Bitte um Entzifferungshilfe
Moderatoren: desas, MarkIV, Linceo, Lamynator
Bitte um Entzifferungshilfe
Liebe Schriftkundige,
als ich zu Weihnachten bei meinen Eltern war, kam der alte Pastor meiner Heimatgemeinde zu Besuch und auf mich zu mit der Bitte, ihm bei der Entzifferung eines Gebets zu helfen, das ihm nur handschriftlich in Sütterlin vorlag. Diesen Gefallen wollte ich ihm gern erweisen, da er seit Jahrzehnten ein guter Freund der Familie ist.
Das Allermeiste konnte ich locker "runterlesen", aber dann stockte es doch und ich weiß, dass es hier im Forum etliche Leute gibt, die da sehr viel fitter sind als ich... und die möchte ich bitten, mir beim Vollenden der Transkription zu helfen.
Hier zunächst die Scans:
Und hier meine bisherige Transkription mit der Bitte um Vervollständigung und eventuelle Korrekturen.
Gebet einer alten Schlesierin
Was Schicksal (?) auflegt muß der Mensch ertragen;
Es hilft nicht gegen Wind und Flut zu schreyen.
Sei stark mein Herz
Ertrage still die Leiden dieser Zeit.
Denk daß der Herr es will
Der all so feßelt und befreit.
Und trifft dich seine Hand auch schwer
In Demut nimm es an
Auf keine Schulter legt er mehr
Als sie vertragen kann.
Wenn du nun Trähn auf Trähne häulst
Und weinest Jahr um Jahr
Es kommt die Zeit wo du begreifst
Daß alles Segnung wahr.
Geh nur Leben vorüber es ist nichts, nichts
als ein Suchen nach Wahrheit, Freiheit und
Gerechtigkeit ohne sie zu finden
Anfangs wollt ich fast verzagen
Und ich glaubt‘, ich trüg es nie,
Und ich hab es doch getragen,
Aber fragt mich nur nicht – wie?
Nie verwischet das Erinnern,
Ob die Zeit auch fliegt und dränkt (sic)
Zeit der Kindheit, Schall der Heimat
Immerdar das Herz umfängt.
Schied auch die Mühsal lange schon
Vom Meer, das ihre Heimat war
In ihrer Tiefe ???
???
Das arme Menschen Herz hienieden,
Von manchem Sturm be...???
Find erst den wahren Frieden,
Wenns nicht mehr schlägt.
als ich zu Weihnachten bei meinen Eltern war, kam der alte Pastor meiner Heimatgemeinde zu Besuch und auf mich zu mit der Bitte, ihm bei der Entzifferung eines Gebets zu helfen, das ihm nur handschriftlich in Sütterlin vorlag. Diesen Gefallen wollte ich ihm gern erweisen, da er seit Jahrzehnten ein guter Freund der Familie ist.
Das Allermeiste konnte ich locker "runterlesen", aber dann stockte es doch und ich weiß, dass es hier im Forum etliche Leute gibt, die da sehr viel fitter sind als ich... und die möchte ich bitten, mir beim Vollenden der Transkription zu helfen.
Hier zunächst die Scans:
Und hier meine bisherige Transkription mit der Bitte um Vervollständigung und eventuelle Korrekturen.
Gebet einer alten Schlesierin
Was Schicksal (?) auflegt muß der Mensch ertragen;
Es hilft nicht gegen Wind und Flut zu schreyen.
Sei stark mein Herz
Ertrage still die Leiden dieser Zeit.
Denk daß der Herr es will
Der all so feßelt und befreit.
Und trifft dich seine Hand auch schwer
In Demut nimm es an
Auf keine Schulter legt er mehr
Als sie vertragen kann.
Wenn du nun Trähn auf Trähne häulst
Und weinest Jahr um Jahr
Es kommt die Zeit wo du begreifst
Daß alles Segnung wahr.
Geh nur Leben vorüber es ist nichts, nichts
als ein Suchen nach Wahrheit, Freiheit und
Gerechtigkeit ohne sie zu finden
Anfangs wollt ich fast verzagen
Und ich glaubt‘, ich trüg es nie,
Und ich hab es doch getragen,
Aber fragt mich nur nicht – wie?
Nie verwischet das Erinnern,
Ob die Zeit auch fliegt und dränkt (sic)
Zeit der Kindheit, Schall der Heimat
Immerdar das Herz umfängt.
