Jinhao 100 Centennial mit 14K Goldfeder

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alt_genug
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Jinhao 100 Centennial mit 14K Goldfeder

Beitrag von alt_genug » 05.12.2022 11:15

Vorwort

Chinesische Füller haben mich bisher nicht interessiert. Zum einen mag ich die meist überdeutliche Anlehnung an bekannte Vorbilder nicht, zum anderen schreibe ich beinahe ausschließlich mit Goldfedern und chinesische Goldfedern waren mir nicht bekannt.

Beim letzten Punkt gab es nun eine Veränderung. Es ist seit einiger Zeit eine 14-karätige Goldfeder in Größe 6 von Jinhao verfügbar. Da ich auch bei einigen japanischen Füllhaltern über offensichtliche „Inspirationen“ hinwegsehe, schien es mir angebracht, über meinen Schatten zu springen und diese Feder in einem chinesischen Füllfederhalter auszuprobieren.

Um dem Test mehr Aussagekraft zu geben, habe ich mich dafür mit Armin (SteamDevil) zusammengetan und den Füller nach meiner Begutachtung an ihn weitergereicht. Als Kenner chinesischer Schreib-Hardware kann er Vergleiche ziehen, die mir nicht möglich sind. Zusammen sollte sich damit hoffentlich ein umfassendes Bild ergeben.

Goldfedern

Da man mit Stahlfedern erwiesenermaßen ausgezeichnet schreiben kann, es von flexibel bis nagelhart, seidenglatt bis kratzend alle denkbaren Schreibeigenschaften in Stahlfedern gibt und man letztlich sowieso nur auf einem geschliffenen und polierten Klümpchen Iridium schreibt, stellt sich die Frage, warum man sich überhaupt mit Goldfedern abgibt.

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Ich kann die Frage nicht allgemeingültig beantworten. Für mich ist es die Art der Rückmeldung, welche die Feder über das Aufeinandertreffen von Iridiumkorn und Papier an den Stift übermittelt. Ich habe das Gefühl, dass eine Stahlfeder das Feedback direkter weitergibt, während eine Goldfeder hier etwas dämpft. Ich finde, man hört das auch: Während eine Stahlfeder das Feedback mit hellerem Ton wiedergibt, klingt es bei einer Goldfeder tiefer.

Inwieweit das wissenschaftlich haltbar ist, oder letztlich doch auf Einbildung beruht, kann ich auch wieder nicht abschließend bewerten. Fakt ist, dass ich deshalb einfach lieber mit Goldfedern schreibe.

Jinhao 100

Die Feder aus 14-karätigem Gold von Jinhao ist momentan bei uns ausschließlich im Jinhao 100 verfügbar. Die großen Handelsportale bieten diesen Füller in mehreren Farbvarianten an. Bei der Suche ist Aufmerksamkeit angebracht, weil immer wieder Angebote mit einer „18KGP“-Feder in die Ergebnisliste rutschen. Das steht für „18 Karat gold plated“ und damit für eine vergoldete Stahlfeder.

Der Stift ist eine Nachbildung des Parker Duofold Centennial. Nicht alle Ausformungen sind dabei exakt übernommen, aber das Griffstück eines Parker Duofold lässt sich z.B. in den Schaft des Jinhao einschrauben. Die beim Duofold gesteckte Feder sitzt beim Jinhao allerdings in einem einschraubbaren Triple, welches weder mit Bock noch JoWo Triples kompatibel ist.

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Alle mit Goldfeder erhältlichen Jinhao 100 haben den gleichen grundlegenden Aufbau und vergoldete Zierteile. Wir haben den Füllfederhalter in einem elfenbeinfarbenen Material geordert. Es scheint sich um Acryl zu handeln. Das Material hat eine dezente Maserung und ist ganz leicht durchscheinend. Die Kappe ist unten mit einem breiten, vergoldeten Metallring gefasst, das Gewinde aber in den Kunststoff geschnitten.

