Wahl Eversharp Doric

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Thom

Re: Wahl Eversharp Doric

Beitrag von Thom »

Wurmbunt hat geschrieben:
22.01.2020 22:16
Vielen Dank Thomas für die Blumen, aber so sind meine Beiträge überhaupt nicht gedacht :!:
Andi, nun kriege mal keine Panik, ich weiß schon, was Du kannst. Und mache auf alle Fälle mit Deinen hochinteressanten Beiträgen weiter, es ist immer gut, von den Besten zu lernen. :)

V.G.
Thomas
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Wurmbunt
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Re: Wahl Eversharp Doric

Beitrag von Wurmbunt »

Hallo,
der Füllfederhalter ist zerlegt - bis auf das Dichtpaket im Schaftende, das erstaunlicher Weise noch funktioniert. :!: :)
Doch der Reihe nach. Der Doric (2. Generation) ist ein Stößelfüller, im englischen wird das System "Plungerfiller" oder auch "Pistonfiller" genannt.
Prinzipskizze
Prinzipskizze
15798085617770.jpg (114.3 KiB) 3350 mal betrachtet
Das Füllsystem ist ebenso einfach, wie genial.
Eine Stößelstange wird durch eine, fest angebrachte, Dichtung am Schaftende des Füllfederhalters geführt. Am schaftseitigen Ende der Stange ist eine weitere Dichtung angebracht, die zur Schaftinnenseite hin abdichtet. Zum befüllen wird einfach die Stößelstange nach hinten gezogen, bis zwischen fester- und beweglicher Dichtung kaum noch Luft ist. Die Feder wird in die Tinte getaucht und der Stößel komplett hinein gedrückt. Bei der Vorwärtsbewegung entsteht zwischen der beweglichen- und der festen Dichtung ein Vacuum. Erreicht nun die Stößelstange ihre Endstellung, ist die bewegliche Dichtung im Bereich der Nut im Schaft angelangt. Da keine Berührung zwischen Dichtfläche und Schaftwandung mehr vorhanden ist, reißt das Vacuum ab und es wird dadurch Tinte angesaugt. Da natürlich kein absolutes Vacuum erzeugt wird, füllt sich der Schaft nur ungefähr zu 2/3. Das System wurde bereits 1905 von der englischen Firma Onoto/Thomas De La Rue entwickelt. 1905 war der "Red Flag Act" (ein Gesetz, das besagte, daß vor einem Automobil - das übrigens nur 6 km/h fahren durfte - ein Fußgänger mit einer roten Flagge herlaufen musste) in England noch keine 10 Jahre abgeschafft und der Bau der Titanic noch in der Planungsphase!
Das Füllsystem wurde von vielen, teilweise namhaften, Herstellern kopiert und wird heute noch gebaut - z. B. Twisby Vac-System.
Hier ein paar zeitgenössische Konkurrenzprodukte:
Plungerfillers
Plungerfillers
15798093137190.jpg (176.61 KiB) 3350 mal betrachtet
Der Füllfederhalter ganz links passt nicht ganz dazu - ein Onoto aus der Ebonitära, mehr das ursprüngliche Patent und deutlich früher hergestellt. Rechts daneben ein Onoto aus den 30ern und zwei Sheaffer Vacfill aus der selben Zeit.
Reichlich Konkurrenz also für den "Doric"!
Das Füllsystem war damals zwar "trendy", aber eben kein Alleinstellungsmerkmal. Deshalb hat die Wahl Company alles in ihr Flaggschiff hineingebaut, was damals technisch möglich war:
- verbessertes Füllsystem mit Überströmkanälen
- verstellbare Feder (optional), tatsächlich ein
Alleinstellungsmerkmal!
- separates Absperrventil (die Funktion war zwar gegenüber
dem, an der Stößelstange angebrachten, Ventil von Onoto
eher fraglich, aber es war eben "Hipp"). Luftreisen mit dem
Zeppelin verfügten noch nicht über einen Druckausgleich
in der Kabine, so daß der Füller hätte tropfen können.
- das, meines Wissens, erste Tripel. :!: Feder und
Tintenleiter in einer einschraubbaren Hülse
zusammengefasst - heute Standart...
- die Sektion ist seitlich abgefräst und trägt eine
Querverstiftung, um die Stößelstange leicht zur Seite zu
biegen - man erhoffte sich einen besseren Füllungsgrad.
- die Endkappe trägt einen Metalleinsatz mit dem
entsprechenden Innengewinde um die Stößelstange
aufzunehmen - natürlich - maschinenbaulich korrekt - mit
einer Kontermutter in Stecknadelkopfgröße...
- selbstverständlich ließ es sich Wahl Eversharp auch nicht
nehmen,die Dichteinheit im Schaftende mit einem
Überzug in"rolled gold" zu versehen.
- die Feder für das Absperrventil ist total verformt,
goldfarben, 85 Jahre alt und zeigt keinerlei Korrosion - es
würde mich nicht wundern, wenn sie aus kaltgezogem
(wegen der Federeigenschaften)) Golddraht bestehen
würde...
Hier die Einzelteile des Doric:
Teilepuzzle
Teilepuzzle
15798040661610.jpg (191.21 KiB) 3344 mal betrachtet
Grüße Andi
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Zollinger
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Re: Wahl Eversharp Doric

