Parker Vacumatic Service - Tipps und Tricks

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Wurmbunt
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Parker Vacumatic Service - Tipps und Tricks

Beitrag von Wurmbunt »

Hallo allerseits!
Über Parker Vacumatic's habe ich ja schon öfter etwas geschrieben, aber irgendwie, ist es immer in eine "Bastelei" ausgeartet... ;)
Das muss aber, bei weitem nicht, so sein!
Eigentlich ist dieses Füllermodell grundsolide.
Da ich gerade einen, richtig guten, "Senior Maxima" von einer Forumskollegin in Arbeit habe, möchte ich einmal einen "straight forwad" Beitrag über die normale Wartung verfassen!
Diese Füllfederhalter gehören, nach wie vor, zu meinen absoluten Lieblingen - sie sind technisch interessant, wunderschön, hochwertig gebaut und alt - was will man mehr?!? :)
Die Standardwartung beläuft sich normalerweise auf eine gründliche Reinigung und den Austausch des Diaphragmas, der Pumpenmembran.
Hier liegt aber leider auch der "Hase im Pfeffer" - um die Pumpeneinheit auszubauen, ist leider Spezialwerkzeug erforderlich. So etwas kann selbst gemacht werden, ist aber in der Materialbeschaffung zu teuer (wer hat schon einen Gewindebohrersatz in Britische Withwort Fine herumliegen!?!). Die britische Firma "Pendragons" bietet aber Nachfertigungen der originalen Servicewerkzeuge an, so daß die Gewindezangen für einen, erträglichen, Betrag erstanden werden können.
Bitte, Bitte, Bitte - versuche Niemand die Pumpeneinheit mit einer Wasserrohrzange, oder ähnlichem, zu entfernen. :roll:
Nie!!!
Es funktioniert einfach nicht und die, eigentlich relativ haltbare, Gewindebuchse, welche die Pumpeneinheit fixiert, ich nach diesem, sträflichen, Missbrauch definitiv kaputt.
Die Gewindebuchse vom Schaftende und dazu passendes Werkzeug
Die Gewindebuchse vom Schaftende und dazu passendes Werkzeug
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Es gibt, meines Wissens, bei allen jemals produzierten Modellen nur zwei größen, so daß nicht zig verschiedene benötigt werden.
Zum herausschrauben der Buchse (normales Rechtsgewinde) ist es sinnvoll den hinteren Bereich des Schaftes zu erwärmen. Den Schaft anschließend möglichst nahe der Buchse greifen! Altes Zelluloid kann brüchig sein und eine gewisse Torsionskraft muss eben aufgebracht werden.
Mit etwas Glück, kommt die Pumpeneinheit dann gleich mit heraus - meistens aber nicht.
Das ist ein Problem der Lagerung/Benutzung. Ist der Füller ständig in Gebrauch, und das Diaphragma geht kaputt, löst sich alles geschmeidig...
Liegt der Stift aber anschließend 50 Jahre lang in einer Schublade, versteinert das Latex regelrecht und verbackt mit allen Oberflächen. :(
So etwas kennt auch jeder, der schon einmal die Tintensackreste aus einem alten Hebelfüller gekratzt hat...
Beim Vacumatic bildet sich gerne eine besonders "innige" Verbindung zwischen Pumpe und Schaft.
Pumpe steckt fest
Pumpe steckt fest
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Schaftende und Pumpenvorderteil bilden hier zusammen einen Kegelsitz, zwischen dem, der Hinterrand des Diaphragmas, geklemmt wird. Eine technisch saubere Lösung, die auch zuverlässig dafür sorgt, daß hinten alles dicht ist. ;)
Steckt die Pumpeneinheit also fest, NICHT am Stößel ziehen!
