das Thema Ebonit hat mich in den letzten Wochen aus gegebenem Anlass sehr beschäftigt. Am 3.10. war Penport in Hamburg und nach langen Jahren der Abstinenz war ich mal wieder dabei. Obwohl ich gestehen muss, es deutlich anders in Erinnerung gehabt zu haben, war es neben den netten Gesprächen mit anderen Füllerenthusiasten vor allem ein Stand, bei dem meine Augen zu leuchten begannen: Ein kleiner Stand mit zwei netten Herren aus Istanbul, die handgedrehte Ebonit und sogar Urushi-Füller anboten. Stüdyo Ağaçkakan (heißt Specht, ich musste das googeln).
Ich hatte gehofft, auf der Penport ggf. einen Wancher Ebonit oder Nakaya zu ergattern, wobei sich das Angebot an japanischen Ebonit/Urushi-Füllern insgesamt an einer Hand abzählen ließ. Und so schön der Namiki Emperor auch sein mag…erschwinglich ist er nicht gerade.
Bei besagtem Stand hingegen war eine erfreulich breit gefächerte Auswahl an verschiedenen Ebonit und Urushi-Modellen anzutreffen (vgl. Bilder weiter unten)
Das Team
Bevor ich zur Vorstellung des eigentlichen Füllers komme, ganz kurz ein paar Zeilen zum Team von Stüdyo Ağaçkakan. Treibende Kraft hinter der jungen Firma von 2014 ist Mehmet Çakar, der seit 2019 von einem Freund unterstützt wird und die wundervollen Urushi-Arbeiten stammen von Mehmets Frau. Auffällig ist im Gespräch sofort der Enthusiasmus. Beide Herren arbeiten bei Turkish Airlines, Mehmets Frau ist Zahntechnikerin: Es ist spürbar eine Leidenschaft aller Beteiligten, ohne dass auch nur ein Quäntchen des Ernstes zu merken wäre, der sich einstellt, sobald aus der Leidenschaft ein Beruf geworden ist, der genug Gewinn einfahren muss, um davon leben zu können. Mir waren die Jungunternehmer sofort sympathisch und sich vorzustellen, als Airline-Mitarbeiter spaßeshalber zu verschiedenen Penshows weltweit zu fliegen, denn genau das tun sie, ist wirklich witzig und spiegelt die Begeisterung deutlich wider.
Verpackung
Jetzt aber zum Füller… also fast… zunächst zur Verpackung: Ağaçkakan-Füller kommen in einer mit Schaumstoff ausgelegten, schwarzen Pappschachtel im Schuber mit Baumwollbeutelchen, Putztuch und Konverter.
Dimensionen
Der Füller ist 22 Gramm leicht (ohne Kappe 15gr), geschlossen ist er 14 cm lang, offen 13cm. An der breitesten Stelle ist er 17mm, das sich nach vorne verjüngende Griffstück direkt in der Mulde vor der Feder hat einen Durchmesser von 11mm.
Material
Ebonit. Mehmet sagte mir, dass er mit japanischem Ebonit arbeite. Und da gibt es so einige Farben, sich hier zu entscheiden war gar nicht einfach!
Der Füller macht trotz des leichten Gewichts einen äußerst soliden Eindruck, was auch der recht hohen Materialstärke geschuldet sein dürfte. Wer von euch schon mal einen Nakaya in der Hand hatte, weiß um die äußerst filigrane Bearbeitung: Die Kappenlippe ist so dünnwandig ausgedreht, dass ich persönlich immer Sorge um die Alltagstauglichkeit habe (obwohl ich noch nie einen Haarriss an einem Nakaya hatte). Der Ağaçkakan Ebonit wirkt insgesamt deutlich robuster – im besten Sinne.
