Traurig...

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kilian
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Re: Traurig...

Beitrag von kilian »

Peter, du sprichst mir sowas von aus der Seele ...
LG Kilian
Paperclip
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Re: Traurig...

Beitrag von Paperclip »

Peter Stegemann hat geschrieben:
16.04.2019 14:18
Es ist und bleibt eine Untersuchung von Meinungen. Es gibt also lediglich Auskunft darueber, welche Veraenderung die Meinung von Lehrern in diese Zeitraum genommen hat. Das muss man einfach mal akzeptieren, aus einer solchen Untersuchung darauf zu schliessen, wie sich die Handschriftfaehigkeiten tatsaechlich entwickelt haben, ist und bleibt unwissenschaftlich. Und gerade wenn es um Schule und Lehrer geht, ist eine wissenschaftliche herangehensweise wohl nicht zu viel verlangt.
Ich bin kein Sozialwissenschaftler. Ich bin bloß Lehrer. Ich weiß aber, dass sozialwissenschaftliche Studien anzufertigen, die methodisch wirklich sauber sind, ein außerordentlich schwieriges Geschäft ist. Vor allem, wenn es um Schule geht. Berüchtigstes Beispiel sind etwa die Studien zu unserer Arbeitszeit, die immer dann methodische Mängel haben, wenn die Ergebnisse nicht zu den Budgetvorstellungen der jeweiligen Finanzminister passen. Also, eigentlich alle der letzten zwanzig Jahre, die mir erinnerlich sind. Auch die, wo man sich vorher mit allen Beteiligten auf eine Vorgehensweise geeinigt hatte. Das mit der Wissenschaftlichkeit ist also ganz generell in dem Bereich so eine Sache.

Lehrer sind in ihrem Metier Fachleute. Die haben sehr wohl nachvollziehbare quantitative und qualitative Bewertungskriterien, die, bei aller Subjektivität, einen intertemporären Vergleich von Schülerleistungen zulassen. Insofern geht es hier nicht um "Meinungen". Wenn ein*e Kolleg*in zehn Jahre lang am Ende der vierten Klasse immer das gleiche Diktat schreiben lässt, sind tendenzielle Veränderungen messbar, z.B. hinsichtlich Dauer des Diktats, Anteil der schwer/nicht lesbaren Arbeiten, Fehlerhäufigkeit und dergl.
Auch für die generellen grob- und feinmotorischen Fähigkeiten können Lehrkräfte quantifizierbare und nachvollziehbare qualitative Kriterien angeben. Zum Beispiel den Anteil der SuS in einem bestimmten Alter nicht in der Lage sind, eine Schleife zu binden oder Schwierigkeiten haben, auf einem Bein hüpfend das Gleichgewicht zu halten. Kolleg*innen, die in dem Bereich arbeiten, können sicher eine ganze Reihe von Kriterien angeben.
Ich arbeite nicht in dem Bereich, ich bekomme die immer erst, wenn alles zu spät ist, also nach Abschluss der Sekundarstufe I. Aber auch ich nehme die Veränderungen wahr. Zum Beispiel nimmt der Anteil der SuS zu, die grundsätzlich im Unterricht überhaupt nicht mehr mitschreiben. Ein Phänomen, das ich vom Beginn meiner Laufbahn nicht kenne.

Das ist zugegeben alles nicht sozialwissenschaftlich sauber gesichert, aber wenn die subjektiven Einschätzungen der Kolleg*innen in die gleiche Richtung weisen, sollte man darauf reagieren, bevor in zwanzig Jahren mal Studien vorliegen, die alle für methodisch sauber halten.

Paperclip
Thom

Re: Traurig...

Beitrag von Thom »

Paperclip hat geschrieben:
16.04.2019 19:32
... die grundsätzlich im Unterricht überhaupt nicht mehr mitschreiben.
Habe ich auch nicht, ich habe mir das einfach gemerkt. :)
Die gesellschaftliche Bedeutung der Handschrift nimmt schon seit 100 Jahren ab. Und es gab Ende des vorigen Jh. eine digitale Revolution. Die Bedeutung der Handschrift nimmt auf alle Fälle ab, die Frage ist, was sich infolgedessen tatsächlich noch verschlechtert. Selbst im hypothetischen Falle die Handschrift wäre irgendwann komplett weg, dann wäre sie's eben.

V.G.
Thomas
Paperclip
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Re: Traurig...

Beitrag von Paperclip »

Thom hat geschrieben:
16.04.2019 20:02
Habe ich auch nicht, ich habe mir das einfach gemerkt. :)
Ja, das sagen sie alle. Diese Strategie ist bisher in 0% aller Fälle bei meinen Schülern (fast alles Jungs) ohne Erfolg geblieben. Ich kann Dir versichern, dass es, ohne da jetzt eine methodisch verlässliche Studie drüber angefertigt zu haben, eine eindeutige Korrelation zwischen ordentlich geführten Mitschriften und Schulerfolg gibt.

