CAS-Treffen Nürnberg mit Werksbesichtigung A.W.Faber-Castell

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absia
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CAS-Treffen Nürnberg mit Werksbesichtigung A.W.Faber-Castell

Beitrag von absia » 13.04.2007 0:11

Liebe Forumsfreund(inn)en!

Hiermit will ich mich vorsätzlich auf ein Glatteis eines mir bisher relativ fremden Metiers, nämlich des der „holzgefassten Stifte“, wagen und versuchen, ein klein wenig von den Informationen, Eindrücken und Erlebnissen weiterzugeben, die ich am letzten Märzwochenende in Zirndorf (beim nordbayerischen, sprich: fränkischen CAS-Stammtisch) und in Stein bei Nürnberg (bei der Werksbesichtigung von Faber-Castell) erleben durfte.

Vorbemerkung: „Dass Bleistifte nicht aus Blei sind, weiß doch jedes Kind! Was soll ich also dort?“, ging es mir durch den Kopf, als ich das erste Mal darüber nachdachte, ob ich an der Werksführung bei Faber-Castell in Stein bei Nürnberg teilnehmen sollte. Dazu kam, dass ich als bekennender Füllerliebhaber keine gesteigerte Veranlassung sah, dieser Liebhaberei abzuschwören oder sie durch einen neuen Spleen zu verkomplizieren. Am Anfang war mir deshalb – andere dachten wohl ebenso - vor allem der Kontakt wichtig zu mir bereits bekannten CAS-Mitgliedern, unter ihnen auch Rolf Thiel („Mister Missingpen“), die ich in Zirndorf nach längerer Pause einmal wieder sehen sollte, aber auch die Hoffnung, neue kennen zu lernen. Selbst wenn wir an diesem Abend nur zu dritt gewesen wären, wäre ich schon zufrieden gewesen. Außerdem ist Faber-Castell - die Liebhaber gräflicher Füller mögen mir verzeihen - für Füllerfreaks wie mich nicht gerade die erste Füllerbaueradresse. Aber es kam alles anders als erwartet. Erstens kamen mehr Leute als erhofft und zweitens habe ich auch noch einen Grafenfüller mit heimgeschleppt. Der Franke sagt da gewöhnlich: „Erstens kommt’s anders, und zweitens wie mer denkt!“ Aber der Reihe nach!

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CAS-Mitglied Thomas Rätz greift zu!

Der Stammtisch: Wir trafen uns beim „Kleinen Griechen“ mitten in Zirndorf, weil die „Lustige Lena“ leider erst einen Tag später wiedereröffnete. Die ersten Füllerliebhaber, die mir dort buchstäblich in die Arme liefen, waren Werner Rüttinger und seine Frau, den meisten Forumsmitgliedern bestens bekannt als der Mann mit der besten Pelikanfüllerseite im Internet ( http://www.ruettinger-web.de/ ), was letztlich kein Wunder sein musste, denn er ist Bamberger, - wohnt also quasi um die Ecke. Dazu kamen CAS-Mitglieder aus Mannheim, Rolf Thiel aus Neustadt an der Weinstraße und Winfried Halbleib mit seiner Familie sowie ein weiteres Mitglied aus dem Nürnberger Raum, letzteres buchstäblich auf dem Zahnfleisch, weil es zwar krank war, aber die Truppe nicht sitzen lassen wollte.

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Der Organisator Winfried Halbleib und Thomas Rätz (im Vordergrund; jeweils mit Partnerin)

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Werner Rüttinger mit Frau (links) beim Begutachten von Visconti-Tinte und Elke Eder mit einem von Rolf Thiels (vorne rechts) Musterkoffern

Selbst der Wirt outete sich nach längerer Beobachtung aus dem Hintergrund als potentieller CASler, erzählte so manchen Schwank aus seinem reichen Uhren- und Füllersammlerleben und erstand das eine oder andere Objekt aus dem reichhaltigen Angebot, das auf den Tischen ausgebreitet war.

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Auch der Wirt wird neugierig und findet sein Schreibgerät!

