Bleichtest: 10 "Dokumentenechte" oder die man dafür hält

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Tenryu
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Re: Bleichtest: 10 "Dokumentenechte" oder die man dafür hält

Beitrag von Tenryu » 23.09.2019 1:36

Wie kann man Eisengallus wegbleichen?
Eisenoxyd kann doch höchstens zu Eisen reduziert werden und das ist auch schwarz. Und mit starken Säuren würde man doch auch das Papier wegäzen. Der Witz bei dokumentenechten Tinten ist ja nicht, daß sie absolut unzerstörbar sind, sondern, daß man sie nicht entfernen kann, ohne deutliche Spuren zu hinterlassen.

Thom

Re: Bleichtest: 10 "Dokumentenechte" oder die man dafür hält

Beitrag von Thom » 23.09.2019 1:43

Das ist ja auch kein Eisenoxyd, sondern ein Eisengallatkomplex. Und das die Tinten "weg" sind, siehst Du doch im Test. Das Eisen ist schon noch vorhanden, solange es nicht aus dem Papier gewaschen wird. Und starke Säuren sind auch nicht erforderlich, da reicht schon verdünnte Salzsäure.

V.G.
Thomas

Thom

Re: Bleichtest: 10 "Dokumentenechte" oder die man dafür hält

Beitrag von Thom » 23.09.2019 2:32

Bild
(Quelle: https://encrypted-tbn0.gstatic.com/imag ... FACN74yOcg )

Hier haben wir mal einen Eisen3-gallat-komplex. Da ist man sich vielleicht noch ein bisschen uneins bzgl. der genauen Koordinierung, aber da "rostet" nichts. Das ist ein erweiterter Oxidationsbegriff, der eine Elektronenabgabe des vormals zweiwertigen Eisenions beschreibt.

V.G.
Thomas

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HeKe2
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Re: Bleichtest: 10 "Dokumentenechte" oder die man dafür hält

Beitrag von HeKe2 » 23.09.2019 7:17

Moin zusammen!

Sicher würde Wasserstoffperoxid die Sonne besser simulieren als Natriumhypochlorid. Letzteres habe ich nur genommen, weil ich es bei meinem ersten derartigen Versuch auch genommen habe, um die Resistenz der 54th Masschsetts zu zeigen. Leider habe ich das Testblatt nicht mehr, sonst könnte man einen Streifen mit Wasserstoffperoxid daneben setzen. Unterschiede würde ich aber nur bei den EG-Tinten erwarten, da ich die Natriunhypochloridlösung doch deutlich kräftiger einschätze als Wasserstoffperoxidlösung.

Das Eisen lässt sich nicht "wegoxidieren". Deshalb ging ich bei den verbleibenden bräunlichen Verfärbungen bei den EG-Tinten davon aus, dass es sich dabei um Fe(III) handelt.
Die Bleiche greift auch nicht wirklich das Eisen an, sondern die vornehmlich die in Farbstoffen häufig vorkommenden Doppelbindungen. Sind die nicht mehr vollständig vorhanden, ist die Farbigkeit meistens dahin, da es sich häufig um sog. konjugierte Doppelbindungen handelt. Warum die Nanotinten diesbezüglich so resistent sind, dazu habe ich allerdings noch keine Idee.
Beste Grüße
Hermann

Thom

Re: Bleichtest: 10 "Dokumentenechte" oder die man dafür hält

Beitrag von Thom » 23.09.2019 7:46

HeKe2 hat geschrieben:
23.09.2019 7:17
Das Eisen lässt sich nicht "wegoxidieren".
Da schlummert schon eine versteckte Stärke. Auch verblichene Schriftzüge kann man prinzipiell wieder herstellen, solange ausreichend Eisen im Papier vorhanden ist. Aber wasserfest und farbgebend ist der Eisen3-gallat-komplex. Man könnte auch einen Eisen2-gallat-komplex zusammenbauen, der wäre aber wasserlöslich und transparent.

V.G.
Thomas

Niklo
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Re: Bleichtest: 10 "Dokumentenechte" oder die man dafür hält

Beitrag von Niklo » 01.06.2023 7:57

Hallo,
ich habe den Bleichtest erst heute gelesen. Danke für den Test. Er ist sehr interessant besonders die Eisengallustinten. :) Chlorbleichlauge (Natriumhypochlorit) und Salzsäure stehen ja schon lange zur Verfügung und trotzdem wurden Eisengallustinten verwendet. Allerdings sieht man auch Unterschiede bei den verwendeten Eisengallustinten. Während die Scabiosa komplett sauber "weggelöscht" wurde bleibt bei der Diamine Registar's Ink zumindest bei diesem Test noch gut sichtbarer ein bräunlich gelber Farbton übrig. Auf Dokumentenechtheit steht "sie darf nicht ohne Spuren entfernbar sein". Dies wäre zumindest bei diesem Test bei der Diamin Registar's Tinte erfüllt. Wenn man so will, dann ist auch bei der Lamy und sogar bei der Pelikan noch etwas sichtbar.
Es stellt sich dabei auch die Frage, wie es mit den klassischen Eisengallustinten ausschaut, die nicht als füllertauglich gelten. Sind die bei diesem Test mit Chlorbleichlauge noch etwas besser?
Möglich ist, dass man früher da nicht ganz so streng bei der Dokumentenechtheit war bzw. es augereicht, wenn man an den Stellen mit "entfernter" Tinte dann noch Spuren sehen kann.
Die modernen dokumentenechten Tinten sind da vermutlich deutlich besser einschließlich Tusche.
Apropos, hat schon jemand die dokumentenechten Tinten z.B. von Octupus getestet? Es gibt sie auch in 10 ml Fläschlein und in vielen Farben.
Servus,
Roland