Es gibt drei Bauformen der Pumpe und keine verträgt Zugbelastung. Die beiden frühen Bauformen (Lockdown und Speedline) haben zwar ein Aluminiumrohr als Stößelstange, allerdings wird die ganze Pumpeneinheit durch einen Blechkeil, mit ca. 0,5mm Wandstärke, zusammengehalten. Die spätere Version hat einen Stößel aus Zelluloid, der rüde Behandlung auch übel nimmt.
Steckt die Pumpe also fest, führt kein Weg daran vorbei, die Griffsektion abzuschrauben.
Hier wieder mit dem Föhn arbeiten - das Gewinde zwischen Schaft und Sektion (normales Rechtsgewinde) ist üblicherweise mit irgendeiner Dichtmasse/oder Schellack gesichert. Geduld ist wichtig, Kunststoffe haben einen schlechten Wärmeübergangskoeffizienten, was bedeutet, das sie die Wärme schlecht leiten. Es bringt nichts, das Zelluloid auf der Oberfläche zu überhitzen, anzuschmelzen oder gar abzufackeln, während das innere des Schaftes noch kalt ist und die Dichtmasse noch fest.
Wieder möglichst nahe am Gewinde greifen, um eine Torsionsbelastung über die ganze Schaftlänge zu vermeiden.
Ist die Sektion entfernt, wird die Gewindebuchse für die Pumpe wieder eingeschraubt (so mache ich das, keine Ahnung, ob es wirklich notwendig ist, oder der damaligen Reparaturvorschrift entspricht - also alle Angaben ohne Gewähr!) - aber nicht ganz, so 2-3mm, vom großen Gewinde, sollten noch aus dem Schaft heraus schauen.
Gewindebuchse teilweise wieder eingesetzt
Gewindebuchse teilweise wieder eingesetzt
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Die, relativ stabile, Gewindebuchse dient mir nun als Anschlag auf meinem "Knock out Block" - das, wieder Anbringen der Buchse, sorgt dafür, daß das weiche Zelluloid nicht in Kontakt mit dem "Austreibeamboss" kommt.
Nun wird die Buchse in ein passendes Loch gesteckt und die Pumpe, von der Sektionsseite her, ausgetrieben.
Anordnung zum austreiben der Pumpe
Anordnung zum austreiben der Pumpe
16481628674430.jpg (131.1 KiB) 3487 mal betrachtet
Achtung hier :!:
Zum Schaftende hin reduziert sich der Innendurchmesser! Hier gibt es quasi eine Lippe, welche den Innenrand des Dichtkegels für die Pumpe bildet.
Der Durchschlag muss also unbedingt, vom Durchmesser her, so bemessen sein, daß er durch die "Engstelle" passt!
Dann einfach mit leichten Hammerschlägen die Pumpeneinheit lösen. Anschließend die Gewindebuchse wieder entfernen und die, nun gelöste Pumpe, nach hinten herausziehen.
Wenn alles geglückt ist, schaut das dann ungefähr so aus:
Pumpe ausgebaut
Pumpe ausgebaut
16481633867700.jpg (146.91 KiB) 3487 mal betrachtet
Jetzt ist Reinigen angesagt! Alle Rückstände des alten Diaphragmas, Tintenreste und Schmutz müssen entfert werden.
Eigentlich wollte ich den Beitrag auf ein Mal schreiben, aber er wird einfach zu lang... :roll:
Also gibt es doch wieder mehrere Teile.
Vielleicht ist es der Einen oder dem Anderen auch zu detailliert und zu ausführlich - dann einfach als "gelesen markieren" - meine Intension ist hier ganz klar: "Anleitung von Bastler, für Bastler" bezüglich eines ganz speziellen Füllfederhaltermodelles.
Grüße Andi
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PenFan
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Re: Parker Vacumatic Service - Tipps und Tricks

