Reste Verwertung...

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Zollinger
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Re: Reste Verwertung...

Beitrag von Zollinger » 03.09.2021 9:05

Hallo Andi

tolle Arbeit - wie immer. Bin gespannt auf das Kappengewinde.
Das Material ist eine Sensation. Ist das tatsächlich echtes Rose Ripple, und wo hast Du das gefunden? (Waterman's hat sein Ebonit ja selber hergestellt, das wurde von keinem anderen Herstellern verwendet.)

...oder kommt es aus Indien :evil: ?

Bin gespannt auf die nächsten Schritte!
und Danke fürs teilhaben lassen.

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Wurmbunt
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Re: Reste Verwertung...

Beitrag von Wurmbunt » 03.09.2021 10:11

Hallo,
bin gerade auf dem Weg in ein langes Wochenende und weiß noch nicht ob ich zum schreiben komme...
Deshalb nur ganz kurz zum Ebonit.
Es ist natürlich KEIN Originalmaterial von Waterman - leider! :cry:
Wie Zollinger schon richtig vermutet hat, kommt es aus Indien.
Also lasst Euch nichts vormachen - das Ebonit entspricht auch nicht ganz dem Original. Das Gelb hat einen Stich ins grünliche und es sind am Umfang 6 "Ripple-Linien" vorhanden, während es bei Waterman nur 4 waren!
Deshalb eignet es sich, leider, nicht für Reparaturen/Ersatz bei alten Wassermännern. Das war der Grund, warum ich es mir ursprünglich besorgt habe. Dafür eignet es sich auch nicht für Fälschungen, was bei den Preisen, die für die Originale aufgerufen werden, ganz gut ist.
Trotzdem ein schönes Material!
Grüße Andi

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Wurmbunt
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Re: Reste Verwertung...

Beitrag von Wurmbunt » 07.09.2021 18:45

Hallo - zu meinem Leidwesen, ist der Kurzurlaub vorüber. :roll:
Da noch Fragen zum Gewindeschneiden bestehen, rolle ich das Thema noch einmal auf.
Wer nicht so weit in's Detail gehen will, kann den Beitrag getrost überspringen!

