis).
Aus meiner eigenen Praxis (kaufmännische Berufsschule) kann ich berichten, dass ca 2/3 meiner Lieben "so etwas ähnliches wie Schreibschrift" schreiben; mit Tinte schreibt ca 1/4.
Ich finde es jedes Mal wieder hochinteressant, wenn ich einmal im Jahr bei einer kreativen Aufgabe Tauchfedern mitbringe und sich die allergrößten Rabauken plötzlich mit höchster Konzentration bemühen, mit Flex zu schreiben. ("Frau Lehrer, wie haben Sie das zuerst gemacht, dass es breit wird?")
Das Interesse der Jugend an Handschrift wäre schon da, man müsste sie nur lassen und ihnen diese auch nicht dauernd als lästige Pflicht vermitteln.
Re: Prioritäten im Grundschullehrplan
Ein Gedicht auswendig lernen, eine lesbare Schrift durch Übung erwerben, manuelle Fähigkeiten einfachster Natur einüben - für solch Überflüssiges scheint in unserer Zeit der "Optimiererei" kein Bedarf mehr zu bestehen....Fiamma hat geschrieben:Ich finde es jedes Mal wieder hochinteressant, wenn ich einmal im Jahr bei einer kreativen Aufgabe Tauchfedern mitbringe und sich die allergrößten Rabauken plötzlich mit höchster Konzentration bemühen, mit Flex zu schreiben. ("Frau Lehrer, wie haben Sie das zuerst gemacht, dass es breit wird?")
Das Interesse der Jugend an Handschrift wäre schon da, man müsste sie nur lassen und ihnen diese auch nicht dauernd als lästige Pflicht vermitteln.
Ich musste miterleben, wie meine beiden Kinder dank einer effizienzoptimierten Grundschule z.B. Schwingübungen mit dem Füller vorenthalten wurden.
Mein 12jähriger gibt sich heute redlich Mühe, dennoch ist seine Schrift allenfalls für Apotheker flüssig lesbar.
Wir können über diese Entwicklungen betrübt sein, aber so sind die Zeitenläufte nun einmal.
Persönliche Freude am Schreiben (und Handwerken und anderen intellektuellen Leistungen) müssen wir Eltern und engangierte Lehrerinnen und Lehrer der nächsten Generation versuchen nahe zu bringen.
Diese nächste Generation erwirbt allerdings auch Kenntnisse und Fähigkeiten, die uns vorenthalten bleiben werden....
Thats live since Seneca
Thomas
p.s.: DANKE an alle Lehrer und Ausbilder und Beteiligte, die aus den "Lehrjahren" ein spannendes Abenteuer machen!
Zuletzt geändert von duckrider am 02.03.2014 4:50, insgesamt 1-mal geändert.
Re: Prioritäten im Grundschullehrplan
Gerne geschehen.duckrider hat geschrieben: p.s.: DANKE an alle Lehrer und Ausbilder und Beteiligte, die aus den "Lehrjahren" ein spannendes Abenteuer machen!
Zum Fachlichen sage ich momentan noch keine Worte, aber ich denke, wenn es die meine Zeit in den kommenden Tagen erlaubt, schreibe ich gerne ein paar Sätze dazu.
Schöne Grüße
Thorsten
Re: Prioritäten im Grundschullehrplan
Hi,
es wird noch schlimmer kommen. Meine Tochter ist inzwischen 18 und geht zum Wirtschaftsgymnasium.
In der Grundschule gab es das Motto: "Schreib, wie Du glaubst, dass es richtig ist". Tja, was soll ich sagen? Meine Tochter hat sich das zum Prinzip gemacht. Und dann stellte ich in Klasse 5 fest, dass es keine Diktate mehr gibt. Dafür in jedem Fach, in dem man sich in Klausuren in Deutsch ausdrücken muss, muss ein Fehlerquotient errechnet werden. Und der führt zu Auf- oder Abwertung der Note (es gibt allerdings auch den Fall, dass die Note gleich bleibt). Die Schrift meiner Tochter war immer lesbar, wenn man mit dieser Ausgangsschrift umgehen kann. Und meine Tochter hat nur mit Füllhalter geschrieben (zu Weihnachten gab es dann einen Lamy Studio mit M-Feder in 14k). Die Rechtschreibprobleme haben sich gebessert, sie ist aber noch weit davon entfernt, wirklich gut zu sein.
Und in diesem Punkt scheint meine Tochter kein Einzelfall zu sein. Ich habe im Referat schon junge Mitarbeiter gehabt, die haben zwar einen Master. Aber Schreiben können die nicht (wenn wenigsten die Rechtschreibprogramme ausgiebig genutzt würden...). Ich frage mich manchmal, wie die durch das Studium gekommen sind.