Beitrag von PenFan »

Andi, vielen Dank für diesen Bericht! Ich habe zwar mit Füllerreparaturen nichts am Hut, finde es aber toll, daß es noch jemand macht und sein Wissen mit anderen hier im Forum teilt. Von so etwas lebt dieses Forum.
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Will
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Re: Parker Vacumatic Service - Tipps und Tricks

Beitrag von Will »

Wurmbunt hat geschrieben:
25.03.2022 22:10
Vielleicht ist es der Einen oder dem Anderen auch zu detailliert und zu ausführlich - dann einfach als "gelesen markieren" - meine Intension ist hier ganz klar: "Anleitung von Bastler, für Bastler" bezüglich eines ganz speziellen Füllfederhaltermodelles.
Lieber Andi,

was die Restaurierung eines historischen Füllhalters betrifft, da gibt es nie zuviel Information, nur zuwenig. Die Vacumatics sind im Vergleich zu anderen Füllsystemen nicht die einfachsten Restaurierungsobjekte, darum ist wirklich jeder kleine Hinweis Gold wert. Ich danke Dir sehr herzlich, dass Du uns an Deiner Erfahrung teilhaben lässt. Ich werde diesen Deinen Faden aufmerksam und mit viel Freude verfolgen.

Herzliche Grüße ins Wochenende

Gerd
Blauer Hautausschlag, erhöhte Temperatur, Bewusstseinstrübungen - oh Gott, das muss Flexfieber sein!
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Wurmbunt
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Re: Parker Vacumatic Service - Tipps und Tricks

Beitrag von Wurmbunt »

Hallo - schön, daß Ihr diesen Beitrag positiv aufnehmt.
Vielen Dank für Eure Unterstützung!
Weiter geht's mit dem Service für 90 Jährige Füller. ;)
Als nächstes kommt die Pumpeneinheit dran...
Prinzipiell sieht so ein Diaphragma wie ein Tintensack aus. Je nach Modell, gibt es drei Größen.
Drei Größen finden Anwendung
Drei Größen finden Anwendung
16482469775140.jpg (171.61 KiB) 3442 mal betrachtet
Etwas speziell ist allerdings die Verbindung zum Pumpenstößel...
Ich möchte wirklich nicht sexistisch rüberkommen /unangenehm auffallen, aber die hintere Ausformung dieser speziellen Variante eines Tintensackes erinnert doch sehr stark an eine weibliche, anatomische, Besonderheit.
Jedenfalls steckt in der, ähh, hinteren Ausstülpung ein kleines Kügelchen. Dieses ist so bemessen, daß es, mit etwas Gewalt, in den vorderen Hohlraum der Pumpe passt.
Zusammen mit der Wandstärke des Diaphragmas, ergibt sich eine ausreichend feste Verbindung zum Pumpenstößel.
Natürlich reißt der alte Tintensack/das Diaphragma genau an dieser Verbindungsstelle ab.
Bei der Reparatur ist es dem entsprechend erforderlich, das alte Kügelchen und die Reste des Latexsacks, zu entfernen.
Reste des Diaphragmas und der Haltekugel im Speedline -Filler
Reste des Diaphragmas und der Haltekugel im Speedline -Filler
16482455506841.jpg (127.4 KiB) 3442 mal betrachtet
Befestigungsreste in der 3. Pumpengeneration
Befestigungsreste in der 3. Pumpengeneration
16482455618202.jpg (152.47 KiB) 3442 mal betrachtet
Das vernünftigste Verfahren, die Reste zu entfernen, ist ein Drehmel (Hersteller nur als Beispiel für kleine Rotationsschleifmaschinen erwähnt - bei mir ist es ein "Proxxon"). Ein kleiner, kugelförmiger Einsatz erledigt die Aufgabe.
Rotationskleinschleifmaschine mit Schleifstift
Rotationskleinschleifmaschine mit Schleifstift
16482455349040.jpg (121.43 KiB) 3442 mal betrachtet
Für Schrauber mit unruhigen Händen, sollte ein Röhrchen zur Führung des Schleif-/Fräsaufsatzes verwendet werden. Der Bohrungsdurchmesser des Pumpenkopfes darf nicht erweitert werden, da sonst das neue Diaphragma nicht mehr hält. Ist der Pumpenkopf von seinen Resten befreit, kann das neue Diaphragma montiert werden!
So weit für jetzt - Fortsetzung folgt...
Grüße Andi
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Pensilea
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Re: Parker Vacumatic Service - Tipps und Tricks

