Meine alten Fueller zum Genießen

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Killerturnschuh
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Re: Meine alten Fueller zum Geniessen

Beitrag von Killerturnschuh » 08.07.2015 12:01

Mir ist jeder Füller den du hier vorstellst in der Tat ein Genuß.

Vielen Dank für die vielen wunderbaren Informationen und schönen Bilder.
Salve

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Cepasaccus
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Re: Meine alten Fueller zum Geniessen

Beitrag von Cepasaccus » 08.07.2015 23:17

Ich habe schon etwas vorgearbeitet und ziehe das jetzt mal vor, weil ich am Wochenende beruflich unterwegs bin.

Heute gibt's eine Eule, oder besser gesagt einen Eulen-Bleistift, den ich in Nuernberg auf der Fuellerboerse erworben habe. Der Bleistift ist geschlossen 33mm lang, offen 60mm. Auf dem unteren Stueck ist ein Patentdatum vermerkt, der 21. Maerz 1877. Es ist das US-Patent 112917 von W.S.Hicks. Ich denke mal, dass der Bleistift um 1880/1890 hergestellt wurde. Also vielleicht hat ihn ja Irene Adler verwendet um Verbrechen zu begehen und Intrigen gegen Sherlock Holmes zu spinnen? Die goldenen Teile sind ganz bestimmt nur vergoldet. Die Eule koennte aus Silber sein, vielleicht ist sie aber auch nur versilbert, weil nichts entsprechend punziert ist. Die roten Augen sind vermutlich aus Glas.

Nachdem ich schon das Buch "Der Moderne Knigge" gezeigt habe, zeige ich nun auch das Original! "Über den Umgang mit Menschen" von Adolf Freiherrn von Knigge (https://en.wikipedia.org/wiki/Adolph_Freiherr_Knigge) aus dem zumindest allen Lateinschuelern bekannten Reclam-Verlag. Diese Ausgabe ist von 1878. Trotz des Alters ist sie bei weitem keine Erstausgabe. Da war der Knigge sogar schon fast 100 Jahre tot. Im Gegensatz zum modernen Knigge geht es hier, wie schon von amarti (Petze!) korrekt dargestellt, nicht um die Verwendung von Essbesteck, sondern ueber den Umgang mit allerlei Menschenarten, vom Dienstboten bis zum hoechsten Fuersten, und auch ueber den Umgang mit Tieren. "Der gerechte Mann martert kein lebendes Wesen." hat Knigge geschrieben. Schade, dass so wenige das lesen und man sich mehr Gedanken ueber Kaviarbesteck macht.

Cepasaccus
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Pennino
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Re: Meine alten Fueller zum Geniessen

Beitrag von Pennino » 08.07.2015 23:39

Einfach toll, was die Leute damals schon für Ideen hatten.
Die Eule sieht an einem alten Umhängebändchen mit Karabiner bestimmt gut aus !

Die ganz alten Schreibgeräte, ob Bleistift oder Füller, sind einfach zum Schwärmen.
Danke Dir für die Vorstellung !


Grüße
Pennino
" Il pennino è l'anima di una penna stilografica "

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Cepasaccus
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Re: Meine alten Fueller zum Geniessen

Beitrag von Cepasaccus » 16.07.2015 23:37

Ich habe heute Samstag. Deswegen zeige ich hier noch eine Erwerbung von der Nuernberger Fuellerboerse, ein Waterman's Ideal 552 1/2, oder moeglicherweise auch nach aelterer Nummerierung ein Waterman's Ideal 512 1/2 PSF. Da am Ende keine Bezeichnung lesbar ist, kann ich nicht sagen, ob der Fueller von vor oder nach der Umnummerierung bei Waterman stammt. Da eine "REG.US. PAT.OFF"-Feder eingebaut ist, vermute ich, dass es die neuere Nummer 552 1/2 ist. Ausserdem spricht noch fuer die neuere Nummerierung das erste Datierungsgesetz von Cepasaccus: "Im Zweifel ist der Fueller neuer." Eindeutig ist aber, dass der Fueller eine 14K-Massivgold-Montur in "Trefoil Vine Filigree" traegt. Wenn man gut hinschaut sieht man den Klee auf Bild 1 sehr deutlich. Das Monturdesign wurde 1907 auf den Markt gebracht und kann als Jugendstil-Muster bezeichnet werden. Der Fueller ist der erste Waterman, den ich kenne, bei dem auch der Hebel aus massivem Gold ist. Da ich seine Nummer nicht kenne ist der Fueller auf 1915 (Einfuehrung der Hebelfueller bei Waterman) und ca. 1923 (Produktionsende des Monturtyps) zu datieren, wenn es ein 552 1/2 ist, dann 1917 bis ca. 1923. Ganz am Ende der Produktion war die Montur noch grober, also wird der Fueller wohl von 1917 - 1920 sein.