Es wäre müßig zu versuchen, im Einzelnen auf den Sammlungsreichtum einzugehen, den sich die Mitglieder einander zur gegenseitigen Begutachtung und Fachsimpelei vorlegten. Viel wichtiger ist, dass an diesem Abend die Möglichkeit bestand, Stücke in die Hand nehmen und schreiben zu können, die man schon lange gerne einmal ausprobiert hätte, weil man sie selbst sucht, oder neue Schreibgeräte kennen lernt, die man gar nicht erwartet oder für die man sich bisher nie interessiert hat. Mir ging das z. B. mit den Bleistiften so, für die in diesen Tagen nachhaltig mein Interesse geweckt wurde, und zwar nicht, weil mir bei Faber-Castell ohnehin nichts anderes übrig blieb, sondern weil Elke Eder z. B. eine Sammlung davon ausgebreitet hat aus den alten Tagen des inzwischen teilweise verblichenen Nürnberger Schreibgerätehandwerks („Nürnberger Tand geht in alle Land“), die einer hochkarätigen Füllersammlung (die sie zudem auch noch hat), in nichts nachstand. Die Augen konnten einem da übergehen, was Gott sei Dank die Schummerbeleuchtung weitgehend verhindert hat, die der einzige Wermutstropfen des ganzen Abends war. Wir haben jedenfalls beschlossen, nächstes Mal nicht nur unsere Füllerschätze, sondern auch gleich unsere Schreibtischlampen und Lupen einzupacken, weil einiges nicht gebührend gewürdigt werden konnte aufgrund der original griechischen Beleuchtungsverhältnisse nach Sonnenuntergang. Aber: Die Stimmung war klasse, das Essen gut und die Anwesenden waren so gut drauf, als wären sie seit Jahren dick befreundet und hätten gerade Wiedersehen zu feiern. Der Abend war jedenfalls viel zu schnell herum, und ich bedauerte es sehr, mir keine Übernachtungsutensilien eingepackt zu haben. Ich wäre wohl sonst seit langem mal wieder unrettbar versumpft. Aber es gab ein baldiges Wiedersehen schon am folgenden Montag!

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Ältester Werksteil von A. W. Faber-Castell

Die Werksführung: Am Montag, dem 02.04.07, um 11.00 h empfing uns Herr Dr. Bloss im Foyer des Hauptwerks von A.W.Faber-Castell in Stein bei Nürnberg. Wir waren ca. 20 Personen, - viele CAS-Mitglieder aus der Region, z. T. aber auch aus Hamburg oder Bremen, mit oder ohne Angehörigen.

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Dr. Bloss (links) mit Werner Rüttinger und David Parisi, einem passionierten Bleistiftsammler aus Hamburg (im Hintergrund)

