Ein Gedicht... Platz für Kommentare

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hoppenstedt
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Re: Ein Gedicht... Platz für Kommentare

Beitrag von hoppenstedt » 14.03.2021 3:52

hoppenstedt hat geschrieben:
07.03.2021 9:55
{...} Sind ggf. auch Ausschnitte "erlaubt"?{...} ich möchte den spirit der Thread-Gründerin unbedingt aufrecht erhalten.
Ich wiederhole meine grundsätzliche Frage, weil mir das wichtig ist und ich den Gedichte-Thread nicht verwässern möchte.
Sind also auch Ausschnitte aus Gedichten möglich, oder sollte ausschließlich das komplette Gedicht zitiert werden?

DESAFINADO!

Grüße von Alfred

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Linceo
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Re: Ein Gedicht... Platz für Kommentare

Beitrag von Linceo » 14.03.2021 11:27

hoppenstedt hat geschrieben:
14.03.2021 3:52
hoppenstedt hat geschrieben:
07.03.2021 9:55
{...} Sind ggf. auch Ausschnitte "erlaubt"?{...} ich möchte den spirit der Thread-Gründerin unbedingt aufrecht erhalten.
Ich wiederhole meine grundsätzliche Frage, weil mir das wichtig ist und ich den Gedichte-Thread nicht verwässern möchte.
Sind also auch Ausschnitte aus Gedichten möglich, oder sollte ausschließlich das komplette Gedicht zitiert werden?
Hallo Alfred,

im Gedichtefaden sollten es weiterhin die Gedichte im Original und vollständig sein. Ich begreife Gedichte als Kunstwerke, bei denen eigentlich "nichts zu viel und nichts zu wenig" ist.
Allerdings möchte ich auf Anregung eines Mitglieds einen "Zitate"-Faden einrichten, in dem dann Platz wäre für Auszüge aus verschiedenen literarischen Gattungen. Noch einkjlein wenig Geduld, bitte! ;)

Donate
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hoppenstedt
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Re: Ein Gedicht... Platz für Kommentare

Beitrag von hoppenstedt » 14.03.2021 13:07

@Donate: Danke sehr herzlich für deine ausführliche Antwort. Ich sehe es ähnlich wie du. Dann bleibt Handke in diesem Fall erstmal außen vor :lol:

DESAFINADO!

Grüße von Alfred

Hanjoro
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Re: Ein Gedicht... Platz für Kommentare

Beitrag von Hanjoro » 14.03.2021 23:44

im Gedichtefaden sollten es weiterhin die Gedichte im Original und vollständig sein. Ich begreife Gedichte als Kunstwerke, bei denen eigentlich "nichts zu viel und nichts zu wenig" ist.
Hallo Donate & Alfred,
zu Eurer Verständigung hinsichtlich dessen, was als Gedicht hier Platz finden soll, habe ich einige Überlegungen und Nachfragen: Ich empfände es nämlich als Einschränkung, wenn mit der Vorgabe 'Vollständigkeit' sämtliche Formen von Langgedichten ausgeschlossen werden sollen, nur weil man gemeinhin das unter "Gedicht" versteht, was sich auf eine Seite schreiben lässt. Ist das nicht eher eine Engführung der Gattung? Die Auswahl eines Gedichts reißt dieses ja in der Regel auch aus einem Zyklus, Gedichte werden und wurden nicht unbedingt einzeln veröffentlicht. Man stößt hier an die Frage, was denn das Kunstwerk ist: das ausgekoppelte Gedicht oder der Zyklus... Man könnte doch darum bitten, die Auskopplung einer Stelle kurz zu kommentieren.
Und was heißt "im Original"? Sollen Übersetzungen ausgeschlossen sein? Das würde doch den Zugang zur Lyrik in Sprachen ausschließen, die nur ganz wenige beherrschen. Das fände ich schade. Außerdem sind gute Übersetzungen selbst Lyrik. Es sollten dann eher Original & Übersetzung als Regel eingeführt werden. Oder meint "im Original", dass die Gedichte nicht verändert sein sollen. Was macht man dann z.B. mit dem mehrfach vertretenen Eichendorff, der manche seiner Gedichte über Jahrzehnte immer wieder veränderte und umschrieb. (Die Manuskripte sind im Übrigen in Kurrent; und er hat selbst sogar auch mit Rotstift korrigiert!) Und wie sieht es dann mit Parodien aus, z.B.:
Er stand auf seines Daches Zinnen
Und schaute mit vergnügten Sinnen
Auf sechs belegte Brötchen hin.
"Dies alles ist mir viel zu wenig!"
Begann er zu dem Küchenkönig,
"Gesteh, dass ich ein Vielfraß bin!"

