Mr.Eyedropper hat geschrieben:Eine solche Umgewichtung haben wir in den letzten Jahrzehnten sowohl an den Universitäten als auch an den Schulen gesehen. Da wird der Hauptakzent immer wieder auf die Naturwissenschaften, Informatik und Technik gelegt und erklärt, dass die Kulturfächer nicht so wichtig seien. Eine Konsequenz dieser fatalen Ungleichgewichtung diskutieren wir hier: Mangelnde Sprach- und Schreibkompetenz.
Ich glaube, es macht wenig Sinn die Geistes- und Sozialwissenschaften gegen die Naturwissenschaften auszuspielen und umgekehrt. Wir brauchen beide. So wie die Geistes- und Sozialwissenschaften wichtig sind, um unser kulturelles Erbe zu sichern und auszubauen und gesellschaftlichen Fortschritt zu ermöglichen, sind die Naturwissenschaften und Ingenieurswissenschaften wichtig für den technischen Fortschritt und Innovationen. Was wäre unsere Gesellschaft beispielsweise ohne die Errungenschaften in der Medizin, der Energietechnik, der Mobilität oder des Informationsaustausches? Auf der andern Seite: Was wäre unsere Gesellschaft ohne die kulturellen Errungenschaften bspw. im Bereich der Literatur, Musik oder Kunst?
Das Argument, dass die MINT-Fächer an den Schulen gestärkt wurden hört man oft, ist aber tatsächlich nicht korrekt. Die Inhalte wurden sogar zusammengestrichen. Mein Vater war über 40 Jahre im gymnasialen Schuldienst, unterrichtete Naturwissenschaften und hat den inhaltlichen Niedergang dieser Disziplin miterlebt. Die mangelnde Sprach- und Schreibkompetenz ist nicht Folge dieser vermeintlichen Stärkung, sondern die Ursache für die Defizite ist ein erheblicher Substanzverlust der schulischen Bildung- und Ausbildung auf
allen Gebieten. Die Universitäten und Ausbildungsbetriebe beklagen sowohl einen erheblichen Mangel in der Lese- und Schreibkompetenz als auch einen erheblichen Mangel in der Rechenkompentenz und des logischen Denkens.
Viel wichtiger wäre es, dass ein verstärkter Austausch zwischen den Geistes- und Sozialwissenschaften und den Naturwissenschaften stattfindet, um ein ganzheitliches Denken zu ermöglichen. So wie es Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts noch möglich war. Max Planck, einer unserer größten Naturwissenschaftler, der vielen Schulen heute seinen Namen leiht, war nicht nur ein genialer Physiker, sondern er spielte auch hervorragend Klavier, Cello, Orgel, dirigierte und komponierte sogar eine Operette. Er genoss einerseits eine klassische humanistische Bildung, andererseits wurden in ihm im Mathematik-Unterricht Interesse an der Mechanik und Astronomie geweckt. Und das alles in einem Schulsystem, das, so scheint es mir, wesentlich inhaltsbasierter und leistungsfähiger war als unser heutiges.
Viele Grüße
Alexander