Feder
Verbaut ist eine Jowo #6. Man hat die Wahl zwischen EF bis zur Stub – ohne Aufpreis bei EF oder Stub. Federn gibt’s in Stahl, vergoldet oder auch Massivgold. Ich mag den Tintenfluss und die Verlässlichkeit dieser Federn und vor allem, dass sie bei mir auch gut mit bspw. Diamine Shimmer Tinten klarkommen. Eine Besonderheit ist hier sicherlich das Spechtlogo auf der Feder, denn bei kleineren Herstellern ist es keine Selbstverständlichkeit, dass hier eine Personalisierung stattfindet. Wie bei vielen anderen günstigen Stub-Federn ist hier allerdings darauf hinzuweisen, dass kein Federkorn angebracht zu sein scheint. Die Stub-Feder wird also nicht so lange halten, wie eine reguläre EF-B. Ich persönlich nehme das hier gerne in Kauf, denn die Strichvariation ist großartig und die Feder zur Not leicht austauschbar.
Fit & Finish
Bei meinem Exemplar ist die Materialstärke – wie oben beschrieben – angenehm massiv belassen, allerdings sind die Toleranzen dennoch tippitoppi, denn die Gewinde halten so dicht, dass auch nach mehreren Tagen ohne Nutzung weder Anschreibprobleme, noch niedrigerer Füllstand des Konverterts durch Verdunstung spürbar wäre. Das Kappengewinde hat 5 Ansätze und die Kappe öffnet sich durch eine 360°-Drehung. Das ist im Alltag extrem angenehm, weil es kein langes Auf- und Zudrehen gibt. Durch das Material hält die Verbindung auch angenehm fest und ein versehentliches Aufdrehen der Kappe ist bei mir noch nicht vorgekommen. Angemerkt werden sollte hier allerdings, dass die Kappe sich bei meinem Exemplar hinten nicht verlässlich aufstecken lässt. Aufgrund der Größe und Gewichtsverteilung finde ich es allerdings ‚unposted‘ ohnehin angenehmer. Auch das Gewinde zwischen Griffstück und Korpus ist super gemacht – womöglich mit etwas Silikonöl sogar eyedroppertauglich. Ich habe es allerdings nicht ausprobiert, denn für mich ist das nur eine Option, wenn ich den Füllstand von außen im Auge behalten kann. Was ich hier besonders hervorheben möchte ist die selbst bei wesentlich teureren Füllern leider nur selten anzutreffende Eigenart, dass Kappe und Schaft von der Farbgebung des Materials passend zusammengefügt wurden. Die Farbverläufe der Kappe setzen sich über passend gedrehte Gewinde stimmig über den Schaft fort. Mich beeindruckt dieses Maß an Präzision und Detailverliebtheit sehr. Zweite Besonderheit ist der geschraubte Konverter. Während die meisten Konverter Steckkonverter sind, liegt hier ein Gewindekonverter vor, womit der Konverter sich nicht unfreiwillig vom Dorn des Tintenleiters lösen kann. Auch der Konverter ist personalisiert und mit Spechtlogo versehen.
Preis
Die Ebonitmodelle starten bei 135,-€. Vor dem Hintergrund der Tatsachen, dass es sich um reine Handarbeit, Ebonit, massive und wirklich gute Verarbeitung sowie hohe Detailverliebtheit handelt, ist das äußerst attraktiv.
Details
Logos auf der Feder UND auf dem Konverter, geschraubter Konverter, beim Drehen der 5 Gewindeansätze auf Passgenauigkeit der Muster geachtet, breitgefächerte Federauswahl… ich finde das ziemlich beeindruckend. Und werde mich zukünftig noch etwas genauer beim Stüdyo Ağaçkakan umschauen - etwas erschwerend kommt hier allerdings hinzu, dass die Website nur auf Türkisch verfügbar ist. Die Implementierung einer Übersetzung ins Englische direkt auf der Homepage wäre zumindest für mich sehr hilfreich.
- IMG_6799.jpeg (395.35 KiB) 2030 mal betrachtet
- IMG_6800.jpeg (340.75 KiB) 2030 mal betrachtet
- IMG_6801.jpeg (333.38 KiB) 2030 mal betrachtet
- IMG_6803.jpeg (690.58 KiB) 2030 mal betrachtet
- IMG_6804.jpeg (497.59 KiB) 2030 mal betrachtet