Beitrag von Pensilea »

Höchst informativer Beitrag. Bin gespannt auf die Fortsetzung. Auch wenn ich mich wahrscheinlich niemals daran wagen würde, es mal auszuprobieren, einen Vacumatic zu warten. Danke für die Mühe, alles detailiert zu beschreiben.
Herzliche Grüße, Angelika

"Zuweilen macht es ja wohl nichts aus, wenn man seine Arbeit auf später verschiebt." (Der kleine Prinz)
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Wurmbunt
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Re: Parker Vacumatic Service - Tipps und Tricks

Beitrag von Wurmbunt »

Hallo,
hier noch ein kleiner Einschub.
Falls die Sektion entfernt werden muss, um die Pumpeneinheit zu lösen, bietet es sich an, gleich alles auseinander zu nehmen um eine gründliche Reinigung durchzuführen. Das ist zwar nicht immer nötig (zumal wenn der Füller im Betrieb war und die Pumpe sich gleich von hinten entnehmen lässt) aber nach längeren Liegezeiten, sollte nicht auf diesen Schritt verzichtet werden.
Das Atemröhrchen, falls noch vorhanden und unbeschädigt, kann einfach nach hinten herausgezogen werden - falls nicht - möchte ich auf diesen Beitrag verweisen: viewtopic.php?f=14&t=28930&hilit=Breathertube
Anschließend werfe ich alles in's Ultraschallbad.
Die Anwendung von Ultraschallgeräten ist mit Vorsicht zu genießen - in manchen Fällen verbietet sich deren Benutzung (Ebonit, Lackierte Bauteile oder Vergoldungen können leiden). Sie haben aber auch ihre Vorteile, vor allem wenn es um eingetrocknete Tintenreste geht!
Ultraschall Reinigung
Ultraschall Reinigung
16483938012340.jpg (152.36 KiB) 3314 mal betrachtet
Im Bild ist die Sektion des Maxima mit der Breathertube im Ultraschallbad NACH vorheriger, gründlicher Reinigung unter fließendem Wasser! Das Gerät läuft erst eine Minute... Immer wieder faszinierend, was da alles noch raus kommt.
Das Ultraschallbad kommt, bei mir zumindest, vor dem Austreiben von Feder und Tintenleiter - etwaige Verklebungen durch alte Tinte werden dabei (so zumindest die Hoffnung) gelöst oder aufgeweicht.
Wir sind ja hier bei "Tipps und Tricks", deshalb noch ein paar Worte zum Ultraschallgerät.
Die kleinen Dinger für den Haushalt sind für Füllfederhalter völlig ausreichend. Im Gegenteil sind leistungsstarke Industrie -/Laborgeräte oft zu viel des guten, und entfernen auch Goldbeschichtungen, die schon etwas angegriffen sind. Auch die Temperaturentwicklung sollte nicht unterschätzt werden - gerade beim Zelluloid lieber mehrere kurze Reinigungszyklen und zwischendurch abkühlen lassen. Dem entsprechend ist natürlich auch keine Badheizung erforderlich, über die Profigeräte normalerweise verfügen.
Einen dummen Fehler aus meiner Anfangszeit möchte ich auch nicht verschweigen...
Wir haben hier in meiner Wohngegend sehr "hartes" Wasser. Gerne habe ich, nachdem die Reinigung abgeschlossen war, die Brühe noch etwas im Ultraschallbad gelassen, bis ich mich mit der ungeliebten Aufgabe beschäftigt habe, das Gerät selbst sauber zu machen...
Obwohl augenscheinlich sauber, wurden nach einiger Zeit, frisch gereinigte Bauteile regelrecht mattiert. Zuerst dachte ich noch, die Kunststoffteile der Füller wären eben abgegriffen und durch die gründliche Reinigung, käme die schlechte Oberfläche zu Tage... Bis dann auch mattierte Goldfedern aus dem Ultraschall kamen...
Der Grund waren Kalkablagerungen, die in der Badwanne unsichtbar, aber fühlbar vorhanden waren.
Seitdem entkalke ich das Ultraschallbecken vor jeder Benutzung. ;)
Keiner Nachtrag zu den Kunststoffkörbchen, die normaler Weise mitgeliefert werden. Sie haben sich, bei mir zumindest, als relativ "unhaltbar" erwiesen, verkalken auch und lassen sich schwer säubern/entkalken - deshalb lasse ich sie einfach weg (ohne weitere negative Auswirkungen, außer Teilefischen und bunten Fingern...).
Zuletzt geändert von Wurmbunt am 27.03.2022 19:29, insgesamt 1-mal geändert.
Grüße Andi
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Pensilea
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Re: Parker Vacumatic Service - Tipps und Tricks

