Marossy

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Frodo
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Marossy

Beitrag von Frodo » 14.09.2021 10:01

Liebe Füllhalterfreunde
Letzten Monat wurde hier ein Füllhalter der Marke "Marossy" verkauft und, bevor der kleine Verkaufsfaden ganz im Orcus verschwindet wollte ich noch ein paar Zeilen zu der recht unbekannten Marke vorbringen. In der Beschreibung selbst findet sich der Satz, Zitat: "Von der Formensprache her geht der Marossy in Richtung der klassischen italienischen Füller".
Wie schnell kann man sich durch einen scheinbar fremdländischen Namen in der Provinienz eines Füllhalters täuschen: Alexander Marossy kam aus Ladenburg in der Nähe von Heidelberg und hatte seit 1939 bei Lamy gearbeitet. 1949 hat er sich selbständig gemacht und Füllhalter unter seinem eigenen Namen hergestellt. Ich hatte mal mit Otto Bock über die Marke gesprochen, da er die Federn dazu hergestellt hatte und Bock hatte Marossy erstklassige Qualität zugeschrieben.
Gruss, F

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HeKe2
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Re: Marossy

Beitrag von HeKe2 » 14.09.2021 12:26

Hallo Frodo!

Wo du schon antwortest und angibst, dass der Mann eine Zeit lang bei Lamy gearbeitet hat: Kommt der Füller dann auch aus Heidelberg/Ladenburg?

Ich selbst blicke bei den vielen Marken, die in und um Heidelberg hergestellt wurden gar nicht mehr so recht durch und nicht alle Marken kommen irgendwie im Stammbaum von Lamy vor. Ich nehme mal an, dass diese Füller am Ende nicht wieder zu Lamy gekommen sind?

Hermann
Beste Grüße
Hermann

Frodo
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Re: Marossy

Beitrag von Frodo » 15.09.2021 8:29

Ja, Füllhalter der Firma Marossy kamen aus Ladenburg. Lamys kommen nach wie vor aus Heidelberg.
Es gab schon so über 30 Füllermarken/Hersteller aus Heidelberg und der näheren Umgebung.
In meiner Darstellung ist der Lamy- Stammbaum eigentlich nicht verzweigt und geht aus der aufgelösten Parker- Osmia- Connection 1930 hervor. Füllhalterproduktionen aus erloschenen Firmen hat Lamy nicht weiter übernommen. Es ist aber bekannt, dass einige Angestellte der 2006 in Konkurs gegangenen Firma Mutschler (Reform) zu Lamy oder zu Bock gewechselt hatten.
Gruss F

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HeKe2
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Re: Marossy

Beitrag von HeKe2 » 15.09.2021 9:09

Danke für die Antwort. Ich war auf die Verzweigungen bei Lamy gekommen, weil mir nicht ganz klar ist, ob Artus nun eine eine Marke oder nur ein Label der Firma Lamy ist.

Gruß aus dem regnerische Norden
Hermann
Beste Grüße
Hermann

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Re: Marossy

Beitrag von Corp. » 22.09.2021 9:31

viewtopic.php?f=61&t=24741&p=309297&hilit=artus#p309297

Dort der Post von Zollinger: "Artus war schon immer ein Markenname der C. Josef Lamy GmbH und keine eigenständige Firma."

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Re: Marossy

Beitrag von st.wa. » 22.09.2023 20:05

bezüglich Artus war schon immer Lamy: und wem gehörte dann die "Artus" Füllhalter-Ges. Kaufmann & Co., Heidelberg-Handschuhsheim 8 (Rein arisches Unternehmen) Bahnhofstr. 33 die unter anderem Artus-Junior, Artus-Ideal, Artus-Platorid, Artus-Senior, Artus-Spezial etc herstellte? Im Heyne Buch "Füllfederhalter" habe ich die Firmengeschichte zusammengetragen, da kann man es nachlesen. Die exzellente Quailtät des Marossy Füllhalters war wohl eher Selbstlob des Federherstellers - wobei der Halter generall nicht so schlecht war.

