Onoto The Pen. 70 Jahre unter Wasser.

(älter als 30 Jahre)

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hotap

Onoto The Pen. 70 Jahre unter Wasser.

Beitrag von hotap »

Onoto The Pen. 70 Jahre unter Wasser.

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Im April 1917 verließ der Ozeandampfer „SS Medina“ (eine umgebaute Königliche Yacht zum Passagierschiff) mit 417 Passagieren und Besatzungsmitgliedern Sydney mit Ziel London über Bombay, Port Said und Plymouth.

Zur Ladung gehörte, neben australischen Lebensmitteln für das vom Krieg ausgehungerte England, eine wertvolle Privatsammlung von Münzen, Juwelen und Gemälden des britischen Diplomaten und Gouverneurs von Madras und Bengalen, „Sir Thomas Gibson-Carmichael“ und seiner Ehefrau „Lady Mary Gibson-Carmichael“, die, zusammen mit ihren Bediensteten, ab Bombay den Passagieren angehörten. Im ägyptischen Port Said verließen Sie die Medina und setzten die Heimreise an Bord der „HMS Sheffield“ fort. Der größte Teil ihrer ca. 80 Gepäckstücke verblieb an Bord der Medina.

Am Sonnabend, dem 28. April 1917, passierte die Medina die südenglische Küste Richtung London, nachdem sie aus ihrem letzten Zwischenhalt, Plymouth, ausgelaufen war.
Drei Meilen vor der Landzunge „Start Point“ wurde das unbewaffnete Schiff vom deutschen U-Boot UB 31 ohne Vorwarnung torpediert.

Durch die Explosion eines Torpedos im Maschinenraum kamen der vierte Ingenieur und fünf Maschinisten ums Leben. Passagiere kamen nicht zu Schaden. Alle anderen Personen an Bord hatten vor dem Untergang des Schiffs noch genug Zeit, um die Rettungsboote zu besteigen, mit denen sie sicher die Hafenstädte Dartmouth und Brixham erreichten.

In den 1970er und 1980er Jahren fanden wiederholt Bergungsaktionen mit dem Ziel statt, Kunstgegenstände und sonstige Wertsachen aus dem Wrack der Medina zu bergen. Diese Aktionen waren sehr erfolgreich, denn zu den Fundstücken zählte eine Sammlung orientalischer Gemälde, wertvolles an Parfumflakons, Porzellan aus Japan, indische Messingware, australische Edelsteine, altägyptischer Perlenschmuck, assyrische Keilschrifttafeln, Münzkatalog vom Auktionshauses Sotheby’s sowie noch lesbare Briefe vom britischen Kriegsministers „Lord Kitchener“ und vom ehemaligen Premierminister „Earl Rosebery“, die sich trocken und sicher verpackt, eingeschlossen im Meeresschlamm, gut erhalten hatten.

Auch persönliche Gegenstände der Passagiere wurden aus den Laderäumen geborgen.
In manchen Koffern befanden sich Kleidungsstücke, die nach 70 Jahren auf dem Meeresboden immer noch trocken waren.
Bei einer Bergung wurde auch der persönliche Füllfederhalter von Sir Th. Carmichael – ein Onoto Plunger Filler geborgen.

Die meisten Fundstücke wurden viele Jahre später bei Auktionen versteigert. Darunter auch Sir Carmichaels Onoto.
In einer dieser Auktionen erwarb die Direktion der neuen Firma „The Onoto Pen Company Limited“ Sir Carmichaels Onoto Füllfederhalter für ihre Unternehmenssammlung. Der Füllfederhalter befand sich äußerlich in einem guten, gebrauchten Zustand mit kleineren Kratzern u. ä., die allerdings vom jahrelangen Gebrauch stammten.

Die Direktion übergab den Füller nun „Laurence Oldfield“ einem bekannten Füllerdoktor zur Begutachtung und eventueller Restauration.

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Nach einigen Tagen dann der freudige Befund: Der Onoto befand sich in einem ausgezeichneten Zustand, die ca. 70 Jahre unter Wasser hatten ihm fast nichts ausgemacht. Sogar die 14Ct. Feder hatte kaum Schaden genommen. Lediglich Dichtungen, Kolben und Kolbenstange (oder auch Pumpstange) mussten wegen Korrosion erneuert werden. Natürlich mit original Ersatzteilen aus Spenderfüllern.

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Nach Zusammenbau und Politur wurde der Onoto gefüllt und erste Worte damit geschrieben.
Und nach ca. 90 Jahren „des nicht Schreibens“ floss die Tinte wieder glatt und gleichmäßig aufs Papier, so als ob nichts passiert wäre.

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Nun wieder völlig hergestellt, wird der Onoto Füllfederhalter regelmäßig durch die Direktion benutzt.

