TWSBI Vac Mini und das Vakuum-Füllsystem

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VolkerB
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TWSBI Vac Mini und das Vakuum-Füllsystem

Beitrag von VolkerB » 18.09.2017 21:15

Hallo,

auch wenn es kein neuer Füller ist, möchte ich gern über meinen TWSBI Vac Mini berichten. Ich hatte mich vorher gut belesen, aber in der Praxis ist der Füller doch etwas anders als ich mir vorgestellt habe.

Grund für den Kauf war letztlich einerseits der Wunsch, ein anderes Füllsystem auszuprobieren und zum anderen der gutaussehende Demonstrator-Korpus. Außerdem habe ich mir eine 1,1 mm Stub-Feder ausgesucht.

Der Füller sieht nicht nur gut aus, sondern liegt auch gut in der Hand, nicht zuletzt durch das relativ lange Griffstück, daß einem keine spezielle Fingerhaltung aufzwingt, sondern etwas Freiraum läßt. Die Länge ist für mich auch ohne aufgesetzte Kappe lang genug. Das Highlight ist allerdings die Feder, die schön glatt ist und dabei eine angenehme Schriftvariation bietet.

Etwas lästig ist der Verschluß des Tintentanks durch den Kolben, so daß nur in einer Art Bereitschaftstank Tinte vorhanden ist, für längeres Schreiben muß der Tank geöffnet werden. Da ich keine Flugreisen o. ä. mache, ist der Tank jetzt immer geöffnet. Probleme habe ich keine gehabt. Ich habe bereits die neue Form des Kolbens mit nur einem Dichtungsgummi, sonst hätte ich den unteren Gummiring entfernt. Dieses Aufdrehen finde ich etwas lästig, aber mehr nicht.

Deutlich größere Probleme macht das Füllsystem aufgrund von systembedingten Eigenheiten: Anders als bei Kolbenfüllern wird Entleeren und Neubefüllen nicht getrennt, sondern gehört zusammen in einen Arbeitsgang. Das sollte keine Probleme machen, wenn man bloß die gleiche Tinte wieder auffüllt, aber vor einem Tintenwechsel ist eine gründliche Reinigung sinnvoll:

In dem Moment, wo der Kolben den Punkt erreicht, an dem sich der Schaft innen weitet, saugt der Unterdruck dahinter nicht nur die Tinte aus dem Glas nach hinten, sondern auch die Luft und damit die Tinten reste, die noch im Schaft sind. Auf der Vorder- und Hinterseite des Dichtungsgummis, aber auch am Übergang von Tintenleiter zum Tintentank und am Schaft des Kolbens gibt es genug Orte, an denen sich Tintenreste befinden.
Glücklicherweise läßt sich der Füller gut auseinandernehmen und reinigen, aber es dauert dennoch eine Weile und man wundert sich, wieviel Farbreste dann doch noch zu sehen sind, wenn man danach einen Probelauf mit klarem Wasser macht. Lobenswert sind die beiliegenden Werkzeuge.

Einfach eine neue, andereTinte aufsaugen möchte ich nicht, weil man zuerst die Reste der alten ins Glas pustet und ich die Tinte nicht mit Resten einer anderen kontaminieren will. Bei ähnlichen Tinten mag das nicht auffallen, ein Glas helle Tinte kann man aber leicht damit verderben. Und kleinere Koni wie die Einsätze im TWSBI 50 ml Tintenglas werden erst einmal von der ausströmenden Luft teilweise bis weitgehend leergeblasen.

Die Tankkapazität ist in Ordnung, aber eine normale Füllung füllt nur gut die Hälfte des Schafts – bei gut geschmiertem Kolben etwas mehr, bei ruckelndem, schwergängigen System weniger. Aber – bei breiter Feder – hält er auch nicht länger durch als andere Patronen- oder Kolbenfüller.

Mit dem TWSBI Vac 20 Tintenglas kann man komplette Füllungen ereichen, aber nacher hat der Füller jedes Mal getropft. Der Hals des Vac 20 ist relativ hoch, so daß auch hier keine Mini-Mengen an Tinte verwendet werden können.
Tropfen habe ich bisher nur in den ersten Minuten unmittelbar nach dem Befüllen bemerkt, nie im weiteren Verlauf.

Die Haltbarkeit des Füllers wird immer wieder diskutiert. Bei mir sind nach etwa 3 Monaten 2 feine Risse am hinteren Gewinde aufgetreten, die sich im Verlauf ausbreiteten. Ich habe den Händler kontaktiert und problemlos Ersatz von TWSBI geschickt bekommen. Dadurch, daß der Füller bei Tintenwechsel demontiert werden muß, wird die Gefahr von versehentlich zu stark angezogenen Schrauben nicht geringer, auch wenn ich nicht glaube, daß ich sie unangemessen stark angezogen habe.
Risse Vac Mini s.jpg
Risse Vac Mini s.jpg (82.2 KiB) 2575 mal betrachtet
Zusammenfassend bin ich mit dem Füller durchaus zufrieden, er schreibt sich sehr angenehm und schön. Das Füllsystem ist nicht wirklich für häufigen Tintenwechsel geeignet, daran ändert auch die gute Demontierbarkeit nichts. Die Tankkapazität ist in Ordnung, aber mehr auch nicht.