Beitrag von Pensilea »

Den Hinweis mit dem Kalk finde ich sehr hilfreich. Hätte ich nicht gedacht
Herzliche Grüße, Angelika

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Wurmbunt
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Re: Parker Vacumatic Service - Tipps und Tricks

Beitrag von Wurmbunt »

Weiter geht's.
Pensilea hat geschrieben:
27.03.2022 19:25
Den Hinweis mit dem Kalk finde ich sehr hilfreich. Hätte ich nicht gedacht
Ja - habe ich auch noch nicht irgendwo gelesen - aber ich schwöre - es war tatsächlich so! :roll:
Das Austreiben von Tintenleiter und Feder bietet keine Besonderen, beim Vacumatic ist alles gesteckt und es gibt (bei allen Baureihen) keine geschraubten "Tripel".
Also alles Standard - passendes Loch im Austreibeamboss wählen (die Feder sollte noch leicht Spiel haben - ansonsten das kleinste Loch, welches diese Forderung erfüllt) und mit dem passenden Durchschlag den Tintenleiter nach vorne aus der Sektion austreiben.
Austreibeamboss mit Durchschlägen
Austreibeamboss mit Durchschlägen
16484029781320.jpg (102.22 KiB) 3263 mal betrachtet
Vielleicht noch ein Wort zu den Durchschlägen. Die käuflichen sind normalerweise komplett aus Werkzeugstahl, da sie eigentlich dazu gedacht sind, Splinte oder Passbolzen auszutreiben. Dadurch sind die Durchschläge natürlich sehr viel härter als das Tintenleitermaterial (bei alten Füllfederhaltern immer Ebonit). Natürlich funktionieren sie trotzdem. Allerdings habe ich, bei relativ fest sitzenden Passungen, schon Schlagmarken auf der Rückseite der Tintenleiter produziert. :roll: Das passiert auch schnell, falls das Werkzeug, auch nur ganz leicht verkantet wird.
Da es hier um Praxistipps geht, will ich mal aus dem "Nähkästchen" plaudern.
Anfangs habe ich mir damit beholfen ein kleines Kunststoffscheibchen zwischen Tintenleiter und Durchschlagswerkzeug zu legen. Das funktioniert ganz hervorragend! Allerdings ist es eine ziemliche Friemelei und irgendwie hatte ich immer eine Hand zu wenig...
Den Schritt Durchschläge aus weicherem Material zu verwenden, habe ich übersprungen. Funktioniert sicherlich auch (Hartholz, Kunststoff, Ebonit...), allerdings wird die Dauerhaltbarkeit doch zumindest zweifelhaft sein.
Deshalb habe ich mir Austreibewerkzeuge aus Messing gebaut (leicht zu bearbeiten) und die Spitzen mit entsprechend angepassten Material versehen...
Durchschläge speziell für Füllfederhalter
Durchschläge speziell für Füllfederhalter
16484029919041.jpg (90.88 KiB) 3263 mal betrachtet
Oben im Bild ist die Treibspitze aus Ebonit und unten aus (natürlichem) Widderhorn - beides funktioniert ganz hervorragend und hinterlässt keine Schlagmarken auf dem Tintenleiter!
Grüße Andi
rubicon
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Re: Parker Vacumatic Service - Tipps und Tricks