Viele Grüße
Günter

Mit freundlicher Genehmigung:
© The Onoto Pen Company 2009 http://www.onoto.com.

Der Originalartikel ist mit dem Titel
„Sent to the ocean bed by a WW1 U-boat in 1917 – this Onoto fountain pen still writes perfectly after 70 years underwater! „ auf der Onoto-Webseite zu finden.

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Funktion - Onoto Patent Self Filling Pen.
Für alle, die sich unter diesem Füller nichts vorstellen können, hier eine kleine Beschreibung.
Dieser Füller, produziert ab 1905, ist ein Selbstfüller oder auch Stoßstangenfüller genannt. Die Füllung erfolgt dadurch, dass der obere Drehknopf am Korpus gelöst und nun mit der Kolbenstange herausgezogen wird. Die Feder wird nun komplett in die Tinte eingetaucht und die Kolbenstange mit einem zügigen Schub wieder hineingedrückt. Hierdurch bildet sich hinter der innenliegenden Gummidichtung ein Vakuum. Im unteren Teil berührt die Dichtung nicht mehr die Schaftwand (ich habe da zwar nicht hineingeschaut, aber es mir so erklären lassen) und durch diesen Druckunterschied wird dann die Tinte hineingezogen.
Wird der Drehknopf nun wieder fest arretiert, so liegt der Konus der Kolbenstange direkt passend auf dem Zuführer des Tintenleiters. Damit ist dieser Füller auslaufsicher.
Will man schreiben, dreht man den Drehkopf etwas auf und nun fließt die Tinte in den Tintenleiter. (Ähnliches gibt es heutzutage bei Visconti Italien und z. B. Pilot mit dem Custom 823)
Der Füller bestand aus Hartgummi und wurde so bis fast Ende der 1920er hergestellt. Danach gab es ihn aus Zelluloid.

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hotap

Re: Onoto The Pen. 70 Jahre unter Wasser.

Beitrag von hotap »

Liebe Freundinnen,
liebe Freunde,

nicht dass ich mich jetzt für obigen Artikel rechtfertigen möchte, aber trotzdem noch einige Anmerkungen von mir.

Ich denke mal, dass ich nicht der Einzige bin, der sich noch etwas „um das Drumherum“ der Schreibgeräte interessiert. Dies zeigte mir u. a. die Antworten auf Frodos Artikel über damalige Geschäfts- bzw. Rechnungsbriefköpfe von Schreibgeräteherstellern. Schade, dass dies wohl vorbei ist.

Mich selbst interessieren auch - nicht alltägliche Geschichten über und von Schreibgeräten. Und wenn es dann noch Geschichten von einem meiner Lieblingsproduzenten, nämlich „Thomas De La Rue“ sind, umso besser. Und dann habe ich, unter meinen mehr als 1 Dutzend De La Rue Schreibgeräten, auch noch einen identischen Füller aus gleicher Produktion. Allerdings habe ich den äußerlich etwas versaut und auch schon Schimpfe dafür bekommen…aber das ist eine andere Geschichte…

Kurze Anmerkung:
Seit 1987 sind die Kanalinseln unsere Lieblingsinseln überhaupt und wir haben viele schöne Urlaube dort verbracht. So wird auch von mir (uns) einiges an Artikeln gesammelt, die mit den Kanalinseln zu tun haben. Und dazu auch Thomas De La Rue.
Thomas De La Rue geboren 1793 auf der zweitgrößten Kanalinsel, Guernsey, siedelte in jungen Jahren nach London um. Hier gründete er das, auch heute noch existierende, Firmenimperium „De La Rue“, die später auch hochwertige Schreibgeräte herstellten. Leider wurde die Schreibgeräteproduktion Ende der 1950er Jahre eingestellt.
So, genug der Historie und Liebeserklärungen.

Als ich den Artikel über den versunkenen Onoto auf der Webseite der neuen „Onoto-Firma“ gesehen und einigermaßen verstanden hatte – da ich des englischen ja nicht mächtig bin – wollte ich zuerst hierauf mit einem entsprechenden Link hier im Forum hinweisen.
Aber dann hatte ich gedacht und überlegt, dass wahrscheinlich ich hier nicht als Einziger unterwegs bin, der der englischen Sprache nicht mächtig ist. Also habe ich mit Monikas Hilfe den Artikel in einer verkürzten Version übersetzt.
Mutig habe ich dann die Firma „The Onoto Pen Company“ angeschrieben und angefragt, ob ich diesen deutschen Text mit eventuell originalen Fotos veröffentlichen darf.
Nun, es konnten dann nur drei Entscheidungen kommen.
Die Firma meldet sich nicht.
Die Firma entscheidet sich negativ.
Die Firma entscheidet sich positiv.
Glücklicherweise war letzteres der Fall.

