Hat Lamy den Bauhausstil verlassen?
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RalphWalter
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Hat Lamy den Bauhausstil verlassen?
Bauhaus war mal „weniger ist mehr“. Und was macht Lamy? „Mehr ist mehr, und ach komm, wir packen noch eine Farbe oben drauf.“ Jedes Jahr ein neues Modell, das aussieht wie ein Süßigkeitenregal , und dann diese GX-Clips… ja klar, genau das hätte Gropius bestimmt geliebt: kleine Plastik-Anhängsel, die man sich an den Clip friemelt, damit der Stift „persönlicher“ wird. Sehr Bauhaus. Total.
Wenn Bauhaus die Reduktion wollte, dann ist der Safari inzwischen auf dem Weg zum Designer-Karneval.
Aber hey, solange’s sich verkauft, warum nicht, oder? Dann nennen wir’s halt weiter Bauhaus, auch wenn’s ungefähr so viel damit zu tun hat wie ein Einhorn mit deutscher Ingenieurskunst.
Was meint ihr?
Wenn Bauhaus die Reduktion wollte, dann ist der Safari inzwischen auf dem Weg zum Designer-Karneval.
Aber hey, solange’s sich verkauft, warum nicht, oder? Dann nennen wir’s halt weiter Bauhaus, auch wenn’s ungefähr so viel damit zu tun hat wie ein Einhorn mit deutscher Ingenieurskunst.
Was meint ihr?
Re: Hat Lamy den Bauhausstil verlassen?
Mir war die Verbindung Lamy und Bauhaus gar nicht bekannt, was natürlich daran liegt, dass ich mich mit Lamy - im Gegensatz zu Pelikan - nicht sonderlich auseinander gesetzt habe.
Nun sind die Lehren von Walter Gropius 100 Jahre alt und die Designansprüche ändern sich.
Ich mag Bauhaus sehr, etwa die Junghans-Uhren vom Bauhausschüler Max Bill oder die Uhren von NOMOS...so als Beispiel.
Es stellt sich aber die Frage, inwieweit sich ein Unternehmen dieser Bauhaus-DNA verpflichtet fühlt und dieses Designprinzip in die Zukunft führen kann.
Da trifft Nostalgie nicht selten auf den realen Zeitgeist.
Kurz: ich verstehe dich, kann Lamy aber für ihre Sortimentsausrichtung abseits von Bauhaus nicht kritisieren.
Nun sind die Lehren von Walter Gropius 100 Jahre alt und die Designansprüche ändern sich.
Ich mag Bauhaus sehr, etwa die Junghans-Uhren vom Bauhausschüler Max Bill oder die Uhren von NOMOS...so als Beispiel.
Es stellt sich aber die Frage, inwieweit sich ein Unternehmen dieser Bauhaus-DNA verpflichtet fühlt und dieses Designprinzip in die Zukunft führen kann.
Da trifft Nostalgie nicht selten auf den realen Zeitgeist.
Kurz: ich verstehe dich, kann Lamy aber für ihre Sortimentsausrichtung abseits von Bauhaus nicht kritisieren.
Gruß Ed
Re: Hat Lamy den Bauhausstil verlassen?
Du sprichst hier gewisse Sondereditionen hauptsächlich des Lamy Safari an. Diese werden von Kunden beauftragt, wie z.B. im Fall der Harry Potter Serie ist das das Filmstudio Warner Bros. Discovery, und lediglich von Lamy produziert. Auch die Zuteilung, welche Geschäfte dann diese Füller bekommen, um sie verkaufen zu dürfen, wird teilweise ebenso von den Kunden entschieden. Ich hatte mal auch etwas ausführlicheres Gespräch mit einer Inhaberin eines mittelgroßen Schreibwarengeschäfts.
Die Kuromi-Safaris sind sicher von Sanrio in Auftrag gegeben.
Die Itoya-Safaris vom gleichnamigen Geschäft in Tokyo.
...
Gerade der asiatische Markt hat sehr viel mehr Verständnis für solche Extras - ich denke da an den Überbegriff Kawaii.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kawaii
Und ja, der Kundenmarkt wird jünger und vor allem verspielter. Wobei der Kundenmarkt bei dem Safari immer schon jünger war.
Und Farben: das war immer schon ein Bauhaus-Thema.
https://blog.interface.com/de/004-farbe ... m-bauhaus/
Für mich sind Farben sehr wichtig, sie steuern viel für mein Wohlbefinden. Daher kann ich mich mit den vielen verschiedenen Farben des Safaris sehr gut anfreunden, auch wenn nicht jede Farbe in mein persönliches Beuteschema fällt. Nur bei Katzen und Menschen ist mir die Farbe total egal.