Beitrag von Zollinger »

Hallo Andi
Dieser Doric ist wirklich sehr beeindruckend!
Etwas habe ich bei Deiner Beschreibung aber nicht verstanden. Was bedeutet das genau:
- die Sektion ist seitlich abgefräst und trägt eine
Querverstiftung, um die Stößelstange leicht zur Seite zu
biegen - man erhoffte sich einen besseren Füllungsgrad.
Vielen Dank.
Z.
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Wurmbunt
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Re: Wahl Eversharp Doric

Beitrag von Wurmbunt »

Hallo,
Zollinger hat geschrieben:
24.01.2020 9:40
Hallo Andi
Dieser Doric ist wirklich sehr beeindruckend!
Etwas habe ich bei Deiner Beschreibung aber nicht verstanden. Was bedeutet das genau:
- die Sektion ist seitlich abgefräst und trägt eine
Querverstiftung, um die Stößelstange leicht zur Seite zu
biegen - man erhoffte sich einen besseren Füllungsgrad.
Vielen Dank.
Z.
Ja das ist schon eine etwas seltsame Idee, welche die Whal Company da hatte. Eigentlich ist zwischen der Wandung im Bereich der Nut und der beweglichen Dichtung mehr als genug Platz, um die Tinte vorbeiströmen zu lassen.
Ausfräsung seitlich an der Sektion
Ausfräsung seitlich an der Sektion
15798680204880.jpg (409.13 KiB) 3299 mal betrachtet
Querstift in der Sektion
Querstift in der Sektion
15798680295151.jpg (257.87 KiB) 3299 mal betrachtet
Der Querstift ist etwas aus dem Zentrum heraus versetzt in Richtung der Aussparung. Das Ende der Stößelstange trägt einen Konus, der, sobald er an die Querstrebe stößt, bewirkt, daß die Stange leicht von der Einfräsung weggedrückt wird.
Ausformung des Stößelendes
Ausformung des Stößelendes
15798681624832.jpg (81.99 KiB) 3299 mal betrachtet
Es wird damit ein größerer Querschnitt für die einströmende Tinte geschaffen - sie soll durch die Aussparung in der Sektion an der, weggedrückten Dichtung vorbei möglichst ungehindert in den Schaft fließen.
Grüße Andi
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Zollinger
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Re: Wahl Eversharp Doric

Beitrag von Zollinger »

Danke für die Erläuterung - verrücktes Zeug gibt's!

Dann vermute ich, dass die Einfräsung beim Schreiben unten liegt, sodass auch noch der letzte Tintentropfen den Tintenleiter erreicht.

Z.

PS: ...wenn man sich überlegt, wieviele zusätzliche Arbeitsschritte bei der Fertigung dieses Füllers notwendig waren im Vergleich zu einem gewöhnlicheren Modell! Das ist wirklich ein sehr cooler Füller. Gratuliere.
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Will
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Re: Wahl Eversharp Doric

Beitrag von Will »

Lieber Andi,

zugegebenermaßen habe ich noch nie einen Doric besessen und auch noch keinen restauriert. Meine Überraschung wäre groß gewesen, diese Ausfräsung vorzufinden. Die Konstruktion ist schon sehr ausgefallen und auch eine wenig strange. Ganz herzlichen Dank für die detailreich Bilder und Deine klaren Erläuterungen dazu. Das Füllprinzip ist ja bereits spannend, die sehr individuelle Lösung von Wahl Eversharp ist es nicht minder. Ein äußerst interessantes Projekt und ich bin froh, dass sich alle für die ausführliche Beschreibung ausgesprochen haben.

