Wie repariert man einen Kugelschreiber?

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Karl(a)
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Wie repariert man einen Kugelschreiber?

Beitrag von Karl(a) » 06.04.2021 20:53

Ich habe beim Aufräumen nicht nur diesen unidentifizierbaren Konverter gefunden, sondern auch einen Kugelschreiber, und zwar einen Lamy st. Außen Metall, innen Plastik.
Es ist ein typisches Exemplar: Mittels Drücken des Drückers fährt man die Mine heraus und mittels nochmaligen Drücken des Drückers fährt man die Mine wieder ein.
Nur: Bei diesem Gerät nicht. Zwar fährt beim Druck die Mine aus, bleibt aber nicht hängen, sondern fährt sofort zurück.

Ich habe natürlich gleich die 'Sendung mit der Maus' angesehen, um mir die Funktionsweise eines Kugelschreibers nahezubringen und vermute jetzt, dass dieses Plastikprofil, also diese Schräglamellen so abgenutzt sind, dass sie keine Haltekraft mehr aufbringen können.
Leider sind bei diesem Lamy st diese wichtigen Bauteile, also Druckhülse, Vorschubhülse und Verzahnung im Griffrohr so verpresst in Griffstück und Endkappe, bzw. im rückwärtigen Teil der Hülse, dass man da gar nicht rankommt.
Ich vermute mal, man kann diesen Kugelschreiber nur wegwerfen.

Natürlich habe ich auch - wie immer - reichlich gegoogelt: Es gibt einiges darüber, etwa wie man eine Kugelschreibermine wieder zum Schreiben bringt, nämlich mittels Feuerzeugflamme, aber praktisch nichts zum Versagen des Drückermechanismus.
Offenbar geht man davon aus, dass Kugelschreiber eh ein Wegwerfprodukt sind und eine Reparatur schon von der Kostenrelation her als absurd anzusehen ist.
Mir aber widerstrebt es, diesen Lamy einfach dem Müll zu überantworten.
Daher die Frage an die Experten hier: Kriegt man dieses Ding wieder irgendwie in Gang?

Nebenbei bemerkt: So ein Kugelschreiber ist ja ein mittelkomplexes Technikum und überaus raffiniert aufgebaut und muss auch präzise und maßhaltig gefertigt werden in engen Toleranzen; war mir nicht klar.
Außerdem hat meine Lamy-Meinung einen argen Dämpfer erhalten: Wie kann eine Firma mit Anspruch solch ein Schreibgerät entwickeln, das man nicht einmal zerlegen kann, um zu schauen, woran die Fehlfunktion genau liegt. Lamy kaufe ich nicht mehr.

SimDreams
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Re: Wie repariert man einen Kugelschreiber?

Beitrag von SimDreams » 06.04.2021 22:42

Karl(a) hat geschrieben:
06.04.2021 20:53
Leider sind bei diesem Lamy st diese wichtigen Bauteile, also Druckhülse, Vorschubhülse und Verzahnung im Griffrohr so verpresst in Griffstück und Endkappe, bzw. im rückwärtigen Teil der Hülse, dass man da gar nicht rankommt.
Ich vermute mal, man kann diesen Kugelschreiber nur wegwerfen.
...
Wie kann eine Firma mit Anspruch solch ein Schreibgerät entwickeln, das man nicht einmal zerlegen kann, um zu schauen, woran die Fehlfunktion genau liegt. Lamy kaufe ich nicht mehr.
Das ist aber ein sehr kurzer Weg von Vermutung zu sehr endgültiger Konsequenz.

Von der Lamy Seite:

Einzel- und Ersatzteile
Kappe verloren, Druckknopf beschädigt? Mit dem richtigen Ersatzteil ist Ihr Lamy schnell wieder einsatzfähig.
Für die meisten Lamy Schreibgeräte bieten wir Ersatzteile an.


Da würde ich sie doch einfach mal beim Wort nehmen und über den Handel oder direkt einsenden.

Nu hab' ich mit Lamy normalerweise nix am Hut, aber viele Pelikane und Montblancs kann man auch nicht einfach so zerlegen.

Grüße, Uwe
Da die Schreibgeräteakquise nicht das einzige Hobby ist: http://www.flickr.com/photos/simdreams/

Karl(a)
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Re: Wie repariert man einen Kugelschreiber?

Beitrag von Karl(a) » 07.04.2021 11:44

An Uwe/SimDreams:
Mit derselben Ratlosigkeit, mit der wir die mittelalterliche Rechtsprechung mit ihren drastischen Körperstrafen betrachten, die Gerechtigkeit mit außerordentlichem Sadismus zu verbinden wußte, mit einer [censored] und einem Voyeurismus des Tötens und einer Choreographie des Schmerzes, die gegenwärtig ihre Fortsetzung im sonntäglichen Tatort und in zahllosen Splatter-Movies finden, in denen man einem Probanden genüßlich die Augen aus dem Schädel bohrt: Mit derselben Ungläubigkeit wird man dereinst auf diese Verquickung von Technologie mit Profitstreben blicken, in der ein jegliches Handeln (Masken-Sauter) der persönlichen Bereicherung zu dienen hat und irgendeiner Umsatz-Maximierung.