Einschub:
Ein Gewinde definiert sich über bestimmte Parameter.
Das sind so offensichtliche wie der Durchmesser, aber auch so unscheinbare, wie zum Beispiel der Flankenwinkel der einzelnen Gewindegänge. Desweiteren gibt es unterschiedliche Geometrische Ausprägungen - z.B. gibt es Trapezgewinde, deren Gewindegänge entsprechend "trapetzförmig" sind. Hier mal ein Beispiel:
16308769093590.jpg
Leitspindel meiner Drehbank
16308769093590.jpg (193.21 KiB) 3688 mal betrachtet
16308770645371.jpg
Trapetzförmige Gewindegänge
16308770645371.jpg (162.57 KiB) 3688 mal betrachtet
Ein weiteres, wichtiges Kriterium, ist die sogenannte Steigung. Dies bezeichnet den Wert, in dem die Gewindegänge "schräg" stehen.
Je nach verwendeter Norm, wird diese Größe unterschiedlich angegeben...
Im metrischen System zum Beispiel, ist die Steigung als Wert angeben, der die Bewegung, einer entsprechenden Mutter, longitudinal bei einer Umdrehung beschreibt.
Bei einer Steigung von 1,2 bewegt sich die Mutter, bei einer Drehung um 360°, eben 1,2mm in Längsrichtung.
Bei den Briten wird die Steigung etwas anders ermittelt. Hier wird angegeben, wie viele Umdrehungen die Mutter benötigt, um, entlang des Gewindes, einen Inch zurückzulegen. 36 TPI (turns per inch) bedeutet, daß eine Mutter 36 Mal um 360° gedreht werden muss, um 25,4mm (~1 Inch) in Längsrichtung zurück zu legen.
Das sind längst nicht alle gängigen Normen!
Es gibt auch Exoten, wie das französische Löwenkopfgewinde - aber wenigstens, ist dieses definiert...
Vor der Einführung der Normung, machte jeder Hersteller sein eigenes Ding!
Vor der industriellen Revolution, wurden Gewinde beim Schmied, mit Hilfe von Drückwerkzeugen, einzeln hergestellt. Das bedingte eine spezielle Mutter, die der Gewindestange angepasst wurde.
Aber schon damals gab es Bestrebungen, das irgendwie zu vereinheitlichen.
Vor allem das Militär, war nicht glücklich damit, ihre Arsenalbestände mit speziellen, den einzelnen Waffen zugeordneten, Ersatzteilen zu bestücken...
Natürlich sollte der "Feind" auch nicht in der Lage sein, erbeutete Kriegsgüter in Stand zu setzen!
So entstanden die ersten Gewindenormen - aber natürlich passte eine "preußische" Schraube nicht unbedingt in ein Gewinde aus Lothringen...
Das ging erstaunlich lange so! Noch in den 1920er Jahren, waren viele Hersteller bemüht, ihre eigenen "Werksnormen" durchzusetzen. So ist zum Beispiel ein altes Motorrad der Firma "Wanderer" fast nicht restaurierbar (zumindest wenn möglichst nahe am Original gearbeitet werden soll), da jede einzelne Schraube der Werksnorm entspricht, die leider mit der DIN nicht kompatibel ist! Da ging es wohl auch um den "Aftermarket" - der Besitzer sollte seine Schrauben, gefälligst, da kaufen, wo sein Gefährt produziert wurde.
Um so erstaunlicher, daß sich bei Füllfederhaltern, das englische Withwort-Gewinde mit 36 TPI durchgesetzt hat!?!
Und zwar weltweit - selbst deutsche Hersteller setzten auf die englische Gewindenorm - und das auch noch in den 1930er Jahren, als alles, was nicht "deutsch" -, verpönt bzw. verboten war.
Wo allerdings keine Einheit besteht, ist die "Gangzahl" - eine weitere bestimmende Gewindegröße.
Ein Regelgewinde mit 36TPI (was ungefähr einer metrischen Steigung von 0,7 entspricht) und 4,2mm Gewindelänge am Schaft, was schon relativ kurz ist, würde es nötig machen, die Kappe sechs Mal komplett um 360° zu drehen um den Füller zu öffnen! Nichts für schnelle Notizen... ;)
Anders herum ist aber auch nicht praktikabel - in unserem Beispiel wäre die Kappe, bei einer Gewindesteigung (metrisch) von 2,1 in nur zwei Umdrehungen geöffnet. Das entstandene Gewinde aber so grob, daß es unangenehm in die Finger drücken würde und außerdem eine hohe Wandstärke beim Füller erforderlich wäre, da die Gewindegänge sehr tief wären... 2,1mm Steigung entspricht etwa einem M16 Gewinde (Steigung 2,0) - damit kann schon mal ein Baukran zusammengeschraubt werden.
Es gibt, im Füllerbereich, ein paar pfiffige Lösungen um diese Klippen zu umschiffen. Francis "fountainbel" hat, hier im Forum, einen Montblanc mit einem sehr flachen Trapezgewinde vorgestellt, und die Firma "Omas" hatte mal so eine Art Bajonettverschluss... Über Steckkappen/Magnetverschlüsse etc. möchte ich hier nicht reden - es geht ja um Gewinde!
Die gebräuchlichste Lösung hohe effektive Steigungen mit feinen Gewindegängen zu realisieren, ist eben ein mehrgängiges Gewinde. Es werden einfach mehrere separate Spuren/Gewindegänge nebeneinander gelegt, und zwar so, daß der Abstand zwischen den Gängen wieder dem "Ausgangsgewinde" entspricht.
Das lässt sich verbal nicht so schön erklären, so daß ich mal eine Skizze für Euch angefertigt habe:
16310320028900.jpg
Dreigängiges Gewinde
16310320028900.jpg (130.93 KiB) 3688 mal betrachtet
Diese Art von Gewinde hat auch den Vorteil, daß es mehrere Startpunkte gibt. Im obigen Beispiel greift die Kappe alle 120° in das Gewinde ein. Die effektive Steigung beträgt 2,1 (3x0,7) während die Tiefe und die Geometrie der einzelnen Gewindegänge dem Regelgewinde entspricht.
Einschub Ende.

Das war vielleicht etwas länger als geplant, deshalb möchte ich den Beitrag auch hier beenden - genug Theorie!
Das nächste Mal zeige ich das dann in der Praxis und gehe auch auf Gerd's Frage nach dem Handstrehlen von Gewinden ein!
Grüße Andi

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Re: Reste Verwertung...