Das Material des Jinhao mutet robust und solide an. Nur im direkten Vergleich wirkt das Parker-Acryl etwas hochwertiger. Das Kappengewinde des Jinhao hakt bei unserem Exemplar manchmal ein wenig. Möglicherweise lässt sich das durch beherzteres Zudrehen über die Zeit abstellen. Der Parker hatte da nie ein Problem. Sonst ist am Jinhao 100 nichts auszusetzen, alles ist passgenau und wirkt solide.

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Langzeiterfahrungen gibt es natürlich noch nicht. Die Neigung zum Eintrocknen oder möglicher Abrieb der Vergoldungen wären erst nach längerer Zeit einschätzbar. Eventuell können wir das nachliefern. Es gibt aber bisher keinerlei Anzeichen, dass sich irgendetwas schnell zum Negativen entwickeln könnte.

Die 14K Feder

Alle Federn, die ich in Angeboten finden konnte, hatten die Federstärke F. Mir kommt das entgegen, ich schreibe am liebsten mit nicht zu dünnen F- oder feineren M-Federn. Die Jinhao-Feder erfreut hier mit sattem Strich im Mittelpunkt meines Wohlfühlbereiches. Die Feder scheint einwandfrei gearbeitet, der Schlitz teilt sie in gleichmäßig breite Schenkel, das Iridiumkorn sitzt mittig.

Auch in den Schreibeigenschaften hält sich die Feder aus Extremen heraus. Sie ist eher rigide, ohne nagelhart zu sein. Das Feedback ist deutlich, ohne dass ein kratziges Gefühl aufkommt. Der Tintenfluss ist gut, ohne verschwenderisch zu sein. Die Feder reiht sich damit unauffällig in das Feld moderner Goldfedern in Größe 6 ein. Eine Pelikan M80X-Feder ist vielleicht etwas glatter, die #6 eines Sailor hat mehr Feedback.

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Im direkten Vergleich mit einer Parker 18K Duofold-Centennial-Feder in F sind die Unterschiede minimal. Auch wenn sich die Geometrie der Federn sichtbar unterscheidet, sind die Strichbreite und die Schreibeigenschaften sehr ähnlich. Das Feedback der Parker-Feder ist minimal gleichmäßiger, der Tintenfluss und die (Un-)Flexibilität sind in etwa gleich.

Lediglich beim Setzen von Punkten bemerke ich von der Jinhao ein leichtes Klicken oder Knacken der Feder, als würden die Federschenkel etwas gegeneinander verspringen. So etwas kann sich über die Zeit geben oder lässt sich vielleicht mit dem Durchziehen eines dünnen Kupferbleches durch den Federschlitz beheben.

Fazit

Der getestete Jinhao 100 mit der 14K F ist schon im Auslieferungszustand ein brauchbares, alltagstaugliches Schreibgerät mit für meine Schreibhaltung angenehmen Schreibeigenschaften. Kleinere Unvollkommenheiten erscheinen beheb- oder verschmerzbar, beeinträchtigen die Funktion nicht. Es deutet alles darauf hin, dass man mit diesem Füller ein robustes und langlebiges Schreibgerät für gehobene Ansprüche erhält.

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Der Preis ist - wie bei chinesischen Füllern üblich - günstiger als der von vergleichbaren Konkurrenzprodukten. Da die UVP für diesen Füllfederhalter nirgends angegeben ist, lassen sich nur Marktpreise vergleichen. Ein japanischer Füllhalter mit Goldfeder kostet häufig das 1,5-fache des Jinhao, ein Lamy oder Pelikan mit Goldfeder bei günstigen Angeboten etwa das Doppelte.

