Glaspatronen-Waterman auseinandernehmen/putzen

[Inun-Ea]

Hallihallo,

ich habe vor einigen Jahren hier im Forum einen Waterman mit Glaspatrone erstanden (ich weiß nicht mal, wie viele verschiedene Modelle es gab - er sieht aus wie der, der hier angeboten wird: https://www.penscollector.com/gb/pens/3 ... ridge.html).
Nachdem ich ihn nun recht lange nicht benutzt habe, kann ich leider neu eingefüllte Tinte nicht mehr dazu bewegen, auch vorn aus dem Füller herauszufließen; ich nehme stark an, der Tintenleiter oder sonstige "Griffstückinnereien" sind durch ausgetrocknete Tintenreste verstopft. Sehr langes Einlegen in Wasser hat nichts geholfen. Daher meine Frage: Muss ich beim Auseinandernehmen irgendetwas besonderes berücksichtigen? Oder könnte ich das ganze Ding problemlos in ein Ultraschallbad legen? Ich hab recht Angst, dass ich den tollen Füller kaputt mache…

Bin dankbar für alle Tips,
Liebe Grüße,
Hannes

[Crovax]

Gratuliere, das ist ein Waterman New Look (ca. 1949).
https://timsvintagepens.com/pens/waterman-new-look/
https://postermuseum.com/products/ijuly722
Ich habe einen mit Glaspatrone und einen als Hebelfüller.

Du wirst ihn einmal auseinanderbauen müssen um zu sehen, ob die Dichtung noch funktioniert. Im Gegensatz zu den Glaspatronen halten die nicht ewig. Wenn die Dichtung noch da ist und vernünftig aussieht, würde ich vorsichtig versuchen, Wasser durch das Röhrchen zu drücken, damit du sehen kannst, ob vorne noch etwas herauskommt. Manchmal sitzt die Dichtung schief und dann geht gar nichts mehr.
Ein bisschen Vorsicht schadet nicht. Auch wenn der Füller nicht bunt ist, so ist er trotzdem aus Zelluloid, also keine Alkohole, keine Laugen, kein Ultraschall und nicht ewig in der Sonne liegen lassen.

Bei mir hatte die Dichtung angefangen, sich zu zerlegen und dann waren kleine Gummiteile in den Tintenleiter geraten. Da hilft Ultraschall sowieso eher weniger. Ich habe dann abwechselnd vorne und hinten Wasser reingepumpt, bis sich der Dreck gelöst hat und rausgeflogen ist. Danach durfte ich mir eine neue Dichtung bauen. Ich habe ein halbwegs brauchbares Gummiteil in dem Ersatzteilepäckchen von PenBBS gefunden. So präzise muss das gar nicht sein, es muss die richtige Länge haben und die eine Öffnung muss über die Öffnung der Glaspatrone passen und dicht schliessen. Den Rest erledigt der Druck beim vorsichtigen Zusammenschrauben. Wenn sich der Füller nicht relativ einfach wieder zusammenschrauben lässt: Stop. Wieder auseinanderschrauben und korrigieren. Nicht mit Gewalt zusammendrehen, sonst platzt eventuell die Patrone.

[Crovax]

Hier ist noch ein Artikel von Richard Binder:
http://blog.richardspens.com/PenBlog/Sw ... e_pen.html

[Inun-Ea]

Oh vielen lieben Dank für die ausführliche Antwort!
Heute Abend werde ich also mal reinschauen/rumbasteln. Bislang kam mir die Dichtung immer intakt vor, i.e. sie macht jedenfalls ma sichtbaren Ende keinen spröden Eindruck und bröselt nicht. Schau'n wir mal. Ich hoffe, dass ich mit meinen zwei linken Händen keine neu bauen muss und dass nur vielleicht vertrocknete Tinte drinklebt. Ich berichte

[Inun-Ea]