Neupreis des Fuellers war 27 US-Dollar. Die habe ich Euch als "Kleingeld" mit auf's Foto gelegt. Wenn man die Entwicklung des deutschen Durchschnittsentgelds (quasi Jahresdurchschnittsgehalt. https://de.wikipedia.org/wiki/Durchschnittsentgelt) zugrunde legt, dann entspricht das etwa 2800 Euro (West). Die Rechnung dazu ist etwas kitzelig, wegen Krieg, Inflation und Währungsreformen. Ich habe es so berechnet:
* Der Wechselkurs der Goldmark und der Reichsmark zum US-Dollar waren 4.20 *mark pro Dollar. 27 US-Dollar sind damit 113,40 *mark.
* Die Ersparnisse wurden zwar abgewertet, aber die Mark-Umstellungen waren abgesehen von der Einfuehrung der Rentenmark immer 1:1. Man sieht das auch am durchwegs stetigen Verlauf der Gehaelter.
* Fuer 1920 wird ein inflationsloses Durchschnittsentgelt von 1400 *mark abgeschaetzt. Das entspricht 715 Euro (im Jahr!).
* Bei einem Durchschnittsentgeld fuer 2015 von 35000 Euro (West) ergibt sich ein Faktor von knapp 50.
* Multipliziert man diesen Faktor mit den 113,40 *mark = 58 Euro, so ergibt sich der heutige, gefuehlte Preis von gut 2800 Euro.

Das abgebildete Buch ist aus dem gleichen Jahr wie das Monturdesign, also von 1907. "Nackte Schönheit - Ein Buch für Künstler und Ärzte - Herausgegeben unter Mitwirkung von Dr. Gustav Fritsch, Professor der Anatomie an der Universität Berlin, und der Kunstmaler Ed. Daelen und J. Paar". Fuer uns sehen die "Naturaufnahmen" darin unspektakulaer aus. Damals gab es aber seit 1900 das so genannte "Lex Heinze", §184 StGB, der damals lautete:

Mit Gefängniß bis zu Einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer
1. unzüchtige Schriften, Abbildungen oder Darstellungen feilhält, verkauft, vertheilt, an Orten, welche dem Publikum zugänglich sind, ausstellt oder anschlägt oder sonst verbreitet, sie zum Zwecke der Verbreitung herstellt oder zu demselben Zwecke vorräthig hält, ankündigt oder anpreist;
...
Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte sowie auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden.

Heute gibt es §184 immer noch. U.a. wurde "unsittlich" durch "[censored]" ersetzt. Damals war das Gesetzt eine echte Bedrohung fuer Veroeffentlichungen von Werken mit Abbildungen dieser Art. Damit man doch noch ungeschoren davonkommt wurde bei Publikation Kunst und Wissenschaft betont. Man schaue sich dazu nochmal die Titelseite an. Nicht für moralisch verwahrloste war das Buch, sondern fuer "Künstler und Ärzte" und es ist von den Herrn Doktor Professor Kunstmaler. Und dann befasst sich auch gleich noch der erste Text mit "Bekleidung und Sittlichkeit". Fuer Aerzte war das Buch mMn nicht so hilfreich, fuer Kuenstler aber durchaus, weil das mit den Aktmodellen damals sicher auch nicht so einfach war wie heute. Die abgebildeten Personen haben haeufig irgendwie was zeittypisches, ein Aussehen, das man heute nicht mehr so kennt. Das hat bestimmt etwas mit den anderen Frisuren, dem Korsett und dem anderen Schoenheitsideal zu tun. Wenn ich die Fotos meiner Vorfahren ansehe, dann muessen die damals aber auch im Gesicht anders ausgesehen haben. Auffallend an dem Buch ist, dass ziemlich viel an den Fotos herumgenoergelt wird. Auf den ausgesuchten Abbildungen grad nicht (vielleicht habe ich sie gerade deswegen ausgewaehlt?), aber immerhin bekommt Ihr eine Ahnung von den geschwollenen Bildunterschriften. Vielleicht haben die herumgenoergel um das moeglichs kuenstlerisch wirken zu lassen? Allerdings fragt man sich dann schon, warum so viele mangelhaft ausgefuehrten Fotos abgedruckt wurden und warum die Autoren das nicht selbst besser gemacht haben. Ganz bestimmt haben das Buch nicht nur Kuenstler und Aerzte gelesen sondern auch hoffentlich moralisch gefestigte Herrn. Es waren aber auch knackige Herrn abgebildet, so dass auch etwas fuer eine moralisch gefestigte Dame dabei gewesen ist.

