Spätheimkehrer - der Sicherheitsfüller des Grafen Fugger von Babenhausen

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caneta
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Spätheimkehrer - der Sicherheitsfüller des Grafen Fugger von Babenhausen

Beitrag von caneta »

Werte Freundinnen und Freunde der „ollen Dollen“,

pünktlich zum Ausklang des Jahres möchte ich Euch eine kleine Weihnachtsgeschichte erzählen.

Wie manche von Euch wissen, restauriere und sammle ich unter anderem auch Sicherheitsfüllhalter, einem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts insbesondere in Deutschland, Frankreich und Italien beliebten Typus mit aus- und einfahrbarer Federeinheit. Hinsichtlich des Verbreitungsgebiets sind meine diesbezüglichen Verbindungen zu Gleichgesinnten eher in die westliche Welt gerichtet.

Doch wie es der Zufall so will traf ich bei einer Tauschaktion, bei der es um ganz andere klassische Modelle ging, auch einen russischen Sammlerkollegen aus Kirov (Kirow). Unter normalen Umständen wären wir uns nie und nimmer begegnet. Er präsentierte mir völlig beiläufig aus der großväterlichen Verwandtschaft ohne die geringste Ahnung, was es mit dem Schreibgerät auf sich hat, einen Sicherheitsfüller, der mich schlagartig in Erstaunen versetzte. Der Sammler gab an, dieser Federfüller stamme von seinem Opa, welcher als Soldat im Zweiten Weltkrieg diente und anschließend in einem Kriegsgefangenenlager als Wachmann tätig gewesen ist. Dabei handelt es sich um das Kriegsgefangenenlager für Generäle in Woikowo bei Iwanowo, Russland. Das Lager stand ca. 600-650 km südwestlich von Kirov. Auf dem mit typischem Fischgrat-Muster verzierten Schaft kennzeichnet die Namensgravur „Fugger“ den ehemaligen Eigentümer und Besitzer. Recherchen zufolge gab es einzig eine Person mit diesem Namen in besagtem Lager für Kriegsgefangene, und zwar der Generalmajor der Luftwaffe Leopold Heinrich Karl Friedrich Maria Graf Fugger von Babenhausen. Graf Fugger-Babenhausen, am 18.07.1893 geboren und bereits im Ersten Weltkrieg als Soldat aktiv, war dort rund 10 Jahre, genauer vom 07.05.1945 bis 25.06.1955, inhaftiert, bevor er in die Heimat zurückkehren durfte. Er verstarb am 08.07.1966 in Hamburg. Ob der russische Großvater den Füllfederhalter im Austausch gegen andere Leistungen (z.B. Lebensmittel) erhielt, ist nicht mehr eruierbar. Ebenso könnte das Schreibgerät dem Grafen Fugger von Babenhausen schlicht abgenommen bzw. gestohlen worden sein. Ein Verlust/Verlegen ist ebenfalls denkbar, wenngleich vom Zustand her unwahrscheinlich.

Ob Graf Fugger von Babenhausen seinen Sicherheitsfüller bereits vergessen hatte, als er 1966 verstarb, oder noch mit Wehmut an ihn dachte, wird man vermutlich nie mehr erfahren. In der Adventszeit 2015 verbrachte ich besagten Federfüller nach Deutschland. Doch auch wenn ich derlei Füllhalter sammle, bin ich der Meinung, dass hiesiges Exemplar, in der Tat ein Spätheimkehrer, heim zu seiner Familie gehört. Kaum ein Gegenstand symbolisiert die Tradition eines Kaufmannsgeschlechts wie das der Fugger besser als derart Schreibzeug. Zurzeit laufen noch Gespräche mit dem Hause Fugger. Und wer weiß, vielleicht wird man in Bälde im Museum der Fuggerei den Sicherheitsfüller des Grafen Fugger von Babenhausen bestaunen können? Neuigkeiten zum Verbleib des Federfüllers tue ich gerne hier kund.