Dabei bringen die meisten Vergleichskandidaten dann eine kleinere Feder in Größe 5 mit. Bei vielen Herstellern gibt es einen Preisaufschlag für Schreibgeräte mit #6 Federn. Das Vorbild Parker Duofold Centennial kostet (allerdings dann mit 18K Feder) neu eher um die 500 Euro. Ein Pilot Custom Heritage 912 ist allerdings auch schon mal für etwa 200 Euro neu erhältlich.

Preis-Leistungsmäßig würde sich der Jinhao mit seinen etwas über 100 Euro also durchaus gut einfügen, wenn man ein fehlerfreies Exemplar bekommt. Er ist günstiger als die Konkurrenz, aber nicht lächerlich billig. Allerdings besetzt er damit aus meiner Sicht ein schwieriges Gebiet: Er ist kein konkurrenzloses Schnäppchen, ihm fehlt aber sowohl die meist ordentliche Qualitätsicherung japanischer Produkte als auch der Nimbus bekannter Marken.

Für mich ist er am Ende nicht das passende Schreibgerät. Zum einen vermeide ich goldfarbene Zierteile nach Möglichkeit, auch wenn ich diesbezüglich durch ältere Füller schon toleranter geworden bin. Mir wäre aber die gestalterische Nähe zum bekannten Original unangenehm, vor allem im Außeneinsatz. Ich würde mir wünschen, dass Jinhao zukünftig selbstbewusst mit eigenen Entwürfen in den Markt geht. Und die kleinen Macken trüben den Eindruck etwas, aus meiner Sicht sollte für diesen Preis eine solide Endkontrolle machbar sein.

Weiter geht es mit Armins Teil!

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Re: Jinhao 100 Centennial mit 14K Goldfeder

Beitrag von SteamDevil » 05.12.2022 11:21

Vielen Dank Sebastian!

Liebe Gemeinde,

zuerst einmal möchte ich mich ganz herzlich bei Sebastian bedanken, der an mich heran getreten ist um dieses Gemeinschaftsprojekt zu verwirklichen.
Dadurch hatten wir Gelegenheit die Ansichten und Einschätzungen zweier Personen zu vergleichen, die grundsätzlich verschiedene Vorlieben bzw. Gewohnheiten haben.
Während der eine bevorzugt und fast ausschließlich mit Goldfedern schreibt, schreibt der andere bevorzugt und ausschließlich mit Stahlfedern.
Insbesondere für mich war das eine sehr spannende und hilfreiche Erfahrung.
Bitte wundert Euch nicht darüber, daß ich diesen Bericht mal wieder etwas lang gezogen habe. Aber im Gegensatz zu Sebastian, der einen direkten Vergleich zu anderen Goldfedern herstellt und sich auch darauf beschränkt, muß ich aus meiner Position das Sichtfeld deutlich erweitern, da ich auch Vergleiche zu herkömmlichen Stahlfedern einbeziehe und es daher etwas umfassender wird.
Und natürlich versuche ich weitestgehend objektiv an die Sache heran zu gehen, was aber sehr kompliziert war bei all den subjektiven Eindrücken.

Ich war so frei und habe diese Review in 3 Teile geteilt.
Der erste Teil befasst sich mit den allgemeinen Dingen zu Aussehen, Material, Eigenschaften und dem Fazit.
Der zweite Teil enthält hauptsachlich Schreibproben und den Vergleichen der verschiedenen Federn.
Im dritten Teil findet sich dann lediglich meine persönliche Meinung zu Goldfedern und meine subjektive Sicht im Vergleich zu Stahlfedern.
Und da damit wollen wir langsam Anfangen.

Doch bevor es richtig los geht:
Um Speicher-Ressourcen im Forum zu schonen nutze ich einen externen Image-Hoster.
Die kleineren Thumbnail einfach anklicken und danach die "Zurück" Funktion des Browsers nutzen - oder "in neuem Tab" öffnen.

Jinhao 100 Centennial mit "F" 14k Goldfeder

Technische Daten zu diesem Füller findet Ihr auf dem später folgenden Bild mit dem Testbogen.