Die Dichtung scheint ganz zu sein. Der in dem verlinkten Artikel hat zuerst einen Ultraschallreiniger hergenommen ("Getting the guts out of the section entailed the usual application of an ultrasonic cleaner, after which I pushed the feed out backwards"). Ich will mal trotzdem nicht riskieren. Ich frage mich, wie ich die Feder rauskriege, bevor ich das restliche Gedings nach hinten durchschieben kann, wenn das Problem ja zu sein scheint, dass alles etwas verklebt ist… Überhaupt, die Feder wird scheinbar nicht zsm mit dem Tintenleiter hineingeschoben, sondern der Tintenleiter hintendurch. Hatte ich noch nie.

[Crovax]

Der Füller in dem Artikel ist ein Commando. Das ist ein anderes Modell. Da mag ein Ultraschallreiniger ungefährlich sein.
Um die Feder heraus zubekommen, müsstest du zuerst diesen Ring ("Locknut") vom Tintenleiter abschrauben und danach den Tintenleiter mit der Feder von hinten herausschlagen (mit einem Gummihämmerchen und einem "Knock-Out"-Block). Wenn das nicht absolut sein muss, lass es.
Die Montageweise ist normal für Füller aus der Zeit. Da wurden Tintenleiter und Feder von vorne eingesteckt und dann hinten der Tintensack angeklebt. Zur Demontage wurde der Tintensack entfernt und dann der Tintenleiter mit Feder nach vorne rausgeschubst.
Die Modelle mit Glaspatrone sind weitgehend identisch zu den ebenfalls produzierten Versionen mit Tintensack und Hebel.
Der Tintenleiter ist aus Ebonit und das kann spröde werden und bei der Prozedur zerbröseln. Das machst du nur, wenn das Teil eh kaputt ist und du es ersetzen musst. Oder du hast es vorher sehr oft geübt und ein gutes Gespür für Kraftanwendung. Geklebt worden sollte da gar nichts sein. Eingetrocknete Tinte mag da auch wie ein Kleber wirken, sollte sich aber mit Wasser lösen.
Ebentuell wirkt einer der Reiniger von R&K oder Diamine.
Also besser einweichen und immer wieder versuchen vorne und hinten Wasser durchzudrücken. Es mag etwas komisch klingen aber ich habe dafür auch schon mal den Mund voll Wasser genommen und das Griffstück zwischen die Lippen gesteckt und abwechselnd gesaugt und geblasen. Das lässt sich besser regulieren als andere Hilfsmittel. Irgendwann hat sich was gelöst und das Wasser lief vorne heraus.
Dann gut nachspülen um alle Tintenreste zu entfernen.
Wenn das auch nicht hilft und du sehr vorsichtig bist, kannst du auch einen absolut geraden dünnen Draht in die Schiene im Tintenleiter schieben und Dreckpartikel lösen.

seal_installed.jpg (11.9 KiB) 2122 mal betrachtet

Der Draht muss so dünn sein, dass er locker in die Öffnung (im Bild rechts) passt. Du musst sehr gefühlvoll schieben, damit du den Tintenleiter nicht beschädigst. Vorher ausmessen, dass der Draht nicht in den flachen Teil ganz links gerät. Sobald es nicht weitergeht, aufhören, Draht zurückziehen und die Spülprozedur wiederholen. Repetitio ad nauseam. Die wichtigsten Werkzeuge hier sind Geduld und Gefühl. Bei mir waren das Tintenreste, die seit 60 Jahren da drin saßen, bei dir sollte eigentlich der ganze Aufwand mit Werkzeug nicht nötig sein.

[Inun-Ea]

Ah, ich hatte mich schon gefragt, wie Du da Wasser "durchgepumpt" hast. Ich hab's dann ebenso versucht, mit dem Griffstück zwischen den Lippen, bisher mit noch nicht so viel Erfolg. Ich versuch's noch eine Weile. Da der Füller vor einiger Zeit noch problemlos funktioniert hat, hoffe ich wirklich, es ist nur Tinte.