Beitrag von Zollinger » 07.09.2021 19:25

Liebet Andi
Vielen Dank für den Exkurs. Ich mag es wenn jemand aus seinem Fachgebiet plaudert. Das ist immer lehrreich und interessant.

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Re: Reste Verwertung...

Beitrag von Wurmbunt » 07.09.2021 21:46

Hallo - jetzt geht es wieder um die "Resteverwertung"!
Nach dem kurzen und nur exemplarisch zu sehenden Ausflug in die Gewindetechnik - der trotzdem ziemlich lang wurde - geht es nun wieder um die Bruchstücke des Burnham.
Für das Kappengewinde habe ich mich für eine Version mit drei Gängen entschieden. Erstens ist das mehr oder weniger Standard, und zweitens habe ich das Kassettengetriebe der Drehbank schon einmal gerechnet und bestückt, um das Gewinde in das Elfenbeinersatzmaterial zu schneiden!
Entgegen der Schemazeichnung vom letzten Beitrag, hat der verwendete Strehler mehr als einen"Zahn", so daß die, nebeneinander liegenden, Gewindegänge gleichzeitig geschnitten werden.
Der Vorschub der Leitspindel (die das Schneidewerkzeug bewegt) ist entsprechend, über die Getriebeübersetzung, auf 2,1 mm/Umdrehung eingestellt!
16306156455340.jpg
Außenstrehler im Einsatz
16306156455340.jpg (168.46 KiB) 3652 mal betrachtet
Trotzdem ist der Vorgang nicht so simpel, wie er sich darstellt!
Die richtigen Abstände der Gewindegänge sind zwar vorgegebenen, aber das (dünnwandige) Material weicht dem Schneidwerkzeug aus - biegt sich weg. Deshalb ist im Bild der "falsch herum" eingespannte Bohrer zu sehen, er stützt quasi den Füllerschaft von innen.
Das nächste Problem ist, daß die Gewindegänge am Ende des Schneidvorgangs, Werkzeugbedingt, tatsächlich nebeneinander liegen!
Das heißt, das Gewinde endet nicht an einem, definierten Ort an der Schaftlängsachse, sondern um 3x0,7mm versetzt! Nun empfinde ich es als nicht schön, wenn das Schaftgewinde, nicht auf einer Höhe endet. Eine Möglichkeit, das zu verhindern besteht darin, den Schaft, hinter dem Gewinde, abzudrehen - das Gewinde steht dann aber etwas heraus. Will man das nicht, so bleibt nichts anderes übrig, als das Gewinde 3x zu schneiden - jeweils um 120° versetzt - mit Lupe (um den Gewindeeingang zu treffen), Gradscheibe (nicht ungefähr 120°, sondern genau), und Oberschlitten der Drehbank (um das Getriebe nicht auszurücken und damit die, relative, Position des Strehlers zu verändern).
Sehr zeitaufwendig und umständlich!

Deshalb hier mal der Aufruf an alle, die Füller bauen - wie geht Ihr mit der Thematik um? Habt Ihr Tricks, die Ihr bereit wärt zu teilen? Oder legt Ihr Euch auf einen Durchmesser fest und besorgt Euch ein entsprechendes Werkzeug? Oder steht das Gewinde bei Euch über?
Würde mich echt interessieren, wir das sonst so gehandhabt wird!

Natürlich hat man den Aufwand noch einmal für die Kappe - das man in diese nicht richtig hineinschauen kann, macht es nicht angenehmer...
Für dieses Projekt habe ich mich für einen Metalleinsatz entschieden. Im Prinzip eine Metallhülse als Gewindemutter, an die Ebonit angebracht wird. Natürlich ist der Füller so zierlich (bedingt durch die kleine Feder), daß mein Innenstrehler nicht hineinpasst...
Jetzt gebe ich einfach mal einen Trick preis. 36 TPI entspricht ziemlich genau einer Steigung von 0,7. 0,7 ist auch die Steigung eines M4 Regelgewindes - dem entsprechend kann ein ganz normaler M4 Gewindebohrer als Strehler für INNENGEWINDE verwendet werden. Anders herum funktioniert das nicht - Withwort-Gewinde haben einen Flankenwinkel von 55°, metrische einen von 60°, außerdem ist die Spitze des, erhabenen Teils, vom Gewindegang beim metrischen Gewinde spitz, beim Withwort-Gewinde abgerundet.
Withwort-Schraube in metrische Mutter geht - metrische Schraube in Withwort-Mutter geht NICHT!
16305861370300.jpg
Mit M4 Gewindebohrer 3-Gängiges Gewinde erzeugt
16305861370300.jpg (154.62 KiB) 3652 mal betrachtet
Die Gewindehülse will ich auch benutzen, um einen "falschen Zierring" an der Kappe anzubringen - das habe ich, glaube ich zumindest, auch noch nicht gezeigt...
Aber für Heute langt's.
Bis bald!
Grüße Andi

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Re: Reste Verwertung...