Die Kuromi-Safaris sind sicher von Sanrio in Auftrag gegeben.
Die Itoya-Safaris vom gleichnamigen Geschäft in Tokyo.
...
Gerade der asiatische Markt hat sehr viel mehr Verständnis für solche Extras - ich denke da an den Überbegriff Kawaii.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kawaii
Und ja, der Kundenmarkt wird jünger und vor allem verspielter. Wobei der Kundenmarkt bei dem Safari immer schon jünger war.
Und Farben: das war immer schon ein Bauhaus-Thema.
https://blog.interface.com/de/004-farbe ... m-bauhaus/
Für mich sind Farben sehr wichtig, sie steuern viel für mein Wohlbefinden. Daher kann ich mich mit den vielen verschiedenen Farben des Safaris sehr gut anfreunden, auch wenn nicht jede Farbe in mein persönliches Beuteschema fällt. Nur bei Katzen und Menschen ist mir die Farbe total egal.
LG
Andrea
Andrea
Re: Hat Lamy den Bauhausstil verlassen?
Ich bin kein Fan von Lamy, deshalb kann der geneigte Leser meine Meinung auch direkt relativieren.
Erstmal ist der Safari für mich ein einfacher Schulfüller, ansich nichts schlechtes, aber auch nichts besonderes und nichts für mich. Wäre ich ein Fan mit Sammelwut, würde mich die inflationäre Farbenwut, auch abseits der SE für irgendwelche Händler, eher nerven.
Für mich ist das ein Ausdruck von Hilflosigkeit, wenn ich mein sonstiges Portfolio nicht weiterentwickeln kann. Ich finde das traurig. Auch wenn ich kein Fan bin, so ist Lamy doch ein deutscher Qualitätshersteller mit Historie.
Auf diese Historie könnte sich Lamy doch mal besinnen und abseits des mittlerweile langweiligen Bauhausdesigns einige alte Schätze reaktivieren und in die Gegenwart bringen.
Erstmal ist der Safari für mich ein einfacher Schulfüller, ansich nichts schlechtes, aber auch nichts besonderes und nichts für mich. Wäre ich ein Fan mit Sammelwut, würde mich die inflationäre Farbenwut, auch abseits der SE für irgendwelche Händler, eher nerven.
Für mich ist das ein Ausdruck von Hilflosigkeit, wenn ich mein sonstiges Portfolio nicht weiterentwickeln kann. Ich finde das traurig. Auch wenn ich kein Fan bin, so ist Lamy doch ein deutscher Qualitätshersteller mit Historie.
Auf diese Historie könnte sich Lamy doch mal besinnen und abseits des mittlerweile langweiligen Bauhausdesigns einige alte Schätze reaktivieren und in die Gegenwart bringen.
Gruß
Knut
Knut
- Strombomboli
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- Wohnort: Berlin
Re: Hat Lamy den Bauhausstil verlassen?
Ich dachte, nur der Lamy 2000 gelte als bauhausinspiriert. Für mich sieht er einfach klassisch elegant aus. Den Safari begreife ich als typisches Produkt der siebziger Jahre und finde es gut, daß es ihn nicht nur in orange und braun gibt, sondern in so vielen Farben. Immerhin ist er für Schüler gedacht, die erkennen können müssen, welcher nun ihrer ist und welcher der des Banknachbarn.
Iris
Mein Avatar ist ein Gemälde von Ilja Maschkow (1881-1944): Selbstporträt; 1911, das in der neuen Tretjakow-Galerie (am Krimskij Wal) in Moskau hängt, wo ich es fotografiert habe.
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Re: Hat Lamy den Bauhausstil verlassen?
Hallo zusammen!
Ich möchte den Lamy CP1 (cylindric pen No. 1) noch in Richtung Bauhaus einordnen wollen.
Hohe Funktionalität, klare Linie und schlichte Eleganz vom Designer Gerd A. Müller, der den genialen Lamy 2000 kreiert hat.
Beste Grüße
Udo
Ich möchte den Lamy CP1 (cylindric pen No. 1) noch in Richtung Bauhaus einordnen wollen.
Hohe Funktionalität, klare Linie und schlichte Eleganz vom Designer Gerd A. Müller, der den genialen Lamy 2000 kreiert hat.
Beste Grüße
Udo
Schrift ist das niedergeschriebene Bild der Sprache, das Bild des Klangs.
Kurt Schwitters (1887 - 1948)
Kurt Schwitters (1887 - 1948)
Re: Hat Lamy den Bauhausstil verlassen?