Zwei Fragen hätte ich noch zu der Querstrebe und zum Konus der Stößelstange. Zum einen wüsste ich gerne aus welchem Material beide bestehen und wie die Querstrebe in der Sektion verbaut ist. Ich würde vermuten, dass es bei intensivem Gebrauch des Füllhalters hier zu Abnutzungserscheinungen kommen könnte. Ein Materialabtrag hätte jedoch negative Auswirkungen auf die Dauerhaftigkeit des Systems, den Tintenfluss des Federaggregats und den Verschleiß der Dichtungen. Bei der Komplexität der Konstruktion wurde die Thematik sicher bedacht, ich komme nur spontan nicht darauf, wie die Lösung aussieht.

Herzliche Grüße

Gerd
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Wurmbunt
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Re: Wahl Eversharp Doric

Beitrag von Wurmbunt »

Hallo,
ja Gerd strange ist wohl die richtige Bezeichnung für die Konstruktion - aber genau so etwas (es muss nicht mal besonders sinnvoll sein) macht für mich den Reiz für die alten Füllfederhalter aus. Jeder Hersteller machte irgendwie sein eigenes Ding, und wenn es nur dazu diente ein bestehendes Patent zu umgehen...
Doch zurück zu Deiner Frage.
Die Querstrebe besteht, mit höchster Wahrscheinlichkeit, aus Ebonit. Befestigt ist sie einfach, indem sie durch zwei Bohrungen in der Sektion gesteckt ist. Dieser Teil der Sektion ist ja in dem Bereich, der in den Schaft geschraubt wird, so daß die Strebe nicht "weg" kann.
Beim vorliegenden Exemplar ist kein Verschleiß feststellbar - und wie schon gesagt, sollte die Strebe mal brechen, funktioniert der Füller trotzdem. Es ist genug Platz in der Nut des Schaftes um die Tinte vorbeiströmen zu lassen.
Vielleicht noch ein paar Worte zum Zerlegen.
Wie Francis schon bemerkt hat, ist der Schaft durch die eingearbeitete Nut, direkt hinter dem Gewinde für die Sektion, geschwächt. Weiterhin ist die Sektion selbst ein relativ dünnwandiges Gebilde. Zum Öffnen des Füllers ist also eine längere Einweichzeit und mäßige Wärme dringend zu empfehlen. Darüber hinaus ist es sinnvoll die eingeschraubte Federeinheit im Griffstück zu belassen, um das, fragile Bauteil, nicht versehentlich zu zerdrücken.
Grüße Andi
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Will
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Re: Wahl Eversharp Doric

Beitrag von Will »

Hallo Andi,

herzlichen Dank für Deine Antwort. Ok, Ebonit auf Ebonit ist unter Tinte relativ beständig, sonst müsste jede Mechanik der ganzen alten Safeties völlig abgenutzt sein, was ja offensichtlich nicht der Fall ist.

Nochmals vielen Dank für Deinen Hinweis, beim Zerlegen Vorsicht walten zu lassen. Bei der Konstruktion ist das auch dringend angeraten.

Und hey Andi, wenn alle Füllhalter völlig robust und gleich konstruiert wären, hätten wir nichts mehr zum Basteln, unser Hobby wäre deutlich ärmer und das ganze auch weniger spannend.

Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende.

Liebe Grüße

Gerd
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Wurmbunt
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Re: Wahl Eversharp Doric

Beitrag von Wurmbunt »

