Prioritäten im Grundschullehrplan

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Fiamma
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Fiamma »

Na toll... eigene Fehler ausbessern geht mit der neuen Regelung also nicht mehr :|
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Fisherman65
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Fisherman65 »

Gerade auf FAZ Online entdeckt:
Handschrift von Schülern immer schlechter

Vermutlich kein Aprilscherz :wink:

Nachdem ich nun seit etwas mehr als einem Jahr wieder mehr wert auf Handschriftliches lege, kann ich nebenbei auch stolz verkünden, dass ich nicht mehr nach fünf Minuten von Krämpfen in der Hand geschüttelt werde, sondern (siehe FAZ) wieder "mehr als 30 Minuten beschwerdefrei schreiben" kann :mrgreen:

Liebe Grüße

Thorsten
Am Anfang war das Wort und nicht das Geschwätz,
und am Ende wird nicht die Propaganda sein, sondern wieder das Wort.

Gottfried Benn (1886-1956)
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Pennino
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Pennino »

Thorsten, danke für den Link zu dem Artikel.

Grüße,
Pennino
" Il pennino è l'anima di una penna stilografica "
Stephan
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Stephan »

Definitiv kein Aprilscherz. Wie jeder, der seine Handschrift wieder trainieren muß - also wie ich :) - bestätigen kann, ist Schreiben eine Sportart wie jede andere. Entweder hat man das Training und die Motivation oder man versagt erbärmlich. Und mit jedem Versagen wird die Motivation geringer. Mit der Motivation sinkt das Können, mit dem Können die Motivation...
Als ich in die Schule kam, war Schreiben etwas wichtiges. Etwas für Erwachsene und echte Männer.
So bescheuert, wie das für mich selber beim Tippen klingt, aber so war es.
Und das hat mich damals mit 7 Jahren motiviert und durch die blödsinnigen Schultexte (Ei! ein Ei! Oh, die Oma! Die Liese fängt auf der Wiese einen bunten Schmetterling!) durchgebracht.

Kinder brauchen Training. Einfach stures Training, auch wenn das langweilig ist. Aber bei körperlichen Übungen ist Kreativität, so wichtig sie sonst auch ist, eher störend, und korrekte sture Wiederholung in möglichst großer Zahl ist alles. Yep, auch das ist neurologisch nachgewiesen. Das Phänomen dahinter nennt sich Neuroplastizität.
Die Idee, daß die Kinder diese möglichst große Zahl an Wiederholungen als Hausaufgabe erledigen, sollte man endlich mal beerdigen. Sowas passiert in der Regel einfach nicht. Und wenn es die Eltern erzwingen, versauen sie ihren Kindern damit schnell die Motivation und die Kindheit. Hausaufgaben werden völlig überschätzt. Das unverzichtbare sture Training über Diktate und Abschreiben findet in der Schule statt oder es findet gar nicht statt.
Und die Motivation kommt entweder aus der erlernten Überzeugung, daß Bildung etwas mit sozialer Rangfolge, Coolness und Status zu tun hat - oder sie lebt, jedenfalls bei den Jungs, nicht lange.
pflaume
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von pflaume »

Noch ein Artikel zu der schon im obigen Artikel erwähnten "Studie"... http://www.sueddeutsche.de/bildung/schr ... -1.2419753

... der hier auch wunderbar beschreibt, was mir beim Lesen des FAZ Artikels durch den Kopf ging:
Wie praktisch, dass er für die in Berlin präsentierte Online-Umfrage auf ein auf Schreibmotorik spezialisiertes Privatinstitut aus Franken zurückgreift. Es wird nicht nur von einem Stifte-Hersteller unterstützt, sondern bietet auch Seminare zum Thema Schreibmotorik an. Man habe bereits eine "Schreibmotorik-Box" entwickelt, die Kindern helfen könne, sagte Christian Marquardt.

Ein Privatinstitut empfiehlt also einen Service, den es selbst anbietet - ist das nicht eigenartig? Er sei nur der wissenschaftliche Berater des Instituts und habe kein Eigeninteresse, "außer dem wissenschaftlichen", sagt Christian Marquardt auf Nachfrage.
“Writing is nothing more than a guided dream.” —Jorge Luis Borges
Stephan
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Stephan »

