Tinten zwischen Blau und Grün oder was ist Petrol?

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Tintenfinger
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Tinten zwischen Blau und Grün oder was ist Petrol?

Beitrag von Tintenfinger »

Ich mag das Spektrum zwischen Blau und Grün, so wie fast alles was mit Grün zu tun ist, und all diese Zwischentöne. Das und die Lamy-Petrol-Patronen, die ich schließlich doch irgendwann gekauft habe, hat mich dazu angeregt, mal in meiner Tintenkiste zu wühlen und die blau-grünen systematisch zu testen. Ich habe einen Tintenkreis gemalt und mit Wattestäbchen gefüllt, und mit jeder der Tinten einen Lamy Safari oder All Star mit F-Feder gefüllt und eine Weile damit geschrieben. 3 Tinten, die im Lamy nicht funktionierten weil sie dafür zu flüssig sind habe ich in Preppys mit 0,2 mm Feder geschrieben. Leider ist der Tintenkreis in meinem Tintenbuch, einem A6-Büchle von Rössler. Das ließ sich nicht so gut fotographieren, und Scanner habe ich keinen. Also entschuldigt bitte die Bilder. Beim nächsten mal mache ich das anders. Die Tinten wirken auf dem Rössler-Papier etwas stumpfer und angegrauter als z.B auf Rhodia, das ist kein Problem der Photos.
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Die erste Farbe ist Monteverde California Teal. Ich habe sie wegen dem Namen gekauft und bin enttäuscht. Es ist definitiv ein kaltes Dunkelgrün, kein Teal = Petrol. Ansonsten ist es eine gute Tinte. Sie läuft sehr flüssig, im Lamy Safari für mich zu flüssig. Dabei drückt sie nicht durch und franst nicht aus (normales Papier vorausgesetzt). Im Peppy als Eyedropper befüllt funktioniert sie wunderbar. Sie ist nicht wasserfest oder dokumentecht. Mit breiteren Federn gibt es reichlich Sheen und Shading. Das Shading sieht man sogar mit dem Preppy ein bischen.

Die nächste (2) ist die Lamy Petrol. Nein, das ist kein Petrol, eher ein warmes Schwarzgrün. Ansonsten ist es eine tolle Tinte die ganz prima mit den Lamys harmoniert. Sie ist in jeder Hinsicht unauffällig, kein durchbluten oder Ausfransen, durchschittliche Trocknungszeit. u.s.w. Ich habe mich trotzdem diesmal dagegen entschieden, Patronen zu horten. Lamys Verkaufspolitik geht gar nicht.

Nr. 3 ist eine meiner Lieblingstinten, Sailor Jentle Ink Yamadori. Ein echtes, intensives Petrol das in allen Füllern gut schreibt und nicht zu nass ist. Auf anderen Papieren wirkt sie grünlastiger als auf diesem Papier. Sie franst nicht aus, neigt aber mehr als viele andere Tinten zum durchdrücken. Sie ist trotzdem so gerade noch alltagstauglich. Den starken Sheen sieht man nur mit breiten, nassen Federn. Ein Nachteil ist, die Tinte riecht, es ist die reinste Lösungsmittelbombe, und das hängt auch noch eine Weile am Schriftstück. Sie wäre sogar dunkel genug als Bürotinte aber dafür ist sie mir zu schade.

Nr. 4 ist das intensivste und typischste Petrol dass ich mir vorstellen kann. Die unglaubliche Emeraude de Chivor von J. Herbin, in einem Preppy, weil sie sehr flüssig läuft. Sie hat auffällige Glitzerpartikel, und dazu noch Sheen. Sie neigt auch auf dünnem oder billigem Papier zum Durchbluten. Trotz dieser Probleme finde ich ständig Anlässe damit zu schreiben, warum wohl? Sie ist dunkel genug um immer gut leserlich zu sein.

Nr. 5 ist Rohrer & Klingner Verdigris. Ein Schwarzblau mit einem leichten Drall ins Grünliche, Verdigris ist die perfekte Farbbeschreibung. Sie wirkt in Natura sehr tief und vielschichtig, was für so eine billige Tinte ganz wunderbar ist. Nachteil ist, sie läuft recht nass und drückt auf Papieren die saugen stark durch. Wenn sie zu Papier und Stift passt ist sie trotzdem eine gute Alltagstinte die ich sicher nicht mehr hergeben werde. Zum Testen von Papieren ist sie auch sehr nützlich. Sheen und Shading sind eher vernachlässigbar.

Nr 6 ist Deep Sea Green von Graf v. Faber-Castell. Eine nette Tinte, die eher trocken läuft und auch mit unmöglichen Papieren keine Probleme macht, dafür mag ich sie, aber die Farbe begeistert mich nicht so sehr. Die Farbe ist ein Petrol mit Grauanteilen, allerdings sehr hell, fast wäßrig. Sie soll angeblich lichtecht sein.

