Edelmetalle in Deutschland von 1931 bis 1945

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DiBa

Edelmetalle in Deutschland von 1931 bis 1945

Beitrag von DiBa »

Gelegentlich kommt das Thema Edelmetall für Federn und für Füllerüberzüge auf.
Im Rahmen meiner Forschung über Pforzheimer Schreibgerätehersteller habe ich versucht, einen Einblick in das Thema zu bekommen. Dies hat sich als aussergewöhnlich schwer herausgestellt. Aber aus meiner Dissertationszeit bin ich gewohnt mich durchzubeißen.
Unschätzbar als erste Übersicht ist die Habilitationsschrift von Ralf Banken über "Edelmetallmangel und Großraubwirtschaft" (ca. 900 Seiten mit Anhang auf CD ROM).
Meine bisherige Ausarbeitung ist sicher potentiell fehlerbehaftet und lückenhaft. Dennoch könnte es Leser geben, die daran interessiert sind und vielleicht auch eigene Kenntnisse zum Thema beitragen wollen.
Daher werde ich in Kürze meinen Text hier anhängen.
Viele Grüße
Dirk
DiBa

Re: Edelmetalle in Deutschland von 1931 bis 1945

Beitrag von DiBa »

Vorbemerkung: Die Fußnoten meines Textes fehlen hier. Interessierte können gerne die Nachweise bei mir anfordern.

Edelmetallbewirtschaftung

Gold und Platin werden in Deutschland nicht abgebaut und müssen importiert werden, die deutsche Silbergewinnung deckte weniger als die Hälfte des Verbrauchs ab.
Anfang der 1930er Jahre befand sich Deutschland in einer schweren Wirtschaftskrise. Etliche Banken waren in Schwierigkeiten, große Mengen Kapital floss ins Ausland ab. Seit 1931 wurde der gesamte Devisenhandel von der Reichsbank und den von ihr beauftragten Devisenbanken kontrolliert. Die Kurse wurden von der Reichsbank festgesetzt und der Erwerb ausländischer Zahlungsmittel war genehmigungspflichtig, der Bestand an Devisen musste angemeldet und der Reichsbank zum Ankauf angeboten werden.1 Gold und auch andere Edelmetalle galten dabei als Devisen. Bis 1933 war Deutschland trotz aller Schwierigkeiten in der Lage, die benötigten Rohstoffe in ausreichender Menge zu importieren. Jedoch führte die steigende Nachfrage durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Aufrüstung in Verbindung mit steigenden Rohstoffpreisen bei fallenden Fertigproduktpreisen zu einem Handelsbilanzdefizit und stark sinkenden Devisenreserven der Reichsbank. Durch das Gesetz über den Verkehr mit industriellen Rohstoffen und Halbfabrikaten2 und vielen hierauf aufbauenden Verordnungen wurde die Beschaffung, Zuteilung und Verwendung von Rohstoffen durch den Reichswirtschaftsminister überwacht und geregelt. Mit der Verordnung über den Warenverkehr vom 04.09.19343 wurden Überwachungsstellen gebildet. Diese bestimmten nicht mehr nur über den Gesamtumfang der Einfuhren, sondern regelten die genaue Zusammensetzung des Inports. Die Überwachungsstellen übernahmen schrittweise die vollständige Rohstofflenkung auf den deutschen Märkten und erteilten den Unternehmen Einkaufsverbote, Einkaufsgenehmigungen, Verarbeitungs- und Veräußerungsgenehmigungen.
Seit der oben genannten Sechsten Durchführungsverordnung vom 2.10.1931 durften Inländer nur mit Genehmigung Gold erwerben und hierüber verfügen. Dies führte für die Hersteller von Goldfedern oder Edelmetallschreibgeräten zu einem hohen bürokratischen Aufwand: Bei der Bestellung von Edelmetall musste er einen Goldbezugsschein vorlegen. Diesen erhielt er nach Prüfung und Angabe seines bisherigen Monatsverbrauchs. Dennoch konnte zumindest bis Mitte 1933 der gesamte angemeldete Bedarf befriedigt werden. Erste Versorgungsengpässe traten im Frühjahr 1934 ein. Ab August 1934 versorgte die Reichsbank dann die Unternehmen mit Reichsbankgold. Hiermit sollte jedoch nur die Erwirtschaftung von Devisen sichergestellt werden, daher durfte mit diesem Gold nur lohnende Exportaufträge abgewickelt werden. Die Goldproduktion musste daher im Betrieb getrennt werden in Inlands- und Exportproduktion, was einen hohen Aufwand mit sich brachte. Der Goldbedarf für den Export war vorläufig sichergestellt. Für die Inlandsnachfrage war jedoch nicht genug Gold vorhanden. Die Verteilung konnte nicht über den Preis geregelt werden, da dieser im Rahmen der Preisstopverordnung4 staatlich festgelegt war. Der Goldmarkt war in der Hand einiger weniger Scheideanstalten, hierbei war die Degussa marktbeherrschend. Durch die notwendig engen Kontakte zum Reichswirtschaftsministerium und der Abhängigkeit von diesem fungierte die Degussa als verlängerter Arm des Ministeriums. Daher kam es zu einer politisch motivierten Verteilung des Inlangsgoldes: Arbeitsintensive Branchen wie die Doublehersteller sollten vorrangig beliefert werden, Trauringe dagegen enthalten wenig Fasson (Lohnanteil) und standen im berechtigten Verdacht, als privates Goldlage verwendet und im Notfall eingeschmolzen zu werden. Trotz der Verteilung konnte die Inlandsnachfrage bis 1935 weitgehend erfüllt werden. Im April/Mai 1935 jedoch war der Inlandsbedarf mit 50% erheblich untergedeckt. Nun wurde eine allgemeine Kontigentierung auf 60% des Bedarfs eingeführt, die jedoch je nach Bedarf (z.B. Zahngold / Trauringe) unterschiedlich hoch war.
Einerseits wurde durch die Kuntigentierung der grobe Rahmen vorgegeben, andererseits durch viele Anordnungen bestimmte Produkte und Produktarten geregelt. Z.B. Durften nach der Anordnung 9 der Überwachungsstelle vom 04.09.1937 keine Silberwaren mit einem Feingehalt über 835/1000 mehr hergestellt werden.
Die Goldzuteilungsquote für Goldfedern lag am 01.06.1935 und 01.01.1937 bei 50%5, am 01.07.1938 jedoch nur noch bei 30%. Diese Absenkung entstand durch den sog. Gold-Palladium-Tausch: für Zahngold6 und Goldfedern wurden anstelle von Legierungen mit hohem Feingoldgehalt spezielle Palladium-Gold-Legierungen geliefert mit den Bezeichnungen "Alba" und "Palliag7" (Palladium-Silber-Gold-Legierung).
Eine gewisse Linderung des Mangels ermöglichte die Regelung, dass Gold, welches aus mit Genehmigung erworbenen Alt- oder Bruchgold durch Einschmelzen oder eine sonstige Verarbeitung gewonnen wurde, nicht der Reichsbank angeboten werden musste.8 Hierdurch war es möglich, dass ein Kunde z.B. eine alte, defekte Feder abgab und sich daher eine neue Goldfeder kaufen konnte, ohne das Kontingent des Herstellers zu belasten.

