Verhältnis von Schrift und Feder

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NicolausPiscator
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Verhältnis von Schrift und Feder

Beitrag von NicolausPiscator » 24.08.2017 14:27

Liebe Schreibbegeisterte,

das Verhältnis von Schrift und Feder ist zwar von mehr als diesem beiden Komponenten abhängig, aber mich treibt die Frage schon etwas länger um: Kann man den benutzten Füller aus dem Schriftbild erschließen?

Motiviert zur Eröffnung diese neuen threads haben mit zwei Beiträge aus der letzten Zeit:
Einmal die verkürzt wiedergegebene Aussagen, dass man am Ende doch nicht sieht, womit der Schreiber geschrieben hat, sei es Montblanc oder Jinhao:
viewtopic.php?f=1&t=19384&start=30

Und die Frage, womit hat den jemand, in diesem Fall Kafka, seine Sauklaue zu Papier gebracht:
viewtopic.php?f=8&t=8142&p=197255&hilit ... ka#p197255

Meine Arbeithypothese ist: Ja, man kann Rückschlüsse ziehen und präzise Aussagen treffen.

Meine in den Raum gestellte Vermutung wäre, dass es darauf ankäme gründlich zu schauen und zu vergleichen, zudem bräuchte man einen sehr guten Überblick über Tinten, Füller, Federn, Papier, Schreibtechniken und Schreiben überhaupt.

Meine Belege: Exzeptionelles Anschauungsmaterial sind für mich die mit Füllerliebhabern ausgetauschte Korrespondenz, die meine Frage überhaupt ausgelöst haben.

Über einen Austausch über dieses Thema mit Euch freue ich mich sehr!

Nils

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MarkIV
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Re: Verhältnis von Schrift und Feder

Beitrag von MarkIV » 24.08.2017 14:52

Also ich für mich kann das unterscheiden. Mein Schriftbild hängt teilweise sehr deutlich vom verwendeten Stift ab. Schlicht und ergreifend weil ich die Stifte so halte, wie ich es für bequem empfinde. Das führt fast zwangsläufig zu einer unterschiedlichen Art den Stift anzusetzen.
Die Tinte spielt dabei im Grunde keine Rolle, der Stift macht den Unterschied. Beim mir, je weiter hinten ich den Stift greife, desto steiler die Schrift. Je breiter die Feder, desto breiter und höher das Schriftbild.

Mark
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JulieParadise
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Re: Verhältnis von Schrift und Feder

Beitrag von JulieParadise » 24.08.2017 15:56

Da es dabei doch zu viele Unwägbarkeiten gibt, denke ich nicht, dass man völlig 'blind' Rückschlüsse ziehen kann, die über generelle Annahmen hinausgehen. Anders sieht es aus, wenn man bestimmte Schreibsituationen und evtl. konkrete Stifte des Schreibenden kennt, sowie etwaige Angewohnheiten.

Beipflichten kann ich hingegen Mark, dass einige Stifte, über die bewusste Variation der Schrift hinaus, auch eine unbewusst oder gezwungen andere Schrift ergeben: Ich habe momentan einen Stift in Verwendung, der -- wohl aus der Ergonomie heraus -- meine Handschrift ganz fürchterlich aussehen lässt, ganz egal, was ich anstelle und wie ich ihn halte. Dummerweise ist das mein neuer Platinum 3776 SF. Mal sehen, ob wir noch warm werden.

Deine Fragestellung ist aber dennoch ziemlich interessant, auf die nächsten Antworten bin ich jedenfalls gespannt!
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Edelweissine
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Re: Verhältnis von Schrift und Feder

Beitrag von Edelweissine » 24.08.2017 16:35

Auf andere kann ich nicht schließen, aber ich kenne mich selbst am besten.
Mit fast jedem Stift sieht meine Handschrift anders aus, das hängt ab von Papier, Federstärke, Tinte, Ergonomie, aber auch von Stimmung, Umfeld und zu Verfügung stehender Zeit. Bestimmt gibt es noch viel mehr Faktoren. Rückschlüsse auf das verwendete Schreibgerät kann ich manchmal aufgrund der Geschmeidigkeit der Schrift und des Tintenflusses ziehen, aber leichter wird es, wenn ich es im Tintenheft einfach nachschlage...
Gruß,
Heike