Thom

Re: Bleichtest: 10 "Dokumentenechte" oder die man dafür hält

Beitrag von Thom » 01.06.2023 13:53

Niklo hat geschrieben:
01.06.2023 7:57
... Es stellt sich dabei auch die Frage, wie es mit den klassischen Eisengallustinten ausschaut, die nicht als füllertauglich gelten. Sind die bei diesem Test mit Chlorbleichlauge noch etwas besser? ...
Hallo Roland,

das wussten die in den vergangenen Jahrhunderten auch schon alles, dass die "Tinten der Alten" beständiger waren, womit man die Kohlenstofftinten meinte. Die konnten diese groben Rußpigmente nur nicht ausreichend am Pergament fixieren, entweder waren sie abwischbar oder zumindestens abschabbar. Man hat aber auch versucht Eisengallustinten mit Ruß oder Chinesischer Tusche (das war auch Ruß) zu tunen.

V.G.
Thomas

Downfall
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Re: Bleichtest: 10 "Dokumentenechte" oder die man dafür hält

Beitrag von Downfall » 01.06.2023 15:55

Wie sieht es denn da mit den EG-Tinten aus, die man mit Feder schreibt? Also die Tinten, die beispielsweise noch Gummi Arabicum enthalten? (Ich glaube, darauf zielte auch Rolands Frage ab).
Oder ist das egal, und es geht nur um den reinen Eisengehalt der Tinte? Der kann bei Füllertinten ja auch sehr hoch sein.

Niklo
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Re: Bleichtest: 10 "Dokumentenechte" oder die man dafür hält

Beitrag von Niklo » 01.06.2023 16:21

Hallo Thomas,
danke für Deine Antwort. Ja bestimmt hat man die Eisengallustinten mit Russ noch etwas verbessert.
Downfall hat aber Recht. Ich meine die alten (klassischen) Eisengallustinten. In der Wikipedia zum Thema Urkundentinten 1912 wird noch von Urkundenechten Tinten geschrieben, wenn sie nach einer bestimmten Vorschrift gemacht wurden. Wie verhalten sich diese klassischen für Tauchfedern gemachte Eisengallustinte beim Verwendung von Chlorbleichlauge oder Salzsäure?
Bleibt bzw. blieb da bei Chlorbleichlauge oder Salzsaäure auch eine bräunliche Spur übrig wie bei der Diamine Registar's Ink oder waren die sogar noch robuster?
Apropos, in dem Zusammenhang fällt mir aus meiner Schulzeit ein, dass die Tintenkiller manchmal auch das Papier angegriffen haben und manchmal das Papier an diesen Stellen gelblich wurde. Es ist alles lange her, aber so richtig perfekt waren die Tintenkiller in meiner Erinnerung auch nicht. Vor allem war die blaue Schrift zum Überschreiben in einem auffallend anderem Blau wie die Königsblaue Tinte. Gerade das hat mich damals immer etwas gestört. :)
Servus,
Roland

Thom

Re: Bleichtest: 10 "Dokumentenechte" oder die man dafür hält

Beitrag von Thom » 01.06.2023 17:42

Niklo hat geschrieben:
01.06.2023 16:21
In der Wikipedia zum Thema Urkundentinten 1912 wird noch von Urkundenechten Tinten geschrieben, wenn sie nach einer bestimmten Vorschrift gemacht wurden. Wie verhalten sich diese klassischen für Tauchfedern gemachte Eisengallustinte beim Verwendung von Chlorbleichlauge oder Salzsäure? ...
Roland, die "1912" habe ich korrigiert, weil die vorige Angabe in der Wikipedia unkorrekt war. Meine Korrekturen zur Dokumentenechtheit haben sie aber rückgängig gemacht mit einem Verweis auf eine "Primärquelle" und ich verschwende nur ungern meine Zeit. :) Die 1912er Norm ist das hier viewtopic.php?f=8&t=8142&hilit=1912&start=2610#p411158 und da ist gar nichts anders, damals gab es einfach noch keine entsprechende DIN.

V.G.
Thomas

Thom

Re: Bleichtest: 10 "Dokumentenechte" oder die man dafür hält

Beitrag von Thom » 01.06.2023 18:08

Hier habe ich mal noch die verdünnte Salzsäure gesucht. viewtopic.php?f=8&t=8142&p=289622&hilit ... el#p289622
Da ist immernoch ein bisschen Salzsäure auf dem Papier, danach habe ich mit Wasser fast noch den ganzen Rest vom Hilfsfarbstoff und den wasserlöslichen EG-Komponenten vom Papier gespült. Und um die entsprechenden Normen zu reißen, reicht bereits 1 nicht erfülltes Echtheitskriterium.

