gentleman teilweise zerlegt, was nun?

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ddss
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gentleman teilweise zerlegt, was nun?

Beitrag von ddss »

Hallo zusammen,

ich hatte am Wochenende schon das Gefühl, dass ich demnächst Eure Hilfe brauchen würde und habe mich vorsorglich vorgestellt. Jetzt ist es soweit:

Mein gentleman mit L-Feder, den ich vor einer Woche in der Bucht gekauft habe, schreibt phantastisch, wenn er gedippt oder frisch aufgezogen ist, nach etwa einer Seite reicht der Tintenfluss bei meiner Schreibweise (sehr geringer Druck) nicht mehr (das Adhäsionsproblem bei den Waterman-Konvertern ist mir bekannt, davon bin ich auch betroffen, aber das ist eine andere Baustelle).

Ich habe den Füller natürlich vor dem ersten Einsatz umfassend gereinigt (volles Programm: Einweichen mit und ohne Spüli, Ohrenspüler, Rohrer & Klingner Füllerreiniger, Emag-Ultraschall-Reiniger [zusammengerechnet mehr als eine Stunde], immer und immer wieder mit dem Konverter durchgespült). Es kam auch einiges an Schmutz heraus; gänzlich beseitigt war das Flussproblem aber nicht. Um nun auszuschließen, dass dieses nicht doch durch Tintenreste im Leiter verursacht wird, habe ich mich schweren Herzens entschlossen, das Frontstück zu zerlegen, was auch teilweise gelungen ist:
Waterman_gentleman_zerlegt.jpg
Waterman_gentleman_zerlegt.jpg (386.57 KiB) 4441 mal betrachtet
Leider bekomme ich den Tintenleiter mit der Feder mit „normaler Gewalt“ nicht aus der Hülse und habe die Befürchtung, dass noch mehr Kraftaufwand dazu führt, dass es die Hülse regelrecht zerreißt (der vergoldete Ring wird vom Kunststoff abgesprengt). Im FPN habe ich eine Reihe entsprechender Bilder gefunden. In einem Thread hat der Autor sogar die Hülse mit Säge, Cutter und Kneifzange (!) zerlegt (ich konnte mir den Beitrag nicht durchlesen, weil ich derart schockierende Bilder nicht verkrafte).

Meine Fragen:

1. Kennt noch jemand irgendeinen „Trick“ wie ich die Teile einigermaßen risikolos trennen könnte? Wenn nein: Wie hoch ist denn überhaupt die Wahrscheinlichkeit, dass ich nach dem Zerlegen noch „Schmutz“ im System finde, den meine „Reinigungsorgie“ nicht erledigt hat (das Flussproblem kann ja auch ganz andere Ursachen haben)?

2. An den Stellen, die ich mit roten Pfeilen gekennzeichnet habe, befand sich ein silikon(?)artiger Kleb(?)stoff. Was kann ich beim Zusammenbau dort aufstreichen?

Zur 1. Frage habe ich selbst noch folgende Überlegungen angestellt: Es gibt für die Risikoabwägung eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder der Ultraschallreiniger hat ganze Arbeit geleistet, es befinden sich keine Tintenreste mehr im System; oder dem Reiniger ist dies nicht gelungen. Im zuerst genannten Fall kann ich mir weitere Arbeiten sparen. Im zuletzt genannten Fall ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Reste auch Tintenleiter und Hülse „verbacken“, sehr hoch: Es wird zum Schaden kommen. Einen Plan B gibt es nicht: Waterman hat nach Bericht eines FPN-Mitglieds mitgeteilt, sie hätten keine Ersatzteile mehr für die gentleman/Man 100/Man 200-Serie. Die Bucht wird mir nicht helfen: Dort müsste ich ja eine einzelne Innenhülse finden, denn aus einem zusammengebauten gentleman/Man 200 werde ich die Hülse auch nicht intakt herausbekommen.

Falls meine Fragen eine Zumutung oder unverschämt sind, schimpft ruhig mit mir. Andernfalls freue ich mich sehr über Anregungen.

Viele Grüße

Michael
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Joachim K
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Re: gentleman teilweise zerlegt, was nun?