Thom

Re: Verhältnis von Schrift und Feder

Beitrag von Thom » 25.08.2017 0:20

NicolausPiscator hat geschrieben:Und die Frage, womit hat den jemand, in diesem Fall Kafka, seine Sauklaue zu Papier gebracht:
viewtopic.php?f=8&t=8142&p=197255&hilit ... ka#p197255

Meine Arbeithypothese ist: Ja, man kann Rückschlüsse ziehen und präzise Aussagen treffen.
Ja, ich sag ja zur Kafkaschrift, das ist mit Links, Spitzfeder und 90 Grad (nicht nachgemessen) gedrehtem Blatt geschrieben.
Man kann aber nicht sehen, ob's eine Soennecken war. :)

V.G.
Thomas

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NicolausPiscator
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Re: Verhältnis von Schrift und Feder

Beitrag von NicolausPiscator » 25.08.2017 8:13

Die Erfahrung, dass ich mit verschiedenen Schreibgeräten anders schreibe und das nicht nur einen Einfluss auf meine Handschrift, sondern auch auf den Text und seine Produktion hat, mache ich auch bei mir immer wieder. Und ich finde, dass, wenn man eine eine Person und eine Handschrift genauer kennenlernt, dann bekommt man auch, wenn man seine Aufmerksamkeit darauf richtet, ein vielleicht ein Gefühl für das Schreibgerät. Und dabei ist der Tintenauftrag ein hilfreicher Indikator. Dass ich bei solchen Betrachtungen dann nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen kann, mit welchem Füller der Text geschrieben ist, darauf möchte ich mich nicht versteifen. Aber, wenn ich mir das Schriftbild anschaue, dann kann ich ganz viel darüber sagen, was der Stift da durch die schreibende Hand geführt zu Papier bringt. Und wenn ich dann erfahren, was das für ein Schreibutensil ist, mit der der Text geschrieben ist, dann finde ich das sehr informativ und für mich persönlich spannend.

Bei dem Kafka-Beispiel, ob das eine 111er Soennecken war oder nicht, mit der er die betrachtete Textprobe geschrieben hat, kann man dann vielleicht auf nicht mit Gewissheit sagen, aber wenn man sie ausprobiert hat, dann kann man sagen, dass man solch ein Schriftbild mit ihr produzieren kann. Und auch über die Art und Weise des Schreibens, hier von Kafka, kann man allein auf Grund des Schriftbilds konkrete Rückschlüsse ziehen.

agathon
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Re: Verhältnis von Schrift und Feder

Beitrag von agathon » 25.08.2017 8:47

Interessante Fragestellung! Bei Kafka und Konsorten meine ich schon, dass man ziemlich verlässlich sagen, mit welchen Stiften und Schreibhaltungen diese Schrift reproduzieren kann. Das ist vielleicht auch erkenntnistheoretisch etwas sauber als die Behauptung, dass man wisse, womit und wie er geschrieben hat. So gibt es beispielsweise Leute, die Kafkas Schrift sehr perfekt mit einem modernen Kalligrafie-Stift kopieren, den Kafka naturgemäß natürlich gar nicht verwendet haben kann.

Ansonsten kann ich sagen, dass ich mit bestimmten Füllern, vor allem mit deren Federn, in ganz bestimmtes und spezifisches Schriftbild hinbekomme, das ich mit einer anderen Feder nicht erzeugen kann. Andererseits habe ich aber auch einen ganzen Haufen Füllern, bei denen ist nicht möglich ist. Die schreiben insgesamt, ich sage mal, unspezifisch.

Grüße


agathon

Thom

Re: Verhältnis von Schrift und Feder

Beitrag von Thom » 25.08.2017 15:51

Kafka ist schon ein, ich will mal sagen, extremeres Beispiel. Man könnte das natürlich auch mit einem Füller mit flexibler Feder oder mit Rechts und gedrehtem Blatt schreiben. Da sind aber noch einige andere Infos eingeflossen, wie z.B. Kafka war Linkshänder, wann ist der Text geschrieben worden und wann (und dadurch wahrscheinlich womit) hatte Kafka schreiben gelernt. (und warum macht er überhaupt das, was er da macht; ist bei Kafka zugegebenermaßen etwas schwieriger :) )

V.G.
Thomas

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