Paperclip
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HeKe2
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Re: Traurig...

Beitrag von HeKe2 »

Thom hat geschrieben:
16.04.2019 20:02
.... Die Bedeutung der Handschrift nimmt auf alle Fälle ab, ....

V.G.
Thomas
Zumindest für das Verfassen längerer Texte ist das wohl so. Und damit erhebt sich für die Schüler die Frage nach dem Nutzen dieser motorischen Fähigkeit, längere Texte sauber zu schreiben. Der abstrakte Gewinn psychomotorischer Art dürfte da wohl kaum motivationsfördernd wirken, zumal die Schulen, um den veränderten Anforderungen gerecht zu werden, ja ebenfalls ihr Anforderungsprofil verändert haben und häufig größere Ausarbeitungen entsprechend computertechnisch aufbereitet erwarten. Da verwundert es dann schon eher, warum man überhaupt erstaunt ist, dass die Entwicklung so verläuft. Und wollte man das ändern, wären es ja gerade die Lehrer, die das ändern könnten. Zugegeben mit der Gefahr, als ewig gestrig oder realitätsfern abgestempelt zu werden.

Etwas OT aber ein Beispiel, wie sich die Welt verändert hat:
Ich hatte im letzten Jahr Gelegenheit, in vier der Hörsääle meiner Stdienzeit zu sitzen. Alle hatten mittlerweile Steckdosen an den Sitzreihen. Und in den Vorlesungen, zu denen ich wie damals mit Block, Füller und Geodreieck erschien, erschien ein Großteil des jüngeren Publikums mit Laptop. Mir persönlich ging das Geklapper links und rechts auf die Nerven, die meisten Anderen störte es kein Bisschen.
Beste Grüße
Hermann
agathon
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Re: Traurig...

Beitrag von agathon »

Paperclip hat geschrieben:
16.04.2019 21:17
Ich kann Dir versichern, dass es, ohne da jetzt eine methodisch verlässliche Studie drüber angefertigt zu haben, eine eindeutige Korrelation zwischen ordentlich geführten Mitschriften und Schulerfolg gibt.

Paperclip
Halte ich aus meiner Sicht für haltlosen und groben Unfug aus dem Reich der Märchen unc Fabeln.

Grüße

agathon
SimDreams
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Re: Traurig...

Beitrag von SimDreams »

Echt? Es wird doch gar nicht ausgeführt, wie die Korrelation aussieht. Vielleicht ist die Zahl der ordentlich mitgeschriebenen Seiten umgekehrt proportional der erreichten Punktzahl.
Paperclip hat geschrieben:
16.04.2019 21:17
Thom hat geschrieben:
16.04.2019 20:02
Habe ich auch nicht, ich habe mir das einfach gemerkt. :)
Ja, das sagen sie alle. Diese Strategie ist bisher in 0% aller Fälle bei meinen Schülern (fast alles Jungs) ohne Erfolg geblieben.
Wenn niemand damit keinen Erfolg hat, was sagt das dann aus?

Grüße, Uwe
Da die Schreibgeräteakquise nicht das einzige Hobby ist: http://www.flickr.com/photos/simdreams/
agathon
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Re: Traurig...

Beitrag von agathon »

Uwe,

man kommt auf dem Gebiet des Lehrens und Lernens mit monokausalen Erklärungsmodellen einfach nicht sonderlich weit - egal in welche Richtung man sich da bewegt.

Grüße

agathon
Peter Stegemann
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Re: Traurig...

Beitrag von Peter Stegemann »

HeKe2 hat geschrieben:
16.04.2019 21:54
Mir persönlich ging das Geklapper links und rechts auf die Nerven, die meisten Anderen störte es kein Bisschen.
Ist ein gutes Training fuer die moderne Buerolandschaft. Kreiert von Managern, noch eine Berufsgruppe, die meint sich als erfahrene Fachkraft mit ihrer Meinung ueber jede wissenschaftliche Erkenntnis stellen zu koennen.
Die grössten Kritiker der Elche, sind oft selber welche!
Thom

Re: Traurig...

Beitrag von Thom »

agathon hat geschrieben:
16.04.2019 22:42
Uwe, ...
Na ja, er ist schon ein Filou. Wenn 0% keinen Erfolg haben, waren ja alle erfolgreich. Ich will's gar nicht zur Nachahmung empfehlen. Man wird die Zeit aber nicht so einfach zurücksetzen können, nur weiter vorwärts.

V.G.
Thomas
SimDreams
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Re: Traurig...

Beitrag von SimDreams »

agathon hat geschrieben:
16.04.2019 22:42
Uwe,

man kommt auf dem Gebiet des Lehrens und Lernens mit monokausalen Erklärungsmodellen einfach nicht sonderlich weit - egal in welche Richtung man sich da bewegt.

