Prioritäten im Grundschullehrplan

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Pennino
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Pennino »

Werner:
... Vielleicht sollte man wirklich dafür plädieren manch überflüssiges an Lehrmaterial zu entfernen und einige alte, dafür bewährte Methoden wieder einzuführen. ......
Dem stimme ich absolut zu :!:

Viele Grüße,
Pennino
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Ex Libris
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Ex Libris »

Hallo Werner,

ich würde Dir auch Recht geben und gleichzeitig zu bedenken geben wollen, dass ein, wenn nicht gar das größte, Problem in dieser Diskussion leider darin liegt, dass sehr viele Menschen sehr schnell emotional werden bei dem Thema.

Ich bin zugegebenermaßen kein Bildungsforscher, sondern bloß Germanist, aber mir erschließt sich nicht der Sinn, dass ein Kind erst das Schreiben nach dem Hören lernen soll, um dann später wieder alles umzulernen, wenn die Rechtschreibregeln drankommen. Und ich würde immer dafür plädieren, gleich nach den Regeln zu lernen (habe ich auch und auch mir hat es nicht geschadet), damit man sich den einen Schritt spart. Aber das ist freilich wieder meine persönliche Sicht.

Aus dieser persönlichen Sicht heraus gestehe ich, dass es mir auch sehr schwerfällt, wenn ich mit erwachsenen Menschen zu tun habe, die basale Regeln der Rechtschreibung nicht zu kennen scheinen. (Das ist so ein bisschen wie die Bemerkungen hier im Forum, dass ein Managermensch mit "Weiß-der-Geier-Einkommen" furchtbarerweise mit einem Werbekuli schreibt.) Mich jedenfalls graust es sehr, wenn ich Muttersprachler bei mir an der Universität in Seminaren sitzen habe, die zwar wissen, dass Kommata existieren, aber nicht, wo diese hingehören; oder wenn ihnen mit Müh und Not grammatikalisch oder syntaktisch richtige und halt manchmal auch nur halbrichtige Sätze gelingen, bei denen das Umgangssprachliche merklich Pate war. Besonders schlimm ist es, wenn ich darüber nachdenke, dass rund 3/4 der Kurse aus Lehramtsstudenten bestehen. Ich habe mich inzwischen daran gewöhnt, dass ein deutsch muttersprachlicher Student der deutschen Literaturwissenschaft (was ja ein obligatorischer Teil in der Ausbildung Germanistik/Deutsch ist) es als eine Zumutung empfindet, wenn er deutschsprachige Literatur lesen soll, vor allem wenn der Text mehr als 50 Seiten hat - was ebenfalls für rund 3/4 der Studenten zu gelten scheint. Aber ich habe echte Schwierigkeiten damit, mich daran zu gewöhnen, dass derselbe Student die Rechtschreibregeln offenbar als persönliche Beleidung zu empfinden scheint, wobei es hier ein wenig besser ist, da es ja die Rechtschreibprüfung gibt, die aber auch nicht alles ausfiltern kann...

Viele Grüße,
Florian
werner
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von werner »

Ex Libris hat geschrieben:Ich bin zugegebenermaßen kein Bildungsforscher, sondern bloß Germanist,
aber mir erschließt sich nicht der Sinn, dass ein Kind erst das Schreiben nach dem Hören
lernen soll, um dann später wieder alles umzulernen, wenn die Rechtschreibregeln drankommen.
Hallo Florian,

Um Deine (und meine) Ansicht zu untermauern hier zuerst ein Aphorismus von Gabriel Laub:

"Das wirklich Mitteilenswerte lässt sich in zwei Zeilen sagen.
Der Rest besteht aus Erklärungen des unklar Formulierten."

Und nun die zwei Zeilen:

"Was ist der Unterschied zwischen Johannes dem Täufer und einem Toyota-Jeep?
Nach der neuen Schreibweise eigentlich keiner ... Beides sind Mehrtürer. Meertürer? Märtyrer?"

Viele Grüße
Werner

PS: Ich weiß, OT .... aber treffend. :wink:
Leserlichkeit ist die Höflichkeit der Handschrift. (Friedrich Dürrenmatt)
Ex Libris
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Ex Libris »

Hallo Werner,
werner hat geschrieben:
PS: Ich weiß, OT .... aber treffend. :wink:
absolut!

Vielen Grüße,
Florian
Buggs
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Buggs »

werner hat geschrieben: Und nun die zwei Zeilen:

"Was ist der Unterschied zwischen Johannes dem Täufer und einem Toyota-Jeep?
Nach der neuen Schreibweise eigentlich keiner ... Beides sind Mehrtürer. Meertürer? Märtyrer?"
Oh, wie lustig.