Hallo,
heute habe ich wieder etwas mit dem Doric gespielt...
Es ist schon lustig, was Ingenieure so treiben, wenn der Leiter der Marketing-Abteilung länger krank ist, und sein Vertreter den "Rotstift" nicht finden kann!
Amerika Mitte der 30er Jahre - ein paar junge Ingenieure treffen sich. Die Prohibition ist seit zwei Jahren abgeschafft, und so hat einer ein paar Flaschen "Kentucky Bourbon" dabei. Die erste Flasche ist schon brüderlich geteilt, und die zweite Flasche neigt sich dem Ende zu, als Bill einen Einfall hat.
Es den "Rotstiftfuzzis" mal so richtig zu zeigen - das wär's doch! Außerdem geht der Obersparfuchs aus dem Einkauf seit zwei Wochen mit der hübschen Mandy, von der Rechnungsabteilung, aus... Die hat aber, nach Bill's Meinung, etwas besseres verdient - einen aufstrebenden jungen Ingenieur vielleicht...
Also beschließt die Konstruktionsabteilung der Whal-Eversharp Company gemeinsam, alle blödsinnigen Ideen, alle Einfälle, die ihnen auf der Toilette gekommen sind und alles was sie schon immer bauen wollten, sich aber bewusst waren, daß es viel zu teuer, aufwendig, nicht lukrativ und wenig haltbar sein würde in einem Füllfederhalter zu vereinigen - so entstand der Doric! :!:
Es war ein Spaß, sie waren betrunken und sie dachten, daß sie dem Verkauf und der Planung, eins auswischen könnten - und irgendwer in der Führungsetage sie ausbremsen würde - leider waren die Befugnisträger krank und - wie es so oft der Fall ist - die Führungskräfte des Unternehmens selbst völlig unwissend, und nicht in der Lage eine technische Zeichnung zu lesen!
So ging der Doric in Serie...
Entschuldigt bitte diesen kleinen Einschub, aber nach dem ich heute 20 Minuten versucht habe, das Triepel wieder zusammen zu setzen, und mir die Hülse dafür, genauer angeschaut habe, hat mein Hirn diese Geschichte - quasi unaufgefordert ausgespuckt...
Zollinger hat geschrieben:
24.01.2020 16:39
Danke für die Erläuterung - verrücktes Zeug gibt's!
...
Z.

PS: ...wenn man sich überlegt, wieviele zusätzliche Arbeitsschritte bei der Fertigung dieses Füllers notwendig waren im Vergleich zu einem gewöhnlicheren Modell! Das ist wirklich ein sehr cooler Füller. Gratuliere.
Nun, lieber Christof, schau Dir doch mal die Ebonithülse des Triepels genauer an - da bleibt einem doch glatt die Spucke weg!
Hülse des, meines Wissens, ersten Tripels der Füllergeschichte
Hülse des, meines Wissens, ersten Tripels der Füllergeschichte
15799921106035.jpg (354.12 KiB) 3172 mal betrachtet
Das Bild zeigt die Seite zur Feder hin. Einfräsungen zur Entlastung und eine Passung (!) für das Blechteil des "shut off" Ventils. Die längliche Ausfräsung, welche das "Fenster" im Umfang bildet, dient lediglich dazu, der Feder des Tintenabsperrventils, Raum zu schaffen.
Federfenster in der Tripelhülse
Federfenster in der Tripelhülse
15799920989444.jpg (311.08 KiB) 3172 mal betrachtet
Die, dem Schaft hin zugewandte Seite der Hülse zeigt wiederum ein völlig anderes Profil.
Zum Schaft zeigende Seite der Triepelhülse
Zum Schaft zeigende Seite der Triepelhülse
15799920804093.jpg (276.26 KiB) 3172 mal betrachtet
Ganz ehrlich - ich war schon versucht, den hervorstehenden "Grad" mit einem Dreikantschaber zu entfernen, als mir eine seltsame Einfräsung am Tintenleiter auffiehl.
Ausfräsung am Tintenleiter, korrespondiert mit der Hülse
Ausfräsung am Tintenleiter, korrespondiert mit der Hülse
15799920525311.jpg (198.68 KiB) 3172 mal betrachtet
Überraschung: die einzige Möglichkeit den Tintenleiter vernünftig in die Hülse zu bekommen, besteht darin, ihn so zu drehen, daß die abgefräste Seite mit dem Überstand in der Hülse korrespondiert - natürlich bildet der Absatz der Abflachung des Tintenleiters, zusammen mit dem Steg in der Hülse, einen Anschlag, der dafür sorgt, daß Feder und Tintenleiter sowohl was die radiale Position betrifft, als auch was die Setztiefe anbelangt exakt positioniert ist.
Die einzige Möglichkeit den Tintenleiter in der Hülse zu positionieren
Die einzige Möglichkeit den Tintenleiter in der Hülse zu positionieren
15799920383210.jpg (166.86 KiB) 3172 mal betrachtet
Da das Ganze nicht aus einer Spritzgussmaschine gefallen ist, sondern spahnend bearbeitet wurde (Ebonit) wage ich gar nicht daran zu denken, was das in den 30ern für ein Fertigungsaufwand war...
Grüße Andi
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Will
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Re: Wahl Eversharp Doric

Beitrag von Will »

Hey Andi,

Deine Story ist der Brüller, aber die Federhülse ist echt total abgefahren. Für sowas reichen keine geistigen Getränke mehr, das war der Ingenieure feuchter Traum. Die Männer müssen sich schon härtere Sachen reingezogen haben, das dieses Bauteil dabei herauskam. Die Manager allerdings, die die Freigabe für die Serienproduktion gaben, waren ganz sicher auf Koks. Das ist kein Federaggregat, sondern ein 3D-Puzzle und absolut der Hammer! Tja, wer meint, dass die Section schon strange war, hat diese Federhülse nicht gesehen.

