Orthos Artus

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Frodo
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Orthos Artus

Beitrag von Frodo » 24.09.2021 7:01

Hi Füllerfreunde......wo gehts denn hier zum Pe___Hub?
Ich hatte da mal ein bischen was vorbereitet aber bei der Durchsicht des letzten, Hupps, ist mir aufgefallen, dass es nur Pelikane zur Ansicht gab. Das ist bei mir leider nur eine Nebensorte, die stiefmütterlich im Schuhkarton lagert. Weil gerade die Frage zu Artus - Orthos- Lamy aufgekommen ist wollte ich mal was dazu schreiben und auch was zu den geschichtlichen Hintergründen und den handelnden Personen. Vielleicht ist das bei den "Alten Schreibgeräten" einigermaßen gut aufgehoben.
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Zwei Gesichter einer Firma. Frühe Lamys

Carl Josef Lamy wurde 1898 In Furtwangen im Schwarzwald geboren. Der französische Name weist auf die Auswanderungen der Hugenotten hin, die zwischen 1685 und 1690 Frankreich wegen ihres evangelisch reformierten Glaubens verlassen mussten und sich häufig im liberalen Baden ansiedelten. Die Familie konvertierte aber im Laufe der Jahrhunderte irgendwann zur katholischen Konfession.
C.J. Lamy wuchs wohl als Sohn eines Lehrers an der Uhrmacherschule in der Tradition des ortstypischen Feinmechanikergewerbes auf, wanderte aber nach dem 1. Weltkrieg nach Amerika aus, die Gründe oder Zwänge dazu sind bisher nicht bekannt. In den USA wurden die Neuankömmlinge aus dem Land des ehemaligen Kriegsgegners mit Argwohn betrachtet. Lamy hatte dort beim Schreibgerätehersteller Parker gearbeitet, der in Deutschland ein kontinentales Standbein suchte. Die Amerikaner hatten gute Erfahrungen mit Muttersprachlern als Manager im Ausland gemacht und so sollte Lamy eine Geschäftsführung übernehmen.

In Dossenheim, einem kleinen Ort nördlich von Heidelberg wurde mit der OSMIA 1927 ein joint venture Abkommen geschlossen, welches aber kurze Zeit später vollständig in "Parker AG" umfirmierte. Die Geschäfte in Deutschland liefen für Parker allerdings nicht besonders gut, trotz eines enorm kostspieligen Werbeaufwands und einer Rationalisierung und Straffung des Betriebs mit neuen Maschinen. Der Kaufkraftunterschied zwischen dem Dollar und der Reichsmark, die hohen Preise des Parker Duofolds, seine ungewöhnlichen Farben und die rigiden Federn ergaben nicht den erwarteten Gewinn. Zudem hatte man, so Kenneth Parker in seinen Lebenserinnerungen, immer wieder Schwierigkeiten mit dem deutschen Management. 1930 wurde, nachdem sich der Verlust zu einer Höhe von fast einer Million Reichsmark addiert hatte, der Vertrag mit der OSMIA gelöst. In Berlin wurde eine Verkaufsstelle für Parker Produkte unter dem Geschäftsführer Zoccola eingerichtet. Lamy selbst blieb in Heidelberg und begann eine eigene Schreibgeräteproduktion mit nur einem Mitarbeiter in einer Garage in der Schulzengasse. Ob sein Austritt bei Parker freiwillig war, ist nicht bekannt.