Grüße

agathon
Als an einer Grundschule arbeitender Chemiker bin ich quasi ein Grenzgänger zwischen den Welten. Und mit der Richtung ist das so eine Sache - oft wird sich im Kreis gedreht. :)

Ich halte es im übrigen wie Thom und schreibe bei Schulungen selten mit. Ich höre so einfach besser zu. Nacharbeiten müssen komplexe und umfangreiche Themen beide "Probandengruppen".
Da die Schreibgeräteakquise nicht das einzige Hobby ist: http://www.flickr.com/photos/simdreams/
agathon
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Re: Traurig...

Beitrag von agathon »

SimDreams hat geschrieben:
17.04.2019 0:45
Nacharbeiten müssen komplexe und umfangreiche Themen beide "Probandengruppen".
Oder man hört sich das Ganze einfach noch mal an, bis man so quatschen kann wie der hinter dem Katheder. Ist eine alte Methode schon seit dem Mittelalter und auch eher was orales.

Grüße

agathon
Paperclip
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Re: Traurig...

Beitrag von Paperclip »

SimDreams hat geschrieben:
16.04.2019 22:32
Wenn niemand damit keinen Erfolg hat, was sagt das dann aus?
OK, erwischt. Ist aber trotzdem ein bisschen billig.
Es geht darum, dass Lehrer nicht bloß Meinungen haben sondern qualifiziert über längere Zeiträume Entwicklungen beobachten. Wenn eine Vielzahl dieser Beobachtungen signifikant in die selbe Richtung zeigen, sollte man sich Gedanken darüber machen, ob man das so will und welche Konsequenzen das hat.
Aber ich muss in der Sache auch nicht das letzte Wort haben. Das haben ohnehin die ausbildenden Betriebe, die dabei sind, an die Politik entsprechende Forderungen zu stellen, weil sie ihre Ausbildungsplätze nicht mehr mit qualifizierten Bewerbern besetzen können. Die Kultusminister haben ja in einigen Bundesländern schon reagiert.
SimDreams
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Re: Traurig...

Beitrag von SimDreams »

Die Zusammensetzung der Probandengruppe ist aber nicht gleichbleibend, deshalb bleiben die Beobachtungen Beobachtungen. Der letzte Punkt zeigt doch sehr schön, wie schwierig es ist, Kausalitäten abzuleiten. Die Schüler waren früher weder fleißiger, noch schlauer, noch doofer. Unsere Gymnasien heute werden langsam zu Gesamtschulen - und da wundern wir uns ernsthaft, dass die durchschnittlichen Leistungen sinken? In den Hauptschulen wird kaum noch wiederholt, sondern fast alle, die lange genug durchhalten, werden zum Abschluss gebracht. Dann wundern wir uns, dass die angehenden Auszubildenden nicht mehr so viel wissen wie damals, als unsere Eltern noch die Volksschule besucht haben? Meine Grundschule aus Kindertagen hat mittlerweile deutlich mehr als 80% Kinder mit Migrationshintergrund mit einem ähnlichen Personalschlüssel. Da wundern wir uns überhaupt noch über irgend etwas? Es sind weder die Schreibschrift noch die Kinder Schuld "an der Misere". Da müssen wir uns schön an die eigenen Nase fassen.

"...weil sie ihre Ausbildungsplätze nicht mehr mit qualifizierten Bewerbern besetzen können." In erster Linie können sie ihre Ausbildungsplätze nicht mit qualifizierten Bewerbern besetzen, weil sie im Wettbewerb mit anderen Ausbildungsanbietern versagen. Nicht, weil es keine Kandidaten gäbe. Das Problem ist selbstverschuldet. Genau so, wie "der Fachkräftemangel".

https://www.zeit.de/arbeit/2018-12/arbe ... l-jobsuche

Ich bezweifle nach über 25 Jahren als Sporttrainer auch, dass die motorischen Fähigkeiten generell sinken. Ich arbeite an einer Grundschule in einem hochprivilegierten Stadtteil, meine Beobachtungen sind völlig anders. Vielleicht klafft die Schere weiter auseinander (was auch wieder kein Wunder ist, wenn ich mir die Chancenungleichheit zwischen Sozialhilfeempfängern in der dritten Generation und "meinen" Kindern anschaue).
Da die Schreibgeräteakquise nicht das einzige Hobby ist: http://www.flickr.com/photos/simdreams/
Thom

Re: Traurig...

Beitrag von Thom »

Ich würde überhaupt nicht ausbilden, wenn ich mir sogar die Ingenieure als Leiharbeiter kommen lassen kann, allerdings werden die dann irgendwann knapp. Aber Spaß beiseite. Es gibt durchaus Vertreter der These, der durchschnittliche Intelligenzquotient würde seit 20 Jahren sinken. Die wissen aber auch nicht so richtig, ob's an der Schreibschrift läge oder an Weichmachern und an Flammschutzmitteln aus der Wärmedämmung.

V.G.
Thomas
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