Bin ich zu streng mit dem Vakuum-Füller als Füllsystem? Man muß dem System zu Gute halten, daß es schon seit 1905 auf dem Markt ist, der klassische Pelikan-Kolbenfüller ist 24 Jahre jünger und die Tintenpatronen aus Plastik kamen etwa 50 Jahre später auf den Markt. Die ganzen Systeme mit Tintensack aus Gummi sind auch nicht älter und in der Zwischenzeit längst wieder vom Markt – wenn man von einfachen Quetsch-Konvertern absieht. Und Probleme mit dem Ausblasen von Tintenresten hätte man bei einem Sheaffer Touchdown oder Parker 51 auch.

Aber das Bessere ist des Guten Feind. Für kontinuierliches Schreiben mit der Lieblingstinte ist der Vac Mini (wie andere Vakuumfüller im allgemeinen) sicher gut geeignet, für häufigen Tintenwechsel gibt es bessere Systeme. Bis auf weiteres bleibe ich erst einmal bei der Tinte, die gerande drin ist – Pelikan Edelstein Amethyst. Die sieht in einem Demonstrator auch wirklich gut aus.

Viele Grüße,
Volker

Hanjoro
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Re: TWSBI Vac Mini und das Vakuum-Füllsystem

Beitrag von Hanjoro » 19.04.2019 22:31

Hallo Volker,
vielen Dank für die ausführlichen Bericht. Ich habe ihn leider erst entdeckt, nachdem ich mir kürzlich den Füller gekauft habe, und bin vollkommen begeistert. Ich sehe einige Dinge etwas anders:
Gerade dieses kurze Aufdrehen vor dem Schreiben - das ist beim Pilot Custom 823 genauso - gibt mir das Gefühl des Besonderen dieses Füllsystems, ein kleines Ritual zu Beginn, was diese Füller von den meisten anderen unterscheidet.
Was das Füllsystem selbst angeht: Ja, ich finde, dass Du zu streng bist. Sicherlich ist dasselbe System bei Pilot qualitativ hochwertiger (wie auch der verwendete Kunststoff), aber dieses Gefühl in der Hand, wenn man die Tinte hochbeamt, hat eben auch diese besondere in den Fingern spürbare Anmutung. Dagegen ist doch das Drehen am Kolben oder das etwas futschelige Drehen an Konvertern von z.T. mit großem Abstand teureren Füllern langweilig oder haptisch sogar unterwertig. Aber das ist wahrscheinlich Geschmackssache.
Ich habe auch diese 1,1 Feder genommen und bin sehr froh damit, die hat mich wirklich überrascht. Ich habe Goldfedern in anderen Füllern, die sich in jeder Hinsicht banaler anfühlen. Mit dieser 1,1 des Vac Mini kann ich mit Strichbreitenvariation zwischen fein und kräftig differenzieren und gleichzeitig unglaublich präzise schreiben. Und die Feder ist nicht etwa widerständig, sondern gleitet gut über das Papier.
Ein anderer Effekt ist mir aufgefallen, mit dem ich ebenfalls nicht gerechnet hatte: Ich benutze ihn inzwischen oft für Notizen, da man diesen Füller relativ lange mal aus der Hand legen kann, ohne direkt die Kappe aufschrauben zu müssen, damit er nicht trocken wird. Alle meine anderen Füller lassen sich das nicht so lange gefallen. Deshalb benutze ich normalerweise dafür einen Capless, weil da eben alles schneller geht und die Pilotfedern superpräzise schreiben. Nun ist der Vac Mini im selben Spiel angekommen, und ich benutze ihn ziemlich viel für Notizen während des Lesens. Als Tinte habe ich mich für yu-yake, also das Orange von Pilot, entschieden, was im Füller wie auch auf dem Papier aufregend und nicht etwa verspielt aussieht. Ich hatte die erst mal mehr aus Laune genommen, weil sie mir im Glas so gut gefiel, aber diese Tinte harmonisiert so ausgezeichnet mit dem Füller und sieht so gut aus, dass ich wohl dabei bleiben werde.
Also noch mal vielen Dank und Grüße. Falls Du hier noch mal reinschaust, würde mich interessieren, wie die Zufriedenheit mit diesem Füller sich entwickelt hat.
Hanjo

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