Die Schreibgeräte der neuen Firma ORTHOS (=aufrcht, gerade) glichen den Modellen des ehemaligen Arbeitgebers, doch wurde die Mode der flachen Kappenköpfe, der Kugelclips und der wunderschönen Farben von vielen Herstellern nachgeahmt. Gegen die Badische Federhalterfabrik Knust, Grube & Woringen in Wiesloch, die 1930 den Namen KAWECO gekauft hatten, strengte Parker auch ein Gerichtsverfahren wegen Markenähnlichkeit oder Verletzung eines Gebrauchsmusterschutzes an.
Der technische Aufbau der amerikanischen Füllmethode mit Klick- Mechanik und Tintensack war erheblich einfacher herzustellen als die der bisher in Deutschland beliebten Sicherheitsfüllfederhalter. Es gab keine beweglichen Teile und kaum Dichtungen. Die Füllmechanik des neu erfundenen sogenannten "Pelikan- Halters" war aber noch ungewohnt, sollte sich aber im Laufe der 30er Jahre etablieren. In der Gestaltung der äußeren Form war man bei Orthos dann aber ziemlich unabhängig und so entstanden sehr ansprechende moderne Formen, die man später als "Design" bezeichnet hätte. Firmen, die Celluloid- Stäbe und -Röhren lieferten, gab es zunehmend in der näheren Umgebung,wie zB die BEGANIE in Nieder-Ramstadt (Hessischer Odenwald), Werke in Pfungstadt und Speyer oder die "Rheinische Gummiwaren und Celluloidfabrik" "Schildkröt" in Mannheim- Neckarau.

C.J. Lamy war sicher klar, dass er als winzige und unbekannte Firma wenig Chancen gegenüber den in Schreibwarengeschäften etablierten Marken hatte. Er begann mit einem System der Direktvermarktung in dem eine Zeitschriftenwerbung mit einem Bestellzettel und portofreier postalischer Nachnahme kombiniert war. Jeder Füller würde bei Nichtgefallen problemlos retourniert und könnte dadurch konkurrenzlos billig abgegeben werden. Bereits nach 3 Monaten erhielt Lamy eine Strafanzeige des "Reichsbundes der Papier- und Schreibwarenhändler", einem seit längerer Zeit existierendem Kartell, welches rigoros Preisunter-bietungen und, nach deren Dafürhalten "unlauteren Verkaufsbedingungen" zu unterbinden versuchte. Aber es gab keine rechtliche Grundlage für ein Vorgehen gegen Lamy. Zu diesen inneren Unruhen der Branche gesellte sich die schlechte Wirtschaftslage in den frühen 30er Jahren als die Weltwirtschaftskrise mit einiger Verzögerung über den großen teich schwappte. 1932 galt als das schlechteste Absatzjahr, wohl nicht nur für Schreibgeräte.

Eine Handelsfirma für Schreibgeräte war die ARTUS Füllhaltergesellschaft in Heidelberg, die seit 1935 nachzuweisen ist. Es handelte sich um einen eigenständigen Betrieb, der von Paul Kaufmann eröffnet wurde, es ist aber sicher, dass sich Kaufmann und Lamy als Zweckgemeinschaft zusammenschlossen. Paul Kaufmann hatte selbst keine eigene Produktion, war aber akademisch gebildeter Diplom- Kaufmann. Beide bezogen neue Betriebsräume als Mieter im alten Kaweco Gebäude und später in der Heidelberger Bahnhofstraße, dabei hatte beide Firmen auch die gleiche Telefonnummer. Es ist möglich, dass die formale rechtliche Trennung ihren Grund in der feindlichen Einstellung des "Reichsbundes" hatte denn dieser hatte sicher die Möglichkeiten Druck auf Lamys Zulieferer auszuüben. Lamy machte sich aber weiter unabhängig mit der sehr frühen Einführung der Spritzgusstechnik. Bereits 1938 hatte er in Jena eine Maschine gekauft. Die Konkurrenz blickte argwöhnisch auf die neuen Produktionsmethoden. Es hatte ein stillschweigendes Abkommen unter den Herstellern gegeben, diese Technik nicht einzuführen. Man wollte sich die handwerkliche "Deutsche Wertarbeit" nicht durch unausgereifte Technik mit unschönen Nähten an den Schließkanten der Spritzgusswerkzeuge oder quietschende Gewinde verderben. Man befürchtete auch Unruhen und Streiks in der Arbeiterschaft, deren Werkbänke von Maschinen hätten ersetzt werden können. Doch auch hier setzte sich Lamy durch - und wieder zwischen alle Stühle.

