Chinafüller - Erfahrungen?

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Mr.Eyedropper

Re: Chinamüll - Erfahrungen?

Beitrag von Mr.Eyedropper »

Lieber Alexander,

Deiner ersten Aussage kann ich nur zustimmen, beim zweiten Teil würde ich noch etwas weiter gehen. Denn ich frage mich, ob Du den Füllern möglicherweise etwas vorwirfst, was sie gar nicht sein wollen ("die Füller haben in der Regel kein eigenständiges gutes Design"). Ich denke, das ist eine Frage von kultureller Andersartigkeit. Ich habe den Eindruck, dass die Chinesen in einer Kultur der Wiederholung leben und sie die Wiederholung so hoch schätzen wie wir das Originelle, nie Dagewesene. Darum ist das, was wir negativ als Plagiat bezeichnen, es bisweilen sogar strafrechtlich sanktionieren und dem wir üblicherweise die Kreativität absprechen, in China etwas, das positiv gesehen wird und keineswegs als unkreativ gilt. Unsere normative Auffassung von Originalität und Kreativität scheitert quasi an der chinesischen Kultur und nicht umgekehrt.

Auch unsere abendländische Kultur war mal eine Kultur der Wiederholung, in dt. mittelalterlichen Texten des 12. u. 13. Jh. (sog. Staufische Klassik, das mittelalterliche Gegenstück zur sog. Weimarer Klassik) liest man beispielsweise in Prologen immer wieder, dass nur das Wahrheit für sich beanspruchen kann, was schon mal erzählt wurde und nun wiedererzählt wird. Neuerfundenes konnte sich nicht auf Wahrheit berufen und galt damit erstmal als was schlechtes. Erst im Zuge der Renaissance und beschleunigt ab der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts kam eine Phase in unserer abendländischen Kultur, in der das Originelle und Genialische zur Norm wurde. Das lässt sich als Geisteshaltung mit Dichterkonzepten genauso wie in der technologischen Entwicklung sehr gut greifen. Inzwischen befinden aber auch wir Abendländer uns wieder an einer Schwelle zur Entwicklung einer neuen Wiederholungskultur. Diese Schwellensituation lässt sich deutlich beispielsweise in Apples plakativen Aussagen greifen:

Bild

Bild

Einerseits also das Erfinden, das Originalität und Kreativität entspricht, andererseits ist das Erfundene aber eine Wiederholung, de mal besser und mal schlechter gelingt. Mit etwas Augenzwinkern könnte man sagen, wiederholt entwickeln wir eine Wiederholungskultur oder eine Kultur der Metawiederholung ... aber ich wills auch nicht übertreiben ...

Was ich eigentlich sagen will und dafür diesen Exkurs brauchte: Was Dich stört ist möglicherweise nicht das nicht eigenständige Füllerdesign, sondern allgemeiner die (im wörtlichsten Sinne) Sichtbarkeit kultureller Alterität, in der man nicht nur eine Fremdheitserfahrung mit der der fernöstlichen, sondern auch mit der eigenen Kultur macht. Das sehe ich als etwas positives, weil solche Störungen oft außerordentlich produktiv sein und Impulse geben können.
Schuttwegraeumer
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Re: Chinamüll - Erfahrungen?

Beitrag von Schuttwegraeumer »

China macht derzeit im Zeitraffer die Entwiclung durch die vor vielen Jahren Japan gemacht hat.
Japanische Firmen hatten auch anfangs nur (vor allem) Motorräder aus GB nachgebaut.
Und sie haben ganz unten angefangen.
Die ersten Motorräder aus JP wurden noch belächelt.
Dann haben sie mit jedem neuen Modell draufgelegt und die Qualität wurde kontinuierlich besser.
Asiatische Intenieure lernen schnell und ich halte die Möglichkeit dass die Chinesen auch bald zum überholen ansetzen für sehr wahrscheinlich.
Und chinesische Firmen haben teilweise einen großen Finanzpolster und Geld zum entwickeln.
Einzig wenn es um exklusivität geht könnten die höher positionierten MArken punkten, wenn es um gute Ware gegen wenig Geld geht stehen die Chinesen gut da.
Und auch bei vielen Produkten die wir erstmals nicht mit China asoziieren ist der Produktionsstandort in China.
Nur China verlangt dass da mindestens 50% oder so in chinesischer Hand bleibt, jeder der dort produziert gibt quasi alles Know How das dür die Produktion nötig ist auch den chinesen weiter.
Und scheinbar alle spielen dieses Spiel mit.
Wir werden uns noch wundern was und in welcher Qualität da noch aus China und vor allen zu welchem Preis kommen wird.