Tja, und was mich immer mal wieder traurig macht: Wenn die Eltern nicht in der Lage sind, das Kind zu unterstützen (sei es durch eigene oder externe Nachhilfe), dann sinken in vielen Fächern die Chancen der Kinder enorm. So bin ich inzwischen wieder ziemlich perfekt in Integral- und Differentialrechnung. Nebenbei habe ich auch noch Java gelernt. Bei Genetik musste ich leider passen (ich hatte damals Bio abgewählt und dafür Physik-LK). Und ich stelle inzwischen fest, dass es auch in der BWL (ist ein Leistungskurs auf dem Wirtschaftsgymnasium) interessante Themen gibt. Meiner Tochter konnte ich Fach Französisch leider nicht helfen, da ich vor vielen Jahren Latein gelernt und gehasst habe. Aber da konnte dann meine Frau einspringen. Und dann kommt noch dazu, dass in jedem Fach die mündliche Leistung etwa die Hälfte der Note ausmacht. Wer wie meine Tochter ein wenig introvertiert ist, hat einfach verloren. Ist schon frustrierend wenn Jemand in einem Halbjahr die zwei Klausuren mit einer 2+ abschließt und dann eine 3 auf dem Zeugnis bekommt.
Woran liegt es? Ich könnte es mir einfach machen, und auf die Lehrer schimpfen. Ja, einige Lehrer lassen es sichtlich an Motivation fehlen. Das ist aber die Minderheit. In jeder Berufsgruppe gibt es auch schwächere Mitarbeiter. Ich vermute, dass da einfach Resignation im Spiel ist. Fakt ist allerdings, dass die Klassen schlichtweg zu groß sind Auch heute sind noch über 30 Schülerinnen und Schüler in einer Klasse. D.h. bei einer Schulstunde bleibt für das einzelne Kind nicht mehr als 1,5 Minuten. Und da liegt m.E. das größte Problem. Länder, die in der PISA-Studie besser abgeschnitten haben, haben Klassen mit 15 Schülern und dort stehen dann auch mal gleich noch zwei Lehrer. Davon kann man hier nur träumen.
Gruß
Thomas
es wird noch schlimmer kommen. Meine Tochter ist inzwischen 18 und geht zum Wirtschaftsgymnasium.
In der Grundschule gab es das Motto: "Schreib, wie Du glaubst, dass es richtig ist". Tja, was soll ich sagen? Meine Tochter hat sich das zum Prinzip gemacht. Und dann stellte ich in Klasse 5 fest, dass es keine Diktate mehr gibt. Dafür in jedem Fach, in dem man sich in Klausuren in Deutsch ausdrücken muss, muss ein Fehlerquotient errechnet werden. Und der führt zu Auf- oder Abwertung der Note (es gibt allerdings auch den Fall, dass die Note gleich bleibt). Die Schrift meiner Tochter war immer lesbar, wenn man mit dieser Ausgangsschrift umgehen kann. Und meine Tochter hat nur mit Füllhalter geschrieben (zu Weihnachten gab es dann einen Lamy Studio mit M-Feder in 14k). Die Rechtschreibprobleme haben sich gebessert, sie ist aber noch weit davon entfernt, wirklich gut zu sein.
Und in diesem Punkt scheint meine Tochter kein Einzelfall zu sein. Ich habe im Referat schon junge Mitarbeiter gehabt, die haben zwar einen Master. Aber Schreiben können die nicht (wenn wenigsten die Rechtschreibprogramme ausgiebig genutzt würden...). Ich frage mich manchmal, wie die durch das Studium gekommen sind.
Tja, und was mich immer mal wieder traurig macht: Wenn die Eltern nicht in der Lage sind, das Kind zu unterstützen (sei es durch eigene oder externe Nachhilfe), dann sinken in vielen Fächern die Chancen der Kinder enorm. So bin ich inzwischen wieder ziemlich perfekt in Integral- und Differentialrechnung. Nebenbei habe ich auch noch Java gelernt. Bei Genetik musste ich leider passen (ich hatte damals Bio abgewählt und dafür Physik-LK). Und ich stelle inzwischen fest, dass es auch in der BWL (ist ein Leistungskurs auf dem Wirtschaftsgymnasium) interessante Themen gibt. Meiner Tochter konnte ich Fach Französisch leider nicht helfen, da ich vor vielen Jahren Latein gelernt und gehasst habe. Aber da konnte dann meine Frau einspringen. Und dann kommt noch dazu, dass in jedem Fach die mündliche Leistung etwa die Hälfte der Note ausmacht. Wer wie meine Tochter ein wenig introvertiert ist, hat einfach verloren. Ist schon frustrierend wenn Jemand in einem Halbjahr die zwei Klausuren mit einer 2+ abschließt und dann eine 3 auf dem Zeugnis bekommt.
Woran liegt es? Ich könnte es mir einfach machen, und auf die Lehrer schimpfen. Ja, einige Lehrer lassen es sichtlich an Motivation fehlen. Das ist aber die Minderheit. In jeder Berufsgruppe gibt es auch schwächere Mitarbeiter. Ich vermute, dass da einfach Resignation im Spiel ist. Fakt ist allerdings, dass die Klassen schlichtweg zu groß sind Auch heute sind noch über 30 Schülerinnen und Schüler in einer Klasse. D.h. bei einer Schulstunde bleibt für das einzelne Kind nicht mehr als 1,5 Minuten. Und da liegt m.E. das größte Problem. Länder, die in der PISA-Studie besser abgeschnitten haben, haben Klassen mit 15 Schülern und dort stehen dann auch mal gleich noch zwei Lehrer. Davon kann man hier nur träumen.