Ist denn bekannt (evtl. aus alten Prospekten oder werblichen Aussagen), ob der Lamy 2000 sich in der Absicht bei seiner Gestaltung tatsächlich ganz bewusst nach Formregeln des Bauhauses ausrichtete? In den 60er- und 70er-Jahren hat das Bauhaus im Grunde seine größte Zeit gehabt, soweit es den Niederschlag seiner Gestaltungsrichtlinien in Architektur und Produktgestaltung wiedergibt. Das hatte auch damit zu tun, dass ein Großteil der ursprünglichen Bauhaus-Protagonisten (insbesondere die Architekten) sich nach dem Ende der Bauhaus-Schule weltweit verteilt haben und die Idee grundsätzlich auf positive Resonanz stieß.
Ich glaube eher, dass "Bauhaus-Design" in den 60ern/70ern so selbstverständlich war, dass man den Begriff "Bauhaus" gar nicht bemüht hat. Das trifft bei Lamy auch auf viele andere Entwicklungen aus der Zeit zu. Oder Pelikan, mein allererster Pelikano-Füller war durchaus auch Bauhaus-geprägt, gleiches gilt für Erzeugnisse vieler anderer Scheibgerätehersteller der Ära.
Allerdings gab es schon nach der Mid Century-Phase (des Bauhausstils) ab den Siebzigern mit der Pop-Art und danach in den Achtzigern (Memphis-Design) Gegenbewegungen zur strikten, sachlichen Funktionalität. Dennoch hat das der ursprünglichen Bauhausidee bis heute nicht geschadet. Auch wenn die vorgebliche Alternative vom rechten Rand das Bauhaus als "Irrweg der Moderne" bezeichnet.
Bernd
Ich glaube eher, dass "Bauhaus-Design" in den 60ern/70ern so selbstverständlich war, dass man den Begriff "Bauhaus" gar nicht bemüht hat. Das trifft bei Lamy auch auf viele andere Entwicklungen aus der Zeit zu. Oder Pelikan, mein allererster Pelikano-Füller war durchaus auch Bauhaus-geprägt, gleiches gilt für Erzeugnisse vieler anderer Scheibgerätehersteller der Ära.
Allerdings gab es schon nach der Mid Century-Phase (des Bauhausstils) ab den Siebzigern mit der Pop-Art und danach in den Achtzigern (Memphis-Design) Gegenbewegungen zur strikten, sachlichen Funktionalität. Dennoch hat das der ursprünglichen Bauhausidee bis heute nicht geschadet. Auch wenn die vorgebliche Alternative vom rechten Rand das Bauhaus als "Irrweg der Moderne" bezeichnet.
Bernd
Re: Hat Lamy den Bauhausstil verlassen?
Bei „Lamy“ und „Bauhaus“ denke ich eigentlich nicht gerade an den Safari, sondern eher an den Studio, Scala oder vielleicht auch noch Dialog 3…
Re: Hat Lamy den Bauhausstil verlassen?
Der Safari ist ein typisches 80er Jahre Design, was damals modern sein sollte und heute angestaubt wirkt.
Wenn ich mir allerdings andere Schulfüller ansehe, dann sticht er vom Design her doch positiv aus der Masse hervor.
Wenn ich mir allerdings andere Schulfüller ansehe, dann sticht er vom Design her doch positiv aus der Masse hervor.
Gruß
Knut
Knut
- Strombomboli
- Beiträge: 2893
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Re: Hat Lamy den Bauhausstil verlassen?
Unterschätzt die herrliche Architektur der 50er Jahre nicht! Die 70er waren die Zeit des Brutalismus und der Prilblume, aber vielleicht kann sich mal jemand äußern, der echt Ahnung hat, z. B. Herr Zollinger. Der Safari wurde 1980 eingeführt, ich würde sagen, er ist gesättigt von Brutalismus und Prilblume.
Iris
Mein Avatar ist ein Gemälde von Ilja Maschkow (1881-1944): Selbstporträt; 1911, das in der neuen Tretjakow-Galerie (am Krimskij Wal) in Moskau hängt, wo ich es fotografiert habe.
Mein Avatar ist ein Gemälde von Ilja Maschkow (1881-1944): Selbstporträt; 1911, das in der neuen Tretjakow-Galerie (am Krimskij Wal) in Moskau hängt, wo ich es fotografiert habe.
Re: Hat Lamy den Bauhausstil verlassen?
Hallo zusammen!
Ich denke, es ist unstrittig, dass der Lamy 2000 einen Stift symbolisiert, der die Bauhaus Philosophie eindeutig widerspiegelt.
Laut KI vereint Bauhaus Kunst, Handwerk und Technik, um funktionale und erschwingliche Produkte (könnte man sich beim Lamy 2000 drüber streiten) für die Massenproduktion zu schaffen, nach dem Motto "Form folgt Funktion".