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Re: Marossy

Beitrag von Frodo » 25.09.2023 13:54

Hallo Stefan
Das auseinderhalten der Firmen Orthos und Artus ist wirklich nicht einfach. Auch auf die Gefahr hin, dass das Thema nun von Marossy abbiegt, können doch einige, wenige Korrekturen angeboten werden. Es gibt keine Frage darüber, dass Deine Leistung innerhalb des "Heyne"- Buches "Lambrou, Füllfederhalter" wegweisende Spitzenklasse sind. Innerhalb der letzten 30 Jahre sind aber auch, neben den einschlägigen Prospekten, weitere Firmendaten, Registereintragungen und Privatmitteilungen gefunden worden, die die Firmenverhältnisse, wenn nicht ganz, aber etwas lichten können.
Paul Kaufmann kam im Juli 1935 nach Heidelberg und in diesem Jahr gab es auch den ersten "Artus" Prospekt. Obwohl P. Kaufmann und C.J.Lamy immer die gleiche Geschäftsadresse hatten, haben sie nie einen Prospekt herausgegeben, auf dem beide Namen verzeichnet sind. Kaufmann, der übrigens auch Diplom- Kaufmann war, ist auch nie als Produzent, sondern immer nur als Versandhändler aufgetreten. Auch Lamy hatte bereits 1930 seine Füllhalter im Versandhandel angeboten und sich den Zorn und eine Anzeige des Einzelhandelsverbandes aufgeladen. Man war seit 1933 bereits wegen guter Geschäfte unter einem fremdländischen Namen sehr schnell als "Jude" bezeichnet worden, was ein Geschäft schnell auf den Nullpunkt bringen konnte. Heute ist das mit unterumgekehrten Vorzeichen auch möglich: Wenn der Begriff "arisch oder rein arisch" im Prospekt vorkommt, scheint man ein nazi gewesen zu sein, was ebenfalls die Geschäfte deprimiert und auch als Geschäftsschädigung aufgefasst werden kann. Das diesbezüglich hier erschinene Werbeblatt hatte ich gebeten, herauszunehmen. Die Befürchtungen sind faktisch aber unbegründet, die Lamys waren zutiefst katholisch und in der Meldekarte von Kaufmann findet sich der Buchstabe "k", was ebenfalls katholisch, allerdigs auch "keine Angabe" bedeuten kann.
Kaufmann meldete sich im August 1937 in Heidelberg ab und zog in die damals noch Bayrische Rheinpfalz. Dem Namen nach verblieb Kaufmann noch bis 1940 als Versandgeschäft bei Orthos in der Heidelberger Bahnhofstraße, dann bis 1943 "Am Fischmarkt" 3, wahrscheinlich unter Alexander Marossy, der 1939 Kaufmann abgelöst hatte und bis 1949 bei der Firma war. !938, das Jahr des Wechsels, ist so ein "gefährliches" Datum. Es könnte sich um eine behördlich verfügte arisierung gehandelt haben. Das ist aber noch nicht erforscht.
Der Satz im "Heyne- Buch Füllhalter": " Lamy erwarb die Artus Füllhaltergesellschaft Kaufmann & Co (...nach dem Krieg...) um in den Besitz der dort vorhandenen Spritzgussmaschinen zu kommen" ist in mehrfacher Hinsicht grundlos. Erstens, Geschichte wie oben, zweitens, Lamy hatte bereits Spritzgussmaschinen 1938 in Jena gekauft. Diese musste er aber auf Speers Anordnung für "kriegswichtige Produkte" einsetzen. Jede Weigerung wäre als Sabotage behandelt worden. In der zu Lebzeiten von Dr. Manfred Lamy veröffentlichten Time- Line war diese Zeit auch noch angedeutet. Heutzutage wird der Zeitraum 1933 - 1945 wieder großzügig ausgespart. Die Spritzgussmaschinen liefen fast Tag und Nacht und waren nach dem Krieg, wegen fehlender Wartung total verschlissen. Mit dem frühen Einsatz der Spritzgusstechnik setzte sich Lamy wieder zwischen alle Stühle. Man hatte innerhalb der Füllhalterproduzenten ein stillschweigendes Abkommen, dass man diese herstellungsart nicht einsetzen werde das die Produkte unschöne Nähte und quietschende Gewinde hatten, was den guten Ruf der "deutschen Wertarbeit" in aller Welt nachhaltig schädigen könnte. Lamy war der Blockadebrecher, hatte aber langfristig aufs richtige Pferd gesetzt.
Noch was zur frühen Zeit von C.J. Lamy aus "Heyne, Füllhalter": "Gegen 1927 wurde CJ Lamy (von Parker USA ) nach Deutschland zurückgeschickt um nach Möglichkeiten für eine Niederlassung Ausschau zu halten". Hier überschätzt man Lamys Funktionsberechtigung, die Suche wurde von Kenneth Parker selbst übernommen und manchmal hatte das auch überwiegend touristische Hintergründe. In Stuttgart traf man sich öfters mit dem ehemaligen Parker- Mitarbeiter Iwan Gollner, in der Literatur auch Göllner oder Gollwer und in den USA nannt er sich John Gollner. Der (nach Privatmitteilung von Gregor Miltner) Exil- Serbe, Jude und Freimaurer traf sich mit Georg Böhler und brachte auch gleich seine " heidnischen Schriften" mit, die den zutiefst katholischen Böhler fast zur Salzsäule erstarren ließen. Doch die Aussicht, dass man mit Parkers Hilfe zum größten Europäischen Produzenten erwachsen könnte, erzeugte Jagdtrieb. 1930 zerplatzte die Blase. Ob es ein Rückkauf wurde, ist fraglich. Parker verließ Böhler mit einem Mindestmaß von Aktien. Man fürchtete Reparaturen und Reklamationen, die nicht über den großen Teich fliegen sollten.
Gruss F

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Re: Marossy

Beitrag von Zollinger » 25.09.2023 14:14

Danke für diese sehr ausführlichen Erläuterungen Frodo!

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