Gruß
Thomas
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- Registriert: 28.07.2012 21:38
Re: Prioritäten im Grundschullehrplan
Werte Leserschaft,
interessantes Thema, gerne las ich Eure Ausführungen dazu.
Nach dem Kriege war ein Volksschullehrer für mehrere Klassen bzw. für alle Schüler zwischen sechs bis vierzehn Jahren in einem Dorf verantwortlich; so berichteten zumindest meine Vorfahren.
Alle konnten rechnen und schreiben. Diese Generation war u.a. mitverantwortlich für das Wirtschaftswunder, usw. usf.
An den geforderten kleinen Klassen liegt es meiner Ansicht nach nicht.
Ein finanzielles Problem?
Mitnichten, damals gab es nicht im Ansatz so viel bereitgestelltes Geld für Bildung als heute. Ich will nicht wissen, zu welchen zusätzlichen Leistungen die damalige Generation fähig gewesen wäre, hätte sie die heutigen Voraussetzungen vorgefunden.
Woran könnte es u.a. liegen?
Sogenannte Sekundärtugenden werden heute schlichtweg ignoriert, als Beispiel nenne ich die Disziplin, das ungeliebte Kind der Pädagogik.
Inklusion, sich am schwächsten Schüler orientieren, Gleichmacherei, übersteigerte Erwartungshaltung der Eltern an ihr Kind und an die Lehrerschaft, multikulturelle Klassenverbände, Autoritätsverlust der Lehrerschaft, falsche Lehrpläne; diese Ansätze sind beileibe nicht abschließend, möglicherweise aber ein Erklärungsversuch.
Letztendlich werden wir in allen Bereichen älter, weniger und unqualifizierter.
Anscheinend liege ich mit meinen Äußerungen nicht auf Linie. Überfüllte Universitäten lassen den Eindruck entstehen, daß wir vor Intelligenz nur so strotzen.
Würde man nur noch MINT-Studiengänge anbieten und sog. "Schwatzfächer" streichen, die Hörsäle würden große Lücken aufweisen.
Hinzu kommt, daß das mittlerweile verschmähte Handwerk unseren Wohlstand erarbeitete, weniger die akademischen Berufe und schon gar nicht irgendwelche Dienstleistungsbranchen.
Hier wäscht im Ergebnis nur einer die Wäsche des anderen, es entsteht keinerlei Wertschöpfung.
Ein damaliger, einfacher Handwerker schrieb sauber, in lateinischer Ausgangsschrift und vor allem lesbar. Damals gab es noch Noten auf die Handschrift.
Kopfrechnen, Dreisatz, Prozentrechnung stellten keine größeren Hürden für ihn dar.
Warum man diese Grundvoraussetzungen für ein späteres, erfolgreiches Arbeitsleben in Frage stellt, es entzieht sich meiner Kenntnis.
Warum zu alledem von verantwortlicher Seite geschwiegen wird, alles mehr oder weniger verniedlicht medial dargestellt wird, ich weiß es wiederum nicht.
Durfte neulich eine Kurznachricht eines Studierten lesen, katastrophal.
"Denk' ich an Deutschland in der Nacht, werd' ich um den Schlaf gebracht..."
Ansonsten werde ich für meine Liebe zum Detail, auch in Sachen Handschrift und Füllfederhalter, nur noch müde belächelt.
So, als wäre man von einem anderen Stern, dem "Penexchange-Stern"...
In der Hoffnung, niemanden gelangweilt zu haben, verbleibe ich mit sonntäglichen Grüßen ins Forum,
Euer
i. Steube
interessantes Thema, gerne las ich Eure Ausführungen dazu.
Nach dem Kriege war ein Volksschullehrer für mehrere Klassen bzw. für alle Schüler zwischen sechs bis vierzehn Jahren in einem Dorf verantwortlich; so berichteten zumindest meine Vorfahren.
Alle konnten rechnen und schreiben. Diese Generation war u.a. mitverantwortlich für das Wirtschaftswunder, usw. usf.
An den geforderten kleinen Klassen liegt es meiner Ansicht nach nicht.
Ein finanzielles Problem?
Mitnichten, damals gab es nicht im Ansatz so viel bereitgestelltes Geld für Bildung als heute. Ich will nicht wissen, zu welchen zusätzlichen Leistungen die damalige Generation fähig gewesen wäre, hätte sie die heutigen Voraussetzungen vorgefunden.
Woran könnte es u.a. liegen?
Sogenannte Sekundärtugenden werden heute schlichtweg ignoriert, als Beispiel nenne ich die Disziplin, das ungeliebte Kind der Pädagogik.
