Fälschen für Fortgeschrittene

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Wurmbunt
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Fälschen für Fortgeschrittene

Beitrag von Wurmbunt »

Hallo in die Runde,
den Faden eröffne ich aus einem aktuellen Grund - habe günstig einen Parker Vacumatic aus der Bucht ergattert - sehr guter Zustand zu einem Spottpreis. Gut das Diaphragma war versteinert - der Clip lose und die Feder übelst krumm!
Nach dem Richten und zurechtdrücken mit der Poliernadel war die originale Einprägung der Feder etwas zu flach und nicht mehr so klar erkennbar wie man es sich wünschen würde - vor allem der Pfeil hatte gelitten.
Ich habe leider kein Bild vom Zustand vor dem Richten, da mir erst beim Betrachten des verflachten Imprints die Idee kam, hier die Grenze zwischen Restauration und Fälschung zu überschreiten!
Die typische Pfeilfeder des Vacumatics gab es auch in einer Twotone - Ausführung. Damit ist der Kontrast zwischen goldener Feder und silbernem Pfeil auch mit einer etwas "vernudelten" Prägung gegeben!
Also habe ich beschlossen eine 2-farbige Feder zu kreieren!
Maskierband aus dem Modellbau
Maskierband aus dem Modellbau
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Die nicht zu färbenden Bereiche werden mit Maskingtape aus dem Modellbau abgeklebt.
Parker Pfeil abgeklebt
Parker Pfeil abgeklebt
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Nun mit Rhodiumelektrolyt und Stiftgalvanik die offenliegenden Flächen beschichtet.
Rhodinieren
Rhodinieren
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Nach einem bisschen Federstreicheln mit der Anode und entfernen des Maskierbandes, sieht das ganze so aus.
Frisch rhodiniert
Frisch rhodiniert
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Noch ein bisschen polieren und voila - eine Parker "Twotone" liegt vor uns!
Parker Twotone ???
Parker Twotone ???
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Nun zum eigentlichen Thema!
Ist das noch Restauration oder eben eine plumpe Fälschung?
Wie weit darf man gehen?
Wo zieht ihr eure Grenze - Was ist erlaubt?
Bitte um rege Beteiligung - schreibt was ihr denkt!
Alles Liebe,
Andi
Grüße Andi
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Mahlekolben
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Re: Fälschen für Fortgeschrittene

Beitrag von Mahlekolben »

Der Begriff der Restauration ist immer auch an den jeweiligen Zeitgeist angelehnt, das merke ich immer wieder im Bereich der Uhren und Oldtimer.

Früher wurde gemacht und getan, bis das alte Stück besser da stand, als es hergestellt wurde. Heute geht man zumindest in Museen einen anderen Weg: Möglichst viel alte Masse erhalten, Elemente zur Vervollständigung müssen wieder entfernbar sein und werden gerne extra sichtbar gemacht, um den Fundzustand zu demonstrieren und ihn auch tatsächlich wiederherstellen zu können.

Hardliner gehen sogar soweit, das Stück völlig in seinem Fundzustand zu belassen, einige lehnen sogar konservierende Maßnahmen ab, da der weitere Verfall zur Geschichte gehört. Ich hatte mal einen völlig ausgebrannten Mercedes SL gesehen, der, so wie er war, mehr Wert darstellen sollte, als ein komplett restauriertes und nutzbares Pendant.

Manches Mal ist es auch echt schwer: Die Farben von damals werden schon lange nicht mehr hergestellt, Ersatzteile sind vom Markt, Ersatz-Ersatzteile (z.B. eine ordinäre Türdichtung) müssen erst lange gesucht oder gar selbst hergestellt werden. Original Werkzeuge und Maschinen zur Herstellung sind kaum noch verfügbar - und wenn man doch etwas auftreiben kann, findet man niemanden mehr, der damit umgehen kann.

An Deinem Füller hast Du aus meiner Sicht keine Restauration durchgeführt, sondern eher eine Nutzbarmachung - was, bei dem schönen Ergebnis, völlig OK ist.
Viele Grüße

Michael
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duckrider
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Re: Fälschen für Fortgeschrittene

Beitrag von duckrider »

@Andi: Deine Arbeit ist toll geworden, ich habe großen Respekt für solcher handwerklicher Leistung.
Eine Bewertung, ob passende Restauration oder zu weit gehend, werde ich mangels Sachkenntnis nicht abgeben.