Beitrag von Wurmbunt » 07.09.2021 22:15

Ups - jetzt habe ich Gerd's Frage nur halb beantwortet!
Erste Hälfte, o.k. die Gewindesteigung wird über das Getriebe der Drehbank gesteuert.
Zweite Hälfte - Handstrehlen von mehrgängigen Gewinden.
Ich kann's nicht!!!
Die Geschichte von den Kaweko Spezialisten, hat mir Frodo, beim Besuch seines tollen Museums, auch erzählt.
Ich zweifle das auch nicht an - nur ob es heute noch jemanden gibt, der das kann, wage ich kritisch zu betrachten...
Hier im Forum, wurde mal ein "YouTube" Video verlinkt, in dem ein älterer, japanischer Herr gezeigt wurde, der einen Handstrehler meisterhaft zu führen wusste. Er stellte Füllfederhalter her, und schnitt alle Gweinde von Hand mit einem Strehler... Allerdings schraubte er recht oft, um die Teile zusammen zu bringen - es wird nicht ersichtlich, ob ein mehrgängiges Gewinde geschnitten wird.
Führe Dir, lieber Gerd, vor Augen, das es nicht damit getan ist das Gewinde einzuschneiden.
Ich habe das versucht und es ist schwerer als es aussieht - allerdings funktioniert es, mit einiger Übung, ganz gut. Der Strehler "zieht" sich quasi in das Material hinein und der Druck der linken Hand (auf das Werkzeug) bestimmt die Schnitttiefe.
Bei einem 3-Gang Gewinde müsste aber der Strehler mit dreifachen Vorschub (von Hand) so geführt werden, daß alle 120° ein neuer Zahn eingreift - ohne, daß vorher eine Führung besteht, die das Werkzeug "hineinzieht"!
Wenn das noch jemand kann, bitte melden!
Ich würde das zu gerne einmal live sehen.
Grüße Andi

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Re: Reste Verwertung...

Beitrag von chw9999 » 07.09.2021 22:28

Lieber Andi,

vielen Dank für's Zeigen von so vielen Details, zu denen man entweder nie oder doch nur sehr selten wissentlich Kontakt hat. Wie oft wendet man einfach an, ohne sich Gedanken zu machen, was an materialisierter Kenntnis und Erfahrung man eigentlich in der Hand hat :)

Viele Grüße
Christoph

Frodo
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Re: Reste Verwertung...

Beitrag von Frodo » 07.09.2021 23:33

Hallo Andi
Vielen Dank für den tollen technischen Beitrag,den man auch als Laie gut verstehen kann. Ich hab das mit dem Gewindeschneiden schon bei meinem Großvater gesehen,das sah recht abenteuerlich aus. Das Stufenwellengetriebe der riemengetriebenen Wolf Jahn Drehbank wurde auf langsamste Kreisfrequnz gestellt und mit der linken Hand am Abschlussknauf noch zusätzlich gebremst(!). Was er dann machte, war mir natürlich nicht bewusst, da war ich noch zu klein und durfte auch nicht in die Nähe der laufenden Maschine kommen. Manchmal hat er sehr unwirsch die Schnellverstellung aufgehauen und das zu bearbeitende Teil irgendwo in eine Ecke geschmissen.
Bei dem Filmchen mit dem gewindeschneidenden Japaner hat man auch gesehen, dass er sehr langsam und sehr sanft mit dem ersten anschlagen beginnt. Erst wenn man sicher ist, dass man ein 3er Gewinde getroffen hat,kann man den Anpressdruck auf das Schneidwerkzeug erhöhen. Der letzte Besitzer einer kleinen Schreibgerätewerkstatt, die unter der Marke "Colima" produzierte, konnte sich bei einem Besuch im Museum kaum von der Drehbank loseisen. Ich hatte ihm auch gesagt, dass ich sicher 100% Ausschuss beim Gewindestrehlen erzeugt hätte. Ja, sagte er, man musste viel üben. Und wenn mans nicht schafft, muss man sich eine andere Arbeit suchen. Ich bin mir sicher, dass viele Arbeiter eine besondere Beziehung zu ihrer Maschine hatten.
Ich vermute aber doch, dass es schon Gewindeschneid- Werkzeuge mit mehrfach- Gewinden gegeben hat. Diese wurden dann aber etwas nachgestrehlt, weil sie nicht so hart "auf Knirsch" laufen durften. Da durfte auch kein Öl dran wie bei den Metallschrauben. Man merkt auch heute, wenn ein Kappengewinde halb eingeschraubt ist, dass es etwas wackelt.
Gruss F