Beitrag von rubicon »

Hallo Andi,

kleiner Tipp zum Entkalken: in der Putzabteilung größerer Supermärkte oder in Drogerien gibt es in der Regel kristalline Zitronensäure. Diese ist gerade für Kunststoff ein super Entkalker. Ein Eßlöffel in 500 ml warmen Wasser auflösen und das verkalkte Kunsstoffteil darin einweichen. Früher habe ich gern Essigessenz genommen, aber die ist doch sehr geruchsintensiv.
Auch für Wasserkocher ist die Zitronensäure super geeignet. Allerdings sollten einge Metallteile nicht zu lange darin eingeweicht werden, da es schon eine recht aggressive Säure ist. Edelstahl ist unproblematisch meiner Erfahrung nach.
LG
Andrea
fountainbel
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Re: Parker Vacumatic Service - Tipps und Tricks

Beitrag von fountainbel »

Dies ist die ausführlichste Reparaturanleitung für den Parker Vacumatic, die ich je gelesen habe.
Meine aufrichtigen Glückwünsche !
Francis
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Wurmbunt
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Re: Parker Vacumatic Service - Tipps und Tricks

Beitrag von Wurmbunt »

Hallo,
wenn alles sauber, gereinigt, geputzt und aufbereitet ist, kann der Füller wieder zusammengesetzt werden.
Das "Saubermachen" ist, zumindest für mich, die unangenehmste Arbeit... :roll:
Hier noch ein Tipp - durch Jahrzehnte langes herumliegen haben die Tintenreste viel Zeit, sich "innig" mit der Innenwand des Schaftes zu verbinden. Das schränkt die Funktion zwar nicht ein, allerdings ist eines der "features" des Vacumatic, die Teiltransparenz. Gegen das Licht gehalten, wird der Tintenstand im Schaft sichtbar. Durch UV-Licht und alter "leidet" das Zelluloid und vergilbt - dagegen lässt sich leider nichts mehr tun. Oft ist aber der Werkstoff selbst gar nicht so angegriffen, sondern nur die innerste Schicht ist, durch die Tinte, betroffen...
Nach gründlicher Reinigung (Ultraschall) kann hier, ohne Bedenken, mit Wattestäbchen und Polierpaste gearbeitet werden. Beim polieren des Schaftinneren sollte das Gewinde für die Sektion und der Dichtkonus für das Diaphragma, ausgelassen werden. Diese Stellen sind sowieso undurchsichtig und können durch zu starkes Polieren beschädigt werden. Im Gegensatz zu einem Kolbenfüller, ist die, exakt zylindrische Geometrie, des Innenschaftes NICHT so wichtig! Deshalb kann diese Prozedur ohne Gewissensbisse durchgeführt werden. Mit etwas Glück, wird der Schaft anschließend wieder transparent und sieht aus wie neu. :)
Ist das Material, nach dieser Prozedur, immer noch dunkelrot bis braun, hilft weiteres Polieren nichts mehr - das Zelluloid selbst hat sich verfärbt - das ist dann leider irreversibel! Wenn das der Fall sein sollte, bitte den Füller regelmäßig inspizieren - sollten sich Mikrorisse und oder kristalline Strukturen bemerkbar machen, ist es ratsam, den Füller zu isolieren und auf weiteren Verfall zu achten - Füllerkrebs ist möglich. :oops:
Allerdings neigt der Vacumatic (alle Baureihen) nicht dazu, ich persönlich habe ca. 15 Stück aus allen Baureihen und keiner zeigt Auflösungserscheinungen!
