im Gedichtefaden sollten es weiterhin die Gedichte im Original und vollständig sein. Ich begreife Gedichte als Kunstwerke, bei denen eigentlich "nichts zu viel und nichts zu wenig" ist.
Hallo Donate & Alfred,
zu Eurer Verständigung hinsichtlich dessen, was als Gedicht hier Platz finden soll, habe ich einige Überlegungen und Nachfragen: Ich empfände es nämlich als Einschränkung, wenn mit der Vorgabe 'Vollständigkeit' sämtliche Formen von Langgedichten ausgeschlossen werden sollen, nur weil man gemeinhin das unter "Gedicht" versteht, was sich auf eine Seite schreiben lässt. Ist das nicht eher eine Engführung der Gattung? Die Auswahl eines Gedichts reißt dieses ja in der Regel auch aus einem Zyklus, Gedichte werden und wurden nicht unbedingt einzeln veröffentlicht. Man stößt hier an die Frage, was denn das Kunst
werk ist: das ausgekoppelte Gedicht oder der Zyklus... Man könnte doch darum bitten, die Auskopplung einer Stelle kurz zu kommentieren.
Und was heißt "im Original"? Sollen Übersetzungen ausgeschlossen sein? Das würde doch den Zugang zur Lyrik in Sprachen ausschließen, die nur ganz wenige beherrschen. Das fände ich schade. Außerdem sind gute Übersetzungen selbst Lyrik. Es sollten dann eher Original & Übersetzung als Regel eingeführt werden. Oder meint "im Original", dass die Gedichte nicht verändert sein sollen. Was macht man dann z.B. mit dem mehrfach vertretenen Eichendorff, der manche seiner Gedichte über Jahrzehnte immer wieder veränderte und umschrieb. (Die Manuskripte sind im Übrigen in Kurrent; und er hat selbst sogar auch mit Rotstift korrigiert!) Und wie sieht es dann mit Parodien aus, z.B.:
Er stand auf seines Daches Zinnen
Und schaute mit vergnügten Sinnen
Auf sechs belegte Brötchen hin.
"Dies alles ist mir viel zu wenig!"
Begann er zu dem Küchenkönig,
"Gesteh, dass ich ein Vielfraß bin!"
Das Gedicht ist nicht vollständig im Sinne des Originals (Schiller), sondern anonym, aber als solches vollständig in einer anerkannten Gedichtsammlung bei Reclam veröffentlicht (Deutsche Unsinnspoesie. Hrsg. v. Klaus-Peter Dencker. Stuttgart 1978, S. 193.) Aber es passt auf eine Seite, hat "nicht zu viel und nicht zu wenig"; außerdem hat es Versmaß und Reim. Was nun?
Übrigens vielen Dank an Donate für die Moderation des Fadens.
Nichts für ungut und mit poetologischen Grüßen
Hanjo