Die Vereinnahmung von materiellen Ressourcen und von fehlgeleiteter Ingenieurskunst um daraus Produkte für eine Wegwerfgesellschaft herzustellen, also eine Warenkultur, die eine vollkommene Deautonomisierung des Kunden beinhaltet (bei einem BMW kann man nicht einmal mehr selber die Reifen wechseln, weil man dazu den Werkstatt-Code braucht…) zeugt gerade bei einer Firma wie Lamy, die sich Form und Gestaltung derart prominent auf die Fahnen geschrieben hat, von bloßem Marketing, also Schönfärberei.

Ein Schreibgerät, dessen Design von vorneherein so angelegt ist, dass weder Zerlegung noch Reparatur darin angedacht sind, mithin also eine Verbrauchsware - im Grunde Müll mit temporärer Nutzung - halten wir für ganz normal, weil wir vollständig von solchen Artefakten umgeben sind und den Kauf solcher zur Eigenbelebung umdefiniert haben, ihm also identitätsstiftende Merkmale zuschreiben, die dann zu ständigen Rechtfertigungen führen, Selbstbehauptungen und beständig verteidigt werden müssen und direkt in die Unzufriedenheit münden.
Was machen die Leut? Na, kaufen sich ständig neue Füller. Der alte hat’s nicht getan, der neue wird’s auch nicht tun.

Manche hier kapieren diesen Irrsinn und fragen dann verzweifelt nach dem Exit-Füller, dem Schreibgerät, das alle Schreibgeräte hinter sich lassen wird. Aber damit beginnt das Spiel nur von neuem.
Orsola de Castro hat dieses kaputte System eben im SZ-Magazin besprochen:
https://sz-magazin.sueddeutsche.de/die- ... mode-90045

Und überdies: Wovon lebt Lamy? Von zwei jahrzehntealten Entwürfen, die sie jedes Jahr in neuer Farbgebung auf den Markt werfen. Die sind zum bloßen Dekor verkommen.
Das Tragische ist: Sie können nicht anders. Kaweco macht dasselbe. Wir sitzen in der Patsche.

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Edelweissine
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Re: Wie repariert man einen Kugelschreiber?

Beitrag von Edelweissine » 07.04.2021 13:45

Deine Ansicht halte ich auch für radikal, aber konsequent.
Der verlinkte Artikel regt sehr zum Nachdenken an, danke dafür!
Dennoch werde ich mir weiterhin, auch wenn ich, vernünftig betrachtet, mehr als genug habe, weiter Tinten kaufen - und vielleicht sogar Lamy-Füller ;) .
Gruß,
Heike

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Buntschreiber
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Re: Wie repariert man einen Kugelschreiber?

Beitrag von Buntschreiber » 07.04.2021 14:01

Ein wortreich eingeleiteter Artikel zu einem ganz anderen Thema - wow, vielen Dank, ich habe gerade einen akuten Mangel an zusammenhanglos-apokalyptischen Schriftstücken.

Falls ich das Lamy-Bashing kurz mit einer inhaltlichen Frage stören darf: Die Mine hat sicherlich den bei Lamy äußerst reparaturfreundich auf der Mine sitzenden Ring mit den Haltenasen? So https://www.lamyshop.com/mine-lamy-m16.html soll es aussehen. Wenn es anders aussieht, würde nämlich die Mine nie einrasten... oh wait...
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TomSch
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Re: Wie repariert man einen Kugelschreiber?

Beitrag von TomSch » 07.04.2021 15:00

Fein geschrieben, oh du bunter Schreiberling Stefan! :idea:

Liebe(r) Karl. Ah?

Bevor du generalisierend LAMY mit allen Schreibgeräten in den Niedersächsischen Bildungsminister zu kloppen geruhst, wage ich es, euer wortreiche Eminenz darauf hinzuweisen, dass nicht alle Schreibgeräte dieser Heidelberger Firma, noch nicht einmal alle Kugelschreiber, unzerlegbar sind. Letztens habe ich mehrere Angehörige aus der 2000er-Reihe komplett zerlegt: Füller, Druckbleistift und - jaja, das stimmt tatsächlich! - den Kugelschreiber.

Immerhin bekommt KaWeCo mit der Verallgemeinerungs-Bratpfanne auch noch sein Fett weg. Prima, dann bleibt dieses verabscheuungswürdige Unternehmen namens LAMY nicht allein! :evil:
Du hast schon den ein oder anderen KaWeCo auseinander genommen, richtig? 8-)

In einigen Fällen kann ich deine Kritik teilen, in diesem nicht. Pauschalismen führen generell kaum weiter. :mrgreen:

Thomas
Sei nicht so; sei anders.

pokpok
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Re: Wie repariert man einen Kugelschreiber?

