Hamburger

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Frodo
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Hamburger

Beitrag von Frodo »

Liebe Sammlerkollegen

Neben den allseits bekannten Marken aus Hamburg, Montblanc- Simplo, Nielson Merkurit und Riepe- Rotring habe ich in dieser Stadt noch folgende Produzenten aufgebracht, die ich aber bisher noch keiner Marke zuordnen konnte:

Arthur Burmester, Valentinskamp 81, Hamburg 36
Georg Illgner, Große Rainstraße 39
Adolf Christian Jackisch, Rotenbaumchaussee 7
Heinrich Möller, Zippelhaus 3
Norddeutsche Füllfederhalterfabrik, Rainstraße 39, Hamburg Altona

Die Liste stammt von 1954. Möglicherweise ist noch nicht alles wegsaniert und vielleicht noch ein Klingelschild der Nachfahren vorhanden. Vielen Dank, falls sich noch Jemand für Füllhalterhistorie interessiert.
Gruss, Frodo
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TomSch
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Re: Hamburger

Beitrag von TomSch »

Hallo Frodo,

die Altonaische Füllfederhalterfabrik hat zumindest noch bis 1957 existiert. Herr Illgner (dein zweites Zuordnungs"loch") wird bei dieser Adresse in der Großen Rainstr. 39a als Inhaber erwähnt.
https://agora.sub.uni-hamburg.de/subhh- ... =c1:622010
Die Info findet sich Mitte der linken Spalte.

Gruß aus Ostfriesland, Thomas
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TomSch
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Re: Hamburger

Beitrag von TomSch »

Hi nochmal,

Arthur Burmester ("ArBu") ist mir lediglich als Großhändler unter anderen Adressangaben 'begegnet', nicht als Produzent von Schreibgeräten. :P

Noch 'n Gruß, Thomas
Sei nicht so; sei anders.
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Pelle13
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Re: Hamburger

Beitrag von Pelle13 »

Moin Frodo,

ich weiß leider nichts über die von Dir gesuchten Produzenten, aber ich finde diese Thematik total spannend.
Da ich in Hamburg lebe, könnte ich anbieten, dass ich an den genannten Adressen vorbeischaue und versuche, vor Ort irgendwelche Spuren zu finden.

Was ich so schon sagen kann ist, dass die Adressen von "Georg Illgner" und die der "Norddeutschen Füllfederhalterfabrik" identisch sind. Es gibt in Hamburg nur eine "Große Rainstraße" und die liegt in Altona.

Liebe Grüße,
Dagmar
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Frodo
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Re: Hamburger

Beitrag von Frodo »

Hallo Dagmar und Thomas

Vielen Dank für die Mithilfe. Die Suche in digitalisierten Hamburger Adressbüchern vor 1937 ist garnicht so einfach da es Hamburg in den heutigen Stadtgrenzen noch nicht gegeben hat. Insnesondere Altona, was heute zur Kernaltstadt gehört, war noch in Preußischem, vorher auch noch Dänischem Besitz gewesen. Zusammen mit einer ganzen Reihe von weiteren Stadtteilen gab es eine Zwangsvereinigung durch ein nationalsozialistisches Gesetz. Gleichzeitig wurden alle Jüdischen Besitzungen oder Geschäftsbeteiligungen gelöscht und möglicherweise "arisiert". Dies kann durch das Verschwinden einer Geschäftsanzeige 1937 und durch einen neuen Eintrag an gleicher Stelle unter anderm Namen ab 1938 angenommen werden.
Aus Geschäftsanzeigen oder aus alter Zeitungswerbung mit Angabe der Marke können dann eben auch historische Schreibgeräte zweifelsfrei identifiziert werden und mögliche Flohmarktfunde aus Haushalts- oder Firmenauflösungen könnten zu einem seltenen Schätzchen aus örtlicher Produktion werden. Für diese Suche haben auch immer mal wieder der Standort der ehemaligen Produktionsgebäude helfen können wie z.B. die Geschichte der Firma Meißner, deren jahrelanger Diskurs hier aufgelöst werden konnte: viewtopic.php?p=26451#p26451
auch "Merkurit" in Hamburg wurde mit viel Energie eines ehemaligen penex Mitgliedes mit Adressbüchern aufgedeckt:
viewtopic.php?p=38999#p38999
die Geschichte der Umwandlung des Gebäudes der Firma ERO im Odenwald, die durch die Architektin dokumentiert worden ist:
https://www.a-thede.de/de/projekte/arch ... r_ramstadt
uns neben den Gebäuden in denen ehemals KAWECO, Hebborn- Luxor und Mutschler- Reform sowie Osmia in Dossenheim beheimatet waren habe ich aus meinem Adressregister ein weiteres Füllhalter- Fabrik-Gebäude in meiner örtlichen Umgebung ausgemacht, an dem ich eigentlich schon -zigmal achtlos vorbeigefahren bin und mit dem ich mich jetzt selbst beschäftigen werde. (Firma H. Jung in Hirschhorn am Neckar, Marke JUNITA und IRUHN, wahrscheinlich völlig unbekannt aber damit hinreichend dokumentiert.)
Jawoll, Dagmar, eine solche städtische Schnitzeljagd kann sehr spannend werden.
Vielen Dank und Gruß
Frodo
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eisbaer-kiel
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Re: Hamburger