Inklusion, sich am schwächsten Schüler orientieren, Gleichmacherei, übersteigerte Erwartungshaltung der Eltern an ihr Kind und an die Lehrerschaft, multikulturelle Klassenverbände, Autoritätsverlust der Lehrerschaft, falsche Lehrpläne; diese Ansätze sind beileibe nicht abschließend, möglicherweise aber ein Erklärungsversuch.
Letztendlich werden wir in allen Bereichen älter, weniger und unqualifizierter.
Anscheinend liege ich mit meinen Äußerungen nicht auf Linie. Überfüllte Universitäten lassen den Eindruck entstehen, daß wir vor Intelligenz nur so strotzen.
Würde man nur noch MINT-Studiengänge anbieten und sog. "Schwatzfächer" streichen, die Hörsäle würden große Lücken aufweisen.
Hinzu kommt, daß das mittlerweile verschmähte Handwerk unseren Wohlstand erarbeitete, weniger die akademischen Berufe und schon gar nicht irgendwelche Dienstleistungsbranchen.
Hier wäscht im Ergebnis nur einer die Wäsche des anderen, es entsteht keinerlei Wertschöpfung.
Ein damaliger, einfacher Handwerker schrieb sauber, in lateinischer Ausgangsschrift und vor allem lesbar. Damals gab es noch Noten auf die Handschrift.
Kopfrechnen, Dreisatz, Prozentrechnung stellten keine größeren Hürden für ihn dar.
Warum man diese Grundvoraussetzungen für ein späteres, erfolgreiches Arbeitsleben in Frage stellt, es entzieht sich meiner Kenntnis.
Warum zu alledem von verantwortlicher Seite geschwiegen wird, alles mehr oder weniger verniedlicht medial dargestellt wird, ich weiß es wiederum nicht.
Durfte neulich eine Kurznachricht eines Studierten lesen, katastrophal.
"Denk' ich an Deutschland in der Nacht, werd' ich um den Schlaf gebracht..."
Ansonsten werde ich für meine Liebe zum Detail, auch in Sachen Handschrift und Füllfederhalter, nur noch müde belächelt.
So, als wäre man von einem anderen Stern, dem "Penexchange-Stern"...
In der Hoffnung, niemanden gelangweilt zu haben, verbleibe ich mit sonntäglichen Grüßen ins Forum,
Euer
i. Steube
Re: Prioritäten im Grundschullehrplan
Mich hast Du auf keinen Fall gelangweilt, Ingo.
Handwerker ist ein gutes Stichwort.
Vor einiger Zeit habe ich in einem Archiv eine Art Bestellbuch eines Vorarbeiters/Lageristen in die Finger bekommen. DIN A 6, wunderschön gebundenes Buch. Alle Einteragungen waren mit Tinte in ganz sauberer und lesbarer Schrift, und neben den Dingen, die er nachbestellen musste, waren sogar Zeichnungen, wie die Schrauben und Bolzen auszusehen haben. Alles mit Feder, alles mit schwarzer Tinte.
Leider konnte ich das Buch nicht bekommen, ich hätte es gerne gehabt.
Weiterhin bekam ich vor einiger Zeit einen Mustervordruck in die Hand. Ich sollte nur meinen Absender oben eintragen, unterschreiben, fertig. Dann sollte das Ding an die ... geschickt werden. Ich habe es nicht gemacht. Ich habe diesen Vordruck mit nach Hause genommen und das Ding komplett neu geschrieben. Ich bin sicherlich sehr schlecht in Rechtschreibung, aber dieser Vordruck war so derart daneben, dass ich mir das auf keinen Fall antun wollte. Aber, der Ersteller dieses Mustervordrucks ist selbstständig.
Und das hat mich an einen Elternabend erinnert, wo man meine Diskussion mit der Lehrerin unterbrochen hat und wir bekamen zu hören: "Meine Freundin schreibt auch Baum groß und Mauer klein. Aber sie ist selbstständig, also kann das doch mit der Rechtschreibung nicht so wichtig mehr sein."
Die Lehrerin nickte und ich wusste nicht, ob ich heulen oder kotzen sollte.
Schönen Rest vom Sonntag
Heiko
Handwerker ist ein gutes Stichwort.
Vor einiger Zeit habe ich in einem Archiv eine Art Bestellbuch eines Vorarbeiters/Lageristen in die Finger bekommen. DIN A 6, wunderschön gebundenes Buch. Alle Einteragungen waren mit Tinte in ganz sauberer und lesbarer Schrift, und neben den Dingen, die er nachbestellen musste, waren sogar Zeichnungen, wie die Schrauben und Bolzen auszusehen haben. Alles mit Feder, alles mit schwarzer Tinte.
Leider konnte ich das Buch nicht bekommen, ich hätte es gerne gehabt.
Weiterhin bekam ich vor einiger Zeit einen Mustervordruck in die Hand. Ich sollte nur meinen Absender oben eintragen, unterschreiben, fertig. Dann sollte das Ding an die ... geschickt werden. Ich habe es nicht gemacht. Ich habe diesen Vordruck mit nach Hause genommen und das Ding komplett neu geschrieben. Ich bin sicherlich sehr schlecht in Rechtschreibung, aber dieser Vordruck war so derart daneben, dass ich mir das auf keinen Fall antun wollte. Aber, der Ersteller dieses Mustervordrucks ist selbstständig.