Beitrag von pokpok » 07.04.2021 15:20

TomSch hat geschrieben:
07.04.2021 15:00
.... Pauschalismen führen generell kaum weiter. ....:mrgreen:

Thomas
Pauschalismen führen generell kaum weiter - super, das ist ein Satz für die Ewigkeit!
Liebe Grüße von
Matthias

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Buntschreiber
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Re: Wie repariert man einen Kugelschreiber?

Beitrag von Buntschreiber » 07.04.2021 15:23

pokpok hat geschrieben:
07.04.2021 15:20
TomSch hat geschrieben:
07.04.2021 15:00
.... Pauschalismen führen generell kaum weiter. ....:mrgreen:

Thomas
Pauschalismen führen generell kaum weiter - super, das ist ein Satz für die Ewigkeit!
https://youtu.be/06Tz_1ahZT8
HABERE et TENERE

Karl(a)
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Re: Wie repariert man einen Kugelschreiber?

Beitrag von Karl(a) » 07.04.2021 20:51

S1840004 (1).jpg
S1840004 (1).jpg (597.51 KiB) 5721 mal betrachtet
Nun, wenn man ein Problem nicht lösen kann, was macht man? Na, man verzweifelt oder man improvisiert.
Zuerst habe ich den Durchmesser der Mine bestimmt: 6mm.
Dann habe ich einen 6er-Holzdübel abgelängt um den Betrag des Minenhubs: rund 5mm.
Dann habe ich dieses kurze Distanzstück probeweise in die Griffhülse gesteckt, ganz vorsichtig und behutsam und Schritt für Schritt, weil ich wußte, wenn dieses Dübelstück da festklemmt, das bekomme ich nie mehr raus. War dann auch so.
Aber nach dreimaligem Versuch und dreimaligem, erfolgreichen Herausschüttelns habe ich es gewagt: Distanzstück rein, Mine rein, zugeschraubt. Ging aber nicht.
Das Gewinde hat nicht gegriffen. Also, Mine raus, Distanzstück raus, ging aber auch nicht. Der Druck hat's verpresst. Das steckt fest. Steckt immer noch fest. Generell und auf ewig.

Ich habe dann dieses schwarze Ringteil entfernt und nun packt das Gewinde und der Kugelschreiber lässt sich zudrehen.
Leider steht nun die Mine fast einen Zentimeter über, aber das ist mir egal.
Die Mine ist völlig spielfrei - vertikal und horizontal - und mit Kugelschreiber schreibe ich eh nicht. Der liegt höchstens in der Küche zum Aufnotieren dessen, was beim nächsten Einkauf nicht vergessen werden darf. Vielleicht befördere ich ihn auch in die Werkzeugkiste. Markieren und Anreißen geht damit immer noch.
Ich bin so stolz auf mich.
S1840005 (1).jpg
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pokpok
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Re: Wie repariert man einen Kugelschreiber?

Beitrag von pokpok » 08.04.2021 0:19

Heute ist die Mitternacht der Bohr-Tips: Wennst in das feststeckende Dübelstück ein Loch bohren kannst, kannst eine Schraube reindrehen und an dieser das Trumm rausziehen. Zerst eine passende Schraube - so eine spitze für ins Holz - suchen (hastu du auch ein Schraubenlager im Keller?), dann einen Bohrer, der um ca. 1 mm dünner ist als die Schraube und der Rest ist eh klar. Viel Erfolg!
Soll dann wieder ein Dübelstück reinkommen, machs ein Bissl dünner.
Liebe Grüße von
Matthias

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hoppenstedt
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Re: Wie repariert man einen Kugelschreiber?

Beitrag von hoppenstedt » 21.04.2021 4:42

@TS: Speziell bei Lamy generell für alle deren Produkte auf geplante Obsoleszenz abzuheben, finde ich doch arg verkürzt, insbesondere angesichts eines einzigen ramponierten Kugelschreibers in deiner Umgebung :?
Daraus zu schließen, dass von dir jetzt generell kein Lamy-Produkt mehr gekauft wird, verstehe ich nicht.

Hast du, lieber TS, denn vor dem Bashing den Lamy-Service kontaktiert :?:
Ich (& sicherlich die eine oder der andere auch) könnte/n dir da über die Jahre so einige Geschichten erzählen, die womöglich einen anderen Schluss zulassen würden... ;)

Auch die Querverbindung zur Problematik von Fast Fashion kann ich (an dieser Stelle) nicht recht nachvollziehen, ungeachtet dessen, dass das natürlich ein riesiges Problem ist.
Passender fände ich hier einen Verweis auf die Automobilbranche bzw. die Tendenz, ältere Autos, welche einwandfrei und erstaunlich schadstoffarm fahren, subventioniert zu verschrotten, um neue :shock: zu produzieren, die dann die vielen Schadstoffe kompensieren sollen, welche sie gerade eben durch ihre Produktion freigesetzt... aber das führt ja hier zu nichts :x (Mein Auto ist 20 Jahre alt. Still going strong.)

Am Schluss danke ich herzlich für die ethischen Fingerzeige und - natürlich - die bebilderte Handlungskette des reparativen Verlaufs deiner Aktion.

DESAFINADO!

Grüße von Alfred

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