Orthos und Artus traten nicht in gemeinsamen Werbeanzeigen und Schreibgeräte-imprints auf. Letzteres hätte auch wegen der Wortähnlichkeit keinen guten Klang gehabt. Auch nach dem Ausstieg Kaufmanns behielt Lamy den gut eingeführten Markennamen Artus. Bei der Durchsicht meiner Zeitungswerbungen ist mir aufgefallen, dass es auch nur wenige Orthos Werbeblätter gab, und diese auch nur in den frühen Lamy- Jahren veröffentlicht wurden. Die Artus Werbung enthielt aber nie den Namen Lamy. Sicher hatte der Reichsbund noch weitere unsaubere Tricks in der Hinterhand, mit denen er versuchte, die, im Gegensatz zu heute, ungewöhnlichen Verkäufe zu stören.
Nach dem 2. Weltkrieg musste die Firma erneut auf Vordermann gebracht werden. Die Spritzgussmaschinen waren völlig verschlissen, weil sie für kriegswichtige Nebenartikel ohne die notwendigen Wartungsarbeiten ständig am Laufen waren. Jegliche Weigerung der requirierten Beriebe gegen Albert Speers Kriegswirtschaft konnte sehr schnell als Sabotage oder Hochverrat geahndet werden. In vielen Betrieben arbeiteten die Angestellten nach Kriegsende zunächst ohne Lohn, was einen völligen Zusammenbruch vieler Betriebe verhinderte.
Der Firmenname Orthos verschwand 1949 und wurde durch den Eigennamen C.J. LAMY ersetzt. Seit den frühen 50er Jahren gab es den LAMY 27, der wiederum ein amerikanisches Vorbild hatte und daneben ARTUS- Ballit, -Favorit und -Record. Es waren wohl alles Bestseller denn die ersten eigenen Werksgebäude, die seit 1957 in Heidelberg- Wieblingen bezogen wurden, konnten alle ohne Kredite erbaut werden. C.J. Lamy, ein harter Kämpfer aus dem Schwarzwald, hatte sich auf den Weg an die Weltspitze gemacht.
Thomas Neureither
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Frodo
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Re: Orthos Artus

Beitrag von Frodo » 24.09.2021 7:05

Artus
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Will
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Re: Orthos Artus

Beitrag von Will » 24.09.2021 7:39

Lieber Thomas,

die Belege mit alten Werbeanzeigen und ganz wunderbaren Füllhaltern sind einfach fantastisch. Artus ist nicht gleich Lamy/Orthos und dann wohl doch aus der gleichen Produktion. Sehr spannend, da Lamy mit seiner eigenen Geschichtsschreibung ja so seine Probleme hat. Ich glaube zwar nicht, dass die hier mitlesen, aber der ein oder andere könnte hier noch etwas über seinen Laden erfahren, was er oder sie womöglich nicht wusste.

Wir hatten in letzter Zeit die Frage nach Qualität und Expertise. Für mich ist das hier auf Neudeutsch high end und wieder ein Beitrag, der unserem Wiki mehr als würdig ist. Ich danke Dir aus tiefster Seele dafür.

Liebe Grüße ins baldige Wochenende

Gerd
Blauer Hautausschlag, erhöhte Temperatur, Bewusstseinstrübungen - oh Gott, das muss Flexfieber sein!

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Zollinger
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Re: Orthos Artus

Beitrag von Zollinger » 24.09.2021 8:13

Lieber Thomas

herzlichen Dank, dass Du Dir die Mühe gemacht hast uns mit Deinem Wissen zu verwöhnen. Das sind tolle und wertvolle Informationen und ich denke dass es dieser Faden wert wäre, im LAMY Unterforum gleich zuoberts angepinnt zu werden. Ich werde das anregen.

Wenn Du es mir erlauben würdest, könnte ich einige weitere Fotos von Belegexemplaren zur Verfügung stellen. Lass mich einfach wissen falls dies erwünscht sein sollte.

Nochmals: Danke!

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Re: Orthos Artus

Beitrag von Pen-Tagon » 24.09.2021 8:17

Für jeden der sich für Unternehmenshistorien interessiert absolut lesenswert, auch wenn er kein Lamyfan ist. Das liest sich wie ein Abenteuerroman. Und ja, sowas sollte dauerhaft im direkten Zugriff festgehalten werden.