Beitrag von Joachim K »

Hallo Michael,

die Wahrscheinlichkeit, dass hier noch Tintenreste verblieben sind - ist nach Deiner Auflistung der Reinigungsvorgänge gering. Der Tintenleiter mit Feder sitzt ziemlich stramm - dies ist bei dem Nachfolger: MAN 200 nicht anders (beide Federeinheiten lassen sich übrigens an dem jeweiligen anderen Füller verwenden). Ich habe es bis jetzt nur bei einem einzigen Gentleman geschafft - den Tintenleiter mit Feder herauszubekommen und ich habe einige .... Das Ultraschallbad danach - hat nicht mehr gereinigt, als es vorher schon der Fall war.
Bei einem MAN 200 habe ich mir bei dem gleichen Versuch, den Tintenleiter zerstört. Ich würde das (auch aufgrund des Ersatzteilmangels) nicht weiter versuchen! Der Tintenfluss kann hier noch auf 2 Arten verbessert werden: anstatt des Konverter einfach mal mit einer normalen Waterman Patronen agieren und prüfen, ob mehr wie eine Seite zustande kommt!
Wenn das auch nicht geht, führt der 2te Weg über die Feder. Die Feder scheint eventuell dann nicht "nass" genug zu schreiben. Die folgende Beschreibung ist natürlich auf eigene Gefahr - aber ist bei behutsamer Anwendung eigentlich nicht wirklich "gefährlich"! Der sogenannte "Waverley" Mod - wird bei Federn angewendet, die nicht satt genug schreiben bzw. immer Aussetzer im Tintenfluss haben. D.h., die Feder wird minimalst etwas nach oben gebogen (im äußersten vorderen Bereich) - einige Shaeffer (Federn) Füller sind schon ab Werk so ausgerichtet. Um hier einen Eindruck zu bekommen - wie das funktioniert, gibt es z.B. bei You Tube etliche Videos dazu. Am besten mal "Making a Nib Wetter in seconds" eingeben und das Video anschauen. Dann kannst Du für Dich entscheiden - ob dies für Dich in Betracht kommen könnte. Vielleicht hilft Dir das ja ein wenig weiter.

MfG.,
Jo
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ddss
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Re: gentleman teilweise zerlegt, was nun?

Beitrag von ddss »

Hallo Joachim,

vielen Dank für Deine Antwort. Sie hilft mir schon deshalb sehr, weil ich mir jetzt sicher bin, dass ich keine "weißen Mäuse" sehe (ich hätte sonst immer das ungute Gefühl gehabt, einen Fehler gemacht zu haben, weil ich nicht weiter gezogen habe). Ich habe mir die Geschichte mit der Lupe sehr genau angesehen: Der Kunststoff der Hülse ist im Bereich innerhalb des vergoldeten Rings sehr dünn; außerdem ist der Kunststoff u.U. 40 Jahre alt. Das kann eigentlich nur schief gehen. Auch bei der Reinigung sind wir einer Meinung: Der gentleman wäre der erste Füller, den ich nicht mit Einweichen und Ohrspüler (evtl. mit einem Tropfen Spüli) sauber bekommen hätte. Zum ersten Mal habe ich dann bei diesem Füller auch noch den speziellen Reiniger und das Ultraschallgerät eingesetzt. Natürlich kann man das Pech haben, dass der Vorbesitzer etwas völlig Ungeeignetes eingefüllt hat; dann ist aber immer noch fraglich, ob ich dieses "Zeug" nach dem Zerlegen hätte entfernen können.

Die Lage hat sich inzwischen etwas entspannt: Durch Hinweise im FPN bin ich auf die Seite von Battersea Pen Home (http://www.penhome.co.uk) gestoßen: Dort werden neue komplette Griffstücke für den gentleman zu einem (wie ich finde) fairen Preis angeboten (in den USA wollen einzelne Händler absurde Summen; außerdem kämen auch noch Einfuhrumsatzsteuer und Zoll hinzu). Da auf Pech auch immer wieder Glück folgt, hatte penhome das Griffstück in der richtigen Farbe und mit der gewünschten Federstärke vorrätig, so dass mein gentleman inzwischen richtig schön schreibt.

Waterman hat am Tintenleiter etwas geändert: Der "neue" Tintenleiter von penhome scheint aus einem anderen (matteren) Material zu sein und auch die Form ist im sichtbaren Bereich geringfügig anders. Eventuell gab es eine erste Serie des gentleman mit unzulänglichem Tintenfluss. Das würde auch erklären, warum es immer wieder Füllerliebhaber gibt, die im FPN über mangelhaften Tintenfluss beim gentleman klagen, während andere das gar nicht verstehen können.