Dr. Bloss verteilte „Hörgeräte“ an die, die eines haben wollten, weil wir mitten hinein geführt werden sollten ins Herz des Unternehmens, - und Herzen schlagen in ihrem tiefsten Innern nun mal am lautesten. In diesem Fall waren das aber eher Sägen, Fräsen, Stanzen und ähnlich technisches Getier, das fähig ist, aus scheinbar schnöden Holzscheiten edle Schreiberlinge (Oh Günter, zeihe mir ver!) zu verfertigen. Fünf Stunden waren veranschlagt, was mir vor der Anmeldung zu dieser Führung schon die Überwindung über die Befürchtung abgerungen hatte, mich bewusst darauf einzulassen, notfalls fünf Stunden über den Anblick eines Bleistifts meditieren zu müssen. Aber ich war (mal wieder?) zu voreingenommen! Am Ende wurden daraus fast sechseinhalb Stunden - trotz verspäteter und daher verkürzter, aber üppiger Mittagspause! Und ich habe dennoch keine Sekunde davon bereut! Herr Dr. Bloss erwies sich nämlich nicht nur als ein humorvoller und kinderfreundlicher, sondern auch äußerst sachkompetenter Führer, der gar nicht um irgendeine Antwort verlegen sein konnte, weil ihm letztlich keine Frage zu „dumm“ war.
Auf der Tagesordnung stand zunächst die Führung durch die „Fertigung ‚Holzgefasste Stifte’“: Auf dem Weg durch das historische Firmengelände erzählte uns Herr Dr. Bloss viel Wissenswertes über die Familie Faber sowie über das alte fränkische Grafengeschlecht derer von Castell, das heute noch – ähnlich wie die Familie Thurn und Taxis in der Oberpfalz – in verschiedene Linien aufgeteilt weiträumige Besitzungen an Ländereien wie Weinbergen und Wäldern vor allem im Gebiet des Steigerwaldes oder Unternehmen (Castell-Bank) hat oder sich auch traditionell sozial engagiert innerhalb der Region (Casteller Ring).
Trotz der auch heute noch ausdrücklich betonten Verwurzelung der Firma in heimischen Gefilden (Trigema lässt grüßen!) mit den wichtigsten Produktionsstätten in Stein bei Nürnberg (Zentrale und Holzstifte) und Geroldsgrün im Fichtelgebirge in Oberfranken (Füller sowie andere Metall- und Kunststoffstifte), hat sich Faber-Castell bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem „global player“ (Dr. Bloss) entwickelt (mit einem Graphitbergwerk in Sibirien und Handelniederlassungen auf allen Kontinenten) als der Begriff „Globalisierung“ noch gar nicht erfunden war. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch Zeiten gegeben hätte, in denen die Firma am Abgrund stand. Die Krisenzeiten waren jedoch immer verbunden mit wegweisenden Umstrukturierungsmaßnahmen und Innovationen sowie mit persönlichen Einschränkungen auch auf Unternehmerseite selbst, sodass der Betrieb ohne Massenentlassungen letztlich gestärkt daraus hervorgehen konnte. Manch einen Supermanager heutiger Prägung, der Betriebssanierungen nur auf Kosten von Arbeitskräften durchführen kann, müsste man dorthin schicken zum Nachhilfeunterricht in puncto innovativer Betriebs- und Menschenführung! Viele Normierungen und „Selbstverständlichkeiten“, die wir heute mit dem Objekt Bleistift assoziieren, sind Errungenschaften der Firma Faber-Castell, das betrifft u. a. die Festsetzung der Länge der Stifte in einer Zeit ohne DIN-Normen, die alle Mitbewerber übernommen haben, ebenso wie die legendäre Sechskantform des „Castell 9000“ (heute noch in klassischem Fabergrün unverändert im Programm!) und seiner Derivate oder die Durchsetzung des Markenschutzgesetzes am Ende des 19. Jahrhunderts durch Lothar von Faber, den wohl kreativsten Kopf der ganzen Faber-Castell-Dynastie. Heute ist der Betrieb gesund und umfasst als Unternehmen 15 Produktionsstätten im Ausland, von denen alleine diejenige in Brasilien mit 3500 Beschäftigten rund fünf Mal so groß ist wie das Stammhaus in Stein. Mit 19 Auslandsniederlassungen ist der Familienbetrieb heute in 100 Ländern der Erde präsent. Die Firma bemüht sich zudem um eine umweltschonende Produktionsweise in allen Bereichen und ein humanes Betriebsklima, wofür sie in der Vergangenheit immer wieder ausgezeichnet worden ist. Summa summarum: ein auf Anhieb sympathischer Betrieb, dessen familientraditionelle Fortführung derzeit bis auf weiteres gesichert zu sein scheint! Für nähere und ergänzende Informationen zur Firmengeschichte sei hier auf die Homepage von Faber-Castell verwiesen ( http://www.faber-castell.de/ ) oder: Am besten selbst hinfahren.