Nach meinen Recherchen hat Lamy 2019 im Bauhaus Jubiläumsjahr die Edition 100 Jahre Bauhaus Lamy 2000 blau, in einer limitierten Auflage von 1919 Exemplare herausgebracht.
Ich erfreue mich fast 20 Jahre an einem schwarzen Exemplar.
Beste Grüße
Udo
Ich denke, es ist unstrittig, dass der Lamy 2000 einen Stift symbolisiert, der die Bauhaus Philosophie eindeutig widerspiegelt.
Laut KI vereint Bauhaus Kunst, Handwerk und Technik, um funktionale und erschwingliche Produkte (könnte man sich beim Lamy 2000 drüber streiten) für die Massenproduktion zu schaffen, nach dem Motto "Form folgt Funktion".
Nach meinen Recherchen hat Lamy 2019 im Bauhaus Jubiläumsjahr die Edition 100 Jahre Bauhaus Lamy 2000 blau, in einer limitierten Auflage von 1919 Exemplare herausgebracht.
Ich erfreue mich fast 20 Jahre an einem schwarzen Exemplar.
Beste Grüße
Udo
Schrift ist das niedergeschriebene Bild der Sprache, das Bild des Klangs.
Kurt Schwitters (1887 - 1948)
Kurt Schwitters (1887 - 1948)
Re: Hat Lamy den Bauhausstil verlassen?
Design statt Produktgestaltung - Zum Lamy Safari
Dass der Lamy Safari gesättigt mit Prilblume und Brutalismus ist, ist ein schöner Aphorismus! Und wie schöne Aphorismen so sind, wirkt er durch die Verknappung. Die ganze Sache ist etwas differenzierter.
Man muss sich das Marktumfeld vor Augen führen, in das Lamy ca. 1980 einen neuen Füller zu lancieren beschloss. Zumindest in Westdeutschland war dieser Markt fest in zwei Händen, Pelikan und Geha. Die entsprechende Lagerbildung in den Schulklassen ist Legende. Dabei lagen die beiden Kontrahenten sowohl gestalterisch als auch technisch nicht wirklich weit auseinander. Das kleine Gimmick des Ersatztanks wurde aus Marketingzwecken viel stärker herausgestellt, als es im Alltag wirklich einen Unterschied macht. Der wesentliche Punkt ist: Beide Füller waren evolutionär über die vorangegangenen 20 Jahre entwickelt. Ein Pelikan war ein Pelikan, ein Geha ein Geha, aber ob man jeweils das letzte oder das vorletzte Modell besaß, bedeutete keine nennenswerten Unterschied.
In diese Welt aus Protestanten und Katholiken, die letztlich beide dem selben Gott verpflichtet war, nämlich dem, von dem man sich kein Bild machen soll, brach der Safari ein wie eine neue, bildbewusste Religion. Diese hieß Design, und der Safari war natürlich deshalb revolutionär, weil er keine lange Ahnenreihe hinter sich hatte, sondern fix und fertig auf dem Markt erschien und dabei ganz anders daherkam, als seine beiden etwas in Biederkeit erstarrten Konkurrenten. Deshalb konnte er auch erfolgreich landen und gegen sie bestehen.
Wo es ging, und das ist eine der hervorragenden Aspekte seiner Produktgestaltung, machte der Safari es anders als die beiden Platzhirsche. Der Clip? Ein deutlich herausgestelltes, selbstständiges Element. Farblich und materialmäßig abgesetzt. Im Grunde genommen eine gigantisch vergrößerte Büroklammer, an der man stundenlang knibbeln kann, ohne dass sie abbricht. Die Befestigung des Clips? Die Betonung des Verbindungselementes, die Apotheose der Kreuzschlitzschraube, hintergründigerweise sogar mit einer Schlitzbreite, die sich mit einem Fünfpfennigstück bedienen lässt. Was für ein geniales Spielzeug in langweiligen Schulstunden! Aus meiner Sicht hat Lamy einen großen Fehler getan, auf dieses Gadget zu verzichten. Grund war natürlich das kostenbewusste Design, ein teures, gedrehtes Metallteil, das aufwändig zu montieren ist, durch einen Kunststoffdübel zu ersetzen, der im Sekundenbruchteil gesetzt ist. Spart 8,4 Cent pro Füller, doch ein wundervoller, wenn auch unpädagogischer Zusatznutzen ist dahin.
Die Kappe: Ein klares Bekenntnis zum VollKunststoff und dabei erstaunlich stabil. Man sieht es ihr an. Kein flächenbündiger Übergang zwischen Kappe und Korpus mehr wie beim Pelikano, sondern ein kraftvoller Absatz. Wenn man unbedingt die Analogie zur Architektur bedienen will, ist der Pelikano das Sechzigerjahrefenster mit dem filigranen Stahlrahmen, der Safari das schwarz abgesetzte Siebzigerjahrefenster mit dem fetten Blockrahmen oder die Hewi-Türklinke als Rosettengarnitur im Vergleich zur schlanken Eloxalklinke im Langschild.