Bißchen mehr als das vom Journalisten vermutete Geschäftsinteresse steckt da schon dahinter. Es gibt in der Neurologie knallharte Naturwissenschaft zum Thema, die ich vielleicht mal recherchiere, wenn ich mal zuviel Zeit habe. Motorik und Hirnaktivität sind neurologisch ein und dasselbe. Die Kinder könnten auch gestikulierend nachbeten, was der Lehrer vorbetet - das hätte denselben Effekt wie handschriftliches Mitschreiben und wird auch in Schulen mit langer praktischer Erfahrung im Einprägen (Buddhismus z.B.) so gemacht - da wird beim Nachplappern mit den Händen gefuchtelt, was das Zeug hält.
Beim Eintippen ist der muskuläre Aufwand geringer, entsprechend wird das Hirn schwächer angeregt.
Angeregte neuronale Vernetzungen werden optimiert und ausgebaut. Dieses Verbreitern und Beschleunigen von angeregten Signalpfaden in Relation zu anderen Pfaden ist der Vorgang, den wir "Lernen" nennen. Deshalb ist auch stures Wiederholen einer korrekt ausgeführten Handlung durch nichts zu ersetzen, egal wie bunt und toll und kreativ alternative Lehrmethoden auch aussehen mögen. Immer, wenn man etwas tut, wird im Hirn ausgebaut und optimiert. Hat man zwanzig mal was falsch gemacht, und nur einmal richtig, dann hat man effektiv die falsche Ausführung trainiert und die Chancen, es richtig zu machen, noch weiter verschlechtert.
Körperliche Bewegung und geistiges Lernen sind untrennbar verbunden. Neurologisch sind es nur zwei Ergebnisse des selben Vorgangs.
Beim handschriftlichen Mitschreiben im Diktat hat man körperliche Aktivität und Wiederholung des Gesagten durch Subvokalisierung sehr stark miteinander verknüpft. Was dann noch fehlt, sind ausreichend frische Luft, Sport und häufige, wenn auch kurze, reizarme Ruhepausen, in denen sich das Hirn erstmal in Ruhe den vielen neuangelegten Baustellen widmen kann.
Sabine
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Sabine »

Den Aspekt von Einprägen durch Bewegung finde ich sehr interessant! bei uns gibt es die Tradition des Gestikulierens nicht in dem Maß wie etwa im Buddhismus; insgesamt scheint mir unsere Kultur eine der schriftlichen Überlieferung zu sein - daher auch die Bedeutung der Handschrift.
Insgesamt fördern die Bildschirme, egal welcher Größe, die Bewegungslosigkeit, auch der Augen, mit den bekannten Folgen. Vielleicht könnte man da ansetzen, um die Handschrift zu "retten".
Freddy
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Freddy »

Da es doch ein langfristiges Thema ist und es neue Studien zum Thema Lernen gibt, hole ich das Thema bisschen hoch und stelle einen Professor einer Hochschule in Ulm vor, der sich das Thema "Kinder, Jugend und das Lernen" als sechsfacher Vater sehr zu Herzen nimmt und mit Leib und Seele versucht die flächendeckende Abstumpfung der Kinder durch Aufklärung zu minimieren.

Es passt so weit zu dem Thema Schreibgeräte, als dass auch die Schrift bzw. das handschriftliche Schreiben, als ein Prozess des be-greifens der Umwelt und der tieferen Verankerung der Informationen erfolgt, dort thematisiert wird. Im Gegensatz zu dem oberflächlichen und monotonen Drücken der Tasten bei einer Tastatur.

Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer

Bei Problemen mit meiner Rechtschreibung und grammatikalischen Fähigkeiten,
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Peter Stegemann
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Peter Stegemann »

Da haette ich jetzt einen Artikel erwartet, keinen Youtube-Link... Ich bin da borniert: Wer etwas zu sagen hat, schreibt es nieder. Dann kann es analysiert, reflektiert, zitiert werden.
Die grössten Kritiker der Elche, sind oft selber welche!
georg52
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von georg52 »

Das Buch:

Prof. Dr. Manfred Spitzer
Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen
Gebundene Ausgabe 12.99€ im Buchhandel

einen schönen Abend wünscht
Jürgen
Freddy
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Freddy »

Danke Jürgen,

im Buch ist am Ende ein ca. 30-Seitiges Quellenverzeichnis, also genügend Stoff zum analysieren seiner Aussagen :wink:
Das Buch habe ich gelesen, aber ohne das Video wäre nicht das Interesse dafür geweckt worden.

Gruß

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twehringer
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von twehringer »

Für mich ist ein weiterer Aspekt von Handschrift auch die Individualität. Jeder hat genau seine eigene Handschrift, die neben vielen anderen Dingen ihn ausmacht. So zumindest meine Meinung.

Ich bin deswegen auch nicht sonderlich begeistert, dass in der Schule zu wenig Wert auf die Handschrift gelegt wird, wie ich an meinen beiden Grundschulkindern beobachten kann.

Viele Grüße
Thomas
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audace
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von audace »

Bis auf den letzten Halbsatz stimme ich dir da voll zu, Thomas.

Schöne Grüße!

Schöne Grüße, Audace

Il n'est jamais plus tard que minuit!
twehringer
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von twehringer »

Na ja, meine Beobachtung ist, dass meine größere Tochter (4. Klasse) immer mehr Druckschrift schreibt, obwohl ich sie zur Schreibschrift anhalte. Seitens der Schule kommen da keine Impulse. Leider.

Viele Grüße
Thomas
meinauda
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von meinauda »

Peter Stegemann hat geschrieben:Da haette ich jetzt einen Artikel erwartet, keinen Youtube-Link... Ich bin da borniert: Wer etwas zu sagen hat, schreibt es nieder. Dann kann es analysiert, reflektiert, zitiert werden.
Stimmt Peter! (Aber es ist auch etwas borniert) :wink:
Diesem Mann kann man 1 1/2 Stunden selbst auf den iPad in einem Stück interessiert zuhören und ist dann so angefixt, dass man sich das Buch kauft. Im Original hätte ich ihm noch lieber zugehört. Nun das Buch zu lesen mit den vielen Beispielen macht meinem Gehirn bestimmt Spaß beides zu koppeln.
Den Link werde ich ein wenig verbreiten in meinem kinderreichen Umfeld. :lol:
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