Auch die Art der Betriebsanlage selbst wird kurz erläutert, u. a. die Tatsache, dass die Fensterrahmen der einzelnen Stockwerke farblich einheitlich, die Stockwerke selbst zueinander aber in den Farben des Regenbogens lackiert sind, was zum einen einen dezenten Hinweis auf die Produktion von Farben und Farbstiften im Betrieb selbst, zum anderen aber auch auf die der unterschiedlichen Produktionsebenen in den Gebäuden geben soll (Lagerbereich z. B. grün).
Die Führung durch den Fertigungsbereich für Bunt- und Bleistifte begann im „blauen“ ersten Stock. Die „holzgefassten Stifte“ bestehen auch heute noch aus den klassischen drei Elementen Mine, Holzkorpus und Lackierung. Da besonders die Holzhülse verwindungs-, verbiegungs- und bruchstabil, aber trotzdem gut spanbar sein muss, um sie ohne Ausrisse spitzen zu können, wird nach wie vor überwiegend Zedernholz verwendet, das deshalb beim Spitzen auch so aromatisch riecht. Das Holz stammte ursprünglich meist aus dem Libanon (Libanonzeder), kommt heute aber auch aus Kalifornien und China, von wo es bereits grob vorbehandelt geliefert wird. Besonders in Brasilien wird heute aber auch eine spezielle Pinienart in Plantagen auf ehemaligem Weidegelände, das auf abgeholztem Regenwald angelegt, aber inzwischen aufgegeben worden war, angepflanzt und für die Massenfertigung verwendet, um das teure Zedernholz zu schonen. Diese Plantagen sollen sich in Brasilien inzwischen zu regelrechten ökologischen Refugien für bedrohte Tierarten entwickelt haben, die aus den abgeholzten Regenwaldregionen vertrieben worden sind.
An der Holzstiftrohfertigung hat sich bis heute wenig geändert. Nach wie vor werden zwei Brettchen, die acht ausgefräste Nuten für Minen enthalten, aufeinandergeleimt und anschließend zu acht Rohstiften gesägt, die dann wiederum einzeln zu Rund-, Drei- oder Sechskantstiften zurechtgefräst werden. Trotz des hohen Ausstoßes von z. Zt. 500000 Stiften pro Tag und weitgehender Automatisierung der Qualitätskontrollen am Band ist menschliche Arbeitskraft nach wie vor gefragt. Die Sechskantform des damals neu entwickelten „Castell 9000“ soll angeblich auf eine Anregung von Fürst Bismarck, des damaligen Reichskanzlers zurückgehen, der sich permanent über vom Schreibtisch rollende Rundstifte geärgert haben soll. Diese Form hat sich als so erfolgreich erwiesen, dass man sie mit der Marke Faber-Castell regelrecht assoziiert. Sie wird seit 2001 nur noch übertroffen vom derzeitigen Marktrenner „Grip 2001“, dem dreikantigen, grifffreundlichen Noppenmodell der Holzstifte.
Im „roten“ Stock (2. Etage) werden wir über die Lackierungstechnik auf Wasserbasis informiert und erfahren, dass Faber-Castell eines der ersten Unternehmen außerhalb der Automobilindustrie war, das für seine Produkte „Wasserlacke“ eingesetzt hat, um den Mitarbeitern die ständigen Lösungsmitteldämpfe zu ersparen. Es roch deshalb auch nicht wirklich nach Lackiererei. Für potentielle Schnüffler also ein Flopstock! Die Stifte werden in fünf Schichten lackiert und dazwischen jeweils getrocknet. Anschließend bekommen sie ihre Folienbeschriftungen und -verzierungen eingestanzt und am Ende ihr „Mützchen“ aufgesetzt (Dr. Bloss), d.h. das Stiftende wird im Tauchbad mit Lack versiegelt oder mit Zierringen versehen, wenn sie nicht einen Radiergummi aufgepresst bekommen.
Insgesamt hat Faber-Castell momentan 760 verschiedene Stiftmodelle im Programm mit bis zu 132 Farben alleine bei Buntstiften und 16 Härtegraden bei Bleistiften.