V.G.
Thomas

Niklo
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Re: Bleichtest: 10 "Dokumentenechte" oder die man dafür hält

Beitrag von Niklo » 01.06.2023 19:02

Hallo Thomas,
wow, danke für Deine interessante Quelle. Es wurde also zwischen zwei Eisengallustinten unterschieden. Die eine Eisengallustinte ist es die Urkundentinte und die andere ist es die Eisengallusschreibtinte mit jeweils anderer Rezeptur.
Wenn man da schon zwei Rezepturen hatte, dann ist vermutlich die Urkundentinte als noch haltbarer angesehen worden wie die Eisengallusschreibtinte, oder?
Wie weit sind wir denn mit unseren modernen Eisengallustinten für Füllfederhalter weg z.B. bei der Akkerman, der Diamine Registar's oder der KWZ blau-schwarz von der damaligen Urkunden oder Eisengallusschreibtinte?
Wie ist es mit der Eisengallustinte fon Gregor Himmelfarb, Eisengallustinte von Buchmaler, der Scriptorium am Rheinsprung echte Eisengallustinte nach Rezeptur von 1798 und ähnlichen Eisengallustinten nach alter Rezeptur?
Nun ja, vermutlich reichen die modernen Tinten wie die Diamine Registar's Ink schon aus um für normale Zwecke schon relativ robust zu sein.
Servus,
Roland

Niklo
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Re: Bleichtest: 10 "Dokumentenechte" oder die man dafür hält

Beitrag von Niklo » 01.06.2023 19:37

Thom hat geschrieben:
01.06.2023 18:08
Hier habe ich mal noch die verdünnte Salzsäure gesucht. viewtopic.php?f=8&t=8142&p=289622&hilit ... el#p289622
Da ist immernoch ein bisschen Salzsäure auf dem Papier, danach habe ich mit Wasser fast noch den ganzen Rest vom Hilfsfarbstoff und den wasserlöslichen EG-Komponenten vom Papier gespült. Und um die entsprechenden Normen zu reißen, reicht bereits 1 nicht erfülltes Echtheitskriterium.
Ja, das Bild habe ich gesehen. Vom Farbton könnte es eine Rohrer und Klingner Scabiosa sein? Wenn man sie nicht gerade mit Salzsäure oder Chlorbleichlauge behandelt, dann hat die Scabionsa eine schöne dunkelviolette Farbe. Wenn ich mal Zeit und Muse habe, dann werde ich auch mal ein paar verschiedene Tinten mit Salssäure und Chlorbleichlauge testen. Thomas, Du hast mich jetzt neugierig gemacht :D
Die Königsblau und 1 oder zwei grüne Tinten kommen dann natürlich auch dran.
Servus,
Roland

Matthias MUC
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Re: Bleichtest: 10 "Dokumentenechte" oder die man dafür hält

Beitrag von Matthias MUC » 01.06.2023 20:17

Zu den "forensischen" Markierungen mit irgendwelchen Markerstoffen hab ich einen Gedanken, der vielleicht in einem Extrathread weiterdiskutiert werden könnte:

Man müßte z.B. 16 verschiedene, analytisch sauber gleichzeitig nachweisbare Markerstoffe (meinetwegen dieses nanomolekulare Zeugs...) verwenden. Jeder Stoff entspricht einer bestimmten Stelle einer 16bit-Binärzahl, vorhanden = 1, nicht vorhanden = 0, und somit hast 2 hoch 16 = 65.536 verschiedene Kombinationen. Damit könnte man als Tintenmischer schon Chargen eine ganze Weile lang eindeutig markieren, bis man da einmal durch ist und wieder von vorn anfängt.

lG Matthias

Downfall
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Re: Bleichtest: 10 "Dokumentenechte" oder die man dafür hält

Beitrag von Downfall » 01.06.2023 20:42

Niklo hat geschrieben:
01.06.2023 19:02
...
Wie weit sind wir denn mit unseren modernen Eisengallustinten für Füllfederhalter weg z.B. bei der Akkerman, der Diamine Registar's oder der KWZ blau-schwarz von der damaligen Urkunden oder Eisengallusschreibtinte?
...
Die Tinten von Thomas (Nachtblau und die rotfließende EG) sind auf dem Niveau der Urkundentinten (Quelle: Thomas ;)). Laut Thomas ist die Diamine Registrar's auf einem ähnlichen Niveau.
Siehe verlinkten und folgende Beiträge:
viewtopic.php?f=8&t=8142&start=2610#p411158

Edit: in meinen eigenen Tests hat die KWZ IG Blue Black extrem gut abgeschnitten. Ich habe zwar keinen direkten Vergleich und die Tinte schon lang nicht mehr richtig verwendet, aber gefühlt würde ich die etwa auf ein ähnliches Niveau stellen. Die normalen KWZ IG sind deutlich weniger resistent.

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