Beitrag von eisbaer-kiel »

Hallo Frodo,
das klingt alles sehr spannend. Vielleicht ist das Hanseatische Wirtschaftsarchiv eine Anlaufstelle: https://www.ihk.de/hamburg/ueber-uns/hk ... aftsarchiv. Wenn ich hier richtig mitlese, haben Deine Recherchen schon wissenschaftliches Niveau. Alternativ könnte auch die Commerzbibliothek in der Handelskammer möglicherweise weiterhelfen.
Viele Grüße
Manfred
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Pelle13
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Re: Hamburger

Beitrag von Pelle13 »

So, die ersten beiden Adressen habe ich heute besucht. Das, was ich rausfinden konnte, poste ich in zwei Beiträgen in diesem Thread, wenn dies unpassend sein sollte, bitte ich um eine Verschiebung.

Valentinskamp 81
Arthur Burmester

Der Valentinskamp ist eine sehr alte Hamburger Straße, die damals innerhalb der Stadtmauern lag. Historisch bedingt nummerieren die Hausnummern hier anders, als es heute vorgeschrieben ist: auf der einen Straßenseite laufen die Hausnummern nämlich von 1 bis etwa 50 hoch, auf der anderen Straßenseite von etwas 50 bis etwa 100 wieder runter, so dass sich z.B. die Hausnummern 18 und 82 gegenüber liegen.
Ursprünglich standen am Valentinskamp viele schmale Häuser dicht an dicht gedrängt, wovon die meisten im Zuge mehrerer Neubauphasen abgerissen und durch größere, breitere, freistehende Häuser ersetzt wurden. Genau dies ist leider auch mit der Hausnummer 81 geschehen, so fass heute auf die Nummer 70 direkt die Nummer 88 folgt - nur getrennt von der Caffamacherreihe (Querstraße):

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Hausnummer 70

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Hausnummer 88
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Pelle13
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Re: Hamburger

Beitrag von Pelle13 »

Rothenbaumchaussee 7
Adolf Christian Jackisch

Die Rothenbaumchaussee lag außerhalb der ehemaligen Hamburger Stadtmauern und wurde erst ab dem Jahr 1860 zur attraktiven Wohnlage - nachdem die "Torsperre", also das allabendliche Schließen der Stadttore, beendet worden war.
Demzufolge sind die großen, reich verzierten "Stadtvillen" auch erst in den Jahren / Jahrzehnten nach 1860 entstanden; und viele davon sind bis heute erhalten geblieben.
Auch Hausnummer 7 ist eine dieser schönen alten Villen und stand somit garantiert schon, als Adolf Christian Jackisch seine Füllfederhalter produzierte. Heute beherbergt die Villa diverse Therapeuten, Ärzte und Rechtsanwälte, sowie - seit gut 10 Jahren - die Alster-Klinik. Hinweise auf eine Schreibgeräte-Produktion konnte ich leider nicht mehr finden.

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16921154085413.jpg (306.69 KiB) 1752 mal betrachtet
Rothenbaumchaussee 7

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Pelle13
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Re: Hamburger

Beitrag von Pelle13 »

Zippelhaus 3
Heinrich Möller

Diese Adresse findet sich direkt am Hamburger Hafen. Die Straße Zippelhaus ist sehr kurz und nur einseitig von einer wunderschönen alten Häuserzeile gesäumt. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite bildet ein Fleet die Grenze zur Hamburger Speicherstadt. Auch hier findet man demnach gerade und ungerade Hausnummern auf ein und derselben Straßenseite.
Vom Baustil her stand die gesamte Häuserzeile bereits, als Heinrich Möller Schreibgeräte produzierte - das Gebäude ganz rechts wurde z.B. im Jahr 1891 erbaut.


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Zippelhaus 1 bis 5


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Zippelhaus 3



Es finden sich 15 Klingeln seitlich der Haustür, neben denen sowohl Firmen-, als auch private Namen stehen. Der Name Möller ist nicht darunter.
Spannender ist es da schon einen Blick auf das dunkle Steinband oberhalb der Tür zu werfen. Zieht man das Bild oben etwas größer, kann man die ehemalige Beschriftung in der Mitte relativ gut entziffern: "Hof-Buchdruckerei F.W. Rademacher".
Rechts und links davon gab es ebenfalls noch Beschriftungen, die aber leider nur in Teilen und da auch nur sehr schwach erhalten sind:


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Beschriftung auf der linken Seite:
"Ver" über Kopf (vielleicht wurde dieser Stein einmal neu gesetzt) ... "lags - Gesch(äft)" ...