Schau in den Duden.

Wahre Geschichte, damals.

Er:
Wir sammeln Unterschriften gegen die neue Rechtschreibung. Da schreibt doch jeder
durcheinander wie er will.
Ich:
Ist schon blöd wenn man Sauerstoffflasche mit drei f schreiben soll.
Er:
Genau.
Ich:
Warum sammeln Sie Unterschriften für die alte Rechtschreibung, wenn Sie diese auch
nicht beherrschen?
Er: (ab)

Man kann über vieles bei jeder Änderung streiten, aber viel Sinniges ist schon dabei gewesen.

Tschüs
Der Stift ist stärker als das Schwert. (NL)
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Cepasaccus
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Cepasaccus »

Buggs hat geschrieben:Man kann über vieles bei jeder Änderung streiten, aber viel Sinniges ist schon dabei gewesen.
Ja, endlich kann ich schreiben wie ich will! :)

Das mit dem Mertürer hatte ich nicht im Zusammenhang mit der neuesten Rechtschreibreform gesehen sondern im Zusammenhang mit dem Schreibenlernen nach Gehoer ohne Beruecksichtigung von Rechtschreibregeln.

Cepasaccus
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Beginner
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Beginner »

Buggs hat geschrieben:Ich:
Warum sammeln Sie Unterschriften für die alte Rechtschreibung, wenn Sie diese auch
nicht beherrschen?
Er: (ab)

Man kann über vieles bei jeder Änderung streiten, aber viel Sinniges ist schon dabei gewesen.

Tschüs
Auch meine Wahrnehmung! Schlimmer noch, über die neue Rechtschreibung schimpfen, aber schon seit Jahren nach deren Regeln schreiben :D Mir gefällt sie, ich sehe viele folgerichtige Verbesserungen darin.

Zur Abschaffung der verbundenen Schreibschrift fällt mir auf, dass ich so deutlich schneller schreibe als mit einer Druckschrift. Es wäre sehr schade drum!

Viele Grüße Roberto
Buggs
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Buggs »

Beginner hat geschrieben: Zur Abschaffung der verbundenen Schreibschrift fällt mir auf, dass ich so deutlich schneller schreibe als mit einer Druckschrift. Es wäre sehr schade drum!
Das müsste in der zweiten Klasse dran sein.
Das werde ich also ab Sommer erfahren.


Zum alten Thema "Schreiben wie man spricht"
Im Laufe der Wochen ist es schön zu sehen wie alles mögliche selber gelesen und selber geschrieben werden will. Meistens soll von uns geschaut werden, ob das so 'richtig' geschrieben wurde.

Ich finde es sehr interessant mitverfolgen zu können welche Unterschiede zwischen Schrift- und Lautsprache, auch im Deutschen, existieren.
Z. B.: Wann ist ein F ein F oder ein V, wann ist ein V ein F oder ein W?

Tschüs
Der Stift ist stärker als das Schwert. (NL)
Barbara HH
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Barbara HH »

Buggs hat geschrieben:Z. B.: Wann ist ein F ein F oder ein V, wann ist ein V ein F oder ein W?
Ich kann mich dunkel daran erinnern, dass mal ein Prof in einem Linguistik-Seminar davon erzählt hat, dass es Untersuchungen darüber gibt, wie gut die Zuordnung von Lauten zu Buchstaben in den einzelnen Sprachen ist. (Genauer gesagt und auf deutsch: die Zuordnung von Phonemen zu Graphemen - oder so 8) ).

Die deutsche Sprache rangierte damals schon nach der alten Rechtschreibung ziemlich weit oben, im Gegensatz zum Englischen, das in dieser Hinsicht wohl recht weit unten dümpelt. Und Platz 1 der Weltrangliste hatte glaube ich das Türkische, weil das türkische Alphabet von Atatürk unter Mithilfe deutscher Linguisten reformiert worden ist - daher auch die Umlaute.

Aber vielleicht erinnere ich das auch alles ganz falsch, bitte nicht schlagen, mein Studium war noch deutlich im letzten Jahrtausend und Linguistik nur ein Nebenfach! Weiß jemand von den anwesenden Linguisten mehr darüber? Mich würde auch interessieren, ob die Zuordnung von Lauten zu Buchstaben durch die Rechtschreibreform tatsächlich besser geworden ist?

