Mein erster Lamy 2000
Mein erster Lamy 2000 kam Anfang der 1970er-Jahre zu mir, ich glaube, es war in der Unterprima. Warum, weiß ich nicht mehr, wahrscheinlich, weil er relativ neu auf dem Markt war und ich einfach etwas anderes als das damals Übliche wollte.
Die Feder war Größe M und meine Handschrift wurde - schlechter. Immerhin hat mich das Teil durch das Abitur gebracht, doch kurz darauf verlor ich ihn, mittlerweile Student in Marburg.
Mein zweiter Lamy 2000
Mein zweiter Lamy 2000 wurde kurz nach dem Verlust des ersten angeschafft, immer noch mit Feder in der Größe M. In der Zwischenzeit hatte ich gelernt, warum meine Handschrift immer schlechter geworden war - die Feder war einfach zu glatt. Dies konnte durch das Herumdrehen des Füllers um 180°, also durch das Schreiben "falsch herum" gelöst werden, und so schrieb ich über 30 Jahre lang, bis der Füller aufgrund der von Lamy falsch gewählten Materialauswahl auseinanderfiel. Er hat sich regelrecht aufgelöst.
Mein dritter und letzter Lamy 2000
In den Jahren zwischen Kauf und Auseinanderfallen kamen einige wenige Füllhalter dazu, Prachtstück war ein Pelikan M 800 mit B-Feder. Der konnte ebenfalls falsch herum geführt werden, schrieb aber auch richtig herum wesentlich besser als das Stück von Lamy. Irgendwo im Oberstübchen kreiste aber der verstorbene Lamy 2000 noch herum, und ich leistete mir nochmals einen; der hat aber Selbstmord begangen. Aufgrund einer weiteren Fehlkonstruktion fiel er, als er einmal vom Tisch rollte, mit der Feder zuvörderst auf den gefliesten Fußboden. Feder verborgen. So durfte er noch circa zwei oder drei Jahre sein Invaliden-Dasein in einem Senfglas fristen, bis bei mir die Erkenntnis dämmerte, daß Lamy 2000 und ich nicht zusammengehören. Der Weg zum Abfalleimer und das Versenken des Füllers in demselben erzeugte in mir eine emotionale Befriedigung, wie ich sie lange nicht mehr gekannt hatte. Ja, Wegwerfen war das Wort; es fühlte sich an wie eine innere Reinigung. Hau weg den Scheiß, füllertechnisch sozusagen. Der Grund für das Wegwerfen war auch, so hoffe ich, nicht irgendeine psychische Instabilität, sondern das Ergebnis eines langsam fortschreitenden Erkenntnisprozesses, wie fürchterlich dieser Füller für mich eigentlich war. Lamy-Freunde, an dieser Stelle bitte wirklich mit dem Lesen aufhören, denn jetzt wird es fürchterlich.
Warum der Lamy 2000 für mich nicht mehr paßt
Ganz einfach:
1. Die Form. Die mag einmal schick gewesen sein, aber aus heutiger Sicht ist das Ding nur noch häßlich. Gute Formgebung zeichnet sich dadurch aus, daß sie nicht alt wird. Dem Lamy 2000 sieht man seine Herkunft aus den späten 1960er-Jahren leider sehr an. Ein Pelikan 100 von 1934 ist immer noch frisch, der Lamy 2000 mieft sozusagen vor sich hin. Und nein, ästhetische Fragen liegen keineswegs im Belieben des Betrachters, es gibt, auch wenn viele Laien das nicht wahrhaben können oder wollen, Normen und Werte im Bereich der Ästhetik. Ich verweise beispielsweise auf § 19 von KdU. Das gerne zitierte "de gustibus non est disputandum" bedeutet übrigens nicht, daß man Geschmacksfragen nicht diskutieren könne, sondern im Gegenteil, man muß nur den Text wörtlich nehmen, daß da nichts zu diskutieren IST, weil nämlich Werte existieren (der Weg hin zur Individualästhetik ist ein bedauerliches Erbe des Sturm- und Drangwahnsinns und der folgenden Künstlerromantik. Trotzdem gilt, nicht der Künstler macht das Kunstwerk, sondern das Kunstwerk macht den Künstler.).
2. Die Form, zweiter Teil. Was vor fünfzig Jahren schick aussah, war schon damals, die Handhabung betreffend, eine Katastrophe. Die fürchterliche Wurstform führt nämlich dazu, daß man den Füller gar nicht richtig halten kann. Gute Füller haben am vorderen Ende einen kleinen Wulst, der das Abrutschen der Finger verhindert. Aber Lamy mußte ja unbedingt anders sein.
3. Die Fehlfunktion. Ein Füller der immerfort sabbert, weil die Kappe nicht richtig schließt und der Korpus da, wo die beiden kleinen Federn sitzen, immer vollgesaut ist? Dankeschön.
4. Das falsche Material. Das gewählte Material gehört selbstredend auch zu den Konstruktionsprinzipien, und das Lamy-Makrolon hat sich halt, wie oben beschrieben, nach gut 30 Jahren krümelnderweise aufgelöst.
Fazit
Lange waren wir zusammen, vielleicht sollte man die gleiche Frau nicht dreimal hintereinander heiraten. Am Ende war nur Frustration. Was ich bemerkenswert finde, ist, daß und wie lange ich gebraucht habe um zu erkennen, daß wir nicht zusammenpassen. Während ich dies schreibe, bekomme ich fast sentimentale Gefühle für Lamy Nummer eins und zwei. Immerhin habe ich mit denen literweise Tinte verbraucht. Dem dritten kann ich nur hinterherrufen "Du warst nicht mehr zeitgemäß, ich habe mich verändert, Du nicht". So mögen sie denn, alle meine drei Lamy 2000 in Frieden ruhen.
Schönen Gruß
Hans (noch nicht ganz lamylos, ich habe noch einen klassischen Lamy, und der funktioniert)