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Die Beschriftung auf der rechten Seite kann ich fast gar nicht entziffern - es scheint mir auf "Ans" zu enden
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Frodo
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Re: Hamburger

Beitrag von Frodo »

Hallo Pelle, vielen Dank für die schönen Bilder und die intensive Beschreibung. Auch wenn man nichts finden sollte, so hat man doch einen wirtschaftlich- historischen Erkenntnisgewinn: Obwohl in den großen Städten und besonders in den Handelsmetropolen der Bedarf an funktionstüchtigem Schreibgerät und dokumentenechter Tinte immer besonders hoch war, so waren die Produktionszentren doch eher in der Provinz. Im Hessischen Odenwald, dem früheren Landkreis Darmstadt konnte ich über 45 Betriebe ausmachen, darunter auch nennenswerte Marken wie Melbi/ Senator, Reform (1929 - 1960), oder ERO und in Heidelberg und Umgebung gab es etwa 40 Betriebe mit Kaweco, Hebborn- Luxor, Orthos/Artus/Lamy, Osmia, Hermann Böhler usw.
Nach dem 2. Weltkrieg gab es eine Welle von Neugründungen aber eben auch hier nicht in den Großstädten. Großflächige Kriegszerstörungen behinderten den Neuafbau im Westen kaum, doch bekamen Großindustrie mit Exportaussichten und Wohnbau den Vorzug. MB war schwer beschädigt, konnte sich aber zu einem Big-player entwickeln. Im Osten hemmte die Kollektivierung.
Die kleineren Hamburger Werke könnten von geringerer Bedeutung gewesen sein oder waren Großhändler. Für Burmester habe ich allerdings kurzfristig noch eine Marke finden können, die möglicherweise auch nachgeprägt wurde: "Jumbo" mit dem stilisierten Bild eines Elefanten, der einen Füller trägt.
Hier noch was für Manfred, der sich noch gemeldet hat:
Arno Jensen Hasseldieksdammerweg 9
Kieler Füllhalterzentrale GmbH Forstweg 64
Karl Pottetpost & Söhne Kantstraße 35
K & H Potthast Herzog Friedrich Straße 92
Auch in Scharbeutz ist was dabei: Benden und Wehrmann Ludwigstraße 5

Einen Markenfund aus meinen Büchern habe ich auch in der kleinen Stadt Meldorf an der Nordsee gemacht. Ich bin darüber gestolpert, weil ich mich an den Namen der Ortschaft zwischen Hamburg und Husum erinnern konnte. Der Eilzug, mit dem ich vor längerer Zeit auf der Kinderlandverschickung transportiert wurde, hatte dort kurz gehalten. Nein, die Füller hießen nicht etwa Gänseblümchen oder Strandsegge......"Goldlilie"! hieß die stolze Deern von der Waterkant. You, wer mal eine findet....
Gruss, Frodo
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Knorzenbach
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Re: Hamburger

Beitrag von Knorzenbach »

@ Frodo

Noch retten, was zu retten ist. Viel Zeit bleibt nicht mehr. Eigentlich gar keine.

@ pelle 13

Tolle Recherche Dagmar! Vielen Dank für Deinen Einsatz!

Gruß,
Tomm
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Pelle13
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Re: Hamburger

Beitrag von Pelle13 »

So, nun folgt hier noch die letzte Adresse - und ich nehme es mal gleich vorweg, auch hier haben sich leider keine Spuren von einer Schreibgeräteproduktion finden lassen. Trotzdem hat mir die Spurensuche viel Spaß gemacht und mich in ganz besondere Ecken von Hamburg geführt.
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Pelle13
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Re: Hamburger

Beitrag von Pelle13 »

Große Rainstraße 39 / 39 a
Georg Illgner
und
Norddeutsche Füllfederhalterfabrik


Die Große Rainstraße liegt in Altona, was heute der westlichste von den 7 Hamburger Bezirken ist. Gegründet wurde Altona 1537 als Fischer- und Handwerkersiedlung rund um eine Krugwirtschaft. Erst 1938 wurde Altona nach einer sehr wechselvollen Geschichte in Hamburg eingemeindet - damals hatte Altona schon weit über 200.000 Einwohner.

Das Haus in der Großen Rainstraße 39 wurde bereits 1889 erbaut, also deutlich vor der Eingemeindung Altonas. Heute beherbergt es 9 privat genutzte Wohnungen.


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Große Rainstraße 39



Geht man durch den Torbogen auf der rechten Seite des Hauses, gelangt man auf einen Innenhof mit "Hinterbebauung". Hier findet sich unter der Hausnummer 39 a ein wunderschönes altes Fabrikgebäude, was an der Hauswand mit 1910 datiert ist. Bis heute sind eine Seilwinde und die Tore im ersten und zweiten Stock erhalten, durch die Waren direkt aus und eingeladen werden konnten.
Heute befindet sich in den Räumlichkeiten die kbnk Architekten GmbH. Ich habe zwar einen der Mitarbeiter angesprochen, doch der konnte mir leider nichts zur vorherigen Nutzung sagen.


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Große Rainstraße 39 a
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