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Zollinger
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Re: Reste Verwertung...

Beitrag von Zollinger » 08.09.2021 6:59

Wurmbunt hat geschrieben:
07.09.2021 21:46
... Eine Möglichkeit, das zu verhindern besteht darin, den Schaft, hinter dem Gewinde, abzudrehen - das Gewinde steht dann aber etwas heraus.
...
DAS ist sehr interessant! Ich habe mich schon oft gefragt, weshalb bei den ersten Waterman's mit Schraubkappen das Gewinde aus dem Schaft herausragt:
Waterman's 12V PSF klein.jpg
Waterman's 12V PSF klein.jpg (179.53 KiB) 3573 mal betrachtet
...könnte der von Dir erwähnte Umstand der Grund dafür sein?

Eigentlich gefällt mit das ganz gut.

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HeKe2
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Re: Reste Verwertung...

Beitrag von HeKe2 » 14.09.2021 18:22

Wurmbunt hat geschrieben:
07.09.2021 22:15
Hier im Forum, wurde mal ein "YouTube" Video verlinkt, in dem ein älterer, japanischer Herr gezeigt wurde, der einen Handstrehler meisterhaft zu führen wusste. Er stellte Füllfederhalter her, und schnitt alle Gewinde von Hand mit einem Strehler... Allerdings schraubte er recht oft, um die Teile zusammen zu bringen - es wird nicht ersichtlich, ob ein mehrgängiges Gewinde geschnitten wird.
Führe Dir, lieber Gerd, vor Augen, das es nicht damit getan ist das Gewinde einzuschneiden.
Ich glaube, du meinst dieses Video:
https://www.youtube.com/watch?v=f5dekz26Kdw
Das ist ein Zusammenschnitt der Serie "Masters of fountain pen" auf Youtube.
Ich habe es mal in Zeitlupe (0,25) ablaufen lassen und meine zu erkennen, das eines der Außengewinde dreifach ist. Wirklich scharf sind die Aufnahmen unter den Bedingungen allerdings nicht.
Beste Grüße
Hermann

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Will
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Re: Reste Verwertung...

Beitrag von Will » 16.09.2021 3:08

Lieber Andi,

bitte entschuldige, dass ich so lange für eine Antwort an Dich gebraucht habe. Ich danke Dir sehr sehr herzlich für Deine ausführlichen Erklärungen. Diese treffen genau meinen Nerv, verlangt das was Du mit Deiner Drehbank leistest, doch so viel mehr persönliches Wissen sowie handwerkliches Können und Geschick, als eine Spritzgussform heute in Masse ausspuckt. Wie viel Gefühl und traumwandlerische Präzision muss erforderlich gewesen sein, um das mit einem Handstrehler zu bewerkstelligen. Dies lehrt uns auch Ehrfurcht vor dem, was wir so selbstverständlich in der Hand halten und damit schreiben sowie vor dessen Schöpfer. Mag sein, dass ich darum solchen Respekt und solch eine Liebe zu handgemachten sowie historischen Füllhaltern habe. Nehmen diese doch nicht nur etwas vom ehemaligen Besitzer auf, sondern auch von jenem, der diesem Schreibgerät förmlich Leben eingehaucht hat.

Man schmeißt nicht mal schnell etwas Material auf den Werktisch und bastelt hurtig einen Füllfederhalter, dazu gehört deutlich mehr! Mein Respekt ist Dir jedenfalls gewiss.