Ich würde aber gerne was lernen:
Wie sieht eine "Poliernadel" aus, und wie arbeitet man damit die Feder auf?
Und der Elekrolysestift interessiert mich sehr: Hast Du ein paar Fotos für uns (ich denke, es gibt noch Neugierige, daher der Plural ;) ) und eine Bezugsquelle? Elektrolyte mit Rhodium, wo gibt's denn sowas?

Für Deine (hoffentlich ausführliche) Antwort schon mal vorab herzlichen Dank!

Und Gratulation zum Vacumatic, der sicher auch noch unser Interesse findet!
;)
Thomas
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Skotty
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Re: Fälschen für Fortgeschrittene

Beitrag von Skotty »

Hallo,

Rebsekt! ;)
Das sieht doch gut aus.
Und erlaubt ist, was Dir selbst gefällt. Der gehört ja schließlich Dir.

Technische Details würden mich auch sehr interessieren. (wissend, daß ich
sowas als Vollhandwerkslegasteniker niemals zustande bringen würde.)

Gruß
Stephan
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parker_pen
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Re: Fälschen für Fortgeschrittene

Beitrag von parker_pen »

eine ganz tolle Arbeit, das gefällt mir sehr gut. Diese Feder würde meinem Vacumatic sicher auch gut stehen.

Eine Fälschung ist doch eigentlich immer eine Kopie eines (in der Regel) originalen Markenprodukts. Da du ja eine echte Parker Feder bearbeitet hast, kann es ja dementsprechend nie eine Fälschung sein, Original bleibt Original ;) .

Ich hoffe wir bekommen das gute Stück noch in voller Pracht frisch aufgehübscht zu sehen.
Liebe Grüße
Torsten

Die größte Macht hat das richtige Wort zur richtigen Zeit. "Mark Twain"
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Wurmbunt
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Re: Fälschen für Fortgeschrittene

Beitrag von Wurmbunt »

Hallo,
kein Aufschrei der Empörung - hm hm - dabei hatte ich mich mental schon auf eine verbale Steinigung vorbereitet... nur original ist gut, oder Zerstörung unwiederbringlicher, historischer Originalsubstanz, oder so ähnlich!
Habe sogar extra "falsch herum" coloriert um mich zur Not herausreden zu können ;) (originale Parker Twotonefedern sind silbern mit goldenem Pfeil). Gefällt mir aber auch besser so herum, ausserdem kann ich ja jetzt die Feder als ultra seltene " Fehlvergoldung" in eBay anbieten :evil:
Spaß beiseite Füllerliebhaber sind eben entspannte Leute.
Zur Frage der Technik, Federn richten und Galvanik mache ich schnell noch ein paar Bilder, und schreibe dann noch was dazu.
Den fertigen Vacumatic zeige ich dann auch noch, wenn er wieder zusammengebaut ist - vergolde nur noch eben den Clip neu ( da spitzt teilweise schon das Trägermaterial durch) - wenn ich für die Bilder schon das Galvanikzeug ausbreite, kann ich das ja gleich mitmachen.
Grüße,
Andi
Grüße Andi
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Wurmbunt
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Re: Fälschen für Fortgeschrittene

Beitrag von Wurmbunt »