Ich werde am Wochenende mit dem "alten" Griffstück versuchen, die Feder etwas nach oben zu biegen. Ich kenne diese Federform von meinem Sheaffer Targa (ich muss immer lachen, wenn ich die "Stupsnase" sehe).

Nochmals: Vielen Dank und

viele, viele Grüße

Michael
Melmac
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Re: gentleman teilweise zerlegt, was nun?

Beitrag von Melmac »

Grüß dich Michael,

die Feder ganz vorsichtig nach oben biegen ist eine gute Idee. Ein ähnliches Problem hatte ich auch mal bei einem Füller (Modell weiß ich nicht mehr).

Letztendlich kam ich darauf, indem ich an der Seite der Feder mal ein Küchentuch mit der Spitze zwischen Tintenleiter und Feder hineingeschoben habe und erstaunt war, wieviel Tinte aufgesogen wird. Daher war die Schlußfolgerung, dass die Tinte nicht bis zu der Spitze vordringt.

Vorsichtig vorne am Korn die Feder einmal nach oben gehoben, ohne wirklich die Feder zu verbiegen und voila, die Tinte floss wieder hervorragend.

Vermutlich lag die Feder stehr stramm auf dem Tintenleiter und war dort durch diverse Tintenreste verklebt.

Viele Grüße
Peter
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ddss
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Re: gentleman teilweise zerlegt, was nun?

Beitrag von ddss »

Hallo Joachim,
hallo Peter,

ihr seid Klasse: Es hat geklappt: Ich habe mich für die Variante mit den dünnen Blechstreifen entschieden, weil Matt Armstrong (penhabit) in seinem Video meinte, dies sei für einen Laien risikoärmer als die Feder mit Daumendruck auf einen harten Gegenstand zu pressen. Also habe ich mir eine Fühlerlehre geschnappt und die beiden Federschenkel beginnend mit dem 0,05 mm-Blatt in 0,05 mm-Schritten bis zum 0,25mm-Blatt ganz vorsichtig auseinander gehebelt. Anderthalb Stunden und drei dutzend Din-A4-Blätter später hatte ich die Feder genau an dem Punkt, an dem sie sein sollte: Der Füller schreibt jetzt ohne Druck mit seinem Eigengewicht, ohne dass einzelne Striche ausfransen oder gar ganz ausfallen (ein Federmeister hätte das Ganze vermutlich in 10 Sekunden erledigt). Optisch hat sich die Feder übrigens nicht verändert, d.h. sie hat keine "Stupsnase" und es ist (auch im Gegenlicht) keine Lücke zwischen den beiden Teilen des Korns entstanden. Offenbar wurden die beiden Federschenkel ursprünglich mit zu hohem Druck gegeneinander gepresst, so dass ein erheblicher Gegendruck erforderlich war, um den Stift zum Schreiben zu bewegen.

Mich hat die ganze Geschichte sehr gefreut, weil ich schon beim ersten Schreiben mit dem gentleman gemerkt habe, dass hier eine besondere Feder verbaut ist: Von allen meinen Füllern mit B-(oder L-)Federn hat außer dem gentleman nur mein Lieblingsfüller (der Montblanc VIP [MB-Nr. 1124) und natürlich dessen Schwestermodelle noblesse) ein derart flaches Korn. Ich würde diese Federn als Stub-Federn (oder evtl. auch als Mittelding zwischen B- und Stub-Feder) bezeichnen. Der VIP und der gentleman schreiben jetzt verflucht ähnlich und es versteht sich von selbst, dass ich jetzt auch den gentleman besonders in mein Herz eingeschlossen habe.

Nochmals: Vielen Dank und

viele Grüße

Michael
Melmac
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Re: gentleman teilweise zerlegt, was nun?

Beitrag von Melmac »

Hi Michael,

herzlichen Glückwunsch zur Reparatur :D . Genieße schön deinen Gentleman.

Viele Grüße
Peter
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Joachim K
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Registriert: 05.04.2008 22:15

Re: gentleman teilweise zerlegt, was nun?

Beitrag von Joachim K »

Hallo Michael,

ja prima, dann ist ja alles wieder in "Butter"! :D

... und ob das jemand in 10 sec. hinbekommt oder etwas länger braucht - ist vollkommen egal! Hauptsache der Füller ist okay und schreibt so, wie Du es brauchst! Wenn Du das dann gefühlte 100x machen würdest - schaffst Du das dann in 8 Sekunden ... :mrgreen:

Also gern geschehen und möge der Tintenfluss nie mehr abreißen! :lol:

Ciao, Jo
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