Auf der Langstrecke ist diese Kunststoffkappe nur so gut wie das Material der Innenkappe. Da gibt es ja offensichtlich zwischen den verschiedenen Jahrgängen Unterschiede in der Kunststoffmischung, die darüber entscheiden, ob die Kappe noch fest sitzt oder nicht. Beim Pelikano sorgte hierfür der kleine flache Stahlring unterm Sichtfenster und (je nach Modell) z.B. drei winzige Kugelsicken im Kappenrand. Teurer in der Fertigung und im Zusammenbau, aber letztlich dauerhafter, denn hier kann kein Weichmacher ausgasen. Die Kappe hält so lange, wie sie ungerissen ist.
Auch beim Griffstück hieß das Motto beim Safari: Betonung des Details. Natürlich gab es schon andere Schreibgeräte mit dreikantigem Griffstück, aber meines Wissens nicht auf dem Sektor der Schulfüller. Und gerade hier war ein Griffstück, welches eine möglichst korrekte, um nicht zu sagen standardisierte Handhaltung des Füllers automatisch vorgibt, natürlich ein hervorragendes Verkaufsargument.
Auch das Engadiner Sichtfenster ist gestalterisch hervorgehoben, und zwar zweifach: Durch Entfall der „Verglasung“ und durch markante Ausbildung der Fensterleibung. Das macht es gleichzeitig kostengünstig und unverwechselbar.
Zum Schluss die Farbe. Safari war natürlich ein heißes Stück Zeitgeist. Und deshalb war auch die Verpackung Bestandteil des Gesamtdesigns. Es war eben nicht nur einfach eine Verpackung, so wie der Blister, in dem der Pelikan und Geha ihre Produkte an den Mann oder die Frau, die hier natürlich der Vater oder die Mutter sind, brachten, sondern eine mit kerniger Stencil beschriftete Kiste mit Eckbeschlägen und einem Clipverschluss (Graupappe und Weichkunststoff), die eindeutig die Kinder als entscheidende Zielgruppe ansprach. Hier erwarb man kein Schreibgerät, sondern ein Stück Freiheit und Abenteuer. An dieser Stelle wundere ich mich über den Mut (oder das Gender – Unverständnis?) der damaligen Marketingabteilung: Ein olivgrünes Abenteuerspielzeug lässt die Hälfte der Zielgruppe außer Acht. Kein Wunder, dass es nicht bei dieser einen Farbe blieb.
Bei der Patrone dann die gute alte Kodak-Methode. Man bringt eine günstige Kamera auf den Markt, zu der nur die eigenen Filme passen, und verdient das Geld dann mit den Filmen. Das machten die beiden Konkurrenten mit ihren jeweiligen Patronensystemen auch nicht anders, das Geschäft lief ja gut. Rein füllhaltertechnisch sind die Unterschiede marginal, wie ja auch das Schreibverhalten kaum unterschiedlich ist. Alle drei sind unverwüstliche, an den harten Schulalltag angepasste Arbeitstiere. Bloß sieht das eine cooler aus, als die beiden anderen. Design statt Produktgestaltung.
Dass der Lamy Safari gesättigt mit Prilblume und Brutalismus ist, ist ein schöner Aphorismus! Und wie schöne Aphorismen so sind, wirkt er durch die Verknappung. Die ganze Sache ist etwas differenzierter.
Man muss sich das Marktumfeld vor Augen führen, in das Lamy ca. 1980 einen neuen Füller zu lancieren beschloss. Zumindest in Westdeutschland war dieser Markt fest in zwei Händen, Pelikan und Geha. Die entsprechende Lagerbildung in den Schulklassen ist Legende. Dabei lagen die beiden Kontrahenten sowohl gestalterisch als auch technisch nicht wirklich weit auseinander. Das kleine Gimmick des Ersatztanks wurde aus Marketingzwecken viel stärker herausgestellt, als es im Alltag wirklich einen Unterschied macht. Der wesentliche Punkt ist: Beide Füller waren evolutionär über die vorangegangenen 20 Jahre entwickelt. Ein Pelikan war ein Pelikan, ein Geha ein Geha, aber ob man jeweils das letzte oder das vorletzte Modell besaß, bedeutete keine nennenswerten Unterschied.