Begeisterte Grüße

Gerd
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Knorzenbach
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Re: Wahl Eversharp Doric

Beitrag von Knorzenbach »

Danke für die Vorstellung Andi, das ist wirklich schier unglaublich!

Gruß,
Tomm
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Zollinger
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Re: Wahl Eversharp Doric

Beitrag von Zollinger »

Danke Andi. Das sind tatsächlich sehr komplizierte Teile.
Ich bin gespannt darauf zu sehen wie das Ventil funktioniert.
Z.
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Wurmbunt
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Re: Wahl Eversharp Doric

Beitrag von Wurmbunt »

Hallo,
heute musste ich die erste Reparatur am Doric durchführen. Der Füllfederhalter präsentierte sich ansonsten in einem wirklich hervorragendem Zustand. Das einzige was, abgesehen von der fehlenden Stößelstangendichtung (ja richtig gelesen - nicht rissig, zebröckelt oder verschlissen - sie fehlt einfach!), nicht in funktioniert, ist das Tintenabsperrventil.
Im Gegensatz zu dem Patent von Onoto, bei dem eine konische Verlängerung der Stößelstange, in ein Gegenstück am Tintenleiter eingreift, ist das Ventil beim Doric ein separates Teil.
Natürlich, wie könnte es bei diesem Füller auch anders sein, ist es recht kompliziert aufgebaut. Die Bauteile einzeln machen das Prinzip nicht sofort deutlich, weshalb ich mir mit einer Skizze behelfe:
Shut off Ventil im Doric
Shut off Ventil im Doric
15800678610460.jpg (194.09 KiB) 3073 mal betrachtet
In der Sektion selbst ist ein Dichtkegel, zur Federseite hin, eingearbeitet. Innerhalb der Hülse des Federaggregats läuft ein Metallschieber, der am hinteren Teil einen Gegenkonus trägt, der dem Dichtkonus an der Sektion entspricht. Zwischen zwei Zapfen des Schiebers ist eine kleine Spiralfeder geklemmt, die sich im montierten Zustand gegen eine Ausfräsung am Tintenleiter abstützt. Wird der Schieber nun, von der Federseite her, gedrückt, schiebt sich sein Konus in das Gegenstück der Sektion und unterbricht die Tintenzufuhr. Lässt der Druck nach, wirkt die Federkraft der Spitalfeder auf den Schieber und hebt diesen aus dem Dichtkonus der Sektion, so daß wieder Tinte fließen kann.
Gedrückt wird der Schieber durch die Kante der Innenkappe beim zuschrauben der Kappe.
Achtung beim Zerlegen des Federaggregats :!:
Wer an die Feder eines Whal-Eversharps heran muss, der mit so einem "Shut Off"- Ventil ausgerüstet ist, muß Feder und Tintenleiter nach vorne herausziehen. Der Metallschieber passt NICHT mit dem Dichtkegel von hinten durch die Hülse! Der Steg in der Hülse, der die korrekte Position und Setztiefe des Tintenleiters vorgibt, verhindert ein Durchtreiben von hinten. Diese filigran und aufwendig hergestellte Ebonithülse dürfte kaum aufzutreiben, oder nachzufertigen sein...
Das heißt zerlegen wie folgt:
Zuerst die kleine Spiralfeder durch das Fenster in der Aggregatshülse entnehmen - diese verhindert sonst, daß der Tintenleiter gezogen werden kann.
Anschließend die Hülse mit einem Föhn erwärmen, und vorsichtig mit einem Stück Fahrradschlauch halten - möglichst rundherum mit der Hand, denn das Ding ist dünnwandig und zerbrechlich.
Jetzt Feder und Tintenleiter ziehen, gegebenenfalls nachwärmen und oder noch mal einweichen - keine Gewalt!
Nachdem Tintenleiter und Feder entfernt sind, lässt sich der Schieber für das Shut Off Ventil nach hinten herauszuziehen.
Übrigens wusste ich das nicht - hier hat nicht mal meine Reparatur-Bibel "Pen Repair" von Marshall/Oldfield etwas dazu vermerkt, oder ich habe es überlesen... Ich hatte einfach Skrupel, mit einem Durchschlag auf den Metallkonus des Schiebers zu schlagen, so daß ich es "aus Versehen" richtig gemacht habe... :oops:
Bei meinem Füller war die Feder irgendwie aus ihrer Position gerutscht, und zwischen dem Metallschieber und dem Ende des Tintenleiters verklemmt. Sie musste mit einer Pinzette entfernt werden, und sah nicht mehr gut aus.
Kaputte Spiralfeder
Kaputte Spiralfeder
15798857583120.jpg (380.14 KiB) 3073 mal betrachtet
Der Versuch, die Feder neu zu wickeln, scheitete kläglich - sie brach einfach in mehrere Teile.
Also muss ich eine neue machen - wie zeige ich euch im nächsten Beitrag, der hier ist schon etwas lang geworden.
Grüße Andi
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Re: Wahl Eversharp Doric

