Windiger Diplomat aus der Bucht - eine Moritat

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JohannesG
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Windiger Diplomat aus der Bucht - eine Moritat

Beitrag von JohannesG » 04.03.2019 19:59

Ich bin einem Trick-Verkäufer in der Bucht auf den Leim gegangen, der einen angeblich „neuen“ Diplomat Kolbenfüller eingestellt hatte. Die Feder war auf den Fotos nicht zu sehen, insoweit war schon ein Warnhinweis gegeben und ich hätte niemals ohne weitere Rückfrage ein Gebot abgeben dürfen. Da ich auch noch „unsicher“ gekauft habe (Vorab-Überweisung), bleibe ich auf dem Schaden sitzen und der Verkäufer hat eine schlechte Bewertung mehr. So weit, so schlecht.

Nun die Einzelheiten: Bei Ankunft des Füllers durfte ich als erstes feststellen, daß auf der im eingestellten Verkaufs-Foto abgewandten Seite der Kappe eine Werbeaufschrift für „Süddeutsche Zeitung“ prangte. Unter der Kappe kam eine Feder mit völlig verrotteter Art Teilvergoldung auf Stahl zum Vorschein. Richtig lustig ist die Gravur auf der Feder: Genau durch die verrotteten Metallurgie-Reste läuft die Inschrift „14K 585“. Interessantes Detail am Rande: Das Blickfenster zum Tintenvorrat hin sieht aus wie unbenutzt. Ich selbst habe das Teil bisher nicht befüllt, sondern nur einmal getunkt, um die Feder zu testen: Schreibt sich wie normale „M“, wenn auch etwas kratzig. Fotos mit Maßstab anbei.

OK, abgehakt als Lehrgeld.

Vielleicht wissen ja die Diplomat-Experten hier, was für ein Teil ich mir da eingefangen habe. Oder ist das gar ein gut abgehangener, uralter Voll-Fake? Es würde mich auch interessieren, ob sich noch irgendwo ein passendes Ersatzteil Tintenleiter/Feder auftreiben läßt - für kleines Geld.

Alternativ hatte ich daran gedacht, die verrotteten Reste der Billig-Vergoldung einfach wegzupolieren. Einen Dremel und Scheifpasten für Metallbearbeitung habe ich, nur leider kriege ich die Feder nicht aus dem Tintenleiter raus. Im eingebauten Zustand möchte ich keinen Polier-Versuch machen da ich befürchte, Polierkörner und/oder Öl/Fettanteile des Poliermittels ins Tintenleitsystem einzutragen.

Ich hoffe, mein Fehlkauf taugt hier wenigstens noch als mahnendes Exempel.

Grüße, Johannes
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TomSch
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Re: Windiger Diplomat aus der Bucht - eine Moritat

Beitrag von TomSch » 04.03.2019 21:12

Hallo Johannes,

auf den ersten Eindruck hin kann ich ein wenig deine Enttäuschung nachvollziehen.
Aber musst du gleich in diesem Stil loslegen? Kein Fake, könnte ein alter "25 " oder "24" von Diplomat sein (steht normalerweise auf dem Korpus). Die hatten ein solches Kreuz auf dem Kappenkopf. Und in der Tat besaßen sie oft eine 585er-Goldfeder, wie der hier auch. Ich wäre also mit den radikalen Polierversuchen, wie du sie angedeutet hast, extrem vorsichtig, es sei denn, du möchtest die "Nicht-Fake-Goldfeder" tatsächlich schrotten. :o
Ach ja, diese alten Diplomaten waren aus Zelluloid, ich wäre also auch bei den Reinigungsversuchen, vor allem in Verbindung mit warmem Wasser oder - noch viel übler, da tödlcih - mit einem Ultraschallgerät sehr vorsichtig. Es sei denn, dein Ziel ist das oben für die Feder schon angesprochene. :shock:

Für die Zukunft würde ich erst eine gemütliche Info-Sammlung anstreben, um danach begründet und mit korrekten Argumenten bewaffnet zurecht eine Beschwerde zu starten. ;)

Du kannst ihn mir gern überlassen! Würde mich freuen. :)

Windige Grüße aus dem Ostfriesischen,
Thomas
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Re: Windiger Diplomat aus der Bucht - eine Moritat

Beitrag von Linceo » 04.03.2019 21:18

Ehrlich gesagt: Mir gefällt er durchaus!