In diese Welt aus Protestanten und Katholiken, die letztlich beide dem selben Gott verpflichtet war, nämlich dem, von dem man sich kein Bild machen soll, brach der Safari ein wie eine neue, bildbewusste Religion. Diese hieß Design, und der Safari war natürlich deshalb revolutionär, weil er keine lange Ahnenreihe hinter sich hatte, sondern fix und fertig auf dem Markt erschien und dabei ganz anders daherkam, als seine beiden etwas in Biederkeit erstarrten Konkurrenten. Deshalb konnte er auch erfolgreich landen und gegen sie bestehen.
Wo es ging, und das ist eine der hervorragenden Aspekte seiner Produktgestaltung, machte der Safari es anders als die beiden Platzhirsche. Der Clip? Ein deutlich herausgestelltes, selbstständiges Element. Farblich und materialmäßig abgesetzt. Im Grunde genommen eine gigantisch vergrößerte Büroklammer, an der man stundenlang knibbeln kann, ohne dass sie abbricht. Die Befestigung des Clips? Die Betonung des Verbindungselementes, die Apotheose der Kreuzschlitzschraube, hintergründigerweise sogar mit einer Schlitzbreite, die sich mit einem Fünfpfennigstück bedienen lässt. Was für ein geniales Spielzeug in langweiligen Schulstunden! Aus meiner Sicht hat Lamy einen großen Fehler getan, auf dieses Gadget zu verzichten. Grund war natürlich das kostenbewusste Design, ein teures, gedrehtes Metallteil, das aufwändig zu montieren ist, durch einen Kunststoffdübel zu ersetzen, der im Sekundenbruchteil gesetzt ist. Spart 8,4 Cent pro Füller, doch ein wundervoller, wenn auch unpädagogischer Zusatznutzen ist dahin.
Die Kappe: Ein klares Bekenntnis zum VollKunststoff und dabei erstaunlich stabil. Man sieht es ihr an. Kein flächenbündiger Übergang zwischen Kappe und Korpus mehr wie beim Pelikano, sondern ein kraftvoller Absatz. Wenn man unbedingt die Analogie zur Architektur bedienen will, ist der Pelikano das Sechzigerjahrefenster mit dem filigranen Stahlrahmen, der Safari das schwarz abgesetzte Siebzigerjahrefenster mit dem fetten Blockrahmen oder die Hewi-Türklinke als Rosettengarnitur im Vergleich zur schlanken Eloxalklinke im Langschild.
Auf der Langstrecke ist diese Kunststoffkappe nur so gut wie das Material der Innenkappe. Da gibt es ja offensichtlich zwischen den verschiedenen Jahrgängen Unterschiede in der Kunststoffmischung, die darüber entscheiden, ob die Kappe noch fest sitzt oder nicht. Beim Pelikano sorgte hierfür der kleine flache Stahlring unterm Sichtfenster und (je nach Modell) z.B. drei winzige Kugelsicken im Kappenrand. Teurer in der Fertigung und im Zusammenbau, aber letztlich dauerhafter, denn hier kann kein Weichmacher ausgasen. Die Kappe hält so lange, wie sie ungerissen ist.
Auch beim Griffstück hieß das Motto beim Safari: Betonung des Details. Natürlich gab es schon andere Schreibgeräte mit dreikantigem Griffstück, aber meines Wissens nicht auf dem Sektor der Schulfüller. Und gerade hier war ein Griffstück, welches eine möglichst korrekte, um nicht zu sagen standardisierte Handhaltung des Füllers automatisch vorgibt, natürlich ein hervorragendes Verkaufsargument.
Auch das Engadiner Sichtfenster ist gestalterisch hervorgehoben, und zwar zweifach: Durch Entfall der „Verglasung“ und durch markante Ausbildung der Fensterleibung. Das macht es gleichzeitig kostengünstig und unverwechselbar.
Zum Schluss die Farbe. Safari war natürlich ein heißes Stück Zeitgeist. Und deshalb war auch die Verpackung Bestandteil des Gesamtdesigns. Es war eben nicht nur einfach eine Verpackung, so wie der Blister, in dem der Pelikan und Geha ihre Produkte an den Mann oder die Frau, die hier natürlich der Vater oder die Mutter sind, brachten, sondern eine mit kerniger Stencil beschriftete Kiste mit Eckbeschlägen und einem Clipverschluss (Graupappe und Weichkunststoff), die eindeutig die Kinder als entscheidende Zielgruppe ansprach. Hier erwarb man kein Schreibgerät, sondern ein Stück Freiheit und Abenteuer. An dieser Stelle wundere ich mich über den Mut (oder das Gender – Unverständnis?) der damaligen Marketingabteilung: Ein olivgrünes Abenteuerspielzeug lässt die Hälfte der Zielgruppe außer Acht. Kein Wunder, dass es nicht bei dieser einen Farbe blieb.