Schied auch die Mühsal lange schon
Vom Meer, das ihre Heimat war
In ihrer Tiefe ???
???
Das arme Menschen Herz hienieden,
Von manchem Sturm be...???
Find erst den wahren Frieden,
Wenns nicht mehr schlägt.
"Nicht müde werden / sondern dem Wunder / leise / wie einem Vogel / die Hand hinhalten" (Hilde Domin)
Beitrag in schwarz: Donate als Füllerfreundin - Beitrag in grün: Donate als Moderatorin
Beitrag in schwarz: Donate als Füllerfreundin - Beitrag in grün: Donate als Moderatorin
- Reformator
- Beiträge: 633
- Registriert: 31.03.2013 22:11
Re: Bitte um Entzifferungshilfe
Hallo Donate,
In ihrer Tiefe rauscht ein Ton
und
Wie Meeres ... immerdar.
Wenn man den Anfang in die Suchmaschine eingibt, spuckt sie übrigens
Shakespeare, König Heinrich VI. (King Henry VI), 1591-1592, Erstdruck 1598. 4. Aufzug, 3. Szene, König Eduard. Übersetzt von August Wilhelm Schlegel
aus. Vielleicht doch nicht von einer alten Schlesierin.
In ihrer Tiefe rauscht ein Ton
und
Wie Meeres ... immerdar.
Wenn man den Anfang in die Suchmaschine eingibt, spuckt sie übrigens
Shakespeare, König Heinrich VI. (King Henry VI), 1591-1592, Erstdruck 1598. 4. Aufzug, 3. Szene, König Eduard. Übersetzt von August Wilhelm Schlegel
aus. Vielleicht doch nicht von einer alten Schlesierin.
Bis demnächst...
Helge
Helge
Re: Bitte um Entzifferungshilfe
Was ich meine, entziffert zu haben, hab ich mal direkt im Zitat in blau ergänzt.
Uups, Helge war schneller.Linceo hat geschrieben: ↑27.12.2023 21:07Gebet einer alten Schlesierin
Was Schicksal (?) auflegt muß der Mensch ertragen;
Es hilft nicht gegen Wind und Flut zu schreyen.
Sei stark mein Herz
Ertrage still die Leiden dieser Zeit.
Denk daß der Herr es will
Der all so feßelt und befreit.
Und trifft dich seine Hand auch schwer
In Demut nimm es an
Auf keine Schulter legt er mehr
Als sie ertragen kann.
Wenn du nun Trähn auf Trähne häulst
Und weinest Jahr um Jahr
Es kommt die Zeit wo du begreifst
Daß alles Segnung wahr.
Geh nur Leben vorüber es ist nichts, nichts
als ein Suchen nach Wahrheit, Freiheit und
Gerechtigkeit ohne sie zu finden
Anfangs wollt ich fast verzagen
Und ich glaubt‘, ich trüg es nie,
Und ich hab es doch getragen,
Aber fragt mich nur nicht – wie?
Nie verwischet das Erinnern,
Ob die Zeit auch flieht und dränkt (sic)
Zeit der Kindheit, Schall der Heimat
Immerdar das Herz umfängt.
Schied auch die Muschel lange schon
Vom Meer, das ihre Heimat war
In ihrer Tiefe rauscht ein Ton
Wie Meeresheimweh immerdar.
Das arme Menschen Herz hienieden,
Von manchem Sturm bewegdt
Find erst den wahren Frieden,
Wenns nicht mehr schlägt.
Viele Grüße,
Micha
Micha
- Biedermeier
- Beiträge: 320
- Registriert: 07.12.2012 17:22
Re: Bitte um Entzifferungshilfe
Ich lese Muschel statt Mühsal..
Lg Peter
Lg Peter
- Reformator
- Beiträge: 633
- Registriert: 31.03.2013 22:11
Re: Bitte um Entzifferungshilfe
Hallo,
im Shakespeare gibt es aaO nur zwei Zeilen. Ist also nicht abgekupfert.
im Shakespeare gibt es aaO nur zwei Zeilen. Ist also nicht abgekupfert.
Bis demnächst...
Helge
Helge
Re: Bitte um Entzifferungshilfe
Hi Peter.
Die Muschel macht auch in diesem Zusammenhang (Hör in eine leere Muschel und das Meer rauschen.) mehr Sinn.
Hasse Recht.