Die britische Motorradindustrie hat anfangs auch gelacht, dann sind sie der Reihe nach eingegangen.
Heutige Firmen wie Triumph oder sogar Norton haben nicht überlebt, sie wurden mit dem gekauften Markennamen neu gegründet.
ms
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Re: Chinamüll - Erfahrungen?

Beitrag von ms »

Man muss den Chinesen zugute halten, dass die Europäer in den frühen 20er Jahren des letzten Jahrhunderts beim Füllerbau auch nicht anders gehandelt haben. Meines Wissens haben die europäischen Firmen die Mechanik und das Äußere der amerikanischen Parker und Watermans auch weitgehend kopiert, bis sich dann eigenständige Entwicklungen abzeichneten.

Gruß

Michael
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glucydur
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Re: Chinamüll - Erfahrungen?

Beitrag von glucydur »

@Mr.Eyedropper: Besser kann man es nicht ausdrücken!

VG

Alexander
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Re: Chinamüll - Erfahrungen?

Beitrag von Beginner »

glucydur hat geschrieben:@Mr.Eyedropper: Besser kann man es nicht ausdrücken!

VG

Alexander
Großartig was aus diesem provokanten Einstieg entstanden ist!
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glucydur
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Re: Chinamüll - Erfahrungen?

Beitrag von glucydur »

@Beginner: Es ist eben eine gewisse argumentative Kunstfertigkeit, Gegensätze aufzuheben und zu neutralisieren. Dem Thema wird so sein ursprünglicher Stellenwert zurück gegeben: vollkommene Unerheblichkeit und Belanglosigkeit. Die Welt wird sich weiter drehen: ob China nun vermeintlichen Müll produziert oder nicht. Letztendlich entscheiden die Bilanzen der Hersteller, ob ein Produkt am Markt erfolgreich ist oder nicht. Die chinesischen Füller werden in der aktuellen Form solange weiter produziert werden, wie es Käufer gibt, die ihnen momentan Eigenschaften zubilligen, die kaufentscheidend sind. Sei es der Preis oder die Qualität oder die Relation, in der die beiden Kriterien zueinander stehen.

VG

Alexander
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Tommy
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Re: Chinamüll - Erfahrungen?

Beitrag von Tommy »

Guten Morgen zusammen,

nach langer Zeit des Lesens habe ich mich hier mal angemeldet.
Auch ich (29) bin wieder zum Füller zurück gekommen.
Grund war, dass ich beim Langsamschreiben eine schöne Schrift habe, sobald es schneller geht, wird es unruhig. Lesbar, aber nicht schön.
Auch der Kuli hat - entgegen diesen Irrglaubens - meine Handschrift doch schon etwas versaut.
Da ich seit 15 Jahren keinen Füller mehr besitze (natürlich der Pelikano), bin ich auch auf die Suche gegangen.



Ich wusste, dass das Thema Füllfederhalter ein teures Hobby sein kann.
So war ich überrascht, bei ebay die Firma "Jinhao" entdeckt zu haben, welche für 5 € inkl. Versand "edle" Füller anbietet.

Habe verschiedene Modelle ausporbiert mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen.
Es ist natürlich eine objektive Betrachtung, die sich ausschließlich auf Jinhao bezieht, ohne Vergleich zu anderen Markenherstellern.

Jinhao 601 - derzeit mein Lieblingsfüller. Er sieht in purem Gold sehr elegant aus. Die Feder ist etwas schmaler und durch den Griff wirkt sie auch kürzer. Man hält ihn etwas weiter oben, damit man das Papier erriecht. Anfangs etwas kratzig. Mit schwarzer Pelikantinte perfekt, wobei die nur so geflossen ist. Der Verbrauch war schon enorm. Sehr schmaler Stift, liegt sehr gut in der Hand.