Sehr interessant finde ich den Orthos Zweischreiber. Ziemlich Innovativ, auch wenn ich nicht weiß, ob Lamy als erster auf die Idee kam. Zumindest findet sich das Konzept auch heute noch z.B. im Waldmann Two-in-One wieder.
Gruß
Knut

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Re: Orthos Artus

Beitrag von HeKe2 » 24.09.2021 10:59

Hallo Thomas,

das nenne ich mal eine ausführliche Antwort auf meine in einem anderen Faden gestellte Frage. Ganz herzlichen Dank dafür. Die Gechichte ist auch ein Beispiel dafür, wie der Wandel in der (modernen) Welt funktioniert und warum man, wenn man erst einmal etabliert ist, sich mit der Anpassung schwer tut. Ich habe alles mit Interesse gelesen. Für mich sind derartige Berichte zur Geschichte verschiedener Hersteller auch wohl ein eigenens Unterforum wert. Ich fände es schön, wenn es sowas auch noch für einige der anderen Firmen gäbe.

Nochmals vielen Dank
Hermann
Beste Grüße
Hermann

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MarkIV
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Re: Orthos Artus

Beitrag von MarkIV » 24.09.2021 11:07

Sehr schön, direkt ein Beitrag der ein Abonnement verdient hat. Die Geschichte hatte ich zwar so schon gehört (und nicht vergessen), aber schön, dass man sie so auch noch einmal nachlesen kann.

Vielen lieben Dank!

M
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Hildegard Maria Rauchfuß


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Wenn ich offiziell schreibe, dann in Grün

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vanni52
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Re: Orthos Artus

Beitrag von vanni52 » 24.09.2021 12:14

Frodo hat geschrieben:
24.09.2021 7:01
Firmen, die Celluloid- Stäbe und -Röhren lieferten, gab es zunehmend in der näheren Umgebung,wie zB die BEGANIE in Nieder-Ramstadt (Hessischer Odenwald), Werke in Pfungstadt und Speyer oder die "Rheinische Gummiwaren und Celluloidfabrik" "Schildkröt" in Mannheim- Neckarau.
Hallo Thomas,

lieben Dank für Deinen spannenden und sehr informativen Beitrag zur Firmengeschichte sowie zur Familiengeschichte Lamy.

Zur Celluloidproduktion hätte ich die Frage, inwieweit bekannt ist, ob und von welchen deutschen Herstellern Material nach Italien exportiert wurde. Andeutungen hierzu hatte ich vor einiger Zeit, u.a. aus dem Blickwinkel des Herstellers OMAS, gelesen.(kann mich leider nicht mehr an die Quelle erinnern).
Darüberhinaus fällt die Ähnlichkeit des Celluloidmaterials bei einigen von Dir gezeigten Modellen mit dem von italienischen Füllern auf.
LG
Heinrich

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Wurmbunt
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Re: Orthos Artus

Beitrag von Wurmbunt » 26.09.2021 21:03

Hallo Thomas,
auch von meiner Seite ein herzliches Dankeschön für diesen wertvollen Beitrag!
Grüße Andi

ostfüller
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Re: Orthos Artus

Beitrag von ostfüller » 26.09.2021 21:08

Hallo Thomas,

ganz herzlichen Dank für Deinen erhellenden Beitrag.