Thomas
Die Muschel macht auch in diesem Zusammenhang (Hör in eine leere Muschel und das Meer rauschen.) mehr Sinn.
Hasse Recht.
Thomas
Sei nicht so; sei anders.
Re: Bitte um Entzifferungshilfe
Der Hinweis auf Shakespeare hat mich stutzig gemacht, und siehe da... etliches ist da wohl einfach zusammengeschrieben...
Was Schicksal (?) auflegt muß der Mensch ertragen;
Es hilft nicht gegen Wind und Flut zu schlagen.
(Shakespeare, König Heinrich VI., 1591-1592, Erstdruck 1598. 4. Aufzug, 3. Szene, König Eduard. Übersetzt von August Wilhelm Schlegel)
Sei stark mein Herz
Ertrage still die Leiden dieser Zeit.
Denk daß der Herr es will
Der all so feßelt und befreit.
Und trifft dich seine Hand auch schwer
In Demut nimm es an
Auf keine Schulter legt er mehr
Als sie ertragen kann.
(leichte Abwandlung eines Gedichts von Friedrich Halm (1806 - 1871), eigentlich Eligius Franz Joseph Freiherr von Münch-Bellinghausen, österreichischer Dramatiker, Lyriker, Novellist und Intendant des Hoftheaters)
Wenn du nun Trähn auf Trähne häulst
Und weinest Jahr um Jahr
Es kommt die Zeit wo du begreifst
Daß alles Segnung wahr.
Geh nur Leben vorüber es ist nichts, nichts
als ein Suchen nach Wahrheit, Freiheit und
Gerechtigkeit ohne sie zu finden
Anfangs wollt ich fast verzagen
Und ich glaubt‘, ich trüg es nie,
Und ich hab es doch getragen,
Aber fragt mich nur nicht – wie?
( Heine, H., Gedichte. Buch der Lieder. Junge Leiden, entst. 1817-1821, Erstdruck 1922. Heine dichtete diese Zeilen auf einem Ball mit Bezug auf seine Schuhe, die ihn fürchterlich drückten)
Nie verwischet das Erinnern,
Ob die Zeit auch flieht und dränkt (sic)
Zeit der Kindheit, Schall der Heimat
Immerdar das Herz umfängt.
Schied auch die Muschel lange schon
Vom Meer, das ihre Heimat war
In ihrer Tiefe rauscht ein Ton
Wie Meeresheimweh immerdar.
(Georg Scherer (1824-1909): Heimweh (1894))
Das arme Menschen Herz hienieden,
Von manchem Sturm bewegdt
Find erst den wahren Frieden,
Wenns nicht mehr schlägt.
(Johann Gaudenz von Salis-Seewis, 1762-1834)
Was Schicksal (?) auflegt muß der Mensch ertragen;
Es hilft nicht gegen Wind und Flut zu schlagen.
(Shakespeare, König Heinrich VI., 1591-1592, Erstdruck 1598. 4. Aufzug, 3. Szene, König Eduard. Übersetzt von August Wilhelm Schlegel)
Sei stark mein Herz
Ertrage still die Leiden dieser Zeit.
Denk daß der Herr es will
Der all so feßelt und befreit.
Und trifft dich seine Hand auch schwer
In Demut nimm es an
Auf keine Schulter legt er mehr
Als sie ertragen kann.
(leichte Abwandlung eines Gedichts von Friedrich Halm (1806 - 1871), eigentlich Eligius Franz Joseph Freiherr von Münch-Bellinghausen, österreichischer Dramatiker, Lyriker, Novellist und Intendant des Hoftheaters)
Wenn du nun Trähn auf Trähne häulst
Und weinest Jahr um Jahr
Es kommt die Zeit wo du begreifst
Daß alles Segnung wahr.
Geh nur Leben vorüber es ist nichts, nichts
als ein Suchen nach Wahrheit, Freiheit und
Gerechtigkeit ohne sie zu finden
Anfangs wollt ich fast verzagen
Und ich glaubt‘, ich trüg es nie,
Und ich hab es doch getragen,
Aber fragt mich nur nicht – wie?
( Heine, H., Gedichte. Buch der Lieder. Junge Leiden, entst. 1817-1821, Erstdruck 1922. Heine dichtete diese Zeilen auf einem Ball mit Bezug auf seine Schuhe, die ihn fürchterlich drückten)
Nie verwischet das Erinnern,
Ob die Zeit auch flieht und dränkt (sic)
Zeit der Kindheit, Schall der Heimat
Immerdar das Herz umfängt.