Ach ja, bevor eventuelle Überlegungen auftreten sollten. Ich bin in keinster Weise mit und in der Firma The Onoto Pen Company involviert und bekomme für obigen Artikel auch keine Gratifikationen o. ä.. Ist eben reiner Idealismus von mir…

Abschließend hoffe ich, dass ihr vielleicht selber irgendwelche schöne Füllergeschichten kennt oder selbst erlebt habt und diese vielleicht hier im Forum veröffentlicht?

Oder ist so etwas allgemein uninteressant?

Viele Grüße
Günter
G_Paesold
Beiträge: 122
Registriert: 03.01.2009 2:24
Wohnort: Schweiz

Re: Onoto The Pen. 70 Jahre unter Wasser.

Beitrag von G_Paesold »

Hallo Günter

Ist auf keinen Fall uninteressant, eher das Gegenteil! Danke vielmals für den ausgezeichneten Artikel. Ich bin selbst ein Fan von Geschichten, die sich hinter FHs verbergen. Deshalb frage ich auch (wenn ich von privat kaufe) immer nach, ob die Geschichte hinter dem FH bekannt ist. Oft ergeben sich da nette kleine Geschichten, wenn auch nicht so spektakulär wie die von dir erzählte Geschichte...

Besten Dank und ebensolche Grüsse
Günther
Thomas Baier
Beiträge: 1941
Registriert: 17.10.2003 19:27
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Re: Onoto The Pen. 70 Jahre unter Wasser.

Beitrag von Thomas Baier »

Vielen Dank, Günter, für den bemerkenswerten Bericht. Hat mir sehr gefallen.

Viele Grüße
Thomas
Frodo
Beiträge: 775
Registriert: 16.10.2005 0:31

Re: Onoto The Pen. 70 Jahre unter Wasser.

Beitrag von Frodo »

Hallo Günter
Selbstverständlich ist die Geschichte lesenswert! Vielen Dank für die Übersetzung und dazu braucht es überhaupt keine nachträgliche Erklärung. Dass die Gemeinde der Füllerfreunde, die eine schriftlich verfasste Reaktion auf einen derartigen Bericht abgeben, recht klein ist sagt doch garnichts über die vielen freudig Staunenden, denen nichts dazu einfällt, aus :wink: :wink: .
Was die Geschichte für mich, als ewiger Nörgler und oft böser Kritiker, besonders interessant macht, ist die Suche danach, in wieweit die Geschichte tatsächlich glaubhaft ist. Die Überreste eines Hartgummifüllers, der 70 Jahre im Salzwasser gelegen war, hätte sich in seiner Konsistenz wohl kaummehr vom Schlamm der Nordsee unterscheiden lassen, wenn man annimmt, dass das Material nicht sehr wasserfreundlich ist. Der abgebildete unrestaurierte Zustand verwundert also außerordentlich. Dass nach so langer Zeit Inhalte von Koffern aus einer U- Boot gängigen Tiefe trocken geborgen worden sein sollen spräche allenfalls für die Qualität der Koffer.
Den Engländern wird ja immer wieder das auch in den deutschen Sprachgebrauch übergegangene "Understatement" zugeschrieben, doch dass eine Person vom Stande des Gouverneurs von Madras und Bengalen einen derart gewöhnlichen Füllhalter besessen haben soll, würde ich ebenfalls für äußerst unwahrscheinlich halten. Es ist keine Namensgravur vorhanden und es gibt nur eine Echt- und Zugehörigkeitserklärung des verkaufenden ebay- Händlers, der nach eigenen Angaben Marinehistorica vertreibt. (was hätte er auch gegenteiliges erklären sollen?). Diese Erklärung reichte dem Käufer als Zertifikat aus, doch neben dem St. Michaelsorden und dem altägyptischen Perlenschmuck wäre der Füller im Schlamm der Nordsee doch ziemlich abgestunken.
Seit dem buchstäblichen Auftauchen des Füllers sind auch einige Jahrzehnte vergangen und der Stift könnte bereits, unter kaskadenartiger Erhöhung des Verkaufspreises durch viele Hände gegangen sein. Ich kann mich an den angeblichen Füller der Romanows erinnern, der bei penbid von einem bulgarischen Händler für einen ganz ordentlichen Preis verkauft wurde. Und das gleich drei Mal hintereinander. Nach meiner Ansicht wäre auch hier das Material, aus dem der Stift gefertigt worden war, im Zarenpalast allenfalls als Tapetenleiste durchgegangen.
Ich finde es ist für die Traditionsfirmen ein absolutes "muß", die eigene Geschichte zu erforschen, in diesem Fall sollte Onoto den Ball aber etwas flacher durchs Wembley- Stadion schießen.....
:wink: :wink:
Gruß, Frodos fröhliche Füllerrunde
hotap

Re: Onoto The Pen. 70 Jahre unter Wasser.