Allgemeines:

Der Jinhao 100 Centnnial ist klar "inspiriert" vom Parker Duofold Centennial. Da hilft kein noch so großes Lamentieren, daß ist nun einmal so.
Legt man beide Modelle nebeneinander läßt sich auf den ersten Blick nur am Clip erkennen, welcher der Parker und welcher der Duofold ist.
Aber auch hier hat Jinhao "nachgebessert" und auch Modelle des 100 Centennial mit einem dem Parker sehr ähnlichen "Arrow Clip" versehen.
Ja, "Inspiration" ist schon was "feines".
  • Bild
Das Design der Feder ist auch ein recht bekanntes und natürlich wieder von einem der Big Player inspiriert worden.
Während auf dem Vorbild die Zahl "4810" (offizielle Höhe des Montblanc) zu sehen ist, glänzt die Feder des Jinhao 100 mit der Zahl "1949" - dem Gründungsdatum der Volksrepublik China durch Mao Tze Tung.
Na ja, auch Sailor mit seinem 1911 (der mir zum Vergleichstest zur Verfügung gestellt wurde) nimmt sich da nicht viel in Sachen "Inspiration" und verziert seine Feder mit der "1911", dem Jahr der Firmengründung.
Bild
Einen direkten Vergleich habt Ihr ja schon auf den Bildern von Sebastian gesehen.

Erscheinungsbild:

Wie Eingangs schon erwähnt, ist der Jinhao 100 Centnnial ist klar "inspiriert" vom Parker Duofold Centennial.
Ganz knapp vorbei an einer 1:1 Kopie aber definitiv als "Abklatsch" zu betrachten.
Farblich tritt der Jinhao 100 jedoch in Varianten auf, die das "Original" von Parker nie hatte. Das hilft ungemein bei der Unterscheidung von "Original" und "Kopie".

Das speziell hier vorliegende Modell erscheint in einem leicht Elfenbeinfarbenen Ton einer dezenten etwas dunkleren Marmorierung. Als Kontrast/Akzent sind die beiden Endkappen an Schaft und Kappe in Schwarz gehalten.
Tatsächlich ist die Illusion von Marmor recht gut gelungen und ist sehr gefällig. Auch wenn die Wahl zu dieser Farbvariante eher aus nüchternen Beweggründen vollzogen wurde, denn in seiner doch recht deutlichen "Neutralität" lassen sich nahezu alle Farbkompositionen an Tinte verwenden ohne gleich eine leichte kognitive Dissonanz hervor zu rufen.
Sämtliche Metallteile sind in Goldfarben gehalten und machen das Bild stimmig und geben dem Jinhao 100 einen dezent edlen Look.
Stimmig fügt sich damit auch die goldene Feder in das Gesamtbild.

Material und Verarbeitung:
Beim Material bin ich mir leider nicht wirklich sicher bei diesem Modell.
Ich schwanke noch zwischen "Kunstharz" (Resin) und gewöhnlichem Spritzguss Plastik.
Vom Gefühl her könnte es Resin sein, welches aber nicht extrem hochwertig erscheint.
Im direkten Vergleich mit meinem "Crocodile 806" mit 35 Gramm bei identischer Größe, wirkt der Jinhao 100 vom Material her dennoch etwas "minderwertiger".
  • Bild
In Sachen Verarbeitung hat dieser spezielle Jinhao 100 jedoch die eine oder andere Schwäche zu bieten.
Das Kappengewinde ist wohl etwas unsauber gearbeitet, so daß man schnell mal das Gewinde bei Schließen der Kappe verkantet.
Da hilft nur ein gekonntes rückwärts drehen bis es satt klickt und man einen Absatz spürt, der einem zeigt den Anfang des Gewindes gefunden zu haben. Jetzt kann man problemlos die Kappe zuschrauben.
Bei der Feder waren die Spitzen nicht ganz sauber ausgerichtet, so daß bei Strichen von links unten nach rechts oben ein leichtes Kratzen erkennbar war.
Hier mußte leider manuell etwas Feinjustierung vorgenommen werden.
So etwas sollte aber in dieser Preisklasse nun wirklich nicht vorkommen und war selbst für mich - als "Lanzenbrecher" für chinesische Füller - etwas enttäuschend.
Bei den herkömmlichen billigen 1,50 € Stahlfedern kann ich so etwas noch tolerieren, aber nicht bei einer Feder die vergleichsweise 85,- bis 90,- € effektiv kosten soll.