Zu Deinen Fragen, kann ich bedauerlicherweise gar nichts beitragen, da ich, wie bereits gesagt, nicht drehen kann, nun zwar eine klarere Vorstellung, aber keine Ahnung davon habe.

Ich danke Dir nochmals sehr herzlich für diesen besonderen Einblick und freue mich nun um so mehr auf das weitere Entstehen.

Liebe Grüße

Gerd
Blauer Hautausschlag, erhöhte Temperatur, Bewusstseinstrübungen - oh Gott, das muss Flexfieber sein!

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Re: Reste Verwertung...

Beitrag von Wurmbunt » 17.09.2021 0:21

Hallo - Klasse, daß ein "Randbereichsthema" so regen Zuspruch findet!
Zollinger hat geschrieben:
08.09.2021 6:59
Wurmbunt hat geschrieben:
07.09.2021 21:46
... Eine Möglichkeit, das zu verhindern besteht darin, den Schaft, hinter dem Gewinde, abzudrehen - das Gewinde steht dann aber etwas heraus.
...
DAS ist sehr interessant! Ich habe mich schon oft gefragt, weshalb bei den ersten Waterman's mit Schraubkappen das Gewinde aus dem Schaft herausragt... könnte der von Dir erwähnte Umstand der Grund dafür sein?
...
Ja sehr wahrscheinlich.
Bei steigenden Produktionszahlen und fortschreitender Rationalisierung, hat sich Waterman höchst wahrscheinlich ein Werkzeug besorgt, daß die schwierige Handarbeit (mit entsprechendem Ausschuss und speziell geschulten Fachkräften) ersetzt hat. In den 1920er Jahren, steht das Gewinde nicht mehr über - was für die Verwendung von speziellen Schneideisen spricht...
16318269771710.jpg
Hier ein Waterman Mod. 7 - späte 1920er. Das Gewinde steht nicht mehr über
16318269771710.jpg (69.85 KiB) 3305 mal betrachtet
Danke auch für den Link - ja das Filmchen meinte ich!
Doch nun - weiter geht's mit dem Projekt...
Als nächstes habe ich mir die Kappe vorgenommen.
Die Gewindehülse aus Neusilber, bildet gleichzeitig den "falschen" Zierring.
16313859617650.jpg
Gewindehülse mit"Bund"
16313859617650.jpg (111.91 KiB) 3305 mal betrachtet
Das längere Ende soll via Presspassung in das Ebonit der Kappe versenkt werden, während das kurze Stück einen Hartgummiring bekommt. Der Zierring ist also eigentlich der Kappenmund.
16313870710980.jpg
Dieser Metallzierring wird niemals locker...
16313870710980.jpg (88.15 KiB) 3305 mal betrachtet
Um die genauen Innenmaße der Kappe zu ermitteln, musste ich zuerst die Feder setzen, die Sektion montieren und anschließend die Gewindehülse aufschrauben.
Ich möchte keine separate Innenkappe einsetzen, so daß der Kappenrohling gestuft gebohrt werden muss. Das Vorderende des Griffstückes soll gegen eine Stufe des Kappenprofils stoßen, während die Feder in einem relativ kleinen Raum vor, zu schnellem, Austrocknen geschützt ist.
16313862150190.jpg
Die Innenkontur der Kappe wird ermittelt
16313862150190.jpg (84.74 KiB) 3305 mal betrachtet
Quasi eine integrierte Innenkappe...
16318256971761.jpg
Hier wird die Gewindehülse in den Kappenrohling gepresst
16318256971761.jpg (150.3 KiB) 3305 mal betrachtet
Da ich den originalen "Burnham" - Clip verwenden wollte (Resteverwertung!!!) War ich leider mit dem Außendurchmesser der Kappe festgelegt - gegenüber dem zierlichen Schaft, wirkt sie dadurch etwas "klobig". :roll:
16318256787600.jpg
Kappe ist fertig - etwas zu massiv für den Füller
16318256787600.jpg (117.9 KiB) 3305 mal betrachtet
Irgendwie ist es einfacher, alles neu zu machen und sich an keine vorgegebenen Maße halten zu müssen!
Aber egal - die neuen Metallteile werden natürlich später noch vergoldet, damit alles zusammen passt.
Vorher muss aber noch der Füllmechanismus in den Schaft!
Grüße Andi

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Re: Reste Verwertung...