Bei der Patrone dann die gute alte Kodak-Methode. Man bringt eine günstige Kamera auf den Markt, zu der nur die eigenen Filme passen, und verdient das Geld dann mit den Filmen. Das machten die beiden Konkurrenten mit ihren jeweiligen Patronensystemen auch nicht anders, das Geschäft lief ja gut. Rein füllhaltertechnisch sind die Unterschiede marginal, wie ja auch das Schreibverhalten kaum unterschiedlich ist. Alle drei sind unverwüstliche, an den harten Schulalltag angepasste Arbeitstiere. Bloß sieht das eine cooler aus, als die beiden anderen. Design statt Produktgestaltung.
Re: Hat Lamy den Bauhausstil verlassen?
Die „Siebziger“ werden ja nach wie vor als eine epochale Periode dargestellt und bewundert. Als zu der Zeit Heranwachsender empfinde ich sie im Nachhinein gar nicht so sehr als „eigenständiges“ Jahrzehnt. Ich wundere mich regelmäßig darüber, wie unter dem Label „Die 70er“ Zeitgeiststömungen dieses Jahrzehnts wild durcheinander verwurstet werden. Bis 75 waren es ausklingende 60er, danach vorauseilende 80er. Aber da mag jeder seine eigene Wahrnehmung haben.Strombomboli hat geschrieben: ↑10.12.2025 21:34Unterschätzt die herrliche Architektur der 50er Jahre nicht! Die 70er waren die Zeit des Brutalismus und der Prilblume…
Bernd
Re: Hat Lamy den Bauhausstil verlassen?
Ich frage mich, wie der offensichtlich vom Marketing hergestellte Bezug zum Bauhaus, also eigentlich eher ein Werbeslogan, Basis einer sinnvollen Diskussion sein soll. Ich versuche es trotzdem...
Das Bauhaus in Dessau war eine Hochschule für Gestaltung, an welcher von 1925 bis zu ihrer Schliessung 1932 von unterschiedlichen Professoren, unterschiedliche Disziplinen unterrichtet wurden. Von einem eigentlichen Bauhaus-Stil zu sprechen ist also bereits eine grobe Verallgemeinerung, die den einzelnen Gestaltern und Arbeiten nicht gerecht wird. Und diesen "Stil" dann auf zeitgenössische Produkte zu projizieren ist meines Erachtens pures Marketing.
Meines Wissens hat keiner der Designer, welche für LAMY gearbeitet haben am Bauhaus studiert, weder Gerd Müller (LAMY 2000, cp1 etc...) noch Wolfgang Fabian (LAMY safari). Ihre Entwürfe haben folglich also nichts mit dem Bauhaus zu tun.
Auch der Slogan: "form follows function" kann man nicht als Stil bezeichnen. Ausserdem wurde dieser Leitsatz nicht durch das Bauhaus geprägt, sondern höchstens aufgegriffen und als gültig anerkannt. Der Begriff "form follows function" existierte bereits vor der Gründung des Bauhaus.
Auf der Internetseite von LAMY finde ich folgende Erklärung zu "Das LAMY Design":
Das Bauhaus wird unter Anderen tatsächlich als "Vorbild" zitiert. Was genau man sich vom Bauhaus zum Vorbild genommen hat steht jedoch nicht. Auch den deklamierten Verzicht auf "Ornamente oder modische Verzierungen" halte ich grundsätzlich für nicht einlösbar. Bei keinem Produktdesign. Meiner Meinung nach würde das quasi bedeuten ganz auf die Gestaltung zu verzichten. Aber das ist wieder eine ganz andere Diskussion...
Und um auf den Anfang zurück zu kommen; ich halte es nicht für sinnvoll eine themenbezogene Sonderedition eines Schulfüllers nach den Massstäben des funktionalen Designs zu bewerten und möchte das auch nicht tun,
Das Bauhaus in Dessau war eine Hochschule für Gestaltung, an welcher von 1925 bis zu ihrer Schliessung 1932 von unterschiedlichen Professoren, unterschiedliche Disziplinen unterrichtet wurden. Von einem eigentlichen Bauhaus-Stil zu sprechen ist also bereits eine grobe Verallgemeinerung, die den einzelnen Gestaltern und Arbeiten nicht gerecht wird. Und diesen "Stil" dann auf zeitgenössische Produkte zu projizieren ist meines Erachtens pures Marketing.
Meines Wissens hat keiner der Designer, welche für LAMY gearbeitet haben am Bauhaus studiert, weder Gerd Müller (LAMY 2000, cp1 etc...) noch Wolfgang Fabian (LAMY safari). Ihre Entwürfe haben folglich also nichts mit dem Bauhaus zu tun.
Auch der Slogan: "form follows function" kann man nicht als Stil bezeichnen. Ausserdem wurde dieser Leitsatz nicht durch das Bauhaus geprägt, sondern höchstens aufgegriffen und als gültig anerkannt. Der Begriff "form follows function" existierte bereits vor der Gründung des Bauhaus.