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Schloss Stein der Grafen von Faber-Castell

Die Schlossführung: Nach dem Besuch im Werksverkauf, wo wir alle Produkte zum halben (!) Preis bekamen, waren wir zum Mittagessen (vorzüglich!) bereits im Schloss, dessen gräfliche Terrassenanlage heute als Werkskantine genutzt wird. Das heute noch eindrucksvolle und inzwischen wieder genutzte Schloss war bis 1939 von der Castellschen Familie bewohnt worden. Es ist erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Geist des damals herrschenden Historismus, dem auch der frisch geadelte Faber erlegen war, erbaut worden mit allen Schikanen, die damals zu erhalten waren wie elektrischem Licht in allen Räumen, Personalruftasten, Essenaufzügen, nach Geschlechtern getrennte Marmorbadezimmer mit fließendem Kalt- und Warmwasser, WCs und einer Zentralheizungsanlage (der letzte Schrei), die heute noch funktioniert. Man wollte zwar i n einem Schloss wohnen, dementsprechend weitläufig und respektheischend sind die Flure, Hallenfluchten und Säle, - aber nicht w i e in einem Schloss. Bequemlichkeit musste sein auf dem damaligen Stand der Technik! Das junge, auf sich und seine Leistungen stolze Adelsgeschlecht gierte nach einem entsprechendem Gehäuse zur Selbstdarstellung. Deshalb verwundert es nicht, wenn das Steiner Schloss in seinem krausen Stilmischmasch von mittelalterlicher Romanik über frühneuzeitliche Renaissance bis hin zum Klassizismus von außen unverhohlene Anklänge an Neuschwanstein und die Burg Hohenzollern bei Hechingen auf der Schwäbischen Alb aufweist. Im Innern dagegen prägt der Jugendstil in seinen geschmackvollsten Formen und Farben das Ambiente und vermittelt dem Besucher eine stilistische Sicherheit, Einheitlichkeit und Vollständigkeit, wie man sie in dieser Dichte und Qualität anderswo kaum findet. Das Schloss wird heute genutzt als Tagungs- und Veranstaltungsort (vor kurzem für die deutsche Innenministerkonferenz), aber auch als Museum für die Familiengeschichte. Besuch? Unbedingt empfehlenswert, aber unter Zeitnot verzichtbar zugunsten der anderen Betriebsteile.

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Das heutige Minenwerk mit integrier alter Graphitmühle als Museum

Die Museumsführung: Zum Abschluss besuchten wir das erst seit kurzem eröffnete Werksmuseum „Alte Mine“ in der alten Graphitmühle an der Regnitz. Dr. Bloss, ehemaliger Wasserbauingenieur, erklärte uns auf dem Weg dorthin die Hochwasserschutzmaßnahmen des Werkes in der Regnitz durch bewegliche Staustufen und die dadurch mögliche Wasserkraftnutzung durch eine moderne Kaplanturbine, die ein Drittel des Stromverbrauches des Werkes abdeckt.
Das Museum selbst und die Beschreibung der traditionellen Minenherstellung wäre einen eigenen Artikel wert, ist aber im Museum vorbildlich dokumentiert und soll deshalb hier auf das Wichtigste reduziert werden. Die ehemaligen Betriebsräume vermitteln heute einen eher beklemmenden Eindruck. Sie liegen 80 cm unter dem Wasserspiegel der Regnitz, also sozusagen im Keller, sind niedrig, eng und flächendeckend von Graphit geschwärzt. Dessen Patina liegt auch auf den Maschinen und den wenigen Tischen und Sitzgelegenheiten, die noch da sind. Trotzdem galt die Arbeit mit Graphit- und Gesteinmehl als nicht so gesundheitsgefährdend wie in Kohlegruben, weil der Graphitstaub nicht bis in die Lungen vordringen kann, so Dr. Bloss.
Zur Minenherstellung braucht man nach wie vor feines, reines Graphitmehl (ideal: 20 μ Korngröße), das man früher mit den entsprechenden Steinbrechen und –mühlen hier selbst hergestellt hat, und sauberen Ton aus Keupermehl; von Blei also keine Spur. Ersteres wird heute gebrauchsfertig aus dem Bayerischen Wald geliefert, zweiteres aus dem fränkischen Steigerwaldgebiet. Die jeweiligen Anteile von Ton und Graphit in der Mine entscheiden letztlich über deren Härte und Strichsättigung. So besteht eine Mine der Härte „B“ (wie „Butter“? Haben wir vergessen zu fragen!) aus zwei Teilen Graphit und einem Teil Ton. Die Strichfarbe hat dem Stift am Ende seinen Namen eingebracht: „Bleistift“.
Abgesehen von den alten Silberstiften, mit denen z. B. Albrecht Dürer, ein anderer berühmter Nürnberger, Jahrhunderte zuvor die Rohskizzen für seine späteren Gemälde angefertigt hatte, ist Blei nie als Schreibmaterial verwendet worden. Das Wort „Bleistift“ ist selbst ein „global player“ und findet sich heute in fast allen nicht-romanischen und nicht-angelsächsischen Sprachen in analoger Übersetzung wieder, vor allem in Osteuropa.
Der Graphitbrei selbst wurde spaghettiartig lang gezogen, auf Länge geschnitten, gerade gebogen und anschließend bei 1000°C gebrannt. Damit die Brüchigkeit reduziert und die Gleichmäßigkeit des Strichs verbessert werden konnte, wurden die abgekühlten Minen noch in flüssiges Wachs getaucht, um die verbliebenen Poren zu schließen, die unweigerlich übrig bleiben, wenn man einander so fremde Materialien wie Graphit und Ton dazu bringt, eine Zwangsehe eingehen zu müssen. Erst dann wurden die Minen über die Regnitz hinüber in die Stiftfertigung gebracht und dort verbaut.