Viele Grüße
Marco

Frodo
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Re: Orthos Artus

Beitrag von Frodo » 27.09.2021 10:54

Vielen Dank für die Rückmeldungen, hier zunächst mal was zu den Anmerkungen und Fragen:
@Zollinger: Natürlich kannst Du weitere Zugaben zu dem Faden geben, wir sind ja hier ein Forum und auch mein eigener Beitrag könnte noch einige Zeit im Fluss bleiben. Ich dachte aber nicht, dass man das oben am Themenblock anpinnen sollte, so wichtig ist er für das heutige penex nicht mehr und die kleine Sammlergemeinde für historische Füller wird ihn auch mal aus der Tiefe wieder herausfischen. Meine Fotos sind auch etwas schnell hingerotzt, ich müsste mal einen Kurs bei Dir machen und dann die Bilder ersetzen.
@Pen-Tagon: Für den Zweischreiber hatte Lamy sein erstes Patent erhalten. Ich glaube aber nicht,dass er die prinzipielle Funktion des Combos erfunden hat, da gibt es ältere Belegstücke.Aber man konnte durch geringfügige Verbesserungen ein Patent erhalten, welches dann frühere Patentansprüche überkompensierte.
Schreibgeräte mit spitzem Kopf finde ich übrigens nicht unproblematisch da die Spitze in Richtung des Gesichts zeigt. ((Warnhinweis!!!: <Die folgenden Zeilen sind für sensible Leser nicht geeignet> Mir ist ein Fall bekannt, bei dem ein Schüler seinen Bleistift an beiden Enden angespitzt hatte. An nichts Böses denkend kaute er an dem einen Ende darauf herum und bekam einen "freundschaftlichen" Klapps eines Freundes auf den Hinterkopf. Der Schüler kippte in metastabiler Lage nach vorn und rammte sich dabei den Stift in den Rachen haarscharf an der Wirbelsäule vorbei)) Geschichte Ende....hier weiterlesen.
@HeKe2: ...." Die Gechichte ist auch ein Beispiel dafür, wie der Wandel in der (modernen) Welt funktioniert".... Vielen Dank für diesen Satz. Mich wundert und erfreut es immer wieder, dass Geschichte mit Hilfe von kleinen Gegenständen erzählt werden kann und viel weniger mit Königshäusern und Schlachten zu tun hat, wie man es mir im Geschichtsunterricht eintrichtern wollte.
@vanni52: Es ist schwierig Rohware und Halbzeug bestimmten Herstellern zuzuordnen. Man kann aber mit einiger Sicherheit sagen, dass in historischen vorkriegs-Füllhalter- Zeiten eine "Produktion der kurzen Wege" verfolgt wurde. Die Heidelberger "Reform- Werke" z.B. verlegten ihren Sitz nach Nieder-Ramstadt im Hessischen Odenwald. Die Infrastruktur dort war sicher nicht einfacher aber die Rohware wurde direkt vor der Tür produziert. Eine ganze Reihe von Mitarbeitern folgte ihrem Betrieb aber in den Mittelgebirgen hatte es immer treffliche Drechsler, Mechaniker und Heimarbeiter gegeben. Auf dem Flohmarkt habe ich auch mal einen Pack Celluloid gekauft, der sicher aus Ober- Ramstadt stammte. Das sind aber Zufälle einer sicheren Zuordnung und eine Systematik steckt nicht in dieser Analysemethode. Es ist auch möglich Aus Geschäftsbriefen und rechnungen einen Zulieferer zu ermitteln.
Es gibt auch bestimmte Celluloid- Designs, die gehäuft bei bestimmten Firmen verwendet worden sind. ZB: wurde von Heinrich Hebborn & Co "Luxor" ein bunt gestricheltes, teilweise transparentes Material verwendet,welches in Amerika als "candy- stripe" bezeichnet wird. Füllhalter der Marke "Big Ben" , die aus diesem recht seltenen und sicher auch teueren Material hergestellt wurden verorte ich deshalb bei Hebborn und nicht bei einem Dänischen Hersteller (auch deshalb,weil der Clip baugleich ist), wenn ich auch nicht weiss, wer die Rohware hergestellt hat. Auch Conway Stewart hat unter vielen Anderen Materialien Stäbe verwendet,die mit Rosen bedruckt oder beklebt waren, ein ziemlich einmaliges Design. Diese Rohware hatte ich aber überraschenderweise bei Mercedes- Schreibgeräte in Heidelberg gefunden. Es ist alles ein Flickenteppich.
Die Globalisierung hat bei den Füllhaltern doch schon etwas früher angefangen. Deutschland war als Herstellergebiet sehr beliebt und was Deine Anfrage betrifft: Manchmal war nicht nur die Rohware sondern auch der komplette Füller von hier auch wenn der mit seinem guten Namen französischen Duft, italienische Leichtigkeit des Seins, schweizer Präzision oder skandinavische Kühle verströmte.
Heute gelten die kurzen Wege allerdings nicht mehr.
Fruss F.