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Re: Windiger Diplomat aus der Bucht - eine Moritat

Beitrag von Will » 04.03.2019 22:46

Hey Johannes,

erst mal tief durchatmen. Das ist keine Stahl- sondern eine 14 Karat 585er Goldfeder. Du missdeutest nur die Verzierung auf der Feder. Die Goldfeder hat im vorderen Bereich eine Rhodiumauflage, was lediglich ein ästhetisches Element darstellt, das Design mag Dir etwas eigenwillig erscheinen, ist aber so konzipiert. Würde man die dünne Rhodiumauflage wegpolieren bliebe eine einfarbige Goldfeder. Bitte mache die Feder in Deiner Fehlinterpretation nicht kaputt, Du hast hier nämlich keinen Schrott. Gold läuft schon mal an und Tintenreste tuen ihr übriges. Es wäre völlig ausreichend die Feder mit warmem Wasser sowie einem Silberputztuch zu reinigen und schon strahlt sie wieder.

Wenn Du Dich beruhigt hast, wirst Du feststellen, dass es ein original Diplomat 17 mit echter Goldfeder und womöglich noch funktionierender Mechanik ist. Dann bleibt als Wermutstropfen lediglich die Fremdgravur.

Alles in allem vielleicht dann doch kein so schlechter Kauf, wie im ersten Moment angenommen.

Viele Grüße

Gerd

PS: Das Kratzen kann man der Feder sicher auch noch angewöhnen.
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Re: Windiger Diplomat aus der Bucht - eine Moritat

Beitrag von Andi36 » 05.03.2019 0:06

Ich denke auch, dass das eine Bicolor Goldfeder ist. Hat Diplomat gerne gemacht.
Ich würde mal mit dem Silberputztuch mein Glück versuchen um das Rhodium wieder auf Glanz zu bringen.

Andi.
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JohannesG
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Re: Windiger Diplomat aus der Bucht - eine Moritat

Beitrag von JohannesG » 05.03.2019 11:13

Hallo Andi und Gerd,
gut daß es euch gibt - sonst hätte ich wirklich noch den Dremel genommen. In der Tat, das Silberputztuch wirkte Wunder - ich bin platt.

Hallo Thomas,
eine Google-Suche zum Thema "Diplomat 17" bringt genau Null zum Thema Feder. Zumindest war das bis gestern Abend so in deutscher und englischer Sprache. "ex post" trifft natürlich zu: der Augenschein hat mich getrogen.

Ich habe meine negative Bewertung des Bucht-Verkäufers löschen lassen. Das Endergebnis ist jetzt besser, die Attribute "ganz ehrlich und aufrichtig" kann ich ihm immer noch nicht zugestehen - Schwamm drüber.

Ob ich mich mit dem so teil-rehabilitierten Diplomaten noch Freundschaft schließen werde? Ich weiß noch nicht, PN's nehme ich entgegen ;)
Grüße, Johannes

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Re: Windiger Diplomat aus der Bucht - eine Moritat

Beitrag von agathon » 05.03.2019 14:47

Die Geschichte mit den Gravuren begegnet einem schon mal häufiger. Da hilft nur Nachfragen im Vorfeld, das habe ich mir zur Regel gemacht - genauso wie ein genaues Nachfragen was die Fubktionalität des Kolbens betrifft. Die Auskunft z.B., dass der Kolben leichtgängig sei, ist ja nicht gleichbedeutend damit, dass er dicht ist. Gerade bei diesen eBay-Angeboten ist es wichtig, durch 3-4 geschickte Nachfragen ein etwaiges Risiko zumindest deutlich zu minimieren.