Nr. 7 ist Enchanted Ocean von Diamine. Es ist eine Glitzertinte mit silbernen Partikeln. Von der Farbe bin ich enttäuscht. Es ist eher ein blasses Schwarzblau mit minimalem Drall ins Türkise, vergleichbar mit der Deep Sea Green, welche grüner wirkt hängt vom Licht und vom Papier ab. Der Glitzer ist eher dezent. Das Gute ist, dass die Tinte bisher völlig unkompliziert ist. Fließt eher naß, drückt aber nicht durch und franst nicht aus. Ist wesentlich leichter zähmbar als die Emeraude de Chivor, was auch logisch ist da sie weniger gesättigt ist.

Nr 8 is Dokumentus Grün von Rohrer und Klingner. Ja, es ist eindeutig ein Grün, aber eindeutig eines mit einem Drall Richtung Türkis, daher habe ich sie hier aufgenommen. Sie ist auch recht blass und transparent. wie recht viele Nanopigment-Tinten. Sie läuft eher flüssig und darf im Füller nicht eintrocknen, sonst ist sie recht problemlos im Umgang. Für mich ist sie haarscharf am Türkis vorbei, erinnert ich an Bergseen und Karibik-Filme.

So, das war es. Ich hoffe das war nicht zu lang.

Susi
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NicolausPiscator
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Re: Tinten zwischen Blau und Grün oder was ist Petrol?

Beitrag von NicolausPiscator »

Ja, Susi, das ist eine spannende Frage! Die blau-grünen Zwischentöne und ihre Abgrenzung zu Petrol... leider kommt die Émeraude de Chivor im Foto nicht so gut herüber, die sieht im Kreis für meine Äuglein sogar blau aus. Sie ist für mich eine tolle Farbe, ich wünschte sie mir ohne Glitzer, wie eigentlich alle 1670er Tinten. Interessant, dass Du sie als Petrol wahrnimmst.
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Edelweissine
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Re: Tinten zwischen Blau und Grün oder was ist Petrol?

Beitrag von Edelweissine »

Sehr schöne Zusammenstellung, danke! Das sind auch meine Farben, nur habe ich sie noch nicht so genau in ihrer Unterschiedlichkeit betrachtet.
Gruß,
Heike
Tintenfinger
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Re: Tinten zwischen Blau und Grün oder was ist Petrol?

Beitrag von Tintenfinger »

NicolausPiscator hat geschrieben:Ja, Susi, das ist eine spannende Frage! Die blau-grünen Zwischentöne und ihre Abgrenzung zu Petrol... leider kommt die Émeraude de Chivor im Foto nicht so gut herüber, die sieht im Kreis für meine Äuglein sogar blau aus. Sie ist für mich eine tolle Farbe, ich wünschte sie mir ohne Glitzer, wie eigentlich alle 1670er Tinten. Interessant, dass Du sie als Petrol wahrnimmst.
Danke für die Rückmeldung, Nicolaus. Wie ich schon geschrieben habe, das Rössler-Papier macht irgendwas mit den Tinten, auf anderem Papier wirken sie alle strahlender und auch etwas grüner. Ich muss wohl nochmal einen Kreis zeichnen. Émeraude de Chivor ist für mich trotzdem Petrol (=dunkle, intensive Farbe zwischen Blau und Grün), als was bezeichnest Du sie?

Ich habe mal gelesen, dass es teils genetisch festgelegt und durchaus individuell unterschiedlich ist wo man die Grenzen zwischen Farben zieht. Alles sehr spannend.

Susi
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NicolausPiscator
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Re: Tinten zwischen Blau und Grün oder was ist Petrol?

Beitrag von NicolausPiscator »

Mit Rössel-Papier habe ich nur in der Form von Briefpapier - sehr positive - Erfahrungen gemacht... Ja, den Eindruck, dass Farbwahrnehmung, -definition und -benennung bei Menschen ganz unterschiedlich ausfällt, kann ich bestätigen. Das Gespräch darüber finde ich auch total spannend! ... hmmm... als was ich, Émeraude de Chivor bezeichnen würde? Da ich zu Petrol - in meinem Verständnis eine unangenehme und kalte Farbe - ein gespanntes Verhältnis habe, würde ich sie von mir aus nicht so benennen; Killerturnschuh nennt sie Eau de Nil, was mir gut gefällt, weil ich Wasser mag und den Nil auch.
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Killerturnschuh
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Re: Tinten zwischen Blau und Grün oder was ist Petrol?

Beitrag von Killerturnschuh »

Das Spektrum zwischen Grün und Grün-Blau (Eau de Nil :wink: ) ist riesig und extrem spannend.

Leider erscheint dein Farbkreis etwas arg stumpf, so das die von dir gezeigten Tinten relativ tot wirken.
Zu diesem Thema gibt es auch bereits den ein oder anderen Faden.

Petrol, eine Bezeichnung die mir zu tiefst widerstrebt umfasst den kalten, dunklen Grün-Blau Mischbereich.
Salve

Angi

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