Zur Zensur siehe auch:
https://de.wikipedia.org/wiki/Geschicht ... eutschland

Mal sehen, ob sich in einem der Fuellerforen jemand aufregt.

Cepasaccus
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drwhox
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Re: Meine alten Fueller zum Geniessen

Beitrag von drwhox » 16.07.2015 23:58

Wunderschön... :D

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glucydur
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Re: Meine alten Fueller zum Geniessen

Beitrag von glucydur » 18.07.2015 10:10

Solche "Filigree"-Füller findet man in den ersten beiden Dekaden des 20. Jahrhunderts auch von den Herstellern Conklin, Parker, Swan, Onoto u.a. Ich finde sie sehr schön, weil sie typische Kinder ihrer Zeit und damit authentisch sind. Normalerweise bin ich eher nicht so fürs Ornamentale.

Wieder einmal ein Genuß: die Inszenierung.

Danke fürs Zeigen.

VG

Alexander
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Cepasaccus
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Re: Meine alten Fueller zum Geniessen

Beitrag von Cepasaccus » 22.07.2015 21:40

Noch was zur Wertberechnung ...

Wertberechnungen sind ein ganz schwieriges Terrain. Bei so etwas wie "Maler X hat 1500 fuer ein Gemaelde 100 Gulden bekommen" kommt sehr schnell die Frage "Wieviel waere das denn heute?". Die Standardantwort auf diese Frage ist dann: 100 Gulden sind 350 g Gold sind *auf den aktuellen Kurs guck* 1128.55 Euro. Die Rechnung ist einfach und mathematisch korrekt, der Fragende ist mit der Antwort zufrieden, aber eigentlich ist sie Quatsch. Gold ist ein einzelnes, fuer das taegliche Leben irrelevantes Wirtschaftsgut, dessen Rolle sich in den letzten 500 Jahren stark geaendert hat und dessen Kurs starken Schwankungen unterliegt. Vor 9 Jahren haette die Antwort 490 Euro auf die gleiche Rechnung gelautet und vor 3 Jahren 1540 Euro. Je nachdem, wann mal also rechnet bekommt man ein "Oh" oder ein "Ah", dabei waren es jedes mal die gleichen 100 Gulden.

Die Frage sollte eigentlich eher lauten "Wie 'weh' taten damals 100 Gulden?", d.h. wieviel bedeuteten damals 100 Gulden mehr oder weniger fuer den Maler oder einen "Normalverdiener"? Und da wird es dann richtig kompliziert. Die Gesellschaftsstruktur und Einkommensverteilung war ganz anders, die Einkommen sind nur unvollstaendig bekannt und wurden durch Sonderleistungen, z.B. eine Schlafkammer, ergaenzt und Warenkoerbe waren damals ganz anders als heute. Einen Eurobetrag wird man da vermutlich nicht herausbekommen, aber so etwas wie "Ein Handwerksgeselle musste dafuer 3 Jahre arbeiten" (alles rein fiktiv!) oder "man hat dafuer 3 Ochsen kaufen koennen" gibt vielleicht trotzdem einen besseren Eindruck als 1128,55 Euro.

Im Falle 1920 gibt es gluecklicherweise das Durchschnittsentgeld. Das ist wegen der ganzen Probleme mit der Vergleichbarkeit auch nicht perfekt, aber ich kann sagen, dass ein Durchschnittsverdiener damals ein halbes Monatsgehalt ausgeben musste und kann dieses halbe Monatsgehalt anhand der Tabelle auf ein heutiges halbes Monatsgehalt umrechnen. Ohne die Tabelle wuesste ich beides nicht und muesste erst herumrecherchieren.