Gold war für die Rüstungsindustrie nicht wichtig, Silber und insbesondere Platin dagegen umso mehr. Jedoch zeigten sich wegen des hohen Verbrauchs, des hohen Wertes und der für die Einfuhr benötigten Devisen die Probleme beim Gold am frühesten.9
Da die Unternehmen ständig ihre Bestände mitteilen mussten ist nicht anzunehmen, dass fertige oder halbfertige Goldfedern längere Zeit gelagert wurden und erst später in den Umlauf kamen.


Die Schmuckwarenindustrie war stark von der Bewirtschaftung und Rationierung betroffen:
Schlechte Versorgung mit Edelmetallen.
Herstellungsverbote für bestimmte Waren.
Starre Devisenbeschränkungen, die das Exportgeschäft stark behinderten.10

Mit Kriegsbeginn im September 1939 wurden alle Inlandsquoten für Gold gesperrt und kurz darauf auch Rechsbankgold nicht mehr für Exportaufträge abgegeben. Mitte September 1939 wurden alle Edelmetalle (Roh- Halb- und Fertigwaren) im Besitz gewerblicher Unternehmen beschlagnahmt. Die Verarbeitung und veräußerung war nur noch mit Zustimmung erlaubt, über alle Vorgänge musste exakt Buch geführt werden.
Mit der Anordnung Nr.20 der Reichsstelle für Edelmetalle vom 13.09.193911 wurde die Erzeugung von Goldfedern verboten. Konsumwaren durften nur noch produziert werden, wenn der Konsument die benötigten Edelmetalle aus Altmaterial beistellte.12
Am 19.03.1943 wurde dann mit Wirkung ab 01.05.1943 die Füllfederhalterherstellung verboten.13
Solche generellen Verbote wurden jedoch teils durch Einzelanweisungen und Anforderungen überspielt, wenn z.B. staatliche Stellen bestimmte Produkte benötigten.