Schied auch die Muschel lange schon
Vom Meer, das ihre Heimat war
In ihrer Tiefe rauscht ein Ton
Wie Meeresheimweh immerdar.
(Georg Scherer (1824-1909): Heimweh (1894))
Das arme Menschen Herz hienieden,
Von manchem Sturm bewegdt
Find erst den wahren Frieden,
Wenns nicht mehr schlägt.
(Johann Gaudenz von Salis-Seewis, 1762-1834)
"Nicht müde werden / sondern dem Wunder / leise / wie einem Vogel / die Hand hinhalten" (Hilde Domin)
Beitrag in schwarz: Donate als Füllerfreundin - Beitrag in grün: Donate als Moderatorin
Beitrag in schwarz: Donate als Füllerfreundin - Beitrag in grün: Donate als Moderatorin
Re: Bitte um Entzifferungshilfe
Das Wort häulst passt nicht so richtig, finde ich.
Es ist möglicherweise ein Verschreiber und soll
häufst heißen ist aber als häufts geschrieben.
Es ist möglicherweise ein Verschreiber und soll
häufst heißen ist aber als häufts geschrieben.
Re: Bitte um Entzifferungshilfe
Ich hab die Strophe mal eingegeben, da heißt es dann ‚ hältst‘
Das steht da aber auch nicht!
Das steht da aber auch nicht!
Re: Bitte um Entzifferungshilfe
Tolle Detektivarbeit, Donate!
Sieht für mich so aus, als hätte da jemand Erinnerungsbruchstücke aus früher mal Auswendiggelerntem aufgeschrieben. Im genauen Wissen, dass es sich um Bruchstücke ganz verschiedener Texte handelt: Strich drunter, nächstes Fragment.
Erinnerungsbruchstücke, das würde auch die Textabweichungen bei Friedrich Halm erklären. Und die Verb-"Unschärfe" bei den "Trähnen" - Else-Marie, ich finde da "häulst" recht passend, denn rein sprachlogisch kann man Tränen schlecht "häufen", aber "heulen" kann man sie schon. Ein Verschreiber kann dennoch sein an der Stelle, die Schrift wirkt ja ein wenig müde, unsicher, zittrig.
Ein "Gebet" ist's sicherlich nicht...
Sieht für mich so aus, als hätte da jemand Erinnerungsbruchstücke aus früher mal Auswendiggelerntem aufgeschrieben. Im genauen Wissen, dass es sich um Bruchstücke ganz verschiedener Texte handelt: Strich drunter, nächstes Fragment.
Erinnerungsbruchstücke, das würde auch die Textabweichungen bei Friedrich Halm erklären. Und die Verb-"Unschärfe" bei den "Trähnen" - Else-Marie, ich finde da "häulst" recht passend, denn rein sprachlogisch kann man Tränen schlecht "häufen", aber "heulen" kann man sie schon. Ein Verschreiber kann dennoch sein an der Stelle, die Schrift wirkt ja ein wenig müde, unsicher, zittrig.
Ein "Gebet" ist's sicherlich nicht...
Schöne Grüße
Doris
Doris
Re: Bitte um Entzifferungshilfe
Nachtrag:
Else-Marie, du hast Recht mit "häufst"! So jedenfalls ist es im Gutenberg-Projekt zu lesen.
Die sprachlogische Unmöglichkeit, Tränen zu "häufen", bleibt - der Herr Dichter gehört offenkundig nicht zur ersten Liga .
Else-Marie, du hast Recht mit "häufst"! So jedenfalls ist es im Gutenberg-Projekt zu lesen.
Die sprachlogische Unmöglichkeit, Tränen zu "häufen", bleibt - der Herr Dichter gehört offenkundig nicht zur ersten Liga .
Schöne Grüße
Doris
Doris
Re: Bitte um Entzifferungshilfe
Ich fand ‚häulst‘ an dieser Stelle (Gebet) nur ein wenig zu umgangssprachlich bzw. derb und von den Buchstaben her eh’ nicht original transkribiert. Tränen und heulen passt sonst natürlich.
Re: Bitte um Entzifferungshilfe
Wenn ich da mal als Lyriker sprechen darf, ich finde "häufst" schon gut, dem Werk fehlt aber etwas die Aufbruchstimmung.
V.G.
Thomas