Außerdem ist der Schaft, durch den Ausbau der Pumpe, schon stark belastet und wenn der Füller das Zerlegen übersteht, ist normalerweise auch das Zelluloid "gesund"...
Beim Zusammenbau, fange ich normalerweise, mit der Pumpe an. Das Diaphragma wird passend zum Schaftinnndurchmesser gewählt - es sollte, gerade so, durch den Dichtkonus passen.
Wird eine Membran fertig gekauft, muss diese auf ca. 30mm Länge gekürzt werden. Außerdem wird ein Werkzeug benötigt, um die kleine Kugel, im Inneren des Diaphragmas, in den Hohlraum des Pumpenkopfes zu pressen.
Diaphragma, Pumpe und Werkzeug zum Einpressen der Kugel
Diaphragma, Pumpe und Werkzeug zum Einpressen der Kugel
16489278495480.jpg (120.29 KiB) 3061 mal betrachtet
Läuft alles normal, wird mit dem Werkzeug die neue Membran im Pumpenkopf befestigt. Das Werkzeug zum Eindrücken der Befestigungskugel hat, am vorderen Ende, eine Vertiefung, die verhindert, daß der Druckstempel abrutscht und das Diaphragma beschädigt.
Druckwerkzeug für das Diaphragma
Druckwerkzeug für das Diaphragma
16489279865300.jpg (87.5 KiB) 3061 mal betrachtet
Jetzt wird, das kleine Pellet in den Pumpenkopf gedrückt und das Werkzeug wieder heraus gezogen. Wenn alle Passungen korrekt sind, hält das neue Diaphragma!
Neues Diaphragma montiert
Neues Diaphragma montiert
16489289469080.jpg (136 KiB) 3061 mal betrachtet
Sollte das neue Diaphragma nicht halten, ist wahrscheinlich die Bohrung im Pumpenkopf aufgeweitet...
Das ist noch kein Grund zur Panik ;)
Die dritte Generation Vacumatic hat einen Pumpenkopf aus Zelluloid - hier hilft Erwärmen mit der Heißluftpistole und ein gefühlvolles Nachformen mit den Fingern.
Generation 1 & 2 haben Pumenköpfe aus Aluminium - ist die Passung nur etwas zu locker, hilft das Lackieren der Bohrung mit 2-3 Schichten Nagellack...
Hatte der Vorbesitzer 2 linke Hände und/oder zwei Bier zu viel, und das Loch ist viel zu groß, kann das Originalkügelchen entfernt und durch ein größeres ersetzt werden.
Achtung hierbei!!!
Die neue Kugel MUSS so weich sein, daß der Fräser des "Dremel" das Pellet zerspahnt und nicht um die Kugel rotiert und den Pumpenkopf zerstört, wenn das Diaphragma das nächste Mal gewechselt werden muss!
Kunststoff ist das Originalmaterial - da wir hier bei "Tipps und Tricks" sind, möchte ich hier weitergeben, wie ich es mache.
Plastikpellets zu erzeugen und auf das richtige Maß zu schleifen, ist ziemlich aufwendig... :?
Lötzinn ist weich genug, um vom Mikrofräser angegriffen zu werden, und fest genug, um das Diaphragma zu fixieren.
Um Kügelchen zu erzeugen, schmilzt man den Lotdraht, mit einer offenen Flamme, über einer Schüssel mit Wasser.
Ein bisschen Spielen mit der Höhe (des Zinns über der Schüssel) und der Hitze der Flamme, erzeugt Kugeln unterschiedlichen Durchmessers... Jetzt einfach die heraussuchen, welche genau passt - und in's Diaphragma einsetzen - fertig!
Grüße Andi
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Re: Parker Vacumatic Service - Tipps und Tricks