Die Kontigentierung von Platin lief ähnlich ab wie die von Gold, wurde aber 3 Jahre später (1938) vollendet. Anders als bei Gold war nicht die Degussa, sondern Heraeus zuständig.

Vermutlich gab es Paliag-Federn nur von ca. 1938 bis 1939, da anschließend die Verwendung von Palladium in der Rüstungsindustrie zu wichtig wurde. Die Federn wurden dann aus Chrom-Nickel-Stahl hergestellt.
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Cepasaccus
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Re: Edelmetalle in Deutschland von 1931 bis 1945

Beitrag von Cepasaccus »

Wow! Danke, Dirk! Ich wusste nicht, dass da schon so frueh so eine Buerokratie herrschte.

Cepasaccus
Thom

Re: Edelmetalle in Deutschland von 1931 bis 1945

Beitrag von Thom »

Cepasaccus, Du mußt vor allem beim Gold berücksichtigen, dass das noch vor Bretton-Woods war. Handelsbeschränkungen mit Edelmetallen, vor allem mit Gold, waren da auch eine wichtige Form von Devisenverkehrsbeschränkung. (und der "kontrollierende" Wirtschaftsminister von 1934-37 war Hjalmar Schacht, der war gleichzeitig auch Reichsbankpräsident)

V.G.
Thomas
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Tenryu
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Re: Edelmetalle in Deutschland von 1931 bis 1945

Beitrag von Tenryu »

Sehr aufschlußreich.
Irgendwie habe ich das Gefühl, daß solche Zeiten auch bald wieder kehren.
Schuldenwirtschaft, Bankenkrise, Negatzivzinsen, Bargeldabschaffung... Da werden die Sparer auch wieder versuchen, Edelmetalle zu horten, was dann von der Staatsführung unterbunden werden wird.
Nur, daß es heutzutage viel schwieriger ist, der Überwachung zu entgehen. :|
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glucydur
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Re: Edelmetalle in Deutschland von 1931 bis 1945

Beitrag von glucydur »

Ein sehr interessanter Beitrag, auf den ich jetzt erst gestoßen bin. Aus zwei Gründen: Ich interessiere mich zum einen für die Geschichte der Weimarer Republik bis zur Machtergreifung, zum anderen für Edelmetalle und Legierungen. In diesem Zusammenhang sind zwei Namen gefallen, die ich spannend finde: "Hjalmar Schacht" und die "Palliag-Legierung". Ersterer sagt mir natürlich etwas: eine äußerst interessanter Typus Mensch, der in verschiedensten politischen Verhältnissen Funktionsträger war. Für mich der "Talleyrand" der Finanz- und Wirtschaftsgeschichte. Die Palliag-Legierung kannte ich allerdings nicht. Eher ungewöhnlich, dass auch Silber Legierungsbestanteil war. Die Kombination von Gold (als Hauptmaterial) und Palladium kennt man ja von modernen Weißgoldlegierungen.

Eine Frage zur Palliag-Legierung: In welchen Teile-Verhältnissen wurden diese Legierungen hergestellt?

Viele Grüße

Alexander
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Thom

Re: Edelmetalle in Deutschland von 1931 bis 1945

Beitrag von Thom »

Alexander, genaue Zahlen kenne ich nicht, aber mit Weißgold kann man das kaum vergleichen (der Plan war ja gerade, möglichst kein Gold zu verwenden). Das war im Wesentlichen eine Palladium-Silber-Legierung (PalladiumArgentum).

V.G.
Thomas
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Cepasaccus
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Re: Edelmetalle in Deutschland von 1931 bis 1945

Beitrag von Cepasaccus »

http://www.dentalkompakt-online.de/prod ... _4684.html

Hier gibt's eine Zusammensetzung von Palliag M. "14 Karat" Silber, gut 27% Palladium, 2% Gold und der Rest ist Fusel. Interessant ist auch noch die Angabe, dass es seit 1931 vertrieben wird.