Grüße

agathon

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TomSch
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Re: Windiger Diplomat aus der Bucht - eine Moritat

Beitrag von TomSch » 05.03.2019 15:09

Hallo Johannes,

der Tipp mit der "17" war nicht von mir, sondern von Gerd. Ich schrieb von einem 25 oder 24. :)
Hier ist (m)einer der Brüder, ein 24er in Zelluloid:
diplo24_01.jpg
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Das mit der Gravur ist zugegebenermaßen ärgerlich, hätte der Verkäufer angeben müssen oder bei Nachfrage eventuell einen Nachlass einräumen. Solche Füller gehörten damamls zu den wertvolleren Werbegeschenken. Einer meiner "24er" hat ein "Allianz"-Imprint.
Gib dem Füller 'ne Chance. 8-)
Thomas
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Re: Windiger Diplomat aus der Bucht - eine Moritat

Beitrag von agathon » 05.03.2019 15:32

Und so wie ich das sehe, könnte man die Gravur zwar nicht vollständig, aber doch ein gutes Stück kaschieren, indem man den Clip darüber platziert.

Grüße

agathon

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Re: Windiger Diplomat aus der Bucht - eine Moritat

Beitrag von desas » 05.03.2019 15:33

Ich würde die Kappe gründlich polieren, der Schriftzug ist eine Prägung, deren erhabene Ränder beim Polieren schon verschwinden sollten. Danach ist er dann viel flacher.

Der Tip mit dem Clip rundet das Ganze ab.
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Re: Windiger Diplomat aus der Bucht - eine Moritat

Beitrag von JohannesG » 05.03.2019 16:15

Tolle Tipps von euch, danke!
Als (relativer) Anfänger auf dem Gebiet konnte ich ja schon mal viel lernen. Übrigens, daß es sich um einen Diplomaten mit Vornamen "17" handelt hatte ich schon selbst erkannt und auch fotografiert. Wer mein vorletztes Bild auf den Kopf stellt (oder wahlweise auch sich selbst oder aber seinen Laptop) kann "Diplomat 17" auf der Kappe lesen.
Wann wurde Nr. 17 denn so in etwa hergestellt, in den 1960-ern vielleicht?
Grüße, Johannes

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Re: Windiger Diplomat aus der Bucht - eine Moritat

Beitrag von Knorzenbach » 05.03.2019 19:25

Schön wäre es, wenn wir jetzt noch die polierte Feder sehen könnten, Johannes. Nur damit wir das "verkruschtete" Etwas aus dem Kopf kriegen... ;)

Gruß
Tomm

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Re: Windiger Diplomat aus der Bucht - eine Moritat

Beitrag von JohannesG » 06.03.2019 12:13

Was denn, Ihr wollt gar keine Gruselfotos? Bitte sehr, ich kann auch „schön“. Hatte ich schon erwähnt, daß dieser jungfräuliche Diplomat auch „Original Box und Papier“ bei sich hatte? Ich zeige es euch jetzt.

Grüße, Johannes
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Re: Windiger Diplomat aus der Bucht - eine Moritat

Beitrag von Will » 06.03.2019 13:05

Hallo Johannes,

na also, die Feder ist doch sehr ansehnlich geworden! Und, bist Du jetzt mit Deinem Kauf versöhnt oder muss der Diplomat immernoch weg?

Bei der Produktionszeit würde ich auch auf die 60er tippen.

Viele Grüße

Gerd
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Re: Windiger Diplomat aus der Bucht - eine Moritat

Beitrag von Knorzenbach » 06.03.2019 20:06

Windiger Diplomat aus der Bucht - eine Moritat
Und, wie ist die Moral aus der Geschicht´?

Gruß,
Tomm

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