Und das hat mich an einen Elternabend erinnert, wo man meine Diskussion mit der Lehrerin unterbrochen hat und wir bekamen zu hören: "Meine Freundin schreibt auch Baum groß und Mauer klein. Aber sie ist selbstständig, also kann das doch mit der Rechtschreibung nicht so wichtig mehr sein."
Die Lehrerin nickte und ich wusste nicht, ob ich heulen oder kotzen sollte.
Schönen Rest vom Sonntag
Heiko
Re: Prioritäten im Grundschullehrplan
Ich oute mich und sage, dass ich die Entwicklung absolut verstehen kann.
Selber hab ich große Freude am handschriftlichen Schreiben, aber wenn ich ehrlich bin, brauche ich es effektiv nicht oft.
Mein Kalender ist im Handy, Schriftverkehr geschieht zu 90% über Mail die restlichen 10% werden im Word geschrieben und gedruckt.
Wenn die vier Kompetenzbereiche: Kommunikation, Bewerten, Erkenntnisgewinn und Fachwissen gleichberechtigt gefördert werden sollen ist klar, dass Abstriche gemacht werden müssen. Früher ging es frontal und es wurde auch mal stumpf stundenlang wiederholt. Heute müssen Schüler eben auf eine sich schnell wandelnde Welt vorbereitet und mit den nötigen Kompetenzen ausgestattet werden.
Betrachtet man dann noch, dass die Handschrift immer unwichtiger wird, Rechtschreibprüfungen viele Fehler finden und es in anderen Ländern längst Usus ist auf Groß- und Kleinschreibung in Mails keinen Wert zu legen, liegt es nur nah, dass die Handschrift nicht priorisiert wird (und Orthographie an Wichtigkeit verliert).
Dann auch noch gepresste Lehrpläne dank G8... Ich glaube unser Schulsystem hat viele Schwachstellen, dass aber auf eine Handschrift nicht mehr so viel Wert gelegt wird ist für mich keine.
/edit:
Für alle Interessierten hier eine kurze Zusammenfassung warum die Rechtschreibung in der Grundschule so unterrichtet wird, wie ihr es beschreibt. Finde ich sehr interessant!
http://www.uni-leipzig.de/herder/projek ... ain5.3.htm
Selber hab ich große Freude am handschriftlichen Schreiben, aber wenn ich ehrlich bin, brauche ich es effektiv nicht oft.
Mein Kalender ist im Handy, Schriftverkehr geschieht zu 90% über Mail die restlichen 10% werden im Word geschrieben und gedruckt.
Wenn die vier Kompetenzbereiche: Kommunikation, Bewerten, Erkenntnisgewinn und Fachwissen gleichberechtigt gefördert werden sollen ist klar, dass Abstriche gemacht werden müssen. Früher ging es frontal und es wurde auch mal stumpf stundenlang wiederholt. Heute müssen Schüler eben auf eine sich schnell wandelnde Welt vorbereitet und mit den nötigen Kompetenzen ausgestattet werden.
Betrachtet man dann noch, dass die Handschrift immer unwichtiger wird, Rechtschreibprüfungen viele Fehler finden und es in anderen Ländern längst Usus ist auf Groß- und Kleinschreibung in Mails keinen Wert zu legen, liegt es nur nah, dass die Handschrift nicht priorisiert wird (und Orthographie an Wichtigkeit verliert).
Dann auch noch gepresste Lehrpläne dank G8... Ich glaube unser Schulsystem hat viele Schwachstellen, dass aber auf eine Handschrift nicht mehr so viel Wert gelegt wird ist für mich keine.
/edit:
Für alle Interessierten hier eine kurze Zusammenfassung warum die Rechtschreibung in der Grundschule so unterrichtet wird, wie ihr es beschreibt. Finde ich sehr interessant!
http://www.uni-leipzig.de/herder/projek ... ain5.3.htm
Zuletzt geändert von philS am 02.03.2014 9:46, insgesamt 2-mal geändert.
Re: Prioritäten im Grundschullehrplan
Hallo miteinander
Lieber Ingo, du sprichst mir aus der Seele. Ich hätte es nicht besser ausdrücken können, denn das ist ein Thema, an dem ich schon seit längerem verzweifle.
Als ich vor 10 Jahren meine Frau kennen lernte, waren ihre Jungs 10,14 und 18 Jahre alt. Ich wunderte mich darüber, daß alle drei nicht richtig schreiben konnten. Die Aussage, daß sie in der Schule schreiben durften, wie sie wollten, konnte ich nicht glauben. Es ist schon ungaublich, wenn ein vierzehnjähriger seine eigene, erst 14 Tage alte Hausaufgabe selber nicht lesen kann!