Jinhao X750 - hat eine große breite Feder. Gleitet angenehm über das Papier. Optimal für geschwungene Schriften. Ist etwas wuchtiger, liegt aber auch gut in der Hand.
Vom Schreiben der angenehmste.

Jinhao 250 - gefällt mir optisch mit am besten. Schreiben war Ok, jedoch hat er mir zu viele Aussetzer (Bogen vom R setzt im Schwung aus). Habe zum Test einen 2. geordert- auch hier das Problem. Für mich beim schnellen Schreiben nichts. Durch die schmale Feder wirkt er etwas härter. Leider für mich nichts

Jinhao 450 - hat das Griffstück geformt. Erinnert mich an den Lamy Schulfüller. Schreiben ist angenehm, liegt an der breiten Feder. Tinenfluss ok.


Das ist eine kurze Auswahl. Ich habe auch einen "No-Name" Füller, made in Germany. Dieser hat eine deutlich weichere Feder. Und das kann man glaube ich bei allen Chinesen sagen: die Federn sind alle etwas härter!

Im Alltag absolut top, keine Frage, aber ich denke, dass man für 50 € deutlich "bessere" Füller bekommt. Ist halt auch eine Frage des Geldbeutel und den Willen, es auch zu bezahlen. Dann würde ich jeden Markenfüller den Chinesen vorziehen.
Die Qualität und Verarbeitung aber ist bei den Chinesen gut. Schrott ist das bei weitem nicht !!!
Zu den Konvertern kann ich noch nichts sagen, schreibe bis jetzt noch mit Patronen.

Wenn Interesse besteht, kann ich gerne ein Schriftbild einscannen.

Grüße Thomas
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osh
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Re: Chinamüll - Erfahrungen?

Beitrag von osh »

Auch in meinen Ablagefächern finden sich ein paar Jinhaos und andere Chinesen.
Sieht man die Qualität in Relation zum Preis, dann kann meiner Meinung nach kein Merkenhersteller X da mithalten. Das Preis/Leistungsverhältnis ist schlicht phänomenal.

Mag sein, dass es Qualitätsschwankungen gibt und ich viel Glück hatte.
Allerdings: Liest man aufmerksam in Foren, dann haben auch auffallend viele Menschen Probleme mit ihrem neuen 200 oder 300 Euro Füller vom Markenhersteller.

Die Reaktionen sind nur etwas unterschiedlich:
5,- Euro Füller: "Naja, was hast Du für den Preis erwartet?" usw.
200,- Euro Füller: "Spül erst mal den Tintenleiter richtig durch, da sind vielleicht noch Reste von der Produktion drin" usw.

Der X450 ist genau wie der x750 ein richtig massiver, solider Füller. Hätte ich einen davon in die Hand bekommen, ohne ihn zu kennen, dann hätte ich auf einen Preis im Bereich von 40-50 Euro geschätzt. Ganz sicher niemals 5,- oder 10,-.

Bei mir schreiben Beide völlig problemlos, ohne Aussetzer oder ähnliches.
Anders gesagt: Out of the box um Klassen besser, als der Pelikan M605 out-of-the-box, den ich mal für kurze Zeit hatte. Dem konnten zwar seine Zicken dann am Ende noch ausgetrieben werden, aber eben: Wo war denn da die Qualitätskontrolle?

Lange Rede, kurzer Sinn: Jinhao ist in der Regel - von den es Ausnahmen geben mag - alles Andere als Chinaschrott. Im Gegenteil. Top value for the money.
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ingolf
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Re: Chinamüll - Erfahrungen?

Beitrag von ingolf »

osh hat geschrieben:Lange Rede, kurzer Sinn: Jinhao ist in der Regel - von den es Ausnahmen geben mag - alles Andere als Chinaschrott. Im Gegenteil. Top value for the money.
Ja (5x Jinhao, 1x Duke, viele andere Markenhersteller) :D .
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drwhox
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Re: Chinamüll - Erfahrungen?

Beitrag von drwhox »

Moin!