Aber kommen wir so langsam zum Fazit der ganzen Aktion:

Wie schon erwähnt: Technisch gesehen nimmt sich diese Goldfeder nichts im Vergleich zu anderen modernen Goldfedern.
Und ganz ehrlich:
Nicht eine dieser Goldfedern hat sich gegen meine Kaigelu Nr. #6 Stahlfeder in "F" auch nur annähernd durchsetzen können.
Und selbst die Jinhao Stahlfeder im X750 (im Werkszustand) befindet sich in Sachen Schreibgefühl auf nahezu gleichem Niveau - mit nur minimalen Unterschieden bei der Härte/Biegsamkeit.

Speziell den Jinhao 100 betreffend lohnt in meinen Augen der Mehrpreis für eine Goldfeder nicht wirklich und statt diesem einem für 110,- € würde ich mir persönlich lieber 5 mit Stahlfeder in unterschiedlichen Farbvarianten für gut je 20,- € kaufen.
Zumal ich selbst bei der Goldfeder habe Hand anlegen müssen um ein möglichst optimales Schreibverhalten zu erreichen. Das kann ich auch bei den Stahlfedern machen und rechne bei denen sogar damit. Für eine teurere Goldfeder aber ist das ein "no go".
Natürlich ist es eine reine Geschmackssache oder auch Gewöhnungssache. Aber ich für meinen Teil bleibe bei meinen Stahlfedern, da sich mir schon allein die Mehrkosten für eine selbst günstige Goldfeder nicht erschließen.
Und die Unterschiede in der Performance sind mir letztlich auch zu gering die Preisunterschiede zu rechtfertigen.

Ich weiß aber auch das es da draußen wirklich gute Goldfedern gibt, bei denen ein wirklich großer Unterschied spürbar ist.
Alles häng von der Legierung und der Verarbeitung und der Materialstärke ab.
Eine weichere Legierung mit geringerer Materialstärke sorgen dann auch dafür, daß die Feder am Ende weicher ist (mehr "bounce" hat), Vibrationen stärker dämpft bis hin zur Fähigkeit sehr flexibel zu sein.
Aber solche Federn wären kein gerechter bzw. fairer Vergleich gewesen, darum wurden auch solche von mir gar nicht erst in Betracht gezogen.

Für mich stellen zumindest die hier getesteten Federn - und speziell die im Jinhao 100 - keine lohnenswerte Alternative dar.
Zumindest nicht für mein persönliches Schreibverhalten, daß wohl eher einem Grobmotoriker entspricht als einem literarischen Feinmechaniker.

Und ganz neutral betrachtet kann ich nur sagen:
Der Jinhao 100 Centennial mit 14K Goldfeder spielt trotz noch sehr geringem Preis problemlos in der gleichen Liga wie der Pelikan M405 oder der Sailor 1911 ohne sich eine nennenswerte Blöße zu geben - sieht man mal von den eingangs genannten 1-2 Verarbeitungs-Schwächen ab.
Nach kurzer Rücksprache und kleinerem Informationsaustausch mit Sebastian kamen wir zum Schluß, daß der Jinhao 100 Centennial im Design, Form und Größe dem Parker Duofold gleicht. Aber mehr noch, er schreibt auch ziemlich genau so wie der Parker Duofold mit einer 18K Goldfeder
Letztlich ist es also eine reine Geschmacks- oder auch Glaubenssache ob man sich diesen Füller gönnen will oder nicht.