Hallo,
da bin ich wieder.
Zum Thema Federn richten gibt's hier im Forum ja schon jede Menge - deswegen nur kurz wie ich es mache (wegen der Frage nach der Poliernadel).
Ich bin jetzt keine Koriphäe auf dem Gebiet, habe aber bis auf die Stahlfedern, die mein Sohn regelmäßig zerstört, alle wieder gerade bekommen (Gold).
Richtblock und Poliernadel
Richtblock und Poliernadel
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Den Richtblock aus Akryl habe ich von der Firma "Pendragons" aus England, die haben auch viele Ersatzteile und Werkzeuge für die Vacumatics.
Als Poliernadel kann eigentlich jedes halbwegs harte, polierbare Material genommen werden - vom Essstäbchen (Forumstipp) bis zum Achat. Im Goldschmiedebedarf gibt es verschieden geformte Achate fertig gefasst im Holzgriff.
Meine ist einfach aus gehärtetem Stahl.
Beim Richten möglichst von der Federunterseite, mit der Poliernadel bei mäßigem Druck hin und her streichen, und versuchen alles wieder an seinen Platz zu bekommen.
Geduld! Drückt man zu fest kann es passieren, dass eine Wölbung auf der Federoberseite entsteht. Hat die Feder eine Ausbeulung nach oben, bleibt nichts anderes übrig als auf der Federoberseite zu drücken (sie liegt dann so wie auf dem Bild oben). Dabei verflacht aber leider jegliche Gravur - hier der Grund für die galvanische Nachbehandlung.
So - zur Galvanik.
Das ist jetzt wirklich einfach! Benötigt werden im Endeffekt lediglich eine Gleichstromquelle ein paar elektrische Leitungen und das entsprechende Elektrolyt.
Heimgalvanik
Heimgalvanik
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Das zu beschichtende Material muss leitfähig und sauber (Öl- und Fettfrei), sowie mit dem Minuspol der Stromquelle verbunden sein. Der Pluspol (Anode) wird bei der Badgalvanik einfach in das Elektrolyt getaucht.
Bei der Stiftgalvanik wird der Pluspol in ein elektrisch leitendes Röhrchen gesteckt. Je nach verwendetem Elektrolyt aus Nickel (oben das grüne Röhrchen) oder vor allem für Gold aus Graphit.
Die andere Seite des Rohres nimmt so eine Art Faserschreibereinsatz auf, der dann entsprechend Elektrolyt aufnimmt.
In vielen Internetquellen wird als Stromquelle eine Batterie empfohlen - davon würde ich abraten.
Gerade bei der Stiftgalvanik mit etwas erhöhten Übergangswiderständen ist es von Vorteil die Spannung und den Stromfluss regulieren zu können. Ein Labornetzteil für den Hausgebrauch kostet gerade mal 30€ - gebraucht sicher noch günstiger - bei den doch recht unangenehmen Preisen für Edelmetallelektrolyte wäre mir ein sicheres Ergebnis wichtiger. Gold- und Rhodiumelektrolyt sind übrigens die kleinen Fläschchen :) .
Für kleine Flächen und teure Elektrolyte bietet sich meiner Meinung nach die Stiftgalvanik an, da nicht immer ein ganzes Galvanikbad gefüllt werden muss - den benützten Faserschreibereinsatz stecke ich übrigens in ein kleines Plastiktütchen und nehme ihn beim nächsten mal wieder (natürlich für die selbe Elektrolytsorte).
Nur nebenbei - bei einer neuen Vergoldung, oder wenn die Goldschicht bis auf das Trägermaterial weg ist - immer zuerst verkupfern, dann vernickeln und erst anschließend vergolden. So hat man länger Freude daran, weil's hält und sich das Gold nicht nachträglich durch diffundierendes Kupfer verfärbt.
Ach ja der Clip des Parker erstrahlt auch wieder in neuem Glanz!
Parkerclip frisch vergoldet
Parkerclip frisch vergoldet
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Bevor ich es vergesse - viele Elektrolyte sind nicht sehr gesund - also Handschuhe tragen nicht vergessen.
Servus,
Andi
Grüße Andi
Thom

Re: Fälschen für Fortgeschrittene

Beitrag von Thom »

Wurmbunt hat geschrieben:
08.12.2018 21:16
Nur nebenbei - bei einer neuen Vergoldung, oder wenn die Goldschicht bis auf das Trägermaterial weg ist - immer zuerst verkupfern, dann vernickeln und erst anschließend vergolden. So hat man länger Freude daran, weil's hält und sich das Gold nicht nachträglich durch diffundierendes Kupfer verfärbt.
Das ist schon wichtig bei einer Kupferbasisschicht, ansonsten "versumpft" das Gold mit der Zeit (wie Wurmbunt schreibt, diffundiert in Wirklichkeit das Kupfer durch). Wir hatten's bei den flexiblen Tauchfedern im Füller auch mal erwogen, ich glaube aber nicht, dass es dann im Flexbetrieb dauerhaft hält.

V.G.
Thomas
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TomSch
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Re: Fälschen für Fortgeschrittene

Beitrag von TomSch »

Tach zusammen, hallo Andi.