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Re: Orthos Artus

Beitrag von Zollinger » 27.09.2021 11:43

Lieber Frodo

Vielen Dank. Gerne steuere ich also mein Bildmaterial zu diesem Thema bei:

Ich habe ebenfalls eine kleine Brochure welche den Zweischreiber zeigt. Meine ist vermutlich neueren Datums, da auf der Rückseite bereits das befüllen mittels Kolbenmechanismus beschrieben wird:

BildArtus by C.M.Z, auf Flickr

Ähnliche Füller wie die abgebildeten hatte ich auch schon:

BildArtus Special_1 by C.M.Z, auf Flickr

bei diesem steht auf dem Schaft noch ARTUS, aber au dem Klipp und der Feder bereits LAMY:

BildLamy Artus_1 by C.M.Z, auf Flickr

BildLamy Artus_2 by C.M.Z, auf Flickr

und einen Orthos hatte ich auch mal . Mich erinnerte das Design stark an die "Equipoised" Modelle von Wahl-Eversahrp:

BildOrthos by C.M.Z, auf Flickr

Von den ersten LAMY 27 habe ich Bilder von jeweils eine Anzeige und einem Set mit Bleistift:

BildLamy 27 erste Generation Werbung by C.M.Z, auf Flickr

BildLamy 27 first Generation by C.M.Z, auf Flickr

interessant finde ich hier, dass der erste 27 noch einen ganz anderen Kolben hatte, und auch das Griffstück, die Feder und der Tintenleiter ganz anders aussahen als bei den späteren Modellen:

BildLamy 27 by C.M.Z, auf Flickr

Der LAMY 27 war aber nicht der erste LAMY mit einer verdeckten Feder. Davor gab es bereits ein solches Modell um 1950:

BildLamy (pre 27 model, ca. 1950) by C.M.Z, auf Flickr

BildLamy Schriftzug by C.M.Z, auf Flickr

...welches sowohl unter dem Namen LAMY, als auch unter dem Namen Artus vermarktet wurde:

BildArtus 1950 Preisliste by C.M.Z, auf Flickr

Auch der erste LAMY 99 hatte noch eine vollverdeckte Feder und wurde ebenfalls unter dem Namen Artus vermarktet:

BildARTUS 99 Petrol by C.M.Z, auf Flickr

Alles in Allem ist das aus heutiger Sicht sehr verwirrend. Umso wertvoller ist es die Geschichte und die Umstände welche zu diesem "Durcheinander" geführt haben zu kennen. In diesem Sinne nochmals meinen Dank an Frodo!

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Re: Orthos Artus

Beitrag von Zollinger » 27.09.2021 11:56

Noch viel verwirrender ist dann die Existenz von solchen Modellen:

BildLincoln de Luxe by C.M.Z, auf Flickr

Der Lincoln de Luxe hat seeeehr grosse Ähnlichkeit mit dem LAMY 27, ausser einem ziemlich unterschiedlichen Griffstück. Der Kolben ist aber identisch mit dem der LAMY 27 der 2. Generation:

BildLincoln de Luxe Kolben by C.M.Z, auf Flickr

BildLincoln de Luxe - Lamy 27 nib by C.M.Z, auf Flickr

Die Namen LAMY oder Artus tauchen hier nirgends auf, obwohl der Füller ganz eindeutig aus diesem Hause stammt.


Aber auch dieser LAMY 47 gibt mir Rätsel auf.

BildLamy 47c Registrada by C.M.Z, auf Flickr

Offenbar handelt es sich um ein Exportmodell, das in den hiesigen Katalogen nicht geführt wurde...

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stift
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Re: Orthos Artus

Beitrag von stift » 30.09.2021 6:55

Einen großen Dank an dich,jetzt ist mir einiges verständlicher geworden.
Liebe Grüße
Harald
#Non, je ne regrette rien#

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ChronoCop
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Re: Orthos Artus

Beitrag von ChronoCop » 30.09.2021 8:00

Thomas (und Christof!) - vielen herzlichen Dank für die spannende Geschichte.
Herzlich
Brane

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