Und so verabschiede ich mich mit den Worten des T-800:
I'll be back!

P.S.
Für Freunde des bewegten Bildes habe ich es mir erlaubt auch hierzu ein Video zu veröffentlichen.
Wer sich also mein Machwerk antun möchte, der kann das hier tun (Freigegeben ab dem 05.12.2022 - 12:00Uhr):
https://youtu.be/fp2jObxFGz0
Das "Institut für nicht abgeschlossene Forschungsstudien" hat festgestellt,
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Re: Jinhao 100 Centennial mit 14K Goldfeder

Beitrag von SteamDevil » 05.12.2022 11:25

Schreibprobe und Vergleich:

Im späteren Vergleich mit den anderen Füllern mit 14K Goldfeder habe ich den Jinhao 100 vorher gereinigt und wie alle anderen nur noch gedippt in Pilot Iroshizuku Shin-Kai.
Der Vergleich findet mit weiteren 14K Goldfedern um ein objektiveres Bild von den Eigenschaften der Feder im Jinhao zu bekommen.

Hierzu wurden folgende Füller verwendet:
  • Lamy Accent mit 14K "F" Feder
  • Pelikan M405 mit 14k "EF" Feder
  • Sailor 1911 mit 14K Music Feder
  • Bild
Diese Füller wurden mir freundlicher Weise und mit einem gigantischen Vertrauensvorschuss von Sebastian zur Verfügung gestellt, da ich selber keine Goldfeder (mehr) besitze.
(Meinen Füller mit Goldfeder habe ich verschenkt an jemanden, der mich sehr unterstützt hat)
Als Referenz liegt eine Jinhao Stahlfeder in Stärke "M" in einem Jinhao 100 Centennial und in einem Jinhao X750 zugrunde, um auch da einen Vergleich zu Unterschieden von Stahl- und Goldfedern zu haben.

Als weitere Vergleichs-Feder aus Stahl diente eine meiner liebsten Federn: Eine Kaigelu Nr. #6 in Stärke "F" in einem Jinhao X450.
Aus Bequemlichkeit habe ich hier die im Füller getankte Tinte von Diamine "A Night in Jodhpur" belassen.
  • Bild
Hier nun der Testbogen und gleich darauf folgend die Vergleiche auf unterschiedlichen Papieren, um das Verhalten der Federn auch auf diesen gleich mit zu testen.

Verwendete Papiere:
  • Oxford Optik Paper - 90g/m²
  • Staufen Briefblock - 70g/m²
  • Rhodia Dot Pad - 80g/m²
Für die Probe in meinem Standard-Testbogen habe ich die noch im Füller vorhandene Pelikan 4001 Königsblau verwendet, da ich diesen Rest nicht ungenutzt lassen wollte.
  • Bild
    Clairefontaine Smart Print Paper 70g/m²
  • Bild
    Oxford Optik Paper 90g/m²
  • Bild
    Staufen Briefblock 70g/m²
  • Bild
    Rhodia Dot Pad 80g/m²
Fazit:

Im direkten Vergleich mit den anderen Goldfedern kann ich folgendes sagen:
Da alle 4 Federn als relativ "hart" anzusehen sind, nehmen sich auch die Unterschiede im Verhalten nicht all zu viel.
Lediglich der Sailor 1911 sticht da etwas heraus, weil dessen Spitze eher an eine BB Italic erinnert und diese darum auch mit äußerst geringem Feedback aufwartet.
Im Vergleich aber zum Pelikan M405 nahm sich die Feder vom Jinhao 100 nicht wirklich etwas.
Alle diese Goldfedern - und insbesondere die des Jinhao 100 - können sich aber nicht im geringsten mit den früheren "vintage" Goldfedern messen und wirken gegen diese eher wie ein Nagel, der über das Papier schleift.
Lediglich die Feder im Lamy Accent nimmt sich da die Freiheit ein wenig weicher zu sein.
Sprich: Sie hat ein wenig mehr Flexibilität als die im Jinhao 100 und im Pelikan M405.
Hinsichtlich der Flexibilität ist der Sailor 1911 recht schwer einzuschätzen in diesem Vergleich, da er von sich aus schon sehr breite Linien produziert. Bei nahezu gleichem Druck jedoch erscheint mit die Härte der Feder nicht wesentlich anders als im Jinhao 100 oder dem Pelikan M405.