Beitrag von Wurmbunt »

Hallo,
Federn wickeln ist angesagt!
Vernünftige Ferdern herzustellen ist ein recht komplexes Thema. Die Wahl der Stahlsorte, die Verarbeitung und vor allem die anschließende Wärmebehandlung füllt eine ganze Etage in meinem Fachbuchregal (zugegeben geht es dabei nicht nur um Federn, sondern um Stahl allgemeinen).
Im korrosionsbeständigen Bereich gibt es auch alternativen zu Stahl - z.B. Berylliumbroncen...
Berylliumbronce habe ich aber leider nur als Blech da, so daß die Feder für das Absperrventil des Doric, keine vernünftige Feder werden wird, sondern ein "improvisiertes, federähnliches Gebilde"!
Funktionieren wird es aber trotzdem, weil die Kraft und der Federweg, welcher benötigt wird, das Material nicht wirklich belasten.
Was wirklich entscheidend ist, für den Einsatzzweck, ist die Korrosionsfestigkeit.
Tinten sind oft recht sauer, PH-Wete von 5 und weniger müssen vom Material vertragen werden, bei Eisengallus ist der pH-Wert meist noch niedriger. Normaler Federstahldraht ist damit außen vor.
Den ersten Versuch habe ich daher mit Titandraht unternommen, den ich in 0,8mm hier habe. 0,8mm sind deutlich mehr an Durchmesser, als die Originalfeder, aber die Federkonstante der fertigen Feder spielt nur in so fern eine Rolle, als daß der Schieber noch eingedrückt werden kann, ohne das Kappengewinde zu überlasten.
Titandraht 0,8mm
Titandraht 0,8mm
15798876197681.jpg (139.24 KiB) 3053 mal betrachtet
Gewickelt habe ich um eine leicht konische Nadel aus einem Zahnarztbesteck.
Feder frisch gewickelt
Feder frisch gewickelt
15798881721892.jpg (145.36 KiB) 3053 mal betrachtet
Leider passte die Titanfeder, bei gegebenem Innendurchmesser für die Laschen im Absperrschieber, nicht durch das Fenster in der Hülse des Federaggregats.
Da geht es wirklich eng zu! :?
Also war kramen in der Werkstatt angesagt...
Was ich schließlich fand, war ein rostbeständiges Edelstahlseil, dessen Adern ziemlich genau dem Durchmesser der Originalfeder entsprechen.
Edelstahlseil
Edelstahlseil
15799849943920.jpg (204.84 KiB) 3053 mal betrachtet
Eine der Adern wurde also die neue Feder. Edelstahl (austenitisch) ist ein denkbar ungereinigter Werkstoff für eine Feder. Härten durch Wärmebehandlung ist quasi unmöglich (es sei denn jemand hat flüssigen Stickstoff daheim), und die Werkstoffeigenschaften sind eher auf Verformbarkeit und Zähigkeit hin ausgelegt. Die einzige Möglichkeit diese Stähle annähernd Federhart zu bekommen, besteht darin, sie ausreichend kalt zu verformen. Glücklicher Weise ist so ein Stahlseil kalt vorgestreckt, um eine hohe Zugfestigkeit zu erreichen, und das Wickeln um einen Dorn verformt das Metall zusätzlich.
Für die geringe Belastung, welche die Feder aushalten muss, sollte das genügen!
Neue Feder für das Absperrventil
Neue Feder für das Absperrventil
15799855053591.jpg (179.74 KiB) 3053 mal betrachtet
Grüße Andi
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Zollinger
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Re: Wahl Eversharp Doric

Beitrag von Zollinger »

Vielen Dank für den ausführlichen Beitrag.
Bei diesem Füller hätte ich schon längst aufgegeben!
Z.
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