Den Fall "100 Gulden im Jahr 1500" kann man in die eine Richtung ins Extrem treiben, d.h. "100 Faustkeile im Jahr 4000 v.Chr.". Es gibt aber auch das andere Extrem: "100 Yuan heute in China". Die Standardmethode ist "100 Yuan to EUR" in der Suchmaschine eingeben und man erhaelt 14.76 Euro. Wenn man sich das aber ueberlegt ist die Antwort zwar korrekt auf die Frage "Wieviel kostet mich die 100-Yuan-Montblanc-Kopie?", aber als Antwort auf die Frage "Sind 100 Yuan als Monatsgehalt fuer einen Fabrikarbeiter fair?" ist es schon nicht mehr passend. Das Arbeiterviertel in China ist uns nicht viel naeher als der Malerhaushalt im Jahr 1500. Genauso sind auch Muenchen und Zwickau alleine schon wegen der Wohnungspreise zwei Welten. Beim Yuan kommen aber noch staatliche Kursmanipulation und Spekulanten dazu, die einen Umrechnungsfaktor erschaffen, der weder mit uns noch mit dem Arbeiter in China etwas zu tun hat. Die 100 Yuan (voellig fiktiv!!!) moegen gerade so ausreichen um ihn vor dem Hungertod zu bewahren oder sind vielleicht sogar genug um eine kleine Familie durchzufuettern. Dass man da in Muenchen am Bahnhof fuer 14.76 Euro gerade mal einen Muesliriegel bekommt (sagte ich schon fiktiv?) ist dem Arbeiter in China dabei voellig egal.

Und die Moral von der Geschicht? Wenn man mit Werten herumrechnet oder vorgerechnet bekommt, dann sollte man das auch etwas durchdenken und hinterfragen, ob das irgendwie sinnvoll ist.

Ja, weiss schon, tl;dr.

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hessi
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Re: Meine alten Fueller zum Geniessen

Beitrag von hessi » 22.07.2015 21:47

Cepasaccus hat geschrieben:Ja, weiss schon, tl;dr.
Ganz sicher nicht. Stimme komplett zu, danke.

Außer dass mir das chinesische Arbeiterviertel immer noch näher ist als das 15. Jhd. Ersteres habe ich schon mehrmals besucht, letzteres wird wohl eher schwierig.
Gruß hessi

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amarti
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Re: Meine alten Fueller zum Geniessen

Beitrag von amarti » 22.07.2015 22:08

Bitte unbedingt fortführen, denn hier wird es sehr interessant.

Ich habe schon einmal diese Frage gestellt, aber leider nie eine Antwort bekommen. Vielleicht klappt das ja heute einmal.

Meine Sichtweise, Fragestellung, kommt nicht vom Euro, oder vom Big Mac, oder vom Monatssalär, oder vom Brot. Meine Sichtweise kommt mehr vom Status her, mehr vom Beruf her.

Als Pelikan den Kolbenfüller auf den Markz brachte, wer waren da die Kunden, wer hat einen gekauft? Der arme Volksschullehrer? Oder erst der arme Herr Professor vom Gymnasium.

Der Leiter einer Amtsstube bereits oder erst der Leiter eines ganzen Amtes? Hat ein Steiger zuhause mit einem Füller geschrieben, weil er doch studiert war?

Oder überhaupt kein Angestellter/Beamter und nur die selbständigen Geschäftsleute, die Bänker, die Kaufleute?

Wer hat die Rappen-Füller gekauft?

Wenn ich zu der Zeit gelebt hätte, wäre ein Fahrrad wichtiger als ein Füller gewesen. Ein Füller ist nicht notwendig, ist Luxus. Ein Fahrrad war Wohlstand, man hatte es geschafft, man konnte eine Frau beeindrucken, man konnte an Fortpflanzung denken. Das ging nicht mit einem Füller.

Andreas

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Cepasaccus
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Re: Meine alten Fueller zum Geniessen

Beitrag von Cepasaccus » 22.07.2015 22:56

Auch eine sehr gute Frage! Weiterhelfen kann ich dabei leider nicht. Abgesehen vom Geld ist das soziale sicher sehr wichtig und bei dem kann man sich aus unserem Blickwinkel leicht verschaun. Eventuell koennte Werbung etwas ueber die Zielgruppe verraten. Deutsche Werbung zu finden ist aber garnicht so einfach.