Der Jinhao 100 hat nach dem Richten der Feder ein für "F" Federn typisches Feedback, das aber durch das Material der Feder - so wie Sebastian es bezeichnet - etwas gedämpfter wirkt wie bei Stahlfedern.
Auch ist der Klang der Feder beim schreiben irgendwie tiefer, dunkler als mit normalen Stahlfedern. Vergleichbar mit den Tonlagen Sopran und Tenor.

Insgesamt aber kann man nun sagen, die Goldfeder im Jinhao 100 - wenn sie gut ausgerichtet ist - nimmt sich nicht wirklich etwas im Vergleich zu anderen modernen Goldfedern.
Allerdings muß auch gesagt werden, der Jinhao 100 aber auch der Sailor 1911 haben wohl aufgrund des polierten Iridiumkorns ein paar leichte Anlaufschwierigkeiten auf besonders glattem Papier wie dem Oxford Optik Paper. Es kann aber auch sein, daß im ersten Moment der Tintenfluß nicht richtig nachkommt.

Apropos Tintenfluß:
Der Lamy Accent mit seiner feinen 14K Feder hat von allen den geringsten, schon recht mageren Tintenfluß. Ich weiß nicht ob das typisch für Lamy ist, weiß aber, daß meine Lamy ähnlichen Stahlfedern (Wing Sung, Lanbitou etc.) da meist deutlich besser abschneiden.

Außer Konkurrenz ist so gesehen der Vergleich mit den Stahlfedern.
Für mein persönliches Empfinden jedoch - also rein subjektiv - ist der Unterschied von Gold- zu Stahlfedern in dieser Güteklasse (also relativ harte 14K Federn) zu gering, zu marginal, um sich wirklich bedeutend im Preis zu rechtfertigen.
Die gesamte Haptik - oder eher das Schreibgefühl an sich - ändert sich nicht weltbewegend.
Dazu kommt aber noch ein kurzes gesondertes Posting. Für jene, die meine Meinung dazu interessiert. Wem meine Meinung dahin gehend egal ist, kann das dann auch ruhig überlesen.

Und mit Trapattoni's Worten schließe ich wie folgt:
Ich habe fertig!
Das "Institut für nicht abgeschlossene Forschungsstudien" hat festgestellt,
dass 4 von 6 Personen

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Re: Jinhao 100 Centennial mit 14K Goldfeder

Beitrag von SteamDevil » 05.12.2022 11:28

Zum Thema Goldfedern:

Mir persönlich jedoch ist der doch recht marginale Unterschied der hier getesteten Goldfedern zu den von mir genutzten Stahlfedern einfach den Preis nicht wert.
Ein Jinhao 100 mit herkömmlicher Stahlfeder in "EF", "F" oder "M" kostet aktuell beim Chinesen meines Vertrauens 15,98 € und im Normalfall ist diese Feder durchaus als zuverlässig und von durchschnittlicher Güte zu bezeichnen.
Natürlich kommt es auch bei diesen zu Ausreißern in der Produktion, was aber am Ende lediglich an der nicht vorhandenen Qualitätskontrolle liegt.
Auf der anderen Seite hat man aber weit mehr das Glück eine außerordentlich gute Feder zu bekommen, wie jetzt wieder im Fall des von mir für diesen Test bestellten Jinhao 100 Centennial in "Green Marble" oder auch "Jade" genannt.
Direkt "out of the box" war diese Medium Stahlfeder fast perfekt und wird später, nach dieser Testreihe, von mir nur noch ein wenig poliert, da ich es gerne super-smooth habe und fast wie auf Glas schreiben möchte.