Details zum Schreibgerät:
Länge(geschlossen)~130mm, Dm(Schaft)=11mm, Dm(Kappe)=13mm, Länge(Kappe)~35mm, Länge(Füller_ohne_Kappe_Federeinheit_eingefahren)=115mm, Länge(Füller_ohne_Kappe_Tintenleiter_ausgefahren)=135mm
Länge(Krupp_Feder)=25mm, MaxBreite(Krupp_Feder)=6mm, Länge(Federschenkel_Kruppfeder)~8mm.
Der Füllhalter ist in einem äußerst gepflegten Zustand ohne nennenswerte Gebrauchsspuren und blieb offenkundig die letzten 70 Jahre unbenutzt. Im Inneren befanden/befinden sich eingetrocknete schwarz pigmentierte Tintenreste. Eine bauartspezifische Modellbesonderheit ist, dass der hintere Schaftbereich, in welchem der Drehknauf für die Federeinheitsmechanik steckt, nicht wie meist üblich als separates Bauteil aufgeschraubt ist. Stattdessen ist der Schaft durchgehend, und der Knauf selbst besitzt einen Splint, der die Mechanik sichert.

Hier noch ein paar Bilder.

Ich wünsche allen eine gesegnete Weihnachtszeit und ein gesundes neues Jahr.
Jörg
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Jörg

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toverster
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Re: Spätheimkehrer - der Sicherheitsfüller des Grafen Fugger von Babenhausen

Beitrag von toverster »

Hallo Jörg,

vielen Dank für diese Geschichte. Sie hätte auch gut in den Adventskalender gepasst.

Ich finde es echt erstaunlich, auf welchen Wegen du an alte Füller kommst. :shock: Die Beschreibung lässt das ja nur erahnen...

Bitte lass uns wissen, wie die Geschichte weitergeht bzw. wo der Füller seine zukünftige Heimstatt haben wird.
Grüße von

Andrea
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Cepasaccus
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Re: Spätheimkehrer - der Sicherheitsfüller des Grafen Fugger von Babenhausen

Beitrag von Cepasaccus »

Also ich waere jetzt bei "FUGGER" nicht von einer Namensgravur sodern von einer Modellbezeichnung ausgegangen. Die Anfuehrungszeichen und fehlende Initalien fuer den Vornamen sprechen fuer mich gegen eine Namensgravur.

Cepasaccus
caneta
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Re: Spätheimkehrer - der Sicherheitsfüller des Grafen Fugger von Babenhausen

Beitrag von caneta »

Mitnichten spricht das gegen eine Namensgravur.
Neben dem gattungsspezifischen Gebrauch der Anführungszeichen gibt es auch allgemeine Anwendungsfälle, wozu ebenfalls Lesehilfe und Betonung zählen. Außerdem setzte man vor 70-100 Jahren Gänsefüßchen gerne und anders ein, als man es heute womöglich gewohnt ist. Dass ein Fugger auf die Anfangsbuchstaben seiner 5 Vornamen verzichten kann, ist nachvollziehbar, wie ebenso der Verzicht auf Titelnennung und „Babenhausen“, was nur die Gravur im Personalisierungsfeld gezwungenermaßen verkleinert hätte.

Letztlich entschieden und entscheiden die Fugger selbst über die Verwendung ihres Namens!
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Jörg

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amarti
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Re: Spätheimkehrer - der Sicherheitsfüller des Grafen Fugger von Babenhausen

Beitrag von amarti »

Wahnsinn!

Andreas
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glucydur
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Re: Spätheimkehrer - der Sicherheitsfüller des Grafen Fugger von Babenhausen

Beitrag von glucydur »

Hmmm... Eine Hypothese, die auf der Erzählung eines unbeteiligten Dritten und einer unorthodoxen Namensgravur fußt. Und dann noch ein seltsames EBay-Angebot, das nicht ganz zur Geschichte passt... Ich denke, dass man nicht Naturwissenschaftler wie Cepassacus sein muss, um hier gewisse Zweifel anzumelden.