Auf der Internetseite von LAMY finde ich folgende Erklärung zu "Das LAMY Design":
Quelle: https://www.lamy.com/de-ch/company/designDie erste und fundamentale Voraussetzung für den Designprozess bei LAMY ist es, eine Haltung zu den Dingen zu entwickeln. Sie sollen schön, funktional, langlebig und möglichst für alle zu erwerben sein. LAMY hat für seinen Entwurfsprozess Leitplanken entwickelt, auch Designkorridore genannt: Keine Ornamente oder modische Verzierungen, das Wichtigste ist eine lange physikalische und vor allem auch visuelle Haltbarkeit. Vorbilder waren das Bauhaus und Unternehmen wie Olivetti, WMF, Rosenthal oder Braun.
Eine Haltung zu den Dingen zu haben, das setzt Bildung, Wissen, Bewusstsein und nicht zuletzt eine kulturelle Fundierung voraus – so die Überzeugung von Dr. Lamy.
Das Bauhaus wird unter Anderen tatsächlich als "Vorbild" zitiert. Was genau man sich vom Bauhaus zum Vorbild genommen hat steht jedoch nicht. Auch den deklamierten Verzicht auf "Ornamente oder modische Verzierungen" halte ich grundsätzlich für nicht einlösbar. Bei keinem Produktdesign. Meiner Meinung nach würde das quasi bedeuten ganz auf die Gestaltung zu verzichten. Aber das ist wieder eine ganz andere Diskussion...
Und um auf den Anfang zurück zu kommen; ich halte es nicht für sinnvoll eine themenbezogene Sonderedition eines Schulfüllers nach den Massstäben des funktionalen Designs zu bewerten und möchte das auch nicht tun,
Beitrag in schwarz: Zollinger als Sammler - Beitrag in grün: Zollinger als Moderator
Re: Hat Lamy den Bauhausstil verlassen?
Beim Lamy 2000 ist die Verbindung recht offensichtlich. Das Teil wurde vom Industridesigner Gerd A. Müller entworfen, der sich stilistisch am Bauhaus-Konzept orientiert hat:Zollinger hat geschrieben: ↑11.12.2025 10:38Das Bauhaus wird unter Anderen tatsächlich als "Vorbild" zitiert. Was genau man sich vom Bauhaus zum Vorbild genommen hat steht jedoch nicht. Auch den deklamierten Verzicht auf "Ornamente oder modische Verzierungen" halte ich grundsätzlich für nicht einlösbar. Bei keinem Produktdesign. Meiner Meinung nach würde das quasi bedeuten ganz auf die Gestaltung zu verzichten. Aber das ist wieder eine ganz andere Diskussion...
https://de.wikipedia.org/wiki/Gerd_A._M%C3%BCller
Der gute Mann hat für Lamy unter anderem auch den Cp1 entworfen.
Das Ziel des Bauhaus war ein hochfunktionales Design, was gleichzeitig eine günstige Massenproduktion ermöglichen sollte. Das war eine Abkehr vom damaligen Konzept, wo zuerst ein Künstler ein Einzelstück hergestellt hat und man dann wegen einer entsprechenden Nachfrage nach Wegen gesucht hat, dieses Kunstwerk (unter Umständen mit qualitativen Abstrichen) in großen Mengen zu produzieren. Beim Bauhaus wollte man Kunstwerke von vornherein so entwerfen, dass man sie direkt als Massenware produzieren kann, damit sich jeder so etwas leisten konnte. Daher wurde das Design möglichst schlicht gehalten.
Daraus hat sich ein typischer nüchterner Stil entwickelt, der auch heute noch sofort auffällt und einige Designklassiker wie die Leuchten von Wagenfeld und Dell oder der Freischwingersessel von Breuer sind auch heute noch sehr gefragt (sowohl als Original als auch als Neuauflage bzw. "inspirierte" Nachfolger).
Den Lamy Safari würde ich auch als Bauhaus-Produkt betrachten. Das Teil ist sehr funktional gestaltet, ohne komplizierte Design-Extras (z.B. keine Kappenringe/Zierringe, keine komplizierten Muster, Steckkappe etc.) und sehr günstig als Massenprodukt aus ABS herzustellen (und nahezu unzerstörbar). Die Farbe ist als einziges Unterscheidungmerkmal ausreichend und einfach umzusetzen. Für die Zielgruppe der Schüler ist das ein ideales Gerät.
gruß
stephan
“Let grammar, punctuation, and spelling into your life! Even the most energetic and wonderful mess has to be turned into sentences.” ― Terry Pratchett
stephan
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