Jetzt ist unsere Tochter, ein kleiner Nachzügler, in der zweiten Klasse und ich sehe mit eigenen Augen, wie sie Druckbuchstaben malt und ihre eigene Rechtschreibung entwickelt. Es scheint wichtiger zu sein, überhaupt irgend etwas zu schreiben, als richtig zu schreiben. Erst jetzt, nach eineinhalb Jahren, merke ich zarte Versuche, den Kindern zumindest eine Spur von Rechtschreibung beizubringen.
"Aber Papa, warum muß ich das jetzt so schreiben? ich habe das doch immer anders geschrieben und die Lehrerin konnte es doch immer lesen!"
Wie soll man ihr erklären, daß sie bis jetzt nur Mist gelernt hat, ohne die Autorität der Lehrerin zu untergraben?
Außerdem ist es nach meiner Erfahrung viel schwerer, erlernte Fehler nachträglich zu beseitigen, als etwas Neues sofort richtig zu lernen.
Kommende Woche haben wir einen Elternabend, bei dem auch dieses Thema zur Sprache kommen soll. Falls hier Interesse besteht, werde ich gerne berichten, was dabei herauskommt.
Sorgenvolle Grüße
Andreas
Lieber Ingo, du sprichst mir aus der Seele. Ich hätte es nicht besser ausdrücken können, denn das ist ein Thema, an dem ich schon seit längerem verzweifle.
Als ich vor 10 Jahren meine Frau kennen lernte, waren ihre Jungs 10,14 und 18 Jahre alt. Ich wunderte mich darüber, daß alle drei nicht richtig schreiben konnten. Die Aussage, daß sie in der Schule schreiben durften, wie sie wollten, konnte ich nicht glauben. Es ist schon ungaublich, wenn ein vierzehnjähriger seine eigene, erst 14 Tage alte Hausaufgabe selber nicht lesen kann!
Jetzt ist unsere Tochter, ein kleiner Nachzügler, in der zweiten Klasse und ich sehe mit eigenen Augen, wie sie Druckbuchstaben malt und ihre eigene Rechtschreibung entwickelt. Es scheint wichtiger zu sein, überhaupt irgend etwas zu schreiben, als richtig zu schreiben. Erst jetzt, nach eineinhalb Jahren, merke ich zarte Versuche, den Kindern zumindest eine Spur von Rechtschreibung beizubringen.
"Aber Papa, warum muß ich das jetzt so schreiben? ich habe das doch immer anders geschrieben und die Lehrerin konnte es doch immer lesen!"
Wie soll man ihr erklären, daß sie bis jetzt nur Mist gelernt hat, ohne die Autorität der Lehrerin zu untergraben?
Außerdem ist es nach meiner Erfahrung viel schwerer, erlernte Fehler nachträglich zu beseitigen, als etwas Neues sofort richtig zu lernen.
Kommende Woche haben wir einen Elternabend, bei dem auch dieses Thema zur Sprache kommen soll. Falls hier Interesse besteht, werde ich gerne berichten, was dabei herauskommt.
Sorgenvolle Grüße
Andreas
Es ist besser ein kleines Licht anzuzünden, als auf die Dunkelheit zu schimpfen.
Re: Prioritäten im Grundschullehrplan
Da muß ich dir sofort widersprechen. Wie oben geschrieben, konnte unser Sohn sein eigenes Machwerk nicht mehr entziffern. Und vor kurzem hatten wir auch hier im Forum so einen Rechtschreibungstotalausfall, dessen Posts kaum zu begreifen waren.philS hat geschrieben:Ich oute mich und sage, dass ich die Entwicklung absolut verstehen kann.
Selber hab ich große Freude am handschriftlichen Schreiben, aber wenn ich ehrlich bin, brauche ich es effektiv nicht oft.
Mein Kalender ist im Handy, Schriftverkehr geschieht zu 90% über Mail die restlichen 10% werden im Word geschrieben und gedruckt.
Wenn die vier Kompetenzbereiche: Kommunikation, Bewerten, Erkenntnisgewinn und Fachwissen gleichberechtigt gefördert werden sollen ist klar, dass Abstriche gemacht werden müssen. Früher ging es frontal und es wurde auch mal stumpf stundenlang wiederholt. Heute müssen Schüler eben auf eine sich schnell wandelnde Welt vorbereitet und mit den nötigen Kompetenzen ausgestattet werden.
Betrachtet man dann noch, dass die Handschrift immer unwichtiger wird, Rechtschreibprüfungen viele Fehler finden und es in anderen Ländern längst Usus ist auf Groß- und Kleinschreibung in Mails keinen Wert zu legen, liegt es nur nah, dass die Handschrift nicht priorisiert wird (und Orthographie an Wichtigkeit verliert).
Dann auch noch gepresste Lehrpläne dank G8... Ich glaube unser Schulsystem hat viele Schwachstellen, dass aber auf eine Handschrift nicht mehr so viel Wert gelegt wird ist für mich keine.
Auch wenn moderne Technik einem viel abnehmen kann, sollten doch gewisse Grundlagen vorhanden sein, ohne die auch ein Computer nichts mehr retten kann.