Cepasaccus
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glucydur
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Re: Edelmetalle in Deutschland von 1931 bis 1945

Beitrag von glucydur »

Danke Cepasaccus! Sehr informativ.

@Thom: Die Information mit dem Weissgold (Graugold) sollte auch kein Vergleich sein. War lediglich als Information gedacht, in welcher Legierung u.a. heute noch Palladium verarbeitet wird. Mir war schon bewusst, dass aufgrund der restriktiven Goldbewirtschaftung der Anteil des Goldes unter 333/585/750 sein würde. Überrascht hat mich nun aber doch der extrem kleine Gold-Anteil in den Angaben von Cepasaccus zur Palliag-Legierung. Das sind ja dann faktisch Silberfedern.

Noch eine Zusatzfrage: Auch Montblanc produzierte in der Kriegszeit Füller mit Federn, in denen das Gold substituiert wurde. U.a. gab es Palladium-Federn. Welches Teile-Verhältnis wiesen diese Federn auf?

VG

Alexander
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Zollinger
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Re: Edelmetalle in Deutschland von 1931 bis 1945

Beitrag von Zollinger »

Dirk
Vielen Dank für den fundierten und aufschlussreichen Beitrag!
Was mir spontan zur Palladium-Silber Legierung (PdAg) einfällt ist, dass Sheaffer's diese in ihrem Modell PFM I und II (1959-1968) auch verwendet haben:
Bild
Das Material scheint sich für die Herstellung von Federn sehr zu eignen. Ich nenne zwei Exemplare mein Eigen und bin sehr zufrieden mit den Federn. Die Legierung scheint ebenso korrosionsbeständig zu sein wie Gold. Was man von den alten Edelstahlfedern leider nicht behaupten kann... Und auch eine komplett korrodierte Palladium-Feder ist mir schon untergekommen:
Bild
Keine Ahnung wie das passieren konnte!
Z.
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glucydur
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Re: Edelmetalle in Deutschland von 1931 bis 1945

Beitrag von glucydur »

Hallo Zollinger,

sehr aufschlussreich und schön untermalt duch die Bilder. Palladium-Silber-Legierungen gibt es bis heute für zahnärztliche Zwecke.

http://www.agz-rnk.de/agz/download/3/pa ... ierung.pdf

Allerdings sind die Teile-Verhältnisse doch etwas anders als bei der Palliag-Legierung in Cepasaccus Link. Bei diesen Pd-Ag-Legierungen kann man aufgrund des Teile-Verhältnisses tatsächlich von einer Palladium-Legierung sprechen: 50-60% Palladium-Anteil + ca. 20-40% Silberanteil. Bei der Palliag-Legierung mit einem 585-Anteil Silber und ca. 27% Palladium würde ich von einer Silber-Legierung sprechen. Interessant wäre zu erfahren, wie sich die Palliag-Feder in dem genannten Mischungsverhältnis bezüglich Langlebigkeit schlägt. Wenn sie immer noch als Legierung im zahnärztlichen Bereich angewendet wird, wahrscheinlich gut.

Die Dramtouch-Feder von Visconti wird vermutlich auch eine Pd-Ag Legierung sein mit einem Palladium-Anteil von 950/1000.

Viele Grüße

Alexander
Zuletzt geändert von glucydur am 16.12.2015 10:46, insgesamt 2-mal geändert.
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Thom

Re: Edelmetalle in Deutschland von 1931 bis 1945

Beitrag von Thom »

Bei Edelstahl kommt's drauf an. Chromstahl könnte schon rosten,
bei Chrom-Nickel-Stahl würde ich nur noch mit Lochkorrosion rechnen.
Bild

V.G.
Thomas
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Re: Edelmetalle in Deutschland von 1931 bis 1945

Beitrag von Zollinger »

Was genau zu Kriegszeiten und "Edelstahl" verstanden wurde weiss ich nicht. Tatsache ist aber dass man sehr viele dieser Federn in sehr schlechtem Zustand vorfindet. Von No Name bis Pelikan und Montblanc. Kleine korrodierte Köcher sind dann noch das kleinste Problem...
Z.
Thom

Re: Edelmetalle in Deutschland von 1931 bis 1945

Beitrag von Thom »

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Re: Edelmetalle in Deutschland von 1931 bis 1945

Beitrag von Zollinger »

müsste ich suchen...schrott fotografiere ich selten.
Z.
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