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Der Eingang zum seit wenigen Wochen eröffneten Minenmuseum

Nachbemerkung: Es war(en) (ein) rundum gelungene(r) Tag(e) nicht nur für ausgesprochene Bleistiftliebhaber, sondern für jeden Menschen, der sich fürs Schreiben, die dazu nötigen Geräte und deren Geschichte interessiert. Ich glaube, dass an solchen Erlebnissen deutlich werden kann, wie wichtig es ist für Menschen unserer Passion, sich wenigstens ab und zu treffen und Gemeinsamkeit zu erleben und zu gestalten. Meist sind wir doch in unserer Umwelt verstreute, mehr oder weniger milde belächelte Spinner oder Käuze, die sich einer Leidenschaft verschrieben haben, die so gar nicht mehr in unsere Zeit passen zu wollen scheint. Winfried Halbleib sei an dieser Stelle warmherzig dafür gedankt, dass er uns diese Eindrücke verschafft und auch den Stammtisch veranstaltet hat. Er hat sich damit mindestens einen Lorbeerkranz verdient. Aber es ist nicht aller Tage Abend: Wenn ich Winni richtig verstanden habe, soll es bald wieder einen Stammtisch geben. Wer weiß, was es dann auch wieder gibt? Was meine Sicht der Dinge angeht, bitte ich alle, die dabei waren um kritische Begleitung, d.h. um Korrektur sachlicher Fehler oder um Ergänzungen, Erweiterungen oder Kommentare.

Es grüßt euch alle herzlichst
Peter
"Du bist, wie du schreibst!" (Alfons Lüke)

hotap

Beitrag von hotap » 13.04.2007 16:40

Huiiiiii Peter!!

Das ist ja ein super Bericht.
Dafür zuerst mal meinen herzlichen Glückwunsch. Ist sehr flüssig und informativ geschrieben und prima zu lesen. (Wo kann man eigentlich Vorschläge für den Pulitzerpreis einreichen? Auch wenn wir nicht in den USA sind.)
Da kann ich selbstverständlich über die ominösen Schreiberlinge hinwegsehen. :wink:

Ist auch schön auf Deinen Bildern zu sehen, das 3 der Teilnehmer der letztjährigen Aurora-Tour dort auch dabei waren. Und natürlich, wer hinter http://www.ruettinger-web.de/ steckt.

Ja, das Thema mit dem leidigen Licht. Das hat wahrscheinlich nichts mit den griechischen Beleuchtungsverhältnissen zu tun. Bei unserem Dortmunder Stammtisch haben wir dieses Problem (sogar schon nachmittags) auch. Unser Stammlokal ist eine Kneipe mit „Gut Bürgerliche Küche“.