Beitrag von Wurmbunt »

Hallo Endspurt!
Leider hat sich dieser Beitrag Coronabedingt verzögert. :roll:
Ist das Diaphragma korrekt montiert, wird es noch mit Talkum bestäubt und "umgekrempelt".
Hier sagt ein Bild mehr als tausend Worte...
Umkrempeln des Diaphragmas
Umkrempeln des Diaphragmas
16489294724260.jpg (117.95 KiB) 2936 mal betrachtet
16492719249050.jpg
16492719249050.jpg (133.65 KiB) 2936 mal betrachtet
Ist das Diaphragma fast in Endposition, sichere ich den Sitz auf dem Pumpenkegel noch mit einem Tropfen Schellack. Das ist vielleicht nicht unbedingt notwendig, sorgt aber dafür, daß bei der Montage nichts mehr verrutscht...
Jetzt kann der Füller wieder zusammengesetzt werden. Pumpe wieder in das Schaftende einsetzen und mit der Gewindebuchse fixieren - es ist nicht sinnvoll hier mit Schellack oder anderen Dichtmitteln zu arbeiten!
Die Abdichtung nach hinten besorgt das Diaphragma in Kombination mit dem (im Schaft integrierten) Gegenkonus und dem korrespondierenden Kegel an der Pumpe! Eine, wie auch immer geartete Verklebung, erschwert nur das zukünftige Zerlegen und hat keinen Einfluss auf die Dichtheit...
Nach der Pumpenmontage sollte der korrekte Sitz des Diaphragmas im Schaft, noch kontrolliert werden. Es ist möglich, daß sich Falten, Verwerfungen oder Schrägstellungen zeigen, die jetzt noch behoben werden können. Dazu einfach von vorne in den Schaft schauen - ist alles gut, sieht das so aus:
Blick von vorne in den Schaft
Blick von vorne in den Schaft
16490958810510.jpg (95.91 KiB) 2936 mal betrachtet
Das Befestigungspellet ist das rote Kügelchen in der Bildmitte.
Im Gegensatz zum Schaftende ist, meiner Meinung nach, beim Einschrauben der Sektion ein Dichtmittel sinnvoll. Silikonfett sorgt, meiner Erfahrung nach, für einen zu lockeren Sitz, der Sektion. Schellack geht, erfordert aber unnötig viel Wärme, um die Verschraubung wieder zu lösen...
Am besten hat sich hier eine Dichtmasse aus Kolophonium und Rizinusöl bewährt.
posting.php?mode=quote&f=14&p=280898
So weit so gut!
Hier, wie immer noch eine kleine Schreibprobe und ein Bild des Maxima mit ein paar seiner Kollegen.
Schreibprobe
Schreibprobe
16492707586740.jpg (149.46 KiB) 2936 mal betrachtet
Goldbraune Vacumatic's
Goldbraune Vacumatic's
16492703557790.jpg (178.13 KiB) 2936 mal betrachtet
Der "Senior Maxima" (Bildmitte) hat eine wirklich angenehme Größe - schade, daß er mich wieder verlässt...
Liebe Grüße,
Andi
Grüße Andi
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Re: Parker Vacumatic Service - Tipps und Tricks

Beitrag von Pensilea »

Ende gut - alles gut.
Danke für den toll dokumentierten Einblick in die Arbeit, die eine Restauration mit sich bringt.
Herzliche Grüße, Angelika

"Zuweilen macht es ja wohl nichts aus, wenn man seine Arbeit auf später verschiebt." (Der kleine Prinz)
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HeKe2
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Re: Parker Vacumatic Service - Tipps und Tricks

Beitrag von HeKe2 »

Whow! Sagenhaft! Weit über meinem Niveau aber wirklich interessant, deine Berichte zu lesen.
Beste Grüße
Hermann
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