VG

Alexander
Gutta cavat lapidem.
caneta
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Re: Spätheimkehrer - der Sicherheitsfüller des Grafen Fugger von Babenhausen

Beitrag von caneta »

Hmm die merkwürdige Auktion irritiert mich. Das kratzt natürlich an der Weihnachtsstimmung des vermeintlich "verlorenen Sohns", der nach 70 Jahren zurückkehrt, macht die Sache noch dubioser, gibt Zweiflern ordentlich Futter.

Doch ich halte das jetzt ganz einfach und zweifelsfrei. Das bei mir vorhandene Exemplar geht eh zur Begutachtung zur Fugger-Familie, deren Angehörige, die dazu noch was sagen können und deren Gutachter. Und die entscheiden dann. Und das sind die einzigen, die das können und dürfen. Falls die Geschichte sich bewahrheitet und der Füller aus dem Besitz der Fugger stammt, so wäre das dann doch noch für sie ein HappyEnd.
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Jörg

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patta
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Re: Spätheimkehrer - der Sicherheitsfüller des Grafen Fugger von Babenhausen

Beitrag von patta »

Jörg, wie auch immer die Geschichte ausgehen wird: Sie passt zum Advent.
Sollte Fam. Fugger dieses Schreibgerät nicht haben wollen, wirst Du Spaß damit haben, da bin ich mir sicher.

Grüße, patta

Die Hälfte dessen, was man schreibt, ist schädlich, die andere Hälfte unnütz. - Friedrich Dürrenmatt
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stift
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Re: Spätheimkehrer - der Sicherheitsfüller des Grafen Fugger von Babenhausen

Beitrag von stift »

Hallo
Vor drei Wochen habe ich ein Konvolut gekauft und da war ein Tell Sicherheitsfüller dabei also Wilhelm Tell so auch Fugger.
Die hatten die witzigsten Namen und man kann sie heute auch nicht mehr zuordnen.
Harald
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greatorg
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Re: Spätheimkehrer - der Sicherheitsfüller des Grafen Fugger von Babenhausen

Beitrag von greatorg »

Gegenargumente, Zweifel, Misstrauen, Irritationen, Anführungszeichen, Hypothesen - alles völlig irrelevant.
Jörg, das ist einfach eine wunderbare Geschichte.

Gero
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stift
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Re: Spätheimkehrer - der Sicherheitsfüller des Grafen Fugger von Babenhausen

Beitrag von stift »

Hallo
Das ist keine Gravur eines Namens sondern die Bezeichnung des Füllers.
Und wer an Märchen glaubt der soll,auch etwas schönes.
Das ist ein Standard Füller wie es viele tausende gab.Die einzig Möglichkeit die da noch bleibt ist ein Werbegeschenk der Familie und das war es und mehr ist es nicht.
Es ist nicht alles Gold, was glänzt. :roll: :roll:
Gruß Harald
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Peter Stegemann
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Re: Spätheimkehrer - der Sicherheitsfüller des Grafen Fugger von Babenhausen

Beitrag von Peter Stegemann »

stift hat geschrieben:Das ist keine Gravur eines Namens sondern die Bezeichnung des Füllers.
Dafuer spricht meiner Meinung nach auch, dass es keine Gravur, sondern eine Heisspraegung ist.
Die grössten Kritiker der Elche, sind oft selber welche!
Frodo
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Re: Spätheimkehrer - der Sicherheitsfüller des Grafen Fugger von Babenhausen

Beitrag von Frodo »

war Leopold Fugger eigentlich Kriegsverbrecher?
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Tombstone
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Re: Spätheimkehrer - der Sicherheitsfüller des Grafen Fugger von Babenhausen

Beitrag von Tombstone »

Unwahrscheinlich, da er die Zeit bis 55 in russischer Kriegsgefangenschaft verbracht hat und auch danach ganz normal in Deutschland gelebt hat.

Hätte es Einfluss auf den Füller?
Ciao - Peter

Handle stets so, dass die anderen sich wundern, warum sie Dir noch keine reingehauen haben...
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