Damit will ich letzten Endes sagen, daß dieser hier getestete Jinhao 100 mit 14K Goldfeder in meinen Augen den Preis von round about 110,- € nicht rechtfertigt.
Mir erschließt sich einfach nicht der Mehrpreis von gut 85,- € für eine moderne Goldfeder, bei der man am Ende auch nur mit der gleichen Iridium-Spitze schreibt, wie auch bei den normalen Stahlfedern. Und die Materialkosten für diese geringe Menge Goldanteil können es eigentlich auch nicht sein, denn da reden wir - wenn es hoch kommt - im besten Fall von 32,- € beim aktuellen Tagespreis für 1g 585er Gold. Und eine Feder Größe #6 aus Edelstahl wiegt nicht ganz 1g - meine Waage zeigt bei 5 Federn gerade mal 4g an.
Zumal man bei der Goldfeder im Jinhao 100 auch sagen kann, daß produktionstechnisch wirklich kein Mehraufwand vorhanden ist.
Die Feder wird - wie auch die einfachen Stahlfedern - maschinell in der gleichen Maschine gefertigt, lediglich der "Prägestempel" wird gewechselt, in das Triple gesetzt und nur mit einem groben Blick eingeschätzt. Eine echte Qualitätskontrolle ist faktisch nicht gegeben.
Wie also errechnet sich dieser Mehrpreis gegenüber dem reinen Materialwert?

Und wenn ich jetzt wirklich gemein sein wollte, hätte ich noch meinen alten Kolbenfüller aus dem Jahre 1800-Feuerzeug - oder wie alt der auch immer sein mag - zu Rate gezogen.
Der hat eine einfache Stahlfeder (schätze mal Größe 5) mit einem Schliff ähnlich einer Italic-Feder aber ist gleichzeitig so was von flexibel und macht fette "Downstrokes" von 1mm bis fast 3mm, da hat bisher keine moderne Flex- oder gar Goldfeder mitgehalten.

Also aus rein ökonomischer Sicht machen diese hier verwendeten Goldfedern - und besonders die im Jinhao 100 - für mich wenig bis kaum Sinn.
Ideell betrachtet mag das aber wieder eine ganz andere Sache sein.
Ich sehe in diesen Federn eher ein reines Statussymbol als das sie einen wirklich praktischen Mehrwert haben.
Einzig in Bezug auf den Wiederverkaufswert kann ich diesen Federn etwas positives abgewinnen.
Ein 20, 30, 50 oder 80 Jahre alter Füller mit einer Goldfeder (egal welcher Goldanteil) lässt sich weit gewinnbringender wieder verkaufen als einer mit einfacher Stahlfeder.
Manche (oder gar die meisten?) sogar zu einem deutlich höheren Preis als es der damalige Kaufpreis war.
Für Sammler also im Sinne einer womöglich gewinnbringenden Investition machen Goldfedern damit wieder viel Sinn.

Das stellt aber nur meine ganz persönliche Meinung zu Goldfedern dar und hat keinerlei Anspruch auf Absolutismus.
Das "Institut für nicht abgeschlossene Forschungsstudien" hat festgestellt,
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Re: Jinhao 100 Centennial mit 14K Goldfeder

Beitrag von GoldenBear » 05.12.2022 18:00

Danke euch beiden für die wahnsinnig ausführliche Review! Ich besitze keinen 100er, und hatte auch nicht vor eine der Goldfedern von Jinhao zu kaufen, aber hab es dennoch sehr gerne gelesen.

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