Beitrag von Wurmbunt » 19.09.2021 0:58

Hallo,
als nächstes bekommt der Schaft seine Füllmechanik.
Dafür muss ein Schlitz in ihn eingebracht werden.
Zuerst sollte die Position im Schaft bestimmt sein - bei einem gemusterten Material, wie hier, kommt noch die Ausrichtung der Nut hinzu. Bei aufgeschraubter Kappe möchte ich sowohl den Clip, als auch den Füllhebel in einer Flucht haben. Darüber hinaus, will ich, daß die Musterung von Griffstück, Schaft, Abschlusskappe und Kappe in einer Linie verläuft und die Feder mit ihrer Oberseite zum Hebel hin, fluchtet..
16318254946360.jpg
Positionierung des Leverschlitzes
16318254946360.jpg (86.05 KiB) 3213 mal betrachtet
Da ist einiges Probieren und Ausrichten angesagt.
Auch die Position in Längsrichtung ist wichtig.
Der Tintensack soll möglichst weit komprimiert werden, ohne daß der Tintenleiter berührt wird, oder der Sack vom Griffstück abgezogen wird. Ein bisschen Abstand ist also notwendig.
16318253812720.jpg
Positionierung des Schlitzes
16318253812720.jpg (69.53 KiB) 3213 mal betrachtet
Der Hebel hat eine Breite von 1,8mm , so daß ein Schlitz von 2,0mm gut funktionieren sollte. Zuerst wird der Schaft vorgebohrt - ein bisschen Untermaß ist vorteilhaft - die letztendlichen Maße werden mit der Schlüsselfeile hergestellt.
16318252778333.jpg
Bohrungen begrenzen den Hebelschlitz
16318252778333.jpg (156.91 KiB) 3213 mal betrachtet
Anschließend den Schlitz einsägen und die Bohrungen nacharbeiten, bis der Hebel passt.
16318252255830.jpg
Schlitz im Schaft
16318252255830.jpg (91.12 KiB) 3213 mal betrachtet
16318252577222.jpg
Der Lever verschwindet im Schaft
16318252577222.jpg (86.72 KiB) 3213 mal betrachtet
Soweit sieht das alles sehr gut aus - jetzt muss noch die Nut von innen in den Schaft geschnitten werden, die den Hebel mit Hilfe des Federrings hält.
Grüße Andi

fountainbel
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Re: Reste Verwertung...

Beitrag von fountainbel » 19.09.2021 23:14

Wurmbunt hat geschrieben:
07.09.2021 21:46
Deshalb hier mal der Aufruf an alle, die Füller bauen - wie geht Ihr mit der Thematik um? Habt Ihr Tricks, die Ihr bereit wärt zu teilen? Oder legt Ihr Euch auf einen Durchmesser fest und besorgt Euch ein entsprechendes Werkzeug? Oder steht das Gewinde bei Euch über?
Würde mich echt interessieren, wir das sonst so gehandhabt wird!
Hallo Andi,
Fascinerender Lehrsamer thread, vielen dank !
Anbei meiner 36 TPI Gewinde schneid methode :
Ich bin der glücklicher Besitzer einer "Myford Super 7” Drehmaschine die mit einem Schaltgetriebe ausgestattet ist, so dass beim Schneiden von 36TPI kein Getriebe Zahnräder eingestellt werden mussen.
Schneiden von 36 TPI-Innengewinde :
Eingängiges Gewinde: mit einem 36-TPI-Gewindebohrer mit kleinerem Durchmesser (oder einem Gewindebohrer M4x 0,75 mm)
Mehrgängige Gewinde: mit einem kleineren 36-TPI-Gewindebohrer
Hinweis: Ich verwende meist 4 Gewindegänge für das mehr gangige Gewindeschneiden von Kappe zu Körper, damit das 180*-Muster auf den exklusiven Zelluloiden in zwei der 4 Einsgriff Positionen durchlauft.
Schneiden von 36TPI-Außengewinden :
Einzelne Gewindegänge: Verwendung eines 36TPI-Gewindeschneiders mit größerem Durchmesser
Mehrgängig: Schneiden jeder der 4 Gewindegänge separat mit einem 55°-Schneidemesser, jeder Gang in 3 aufeinanderfolgenden Tiefen schritten
Freundlicher Gruss aus Flandern!
Francis

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Wurmbunt
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Re: Reste Verwertung...