Viele Grüße,

Barbara
„Ich denke tatsächlich mit der Feder, denn mein Kopf weiß oft nichts von dem, was meine Hand schreibt.“ Wittgenstein, Vermischte Bemerkungen
pejole
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von pejole »

Hallo zusammen,

im Link nochmal ein sehr interessantes Video zum Erlernen der Schrift. Rechts neben dem Video sind noch mehr Schreiblernhilfen angegeben.

http://www.google.de/imgres?imgurl=http ... wQrQMwIjhk


Gruß, pejole
Buggs
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Buggs »

Barbara HH hat geschrieben:
Buggs hat geschrieben:Z. B.: Wann ist ein F ein F oder ein V, wann ist ein V ein F oder ein W?
Ich kann mich dunkel daran erinnern, dass mal ein Prof in einem Linguistik-Seminar davon erzählt hat, dass es Untersuchungen darüber gibt, wie gut die Zuordnung von Lauten zu Buchstaben in den einzelnen Sprachen ist. (Genauer gesagt und auf deutsch: die Zuordnung von Phonemen zu Graphemen - oder so 8) ).

Die deutsche Sprache rangierte damals schon nach der alten Rechtschreibung ziemlich weit oben, im Gegensatz zum Englischen, das in dieser Hinsicht wohl recht weit unten dümpelt.
Im Deutschen sind die Unterschiede Schrift- und Lautsprache eher klein.
Und diese Zuordnung V (Schrift) zu F oder W (Sprache) z.B. viel und Vase hat man bestimmmt noch in der Grundschule irgendwann gemeistert.
Ich selber habe das auch erst wieder gemerkt, als ich deswegen gefragt wurde.

Im Englischen ist die Schriftsprache bei vielen Worten noch so wie damals gesprachen als der Kanon des Richtigschreibens aufkam. Das müsste zum Teil im Viktorianischen Zeitalter gewesen sein.
Da hilft dan nur noch lernen; wobei Briten, Amerikaner etc. etwas nachsichtiger sind falls doch Schreibfehler auftauchen. Es wird dann nicht gleich Dummheit unterstellt, so wie es in Deutschland schnell passiert.


Tschüs
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Cepasaccus
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Cepasaccus »

Obige URL geht auch etwas kuerzer: http://www.youtube.com/watch?v=BAzwKLTF6J0

So sehr ich es natuerlich loeblich finde, wenn jemand gute Schrift und alte Fueller lobt und preisst, so gruselig finde ich diese Frau, bei der "immer" und "nie" etwas ist und die hoechstpersoenlich die fuenf Geheimnisse der Handschrift entschluesselt hat. Waeren hier nicht ein paar dutzend Lehrer wuerde ich sagen: typisch Lehrer. Unter den gegebenen Umstaenden traue ich mir das hier aber nicht. :D

Cepasaccus

PS: Ab wann kann man denn einem Kind einen ordentlichen Fueller schenken?
Ex Libris
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Ex Libris »

Hallo Cepasaccus,

ich würde sagen: Am ehesten dann, wenn Interesse besteht. Ich habe mich mit 15 endgültig für einen guten Füller interessiert, so dass ich an Weihnachten mir von den Verwandten überwiegend Geld habe schenken lassen. Mit dem Geld bin ich dann in einen Schreibwarenladen und habe mir einen damaligen M600 (1994, also in der M400er Größe, aber mit ein paar Goldringen mehr und 18 statt 14K-Feder) gekauft, den ich heute noch liebe.

Ich würde aber wohl niemandem einen 'ordentlichen' Füller schenken, wenn nicht ein gewisses Grundinteresse vorhanden ist. Wobei man sich natürlich unterhalten müsste, was ein ordentlicher Füller ist. Gleichzeitig würde ich aber niemandem einen Lamy Studio oder einen M/P 200 schenken, wenn ich vermutete, dieser Füller würde nur in einer Schublade landen.

Viele Grüße,
Florian
Barbara HH
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Barbara HH »

Bin gerade über diesen Artikel bei Spiegel-online gestoßen:

Schulreform: Schweizer wollen Schreibschrift abschaffen
„Ich denke tatsächlich mit der Feder, denn mein Kopf weiß oft nichts von dem, was meine Hand schreibt.“ Wittgenstein, Vermischte Bemerkungen
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Tenryu
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Re: Prioritäten im Grundschullehrplan

Beitrag von Tenryu »

In Korea und Japan pauken die Kinder 14 Stunden am Tag, damit sie später auf eine Eliteuni gehen können. Und hierzulande sind die lieben Kleinen schon überfordert, wenn sie die Schreibschrift erlernen sollen.

Wieso schaffen die modernen Pädagogen nicht lieber die Mathematik ab? Wozu rechnen lernen, wo es doch Computer und Taschenrechner gibt? :roll: Obwohl.... es würde mich nicht wundern, wenn in 10 Jahren so etwas tatsächlich käme.
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