Prioritäten im Grundschullehrplan

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Tenryu
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Tenryu »

Eine interessante Diskussion.

Ich denke, das Problem liegt darin, daß die Schule heutzutage tot reformiert wird. Alle paar Jahre meinen Politfunktionäre und Pädagogen das Rad neu erfinden zu müssen. Anstatt am Bewährten festzuhalten, wird versucht, alles immer weiter zu optimieren. Aber die Schule kann nicht die Versäumnisse der Staatsführung und der Eltern ausgleichen - und sollte das auch gar nicht erst versuchen.

Wenn man sich beispielhaft die ostasiatischen Länder anschaut, wird man feststellen, daß dort rein gar nichts von antiautoritärer Erziehung, von Multikulti, und Wohlfühl-Unterricht gehalten wird. Da wird frontal unterrichtet, sehr viel auswendig gelernt und stur wiederholt - und es herrscht eiserne Disziplin. Das Schreiben von Hand wird schon im Kindergarten geübt.

Tja, und wer liegt bei allen internationalen Leistungsvergleichen vorne? Nicht Deutschland! Das rangiert irgendwo auf >20.

Auf der anderen Seite brauchen wir in Deutschland auch gar keine so gute Ausbildung, weil wir dank der Personenfreizügigkeit nicht nur billige Arbeiter sondern auch Fachkräfte aus dem Ausland rekrutieren können. Daß das langfristig dem Land schadet, ist wiederum nicht so schlimm, weil unsere Geburtenrate glücklicherweise so niedrig ist, daß dies in einigen Generationen fast ausschließlich das Problem der Ausländer (Immigranten) ist. (Die dann auch unsere Staatsschulden tilgen dürfen.) :twisted:
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YETI
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von YETI »

@ pejole
Keine Frage, ein Bleistift kann ein tolles Schreibgerät sein - wenn man die Grundagen beherrscht.
Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Wenn weiterhin auf eine gründliche Grundlagenschulung verzichtet wird, sehe ich eine Generation von Semi- Analphabeten auf uns zukommen.
Niemand würde von jemandem, der Noten malen kann, erwarten, daß er ein Musikstück komponieren kann.
Unsere Kinder bekommen gezeigt, wie man Druckbuchstaben malt und daraus sollen sie selber eine eigene Handschrift entwickeln. Wie soll das gehen? Wieviele unterschiedliche Schriften sollen so entstehen?
Die Schrift ist aber nicht das einzige Problem. Mit der Rechtschreibung geht es weiter.
Die Kleinen sollen so schreiben, wie sie die Worte hören. Das würde vielleicht auf Island funktionieren, wo es keine Dialekte gibt.
Wir leben aber in Deutschland, wo teilweise sogar in direkt benachbarten Städten schon eine ganz andere Mundart gesprochen wird.
Wenn am Telefon der Hamburger den Münchener schon nicht versteht, sollte man zumindest beim geschriebenen Wort auf eine universelle Verständlichkeit Wert legen.
Dazu brauchen unsere Kinder eine vernünftige Anleitung, viel Übung und erst wenn die Grundlagen sicher beherrscht werden, die Freiheit, ihren eigenen Stil zu entwickeln.

Gruß

Andreas
Es ist besser ein kleines Licht anzuzünden, als auf die Dunkelheit zu schimpfen.
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tzizt
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von tzizt »

Ich weiß nicht, aber ich finde, dass dieser Thread gerade sehr politisch wird und in Tendenzen auch nicht sonderlich positiv...
Vielleicht sollten sich die Moderatoren mal dazu äußern. Wenn das ganze so weiter gehen kann, beteilige ich mich gerne an dieser Diskussion, werde dann aber auch bestimmte Aussagen etwas schärfer kontern müssen, da sie ( für mich, wie gesagt) eine ehr negative Tendenz haben.
Was uns hier verbindet, ist ja die Freude an Füllfederhaltern und alles, was damit zu tun hat. Als politisches Forum habe ich uns hier bisher eigentlich weniger gesehen.
Das ist meine Meinung dazu, vielleicht gibt es dazu ja noch mehr Meinungen.
Viele Grüße,
Christian
Kichererbse
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Kichererbse »

Ich schließe mich an. Es wird nicht nur politisch, sondern auch agressiv im Ton.