Die Elektrolyt- und Galvanik-Geschichte ist mir für die wenigen Gelegenheiten, bei denen ich sie benötigte, zu viel "Hardware" mit zu wenig persönlichem Nutzen, nichtsdestotrotz jedoch toll erklärt und bestimmt ein Gewinn für viele hier. :)
Mich persönlich hat die Poliernadel-Erklärung stark weiter gebracht. Da ich häufiger Tintensäcke bei den britischen Stiftdrachen bestelle, werde ich mir bei nächster Gelegenheit einen solchen Richtblock mitkommen lassen. Die ein oder andere zu richtende Feder hat sich hier schon eingefunden und wartet auf Wiederbelebung. ;)

Danke!
Gerade kam ein Sonnenstrahl durch die Wolken.
Thomas
Sei nicht so; sei anders.
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Wurmbunt
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Re: Fälschen für Fortgeschrittene

Beitrag von Wurmbunt »

Hallo,
bevor ich es vergesse - hier noch ein Bild des zusammengebauten Füllers
Parker Vacumatic Baujahr 1943
Parker Vacumatic Baujahr 1943
15443754020870.jpg (215.4 KiB) 5063 mal betrachtet
Wieder schreibbereit zu seinem 75. Geburtstag!
Grüße,
Andi
Grüße Andi
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Mahlekolben
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Re: Fälschen für Fortgeschrittene

Beitrag von Mahlekolben »

Supi!

75 Jahre sind schon eine Hausnummer...

Und Deine Wiederbelebung des Füllers entspricht genau dem, was ich mir im Rahmen der "Nachhaltigkeit" wünsche und in einer "positiven Gesamt-Ökobilanz" sehen möchte: Ein längst produziertes und lange genutztes Stück, mit ein paar Handgriffen für die nächsten Jahre nutzbar gemacht... Das Ding avanciert für mich geradezu zum Paradebeispiel.

Es muss jetzt nicht jeder Haushalt über eine Galvanik verfügen - das wäre Quatsch (und würde auch wieder nicht in die Ökobilanz passen). Aber hier und dort jemand, der großzügig damit umgehen kann und alten, gerockten Teilen wieder zu neuem Glanz und (besonders!) einer neuen Nutzbarkeit verhilft...

Schick' das Ding mal ins Bundeskabinett, vielleicht regt es ja hier und dort mal zum Denken an...

Toll gemacht, ganzganzganz toll gemacht - ehrlich!
Viele Grüße

Michael
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stift
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Re: Fälschen für Fortgeschrittene

Beitrag von stift »

Mit Fälschung hat das meiner Meinung nichts zu tun,ich restauriere ja auch einiges und wäre froh wenn ich das könnte.
Super toll gemacht,ich gratuliere dir ganz herzlichst.

Fälschung wäre das wenn man ein Teil nachdrehen würde und das aber als Original verkaufen,das wäre für mich eine Fälschung.
Aber nicht für den Nutzer der sich das selber macht,sonder es gibt Händler die das auch machen und aber nicht sagen das es nach gedreht wurde.....usw. da könnte man Stunden diskutieren.

Dein Parker ist ein Hammer,da ich mich selber mit diesen nicht beschäftige.............meine Bewunderung :o

Liebe Grüße
Harald
#Non, je ne regrette rien#
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duckrider
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Re: Fälschen für Fortgeschrittene

Beitrag von duckrider »

Herzlichen Dank für die sehr ausführliche Beschreibung Andi!

Ich bin zwar Dilletnat, aber das steht auf meiner Agenda für die nächste Zeit. Es müssen einge Pelikan Clips vergoldet werden, da werde ich mich dran versuchen.

Weiter viel Erfolg und Freude an Deinem Tun
Thomas
Thom

Re: Fälschen für Fortgeschrittene

Beitrag von Thom »

Bei vernickeltem Stahl geht das auch im Tauchbad. https://www.youtube.com/watch?v=SoiguDeHbTM

V.G.
Thomas
Caeruleum
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Re: Fälschen für Fortgeschrittene

Beitrag von Caeruleum »

Ob solche Reparaturen bis Veränderungen aus sammlerischer Sicht gut oder schlecht sind, kann ich nicht beurteilen.
Ich bin mir aber sicher, dass ich diese Reparatur sehr beeindruckend finde.
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