Das Gedicht ist nicht vollständig im Sinne des Originals (Schiller), sondern anonym, aber als solches vollständig in einer anerkannten Gedichtsammlung bei Reclam veröffentlicht (Deutsche Unsinnspoesie. Hrsg. v. Klaus-Peter Dencker. Stuttgart 1978, S. 193.) Aber es passt auf eine Seite, hat "nicht zu viel und nicht zu wenig"; außerdem hat es Versmaß und Reim. Was nun?
Übrigens vielen Dank an Donate für die Moderation des Fadens.
Nichts für ungut und mit poetologischen Grüßen
Hanjo

Chia
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Re: Ein Gedicht... Platz für Kommentare

Beitrag von Chia » 15.03.2021 0:52

Hanjoro hat geschrieben:
14.03.2021 23:44
(Deutsche Unsinnspoesie. Hrsg. v. Klaus-Peter Dencker. Stuttgart 1978, S. 193.)
Dankeschön für den Buchtipp! :)

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Re: Ein Gedicht... Platz für Kommentare

Beitrag von hoppenstedt » 15.03.2021 5:13

@Hanjo: Danke sehr herzlich für deinen langen, sehr fundierten Beitrag, der mich sehr angesprochen hat!
Ich gehe davon aus, dass ich verstanden habe, was Donates Intention bei der Gründung des Fadens war und ist.
Inhaltlich sehe ich das dennoch ähnlich wie du, insbesondere wenn ich an Übersetzungen z. B. des "Rosengartens" aus dem Persischen oder chinesische bzw. japanische Übersetzungen denke.
Dennoch hat Donate den Thread ins Leben gerufen.

Ich respektiere deshalb die Absicht von Donate sowie den von ihr gesetzten Rahmen und bin dennoch ergebnisoffen.
Leben ist Prozess.

DESAFINADO!

Grüße von Alfred

werner
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Re: Ein Gedicht... Platz für Kommentare

Beitrag von werner » 15.03.2021 19:55

Hallo zusammen,

und hier wieder für die nicht ganz so sattelfesten Kurrentleser
und vielleicht ist es manchem Leser auch ab und zu schon so gegangen:

Arbeiter der Stirn

Ein Mensch sitzt kummervoll und stier
Vor einem weißen Blatt Papier.
Jedoch vergeblich ist das Sitzen -
Auch wiederholtes Bleistiftspitzen
Schärft statt des Geistes nur den Stift.
Selbst der Zigarre bittres Gift,
Kaffee gar, kannenvoll geschlürft,
Den Geist nicht aus den Tiefen schürft,
Darinnen er, gemein verbockt,
Höchst unzugänglich einsam hockt.
Dem Menschen kann es nicht gelingen,
Ihn auf das leere Blatt zu bringen.
Der Mensch erkennt, dass es nichts nützt,
Wenn er den Geist an sich besitzt,
Weil Geist uns ja erst Freude macht,
Sobald er zu Papier gebracht.

Eugen Roth
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Re: Ein Gedicht... Platz für Kommentare

Beitrag von hoppenstedt » 16.03.2021 23:09

"Das Wort entschlief, als jene Welt erwachte."

Diese gewaltigen Worte schrieb Kraus zur Machtergreifung Hitlers und sollte im Oktober 1933 dessen Ernennung zum deutschen Reichskanzler kommentieren, in der "Fackel", (s)einer satirischen Zeitschrift, Heft 888.
Davor stand nur die Totenrede auf Adolf Loos.

Mich ergreift dieses wuchtvolle, traurige, zeitlose Gedicht jedes Mal aufs Neue, heute besonders. Vielleicht ist es wegen der letzten Wahlen, bei denen die Unaussprechlichen immer noch um die 10% der Stimmen erhielten.
Oder um es mit Brecht zu sagen:

"Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch."

DESAFINADO!

Grüße von Alfred

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Re: Ein Gedicht... Platz für Kommentare

Beitrag von werner » 23.03.2021 19:51

Hier noch einmal die philosophischen Gedanken
von Karl Valentin, die so treffend in die Zeit passen.