Ich hatte einen Kollegen, der konnte unsere CNC-Maschinen viel schneller und leichter programmieren, als ich. Ihm fehlten aber die Grundlagen, die man nur durch manuelles Arbeiten erlernen kann. Das Ergebnis war eine volle Schrottkiste und nicht eingehaltene Termine.
Nur mit einem soliden Unterbau an Grundkenntnissen hat man die Möglichkeit, später irgendwann hohe Leistungen zu zeigen.
Kein Haus steht sicher ohne ein vernünftiges Fundament.
Gruß
Andreas
Es ist besser ein kleines Licht anzuzünden, als auf die Dunkelheit zu schimpfen.
- Cepasaccus
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan
Was ist mit Kunst? Feinmotorik? Persoenlichkeit? Also wenn ich was streichen wuerde, dann im Fachwissen. Bei den Auswendiglernfaechern wie Erdkunde oder Biologie habe ich bestimmt 99% vergessen. Das war bei mir also fast komplett Zeitverschwendung. Vielleicht sagt jetzt jemand "Aber wenn Du Biologie studiert haettest ...". Dann haette ich das sicher im Studium nachgelernt. Zumindest beim Chemiestudium heisst es, dass die Leute, die in der Schule kaum Chemie hatten, eher besser sind, weil die gleich mitlernen und sich nicht erst zuruecklehnen, weil sie das schon kennen.philS hat geschrieben:Wenn die vier Kompetenzbereiche: Kommunikation, Bewerten, Erkenntnisgewinn und Fachwissen gleichberechtigt gefördert werden sollen
Aber ich muss zugeben, in der Grundschule habe ich das viele Schreiben gehasst. Ich hatte damals einen Pelikano und mir tat die Hand weh. Das erste mal, dass ich gerne geschrieben habe, war etwa in der 10.-12. (+/- 1) Klasse als ich von meinem Vater den Kolbenfueller aus seiner Kindheit bekommen h1abe. Das war ein OM mit etwas Flex wuerde ich sagen und war aus den 1930ern/40ern. (Mein Vater hat ihn um 1950 gebraucht erworben.) Leider habe ich ihn dann in der Schule verloren. Deswegen kann ich nicht mehr genau sagen, was es war.
Cepasaccus
Re: Prioritäten im Grundschullehrplan
Hier muss ich entgegnen, dass zum Beispiel Inklusion und multikulturelle Klassenverbände nicht als Gefahr, sondern ehr als Chance gesehen werden sollten. Diese beiden Modelle bilden nämlich einfach nur die Realität unserer Gesellschaft ab. Denn gerade in der Schule kann sehr viel für Integration getan werden, wenn man es denn richtig anstellt.Ingo Steube hat geschrieben:Woran könnte es u.a. liegen?
Sogenannte Sekundärtugenden werden heute schlichtweg ignoriert, als Beispiel nenne ich die Disziplin, das ungeliebte Kind der Pädagogik.
Inklusion, sich am schwächsten Schüler orientieren, Gleichmacherei, übersteigerte Erwartungshaltung der Eltern an ihr Kind und an die Lehrerschaft, multikulturelle Klassenverbände, Autoritätsverlust der Lehrerschaft, falsche Lehrpläne; diese Ansätze sind beileibe nicht abschließend, möglicherweise aber ein Erklärungsversuch.
Hier können Kinder lernen, dass es ganz normal ist, sich mit verschiedenen Kulturen auseinanderzusetzen, denn das werden sie im späteren Leben auch tun müssen, gerade weil wir alle immer älter und vor allem weniger werden.
Ich glaube nämlich, wenn wir hier trennen würden, entstehen ganz andere, wesentlich größere Probleme.
Zustimmen würde ich, dass es durchaus nicht schadet, ein bisschen mehr Disziplin zu fordern, allerdings in Maßen. Wir können nicht allen ernstes das Schulsystem der 50er oder 60er Jahre zum Ideal für unsere heutige Zeit erheben. Ich will nicht falsch verstanden werden, in dieser Epoche mag das so richtig gewesen sein, heute ich es das meiner Meinung nach nicht mehr. So wie sich die Gesellschaft immer im Wandel befindet, so ist es auch das Schulsystem, dass sich anpasst. Auf Rechtschreibung und Grammatik zu achten, finde ich wichtig, Kinder so schreiben zu lassen, wie sie es wollen geradezu lächerlich. Dem gegenüber stehen aber auch viele sehr gute und wertvolle Änderungen, die sich im laufe der Jahrzehnte vollzogen haben.
Hier musste ich kurz schmunzeln, denn diese Feststellung höre ich, der eines dieser "Schwatzfächer" studiert (Politikwissenschaft) häufiger.Ingo Steube hat geschrieben:
Anscheinend liege ich mit meinen Äußerungen nicht auf Linie. Überfüllte Universitäten lassen den Eindruck entstehen, daß wir vor Intelligenz nur so strotzen.