Damit sind wir bei einem weiteren Thema. Meiner Meinung gibt es immer noch Schulen bzw. Lehrer die vorschreiben was die Kinder für Füller zu verwenden haben. Das ist meines Erachtens sehr unglücklich, weil auch Kinder Füller ausprobieren sollten, bevor sie mit ihnen schreiben. Welche Erfahrungen habt ihr?
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YETI
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von YETI »

Das hatten wir jetzt gerade. Unsere Tochter kam vor zwei Wochen mit einem Brief aus der Schule, in dem als zukünftiges Schreibgerät ein Füller mit Metallfeder festgelegt wurde - kein Tintenroller, kein Kuli und kein Gelschreiber oder ähnliches. Füller mit Metallfeder, viel präziser und trotzdem ohne Zwang zu einem speziellen Modell kann man es kaum formulieren.
Wir haben dann Papas große Kiste aufgemacht und den ganzen Nachmittag probiert. Am besten kam sie mit dem Pelikano klar. Am nächsten Tag gingen wir einkaufen; sie hat sich einen in Giftgrün ausgesucht und ist jetzt mächtig stolz auf ihren ersten eigenen Füller.
Ich finde, besser kann es kaum laufen.

Andreas
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stefan-w-
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von stefan-w- »

jaja, die liebe schule.....

da wird der erste grundstein für die sammlerleidenschaft gelegt - ich spreche aus erfahrung. :wink:
liebe grüße,

stefan.

sollten die hier abwesenden versalien zu unwohlsein führen, empfehle ich, diesen beitrag zu überlesen.
Fiamma
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Fiamma »

YETI hat geschrieben: Die Schrift ist aber nicht das einzige Problem. Mit der Rechtschreibung geht es weiter.
Die Kleinen sollen so schreiben, wie sie die Worte hören. Das würde vielleicht auf Island funktionieren, wo es keine Dialekte gibt.
Wir leben aber in Deutschland, wo teilweise sogar in direkt benachbarten Städten schon eine ganz andere Mundart gesprochen wird.
Wenn am Telefon der Hamburger den Münchener schon nicht versteht, sollte man zumindest beim geschriebenen Wort auf eine universelle Verständlichkeit Wert legen.
Dazu brauchen unsere Kinder eine vernünftige Anleitung, viel Übung und erst wenn die Grundlagen sicher beherrscht werden, die Freiheit, ihren eigenen Stil zu entwickeln.
Den Dialekt würde ich nicht als Problem sehen. Schriftspracherwerb ist "sogar in Bayern" ein Lehrziel. Ein Kind sollte ohne Schwierigkeiten beides schaffen.

Problematisch finde ich eher diese verhunzte Umgangssprache "i´schwör, Aldda" "geh mal bei die Omma"

(Abgesehen davon, wer spricht in München noch Bayerisch? :( )
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YETI
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von YETI »

Fiamma hat geschrieben:
Den Dialekt würde ich nicht als Problem sehen. Schriftspracherwerb ist "sogar in Bayern" ein Lehrziel. Ein Kind sollte ohne Schwierigkeiten beides schaffen.

Problematisch finde ich eher diese verhunzte Umgangssprache "i´schwör, Aldda" "geh mal bei die Omma"

(Abgesehen davon, wer spricht in München noch Bayerisch? :( )