„Über kurz oder lang, kann das
nimmer länger so weiter gehen,
außer es dauert noch länger,
dann kann man nur sagen,
es braucht halt alles sei Zeit,
und Zeit wär´s,
dass es bald anders wird.“

(Karl Valentin)
Leserlichkeit ist die Höflichkeit der Handschrift. (Friedrich Dürrenmatt)

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Welcher Füller?

Beitrag von schreibkerl » 01.05.2021 11:48

Hallo Sutsche!

Die Schrift Deines Gedichts gefällt mir sehr gut: insbesondere die Verstärkungen in den einzelnen Buchstaben.

Bild

Welchen Füller mit welcher Feder benutzt Du?

Gelingen Dir diese Verstärkungen direkt im Schreibfluss oder arbeitest Du diese nach?

Würde mich sehr interessieren.
· Mit freundlichem Gruß vom schreibkerl ·

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Re: Ein Gedicht... Platz für Kommentare

Beitrag von Sutsche » 01.05.2021 12:14

Vielen Dank für die Blumen. Ich leite sie gleich weiter in die Federmappe, in welcher der Urheber dieser Responsivität in seinen Schlaufen ruht.
Es ist ein Mabie Todd Swan 205/60 mit F Feder, die aber auch EF kann:
viewtopic.php?f=11&t=6140&p=307685#p307685

Dort siehst Du auch wie es aussieht, wenn ich langsam und bedacht mit ihm schreibe, und nicht so zackig wie bspw. beim erwähnten Gedicht;
Die Linienvariationen dort ergeben sich auf natürliche Weise im Schreibfluß, der Füller ist also tatsächlich eine Verlängerung meiner Hand, und setzt die mir innewohnende Dynamik um, ohne daß ich mich dafür druckmäßig anstrengen müsste.
Die Feder kann sogar noch mehr, aber ich reize den Flex nicht aus.
Flex'n Relax.

werner
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Re: Ein Gedicht... Platz für Kommentare

Beitrag von werner » 01.05.2021 13:16

Für die leichtere Lesbarkeit des Gedichtes von F. von Hagedorn
hier nocheinmal in "lateinischer Schreibweise":

Der erste Mai

Der erste Tag im Monat Mai
Ist mir der glücklichste von allen.
Dich sah ich und gestand dir frei,
Den ersten Tag im Monat Mai,
Dass dir mein Herz ergeben sei.
Hat mein Geständnis dir gefallen,
So ist der erste Tag im Monat Mai
für mich der glücklichste von allen.

Friedrich von Hagedorn . 1708-1754
Leserlichkeit ist die Höflichkeit der Handschrift. (Friedrich Dürrenmatt)

pejole
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Re: Ein Gedicht... Platz für Kommentare

Beitrag von pejole » 02.05.2021 16:32

Mal Kurrent mit Bandzugfeder 0,5 mm geschrieben, mache ich gelegentlich mal. Wenn ich Kurrent schreibe dann grundsätzlich nach den alten s Regeln, also lasst auch mit ß.

Gruß, Martin

Hermann Adam von Kamp, 1796 -1867, Alles neu macht der Mai, erste Strophe.

Alles neu macht der Mai
macht die Seele frisch und frei.
Laßt das Haus, kommt hinaus
windet einen Strauß.
Rings erglänzet Sonnenschein,
duftend pranget Flur und Hain
Vogelsang, Hörnerklang
tönt den Wald entlang.

Namx3

Re: Ein Gedicht... Platz für Kommentare

Beitrag von Namx3 » 13.05.2021 2:33

Hi Alfred was ist den das für eine Tinte die du das gedicht geschrieben hast?

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Re: Ein Gedicht... Platz für Kommentare

Beitrag von werner » 24.05.2021 11:35

Aus der originalen Ausgabe (1925) hier das Gedicht in Fraktur gesetzt.
Wobei bekannt ist, dass Hermann Hesse in dieser Zeit in der damals
deutschen Schrift, der Kurrentschrift, viele seiner Aufzeichnungen
geschrieben hat.
.
Die_Flamme_Hesse.jpg
Die_Flamme_Hesse.jpg (163.9 KiB) 3899 mal betrachtet
.

aus: Musik des Einsamen, Verlag Eugen Salzer, Heilbronn (1925)
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