Würde man nur noch MINT-Studiengänge anbieten und sog. "Schwatzfächer" streichen, die Hörsäle würden große Lücken aufweisen.
Wenn ich mir so anschauen, was ich außer reiner Politikwissenschaft sonst noch so lerne und belegen muss, ist man am Ende des Studiums sehr gut aufgestellt für die Welt da draußen, in der es eben nicht nur auf einen Fachwissensbereich ankommt, sondern auch auf einiges mehr. Diese Fächer haben nämlich alle eines gemeinsam: Kommunikation.
Wer in der Lage ist, vernünftig zu kommunizieren, ist auch in der Lage Probleme zu lösen, denn häufig kommt es nicht auf Fachwissen an, sondern auf Teamfähigkeit und Kommunikation.
Viele Grüße,
Christian
Christian
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan
Dankbarerweise musss ich mich nicht zu sehr mit dem Thema auseinandersetzen.
Aber eine kleine Anmerkung möchte ich doch kurz machen. In der UK wird schon seit vielen Jahren nur noch Druckschrift gelehrt und ich persönlich finde es auch nicht weiter dramatisch, dass kein cursive mehr unterrichtet wird. Was ich hingegen unglücklich finde, ist, dass auf ordentliche Schrift und Rechtschreibung kein großer Wert mehr gelegt wird. Allerdings behaupte ich von mir nicht, perfekt zu sein. Seitdem ich in der UK eine Zeit lang zur Schule gegangen bin, kann ich keine Kommasetzung mehr und die neue deutsche Rechtschreibung ist nicht wirklich meine Stärke.
Des Weiteren, auch wenn ich sehr gerne mit Füller schreibe, wird im Ausland, teilweise sogar Arbeiten und Klausuren, mit Bleistift geschrieben. In UK wird neben dem Bleistift bereits in der Schule mit Kugelschreiber oder Ballpen geschrieben. Füller wird dort schon lange nicht mehr verwendet. Eine ausländische Mitarbeiterin brachte mich wieder auf die Idee mehr mit Bleistift zu schreiben als sie mir erzählte, dass sie immer noch viel, so wie sie es in der Schule tat, mit Bleistift schreibt.
Btw: Keiner meiner Studenten hat die Klausur mit Füller geschrieben. Ob Ihnen das verboten wurde, weiß ich nicht, da ich die Aufsicht nicht geführt habe.
Ach, ist das jetzt doch viel geworden...
Aber eine kleine Anmerkung möchte ich doch kurz machen. In der UK wird schon seit vielen Jahren nur noch Druckschrift gelehrt und ich persönlich finde es auch nicht weiter dramatisch, dass kein cursive mehr unterrichtet wird. Was ich hingegen unglücklich finde, ist, dass auf ordentliche Schrift und Rechtschreibung kein großer Wert mehr gelegt wird. Allerdings behaupte ich von mir nicht, perfekt zu sein. Seitdem ich in der UK eine Zeit lang zur Schule gegangen bin, kann ich keine Kommasetzung mehr und die neue deutsche Rechtschreibung ist nicht wirklich meine Stärke.
Des Weiteren, auch wenn ich sehr gerne mit Füller schreibe, wird im Ausland, teilweise sogar Arbeiten und Klausuren, mit Bleistift geschrieben. In UK wird neben dem Bleistift bereits in der Schule mit Kugelschreiber oder Ballpen geschrieben. Füller wird dort schon lange nicht mehr verwendet. Eine ausländische Mitarbeiterin brachte mich wieder auf die Idee mehr mit Bleistift zu schreiben als sie mir erzählte, dass sie immer noch viel, so wie sie es in der Schule tat, mit Bleistift schreibt.
Btw: Keiner meiner Studenten hat die Klausur mit Füller geschrieben. Ob Ihnen das verboten wurde, weiß ich nicht, da ich die Aufsicht nicht geführt habe.
Ach, ist das jetzt doch viel geworden...
Re: Prioritäten im Grundschullehrplan
Hallo,Kichererbse hat geschrieben:
Des Weiteren, auch wenn ich sehr gerne mit Füller schreibe, wird im Ausland, teilweise sogar Arbeiten und Klausuren, mit Bleistift geschrieben. In UK wird neben dem Bleistift bereits in der Schule mit Kugelschreiber oder Ballpen geschrieben. Füller wird dort schon lange nicht mehr verwendet. Eine ausländische Mitarbeiterin brachte mich wieder auf die Idee mehr mit Bleistift zu schreiben als sie mir erzählte, dass sie immer noch viel, so wie sie es in der Schule tat, mit Bleistift schreibt.
nur mal so als Beispiel,
mit Bleistift lässt sich sogar ausgezeichnet schreiben wie im Bildbeispiel zu sehen ist. Geschrieben mit Faber-Castell 6B, je weicher desto besser. Ich schreibe zwar nicht sehr oft mit Bleistift, aber wenn ich auf Tour bin garantiert so ein Bleistift schon bequemes schreiben ohne Tintenfass und Spitzfeder. Und mit Haarspray übersprüht hält das ewig.
Gruß, pejole
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