Gerüchteweise habe ich auch schon gehört, daß man an bayrischen Schulen schreiben lernen kann. :wink:
Aber mal ganz im Ernst, ich wollte damit nur verdeutlichen, daß das Schreibenlernen nach Gehör seine Tücken hat.
Es gibt, wenn auch immer seltener, Familien, in denen Mundart gesprochen wird. Es gibt Kinder aus nicht deutschsprachigen Familien. Und es gibt einen nicht zu unterschätzenden Anteil an Kindern mit Hörproblemen. Einer unserer Jungs hat zum Beispiel künstliche Gehörgänge.
Wenn solche Kinder schreiben, wie sie die Sprache wahrnehmen, kommt ganz automatisch eine sehr seltsame Rechtschreibung zustande.
Unsere Tochter hat zum Glück eine ältere und im besten Sinne altmodische Lehrerin, die Schreibfehler schriftlich verbessert.
Zwei unserer Jungs hatten nicht so viel Glück. Deren Lehrer(innen) haben die meisten Schreibfehler einfach ignoriert. Deshalb bezeichnet sich einer der Burschen heute selber als Halbanalphabet. Erst in der Lehre hat er begriffen, wie schlecht er schreibt. Dem Meister hat er geglaubt, was er uns nicht glauben wollte.
Das Ganze ist ein sehr vielschichtiges Thema und wie gut die Schulbildung ausfällt, liegt nicht nur am Schulsystem, sondern auch am einzelnen Lehrer und am Elternhaus.(am Schüler natürlich auch)
Einer alleine ist selten schuld daran, wenn es nicht klappt.

Schöne Grüße

Andreas
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Kichererbse
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Kichererbse »

Lieber Yeti,

ich wünsche Deiner Tochter ganz viel Spaß mit ihrem ersten Füller und hoffe sie genießt das Schreiben und Malen mit ihm.

Kichererbse
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Benny
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Benny »

Guten Abend,

Zwar habe keine Kinder und kann nichts zum heutigen Schulalltag beitragen. Aber ich habe immer wieder neben Trainees auch Praktikanten zu betreuen, die in der 9. oder 10. Klasse ihr Schulpraktikum absolvieren. I.d.R. beinhaltet das auch das führen eines Praktikumsbericht, der meist täglich geführt wird und Tätigkeiten usw. beinhaltet.

Meistens bekomme ich diese spätestens am Ende zur Durchsicht vorgelegt. Dabei habe ich festgestellt, dass besonders die letzten 3 Jahrgänge dazu übergegangen sind, zu Schreiben wie der Unterhaltungston der Jugendlichen untereinander ist. Oder gleich im Chat/Blog Stil. Besonders bei den Jungs ist das extrem auffällig. Außerdem habe ich das Gefühl, dass der Wortsschatz beim Schreiben per Hand immens kleiner ist, als der Wortschatz den die jugendlichen Leute sprechen. Fehlt es da an Ideenreichtum mangels fehlender Auseinandersetzung mit sich, seinen Gedanken und wie man diese zu Papier bringt?

Diktat wurde ja schon genannt in diesem Thema. Ich bringe noch den guten alten "Aufsatz" ins Spiel bringen, der doch das "Wiedergebeben seiner Gedanken zu einem Thema" schulen soll. Fehlt das heute auch, oder kommt es auch zu kurz?

Ich bin sicher kein Rechtschreibheld und haue sicher eine Menge Klopper raus, aber man muss doch in der Lage sein, seine eigene. Gedanken ordentlich schriftlich wieder zu geben. Das sollte unbedingt in der Schule vermittelt werden.
Gruß - Benny
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- einfach unverbesserlich -
Buggs
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Buggs »

Hallo zusammen.
YETI hat geschrieben:@ pejole
[...] Mit der Rechtschreibung geht es weiter.
Die Kleinen sollen so schreiben, wie sie die Worte hören. Das würde vielleicht auf Island funktionieren, wo es keine Dialekte gibt.
Wir leben aber in Deutschland, wo teilweise sogar in direkt benachbarten Städten schon eine ganz andere Mundart gesprochen wird.
[...]
Ich habe gerade eine erste Klasse zuhause.
Dieses Schreiben wie man spricht ist eigendlich schreiben mit Lauttabelle. Und mit sprechen ist Hochdeutsch gemeint und kein Slang.
Das Schöne daran ist, dass relativ schnell die Freude am Selberschreiben entsteht. Ich bekomme abends oft Briefe, Spiele mit selbst ausgedachten Anleitungen u. ä. überreicht.
Besser schreiben und besser lesen entsteht nur durch Übung, mehr Übung geht besser wenn man keine Angst hat.
Die Rechtschreibung ist teilweise abenteuerlich, aber der Wille 'richtig' zu schreiben ist größer, als ihn so mancher meiner Kollegen hat.
Ich lese mit den Kindern vermutlich vergleichsweise viel, und das ist meiner Meinung nach zum Schreiben lernen auch immanent wichtig.