Beitrag von hotap »

Für eure netten, lobenden Worte erstmal ein großes DANKE von mir. :lol:

Lieber Frodo, das kann ich ja gar nicht nachvollziehen, was du u. a.
Frodo hat geschrieben: als ewiger Nörgler und oft böser Kritiker
hier oben geschrieben hast. Bist du doch genauso ein lieber Kerl „alswie“ ich. :wink:
So, Schleimerei und Spass beiseite.

Ja, ich hatte mir auch so meine Gedanken gemacht, ob es nicht allzu blauäugig ist/war, einfach zu behaupten, dass es sich bei diesem Onoto genau um das persönliche Eigentum des Herrn Gouverneurs von Madras und Bengalen handelt. Nen Echtheitszertifikat kann schließlich jeder schreiben/nachmachen, wie er will.
Da es im original Artikel ja ungefähr heißt, dass Sir C. sein geliebter Füller mit in den Fluten versank, kann ich mir nicht vorstellen, dass er seinen geliebten Füller aus der Hand gibt und mit anderen Sachen alleine weiterreisen lässt.
Würde ich jedenfalls mit meinem geliebten Füller nicht so machen.
Aber gut, für mich zählt diese Geschichte genauso zu einer "LegendenBildung", wie Füller die Jahrzehnte später auf einem Kriegsschlachtfeld gefunden werden und sofort an- und weiterschreiben oder wie die MB-Gründer bei einem Ausflug an die Nord- oder Ostsee am Strand sitzen und durch ihre hinterlassenen Abdrücke des Allerwertesten im Sand auf die Idee mit dem Stern kamen und, und, und.
Aber das sind so die Geschichten, die ich nicht nur um die Füllerei so liebe. Nix genaues weiß man, wird aber trotzdem weiter überliefert.

Nun, ich kenne mich in der Zeit um 1917 nicht so gut aus und weiß auch nicht, wie die Beschaffenheit damaliger Reisekoffer war. Die waren aber bestimmt nicht mit unseren heutigen leichten Reisekoffern zu vergleichen.
Jedenfalls steht bei Wikipedia im Bericht über die SS Medina zwar nix über Sir. C. sein Onoto. Aber dass manche Kleidungstücke bei der Bergung trocken waren, ist dort nachzulesen.
Allerdings gilt hier für mich, auch bei Wikipedia, der Ausspruch „Niemand ist vollkommen“ von Osgood Fielding III. im Film „Manche mögen’s heiß.

Viele Grüße
Günter
Rene
Beiträge: 375
Registriert: 28.02.2009 19:23
Wohnort: Hettstedt

Re: Onoto The Pen. 70 Jahre unter Wasser.

Beitrag von Rene »

Hallo,

es ist schon erstaunlich, wie dieser Onoto zur Diskussion hier anregt :D

Es wurde geschrieben:
Ja, ich hatte mir auch so meine Gedanken gemacht, ob es nicht allzu blauäugig ist/war, einfach zu behaupten, dass es sich bei diesem Onoto genau um das persönliche Eigentum des Herrn Gouverneurs von Madras und Bengalen handelt. Nen Echtheitszertifikat kann schließlich jeder schreiben/nachmachen, wie er will.
Mir stellt sich die Frage: wie kommt jemand an diesen FH überhaupt heran? Ich kann kaum glauben, dass unter großem Aufwand gehobene Stücke "einfach mal so" weiter verkauft werden. Wie dem auch sei ... ABER wäre es denn rein theoretisch möglich, einen Füller 70 Jahre dem Salzwasser auszusetzen um mit ihm dann noch schreiben zu können? Ich denke das könnte theoretisch funktionieren, denn der Sauerstoffanteil im Wasser nimmt mit wachsender Tiefe ab, es ist dort sehr kalt und es bildet sich kein Besatz auf dem Stück - sofern er auch noch in einem Behältnis liegt? Der benannte FH soll ja in einem dichten Koffer gelegen haben. Die Bilder der gesunkenen Titanic haben ja auch Erstaunliches gezeigt: Teller sahen wie neu aus und persönliche Gegenstände etc. waren teils sehr gut erhalten.
Jetzt bin ich kein Chemiker, aber wenn ein Füller im anaeroben Bereich liegt, in völliger Dunkelheit und Kälte - das Salz dürfte doch dann dem FH nicht viel anhaben können? Ohne Sauerstoff oxidiert auch nichts. Oder?
Aber, das war nur eine These die eigentlich hier nicht hingehört, für mich dennoch interessant erscheint.

Viel Spaß auch weiterhin!!

René
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