Beitrag von Wurmbunt » 26.09.2021 0:09

Hallo,
Danke Francis für die Beschreibung, wie Du die Gewinde anbringst!
Nun muss die Nut im Inneren des Schaftes angebracht werden, welche die Ringfeder aufnimmt, die ihrerseits den Füllhebel fixiert.
Will hat geschrieben:
02.09.2021 16:32
Lieber Andi,
...Besonders interessiert mich, wie das alte Hebelsystem seine neue Heimat findet. Ich vermute, der Korpus braucht an der Innenwand eine Rille, in welche der Ring einschnappen kann. Beim Schneiden von Rille für den Ring und Aussparung für den Hebel, denke ich mir, dass man hier einen sehr geringen Dispositionsrahmen hat, in welchem man sich sicher nur um weniger als einen halben Millimeter vertun darf. Wie Du das machst, bereitet mir schon seit der Vorstellung des Projekts Gedanken. Bohrst Du erst von außen ein Loch in den Korpus, wo das Gelenk für den Hebel bzw. der Ring verlaufen wird, schneidest dann innen die Rille und abhängig von der Position des Lochs, dann davon ausgehend die Aussparung für den Hebel, so etwa? Ich bin mir bei der Vorgehensweise völlig im Unklaren. Vielleicht ist die Lösung viel simpler und ich komme nur nicht drauf.

Liebe Grüße

Gerd
Angedeutet habe ich den Vorgang ja schon, aber extra für Dich Gerd, habe ich ein paar Bilder geschossen! :)
Für die Nut im Inneren des Schaftes, braucht man ein spezielles Schneidwerkzeug.
16326018766742.jpg
Hebelmechanik und Schneidwerkzeug
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Hier sind die Komponenten der Hebelmechanik und das Schneidewerkzeug zu sehen.
Den Drehstahl habe ich mir aus dem Werkzeugstahl 90MnCrV8 (1.2842) mal für ein anderes Projekt gebaut. Wie im Bild zu sehen, ist der Werkzeugschaft zu dick, um in den filigranen Schaft zu passen. Dem entsprechend musste ich das Werkzeug nacharbeiten.
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So funktioniert es
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Hier die Scneide, welche die Nut im Inneren anbringen soll.
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Wekzeugschneide
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Auf dem Foto ist es schlecht zu sehen - hier stößt die Handykamera an ihre Grenzen - deshalb möchte ich die Schneidgeometrie näher erläutern.
Wichtig hierbei ist, daß die Schneide an allen geometrischen Flächen "hinterschnitten" ist. Im Eingriff in das Werkstück, muss die Schneide arbeiten können, ohne dass andere Teile des Werkzeuges irgendwo anliegen. Es soll ein sogenannter "Freiwinkel" zwischen Werkzeug und Werkstück vorhanden sein.
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Schaft und Nutwerkzeug in der Drehbank
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Die Schneide des Werkzeuges wird mittig zum Schaft ausgerichtet, und die, vorher markierte, Position für die Nut angefahren.
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Position für die Nut
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Hier habe ich versucht durch die Lupe zu fotografieren - ist eher mäßig gelungen... :roll:
Jedenfalls steht die Wekzeugschneide an der markierten Stelle.
Nun kann die Nut eingestochen werden.
Da ich hier den Hebelschlitz zuerst angebracht habe, handelt es sich um einen, sogenannten "unterbrochenen Schnitt". Das birgt die Gefahr, daß sich die Schneide im Schlitz "fängt" (das Ebonitrohr ist relativ biegeweich, sodass es der Schneide "ausweicht", und sich der Schaft somit von der Schneide weg biegt. Im Schlitz - der Schnittunterbrechung - federt der Schaft zurück, da die resultierende Kraft vom Schneidvorgang abbricht.) und der Schaft brechen kann. Vorsicht ist also geboten, die Schnitttiefe muss zehntel Millimeter weise zugestellt werden.
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Nut im Schaftinneren
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Hier die Nut zur Aufnahme der Ringfeder, welche den Hebel arretiert. Die Feder selbst musste noch etwas gekürzt werden, weil der Schaftinnendurchmesser kleiner als das Original ist.
Leider kann ich keine Bilder mehr einfügen...
Es gibt also einen kurzen Nachtrag!
Grüße Andi

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