Soll jetzt keine Eigenwerbung oder Angeberei von mir sein, (und wenn, ist auch egal…) aber wer sich jetzt mehr für die Firmengeschichte usw. der gräflichen Faber-Castell Dynastie interessiert, dem sind diese Bücher sehr zu empfehlen.
Siehe http://community.fountainpen.de/content/view/86/86/
und
http://community.fountainpen.de/content/view/39/86/

Viele Grüße
Günter

werner
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Beitrag von werner » 13.04.2007 17:14

Lieber Peter,

vielen Dank für den ganz hervorragenden Bericht über den CAS-Stammtisch und die Werksführung bei Faber-Castell. Du hast sehr ausführlich, nett und locker alles berichtet und sicherlich werden die nicht dabei gewesen sind, dieses auf Grund Deiner Schilderung bedauern.

Eine Übertreibung ist ja aber wohl bei Deinem Bericht dabei:
" ... besten Pelikanfüllerseite im Internet ..."
Ich tue mein bestes, aber es ist und bleibt doch nur eine Infoseite für Schreibgeräte-Interessenten, ohne allen "Schnickschnack". Aber trotzdem vielen Dank für die richtig netten Worte, fast wäre ich, trotz des "Alters" noch rot geworden.

Auf Grund Deines Zuspruchs habe ich mich nun endlich registrieren lassen und dies ist mein erster Beitrag. Als jahrelanger Leser schätze ich das Forum und seine kompetenten Mitglieder schon ziemlich lange. Es war wohl die Bequemlichkeit, die mich bisher von einer Registrierung abgehalten hat.

Deshalb ein paar ganz kurze Stichpunkte zu meiner Person. Seit 10 Jahren Sammler alter Füllfederhalter (Schwerpunkt Pelikan). Inzwischen Rentner und wie allgemein bekannt, deswegen mit nicht viel mehr Zeit als vorher. Seit Anfang meiner Sammeltätigkeit pflege ich nun die Homepage speziell über die alten Füllfederhalter und hoffe, dass viele Sammler
für sie Interessantes finden.

Zum Schluß nocheinmal "Danke" für die interessante und informative Zusammenfassung.

Herzliche Grüße
Werner

Eine kleine Eigenwerbung:
Homepage: http://www.ruettinger-web.de/index.html

absia
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Beitrag von absia » 20.04.2007 22:51

Hallo, ihr beiden!

Zunächst einmal ganz herzlichen Dank für eure Lobeshymnen. Ich denke, dass sie zeigen, dass der Beitrag letztlich doch ein bisschen von der Begeisterung widerspiegeln kann, mit der wir alle bei Sache waren. Vielleicht fühlen sich dadurch nun auch andere Schreibgeräteliebhaber ein bisschen ermuntert, an anderen CAS-Veranstaltungen - wo auch immer - teilzunehmen.

Vor allem aber dich, Werner, möchte ich hier im Forum ganz herzlich begrüßen. Ich weiß, dass es deine Sache nicht ist, wenn andere zu viele Worte über dich machen. Ich beherzige das, sage aber trotzdem, dass wir alle nur von deiner Gegenwart und deiner Sachkompetenz profitieren können. Da dich die meisten ohnehin schon von deiner Website her kennen werden, ist es für uns nun umso schöner, dass du jetzt auch quasi da bist. Ich freue mich schon auf deine nächsten Beiträge!

Liebe Grüße
Peter
"Du bist, wie du schreibst!" (Alfons Lüke)

hotap

Beitrag von hotap » 25.11.2007 10:17

Hallo zusammen,

ist doch schön, wenn mal wieder ältere Artikel zum Vorschein kommen und einem dann wieder einfällt, was man damals vergessen hatte, mit in seinem Artikel zu erwähnen.

Neben Wikipedia gibt es ja noch eine gute Informationsquelle, die uns wissenswertes aus allen Bereichen erklärt.
Und das ist…
„Die Sendung mit der Maus“

Hier gibt es, teilweise in laufenden Bildern, zu sehen, wie ein Bleistift hergestellt wird
http://www.wdrmaus.de/sachgeschichten/bleistift/
und wie eine Mine dafür hergestellt wird.
http://www.wdrmaus.de/sachgeschichten/bleistiftmine/
Ich meine auch irgendwo gelesen zu haben, das beide Produktion bei Faber-Castell gefilmt wurden. (Aber wie bei den Lottozahlen: Ohne Gewähr)

Schönen Restsonntag noch
Günter

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