Um den Bogen zu Füllern zu kriegen. Füller gibt es hier erst ab der zweiten Klasse. So wie derzeit in den Übungsheften rumradiert wird ... vielleicht auch besser so.

Ich war als Schüler nie ein Freund vom Schönschreiben, aber wenn ich die Klaue von Kollegen oder Kunden sehe ... was man ja in die Pläne einarbeiten soll ... wird mir übel.

Tschüs
Der Stift ist stärker als das Schwert. (NL)
pejole
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von pejole »

Hallo,

interessant, heute bei MDR - LexiTV - einen Beitrag zur Schrift gesehen, u.a. Schreibschrift an Schulen, die in Sachsen noch gelehrt wird und Bayern will sich diesem Plan jetzt auch anschließen, die Äußerungen der Lehrerin zur Schreibschrift entsprechen den Meinungen der vielen Beiträge.

http://www.mdr.de/lexi-tv/video182454.html

Gruß, pejole
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YETI
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von YETI »

Da muß man demnächst also in einem Freistaat wohnen, um eine anständige Schreibschrift zu lernen! :!:
Mal im Ernst, ich habe beschlossen, den Quatsch mitzumachen. Was soll ich daran ändern? Wenn in der Schule so ein Gekrakel verlangt wird, soll meine Kurze so schreiben! Wer aus der Reihe tanzt, bekommt nur Gegenwind. Das will ich meiner Tochter ersparen.
Vielleicht wird es auch nicht ganz so schlimm, wie es jetzt noch aussieht.
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Gruß

Andreas
Es ist besser ein kleines Licht anzuzünden, als auf die Dunkelheit zu schimpfen.
Ingo Steube
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Ingo Steube »

Guten Morgen Andreas,

die Hoffnung stirbt, glaubst Du etwa an "Krims Märchen"...
Hier macht Schreiben nach Hören Sinn.
Schweige sofort, es wird politisch.

Die Kinder in den Gegenwind zu stellen macht keinen Sinn, verstehe Dich zu gut.
Es reicht, wenn wir uns handschriftlich in den Gegenwind stellen.

Dank an "Pejole" für den MDR-Hinweis!


Bleibt mir gewogen,

I. Steube
werner
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von werner »

Hallo zusammen,

gerade zu diesem Thema will ich auch ein paar Gedanken hier unterbringen. Das angehängte Schriftenblatt ist wohl erst zirka 15 Jahre nach meinen ersten Schreibübungen entstanden. Aber genau solch eine verbundene Schreibschrift war das Erste was man uns ab der damals 2. Klasse beigebracht hat einschließlich der damals gültigen Rechtschreibregeln. Und was soll ich dazu sagen:

Es hat uns nicht geschadet, wir waren alle nicht überfordert.

Vielleicht sollte man wirklich dafür plädieren manch überflüssiges an Lehrmaterial zu entfernen und einige alte, dafür bewährte Methoden wieder einzuführen. Ich weiß, ich weiß, der einmal erreichte "Fortschritt" lässt sich nicht zurückdrehen. Man denke aber mal darüber nach, ob sich für die Kinder der sogenannte Stress nicht reduzieren ließe.

Wie ich an den vorstehenden Postings sehe, bin ich mit meiner (antiquierten) Meinung nicht alleine. :wink:

Only my 2 cents
Viele Grüße
Werner
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Leserlichkeit ist die Höflichkeit der Handschrift. (Friedrich Dürrenmatt)
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