Mag ja alles richtig sein, aber trotzdem kaufe ich "Gefühlsmäßig" (bisher) lieber keine China-Füller....
Ich kaufe ich aber gerne chin. Tusche und Pinsel...
(Natürlich Technik auch oft, denn Konstruiert wird zwar oft auch in anderen Ländern, produziert dann sehr oft aber in China...)..
Mal sehen, wenn China bei den Schreibgeräten eines Tages die Qualität, von mindestens TWSBI oder sogar Pliot, Sailor oder Platinum erreicht hat, dann ändere ich meine Meinung vielleicht...

Meine Meinung bisher ist:
Lieber etwas mehr ausgeben und ein wertigeren Füller kaufen - als nur auf den Preis zu schauen und dann Qualität in Relation zum bezahlten Preis zu vergleichen...

Bitte nicht falsch verstehen, die Chinafüller müssen ja nicht schlecht sein - nur gibt es bei mir keine "Gefühlsechte" Einstellung zu diesen Produkten...


Liebe Grüße aus Berlin,
Manuel
MelliL
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Re: Chinamüll - Erfahrungen?

Beitrag von MelliL »

Ich war auch überrascht von dem, was einem Jinhao für das bißchen Geld bietet. Sie schreiben durch die Bank ordentlich, auch bei den Federn habe ich schon deutlich mehr Geld für unkooperatives Metall ausgegeben. Insofern waren meine Bestellungen ein Schuß in den Ofen, weil ich die Kameraden in erster Linie gekauft habe, um die Federn zu schleifen.

Allerdings habe ich den Eindruck, daß die Füller über die Maßen schnell eintrocknen. Kann diese Beobachtung jemand bestätigen?
Viele Grüße,
Melli
philS
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Re: Chinamüll - Erfahrungen?

Beitrag von philS »

MelliL hat geschrieben:Kann diese Beobachtung jemand bestätigen?
Bestätige!
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Tenryu
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Re: Chinamüll - Erfahrungen?

Beitrag von Tenryu »

Bei meinem 159er hält es sich in Grenzen.
Da ist mein Faber-Castell Ondoro schlimmer. Wenn der drei Tage liegen bleibt, schmiert die Tinte auf den ersten drei Zeilen nur noch als dickflüssige Suppe aufs Papier.

Ich verstehe nicht, wieso viele (auch luxuriöse) Hersteller dieses Problem nicht in den Griff bekommen. Platinum schafft es, selbst bei einem Wegwerf-Füller wie dem Preppy, eine dicht schließende Innenkappe anzubringen. :roll:
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patta
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Re: Chinamüll - Erfahrungen?

Beitrag von patta »

Tenryu, ich denke, die Problematik ist komplexer. Eine dicht abschließende Füllerkappe zu bauen traue ich (nahezu) allen Stifteherstellern zu. Nun wenn sie luftdicht abschließt, dann entsteht beim Abziehen der Kappe ein Unterdruck und die Tinte wird aus dem Tintenleiter gesaugt. Ergo: Eine Sauerei entsteht.
Doch ich stimme zu: Auch ich mag es nicht, wenn nach kurzer Zeit ein geschlossener Stift erst mühsam wieder zu Schreiben beginnt. Schreibe ich mal einen Monat nicht mit einem Waldmann (verschraubte Kappe) oder Lamy 2000 macht es ihnen gar nichts aus und schon der erste Strich sitzt. Meinen Jinhao X750 (um beim Thema zu bleiben) muss ich schon nach einer Woche mittels Wasser zum Schreiben bewegen.

Die Hälfte dessen, was man schreibt, ist schädlich, die andere Hälfte unnütz. - Friedrich Dürrenmatt
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YETI
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Re: Chinamüll - Erfahrungen?

Beitrag von YETI »

Das kann man aber nicht nur bei chinesischen Füllern feststellen. Auch ein renomierter Hersteller, wie Parker scheint das Geheimnis dichter Kappen noch nicht gelöst zu haben. Von meinen vier Parker trocknen genau vier Stück in kurzer Zeit ein.
Man darf die Qualität nicht an der Herkunft festmachen. Man kann auch bei Herstellern hereinfallen, bei denen man sich eigentlich sicher fühlt.

Gruß

Andreas
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