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Zollinger
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Re: Meine alten Fueller zum Geniessen

Beitrag von Zollinger » 23.07.2015 16:36

amarti hat geschrieben: Bitte unbedingt fortführen, denn hier wird es sehr interessant....
...Als Pelikan den Kolbenfüller auf den Markt brachte, wer waren da die Kunden, wer hat einen gekauft? Der arme Volksschullehrer? Oder erst der arme Herr Professor vom Gymnasium.
Tatsächlich finde ich dieses Thema auch interessant.
Zu diesem Thema ziehe ich meinen eigenen Schluss aus der kriegsverschonten Schweiz: Da die Pelikan 100 (vielleicht nicht gerade das 1. Modell von 1929) doch recht häufig zu finden sind, gehe ich eher von einer weiteren Verbreitung aus. Ich denke der Pelikan war zu seiner Zeit ein Qualitätsprodukt, dass sich breiter Beliebtheit erfreute und kein seltener Luxusfüller. Soviele Universitätsprofessoren, Industrielle und hohe Staatsanngestellte gab es im Verhältnis zu Arbeitern, Bauern und Studenten auch wieder nicht (hierzu ein persönlicher Erfahrungswert: auf ca. 50 Pelikan 100 habe ich einen MB 139 und einen Pelikan 112 in Massivgold gefunden).
Der Rappen und der IBIS hatten bestimmt auch Ihre Anhänger, weil billiger ist auch nicht schlecht...
Nach dem Krieg kam der Aufschwung und ich nehme mal an, dass in fast jedem Haushalt ein Füller zu finden war (ich spreche hier immer noch von der Schweiz).
Zumindest schliesse ich das aus der Häufigkeit in der man Pelikan 100N, Pelikan 140 und Pelikan 400 im Vergleich zu anderen alten Altagsgegenständen findet.
Bin gespannt auf andere Meinungen und Argumente.
Z.

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Re: Meine alten Fueller zum Geniessen

Beitrag von Cepasaccus » 23.07.2015 18:58

Ein Bekannter meines Vaters hatte um 1940 in der Schule einen Sicherheitsfueller. Es war also ganz bestimmt ein Gebrauchtfueller. Vielleicht hat man damit dann das untere Ende bedient. Mein Vater hatte Anfang der 50er auch einen Gebrauchtkolbenfueller in der Schule, den ich dann leider in der Schule verloren habe. Aergert mich immer noch. Der Fueller koennte der Grund fuer meine Liebe zu alten Fuellern sein.

Muss mal nach Preisen schaun, wenn ich daheim bin.

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Re: Meine alten Fueller zum Geniessen

Beitrag von glucydur » 23.07.2015 19:30

Ein sehr interessanter OT. Mal unabhängig vom Durchschnittseinkommen liefern soziologische Studien einen ergänzenden Blickwinkel: Schaut man sich z.B. die soziale Schichtung der Weimarer Republik nach den Erhebungen von Theodor Geiger im Jahr 1932, 3 Jahre nach Einführung des Modells 100 von Pelikan, an, sieht man, dass es in den 1930er Jahren ein relativ großes Reservoir von potentiellen Käufern in Deutschland gegeben hat: Sowohl die Schicht der sogenannten "Kapitalisten" (Großunternehmer und Großagrarier) mit 0,92% Bevölkerungsanteil, als auch der "alte Mittelstand" (mittlere und kleinere Unternehmer) mit 17,11% Anteil an der Gesamtbevölkerung und der "neue Mittelstand" (höher qualifizierte Angestellte und Beamte, akademische Berufe) mit 17,95% Bevölkerungsanteil kommen grundsätzlich als Zielgruppe für Füllfederhalter in Frage. Das sind 1932 immerhin ca. 36% der deutschen Bevölkerung.

Besser noch als Durchschnittseinkommen wären historische Warenkörbe geeignet für die Beurteilung, inwieweit der Füller in früherer Zeit ein Luxusprodukt war. Ein Warenkorb liefert Erkenntnisse darüber, welcher Anteil eines Einkommens für Produkte des nicht-täglichen Bedarfs (also "Luxusprodukte") übrig bleibt.

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Re: Meine alten Fueller zum Geniessen

Beitrag von Cepasaccus » 23.07.2015 19:54

Zu welcher Gesellschaftsschicht wuerde denn dieses Maedchen aus dem Waterman-Katalog von 1918 gehoeren? Mittelschichtstochter?
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Re: Meine alten Fueller zum Geniessen

Beitrag von amarti » 23.07.2015 20:00

Sie trägt eine extrem kleine Armbanduhr. Retouchiert?

Das war 1918 ein Luxusgut, da es ja noch keine dichten Uhren gab. Eine Armbanduhr wurde ja im Nullkommanix feucht.

Andreas

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