Tintenleiter, Funktion der Lamellen

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Thom

Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von Thom » 12.01.2018 10:52

stift hat geschrieben:Stimmt alles aber so wie bei Waterman ist nur ein Beispiel, hat es keine Lamellen gegeben so auch bei vielen andern Füllern wie bei Hebelfüller usw.
Da hat jeder seine eigene Technik angewandt,egal hat trotzdem funktioniert zur Freude unserer .
Ich habe auch schon oft Tintenleiter getauscht oder ersetzt und hat auch immer funktioniert.
Grüße Harald
Der Blackbird (s.o.) ist ein Hebelfüller. Ich würde das aber auch nicht als Lamellen bezeichnen, sondern als Tintenpuffer. Die können Tinte aufnehmen und wieder abgeben. Zum einen ergibt das eine Funktion wie beim Geha Detail 2. Da kommt aber nochwas anderes dazu, der Blackbird hat eine flexible Feder, wenn ein Schwellzug schnell endet, wird die überschüssige Tinte aus dem Federspalt verdrängt und geht zurück in einen gekrachte vollen Tintenkanal. Dieser Überschuss kann dann kurzzeitig in diese Puffer. Eine gewisse Reservoirfunktion ergibt sich fast zwangsläufig.

V.G.
Thomas

Thom

Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von Thom » 12.01.2018 13:16

P.S. Ich kann zwar nicht zeigen, wie die Tinte in die Puffer reingeht, aber dass sie tatsächlich drinnen war.
Für die Schwarzlichtfreundinnen und -freunde, das ist eine Eosinfluoreszenz.
Romus mit Spitzfeder.JPG
Romus mit Spitzfeder.JPG (370.33 KiB) 5256 mal betrachtet

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Pelle13
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Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von Pelle13 » 12.01.2018 15:13

Stimmt, bei einigen roten und grünen Tinten braucht man noch nicht einmal Schwarzlicht, die schmoddern die Lamellen deutlich sichtbar voll.

Spannender Faden!
Dagmar
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ddss
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Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von ddss » 12.01.2018 19:59

Das älteste Patent zur Erfindung der "Lamellen", welches ich kenne, stammt von August Eberstein und wurde am 04.09.1902 angemeldet:

http://www.google.com/patents/US750271

Vielleicht gibt es noch ältere Anmeldungen; die kenne ich aber nicht.

Eberstein beschreibt seine Erfindung witzigerweise genau so, wie dies der Themenstarter auch beobachtet hat:

Die Form des Kapillar-Reservoirs und dessen Lage sind egal (rund, eckig, längs, quer, oben, unten, links, rechts etc.), wichtig ist nur, dass diese Auffangkammern keinen direkten Kontakt zum Tintenleiter haben, sondern allein durch die Kapillarwirkung im "Krisenfall" (Temperatur- bzw. Druckschwankungen, Schütteln usw.) mit Tinte befüllt werden, um zu verhindern, dass die zur Feder drückende Tinte sich über eben diese Feder entlädt (maW: Der Füller tropft.).

Allerdings habe ich anhand der Patentanmeldung nicht wirklich verstanden, wie die in den Auffangkammern "gepufferte" Tinte wieder entladen wird: Das muss dann wohl auch über die Kapillarwirkung geschehen?

Zum MB 12: Dieser Füller hat ein ziemlich großes Auffang-Reservoir (Lamellen), welches im Griffstück verborgen ist. Dieses ist zur Federseite angeordnet und von unten nicht zu sehen. Wenn man den Tintenzuführer aber von der Seite betrachtet, kann man die beiden ersten Stege der Lamellen erkennen.

Viele Grüße

Michael

Thom

Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von Thom » 12.01.2018 21:10

Beim Blackbird kann man's ja gut sehen, die Verbindung entsteht, wenn die Tinte über den Tintenkanalrand tritt. Dann wird sie durch Adhäsion in die Schlitze gezogen und festgehalten. Rückwärts, würde ich sagen, spielt die Kohäsion der Tinte eine wichtigere Rolle.

Bild

VolkerB
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Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von VolkerB » 13.01.2018 9:34

Hallo,

danke für den Hinweis mit dem fehlenden Kontakt zum Tintenleiter. Die Kapillarkräfte wirken aber natürlich nicht nur zwischen den Lamellen selbst, sondern auch zwischen Feder und Tintenleiter. Entscheidend ist hier wohl der eher indirekte Weg zu den Lamellen, damit sie als Puffer dienen und nicht direkt vom Tintenkanal geflutet werden.

Es dürfte den meisten bekannt sein, aber Dominic Rothemel hat ja nicht nur die Pelikan-Füller, sondern auch die Federn katalogisiert, die man sich hier und hier im Detail ansehen kann.

Die hinteren Lamellen im modernen Pelikan-Tintenleiter haben anscheinend direkten Kontakt zum Tintenkanal, wie man hier sehen kann, vorne ist dagegen eine Art Steg dazwischen:
Bild

Noch einmal kurz zum Thermic-Regler: Die beste Beschreibung ist ein Stapel Blumentöpfe mit dickeren Wänden unten als oben, dadurch werden die Spalten unten schmaler und die Kapillarkräfte größer. Anders als bei (intakten) Blumentöpfen kommunizieren die Kapillaren über Löcher in den Wandabschnitten.
Oder habe ich da etwas falsch verstanden?

Hier noch ein Bild:
Bild

Na ja, ab 1971 gab es dann ein einteiliges System mit engeren Kapillaren, das gar nicht erst zusammengesetzt werden mußte.

Viele Grüße,
Volker

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ddss
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Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von ddss » 13.01.2018 11:15

Darf ich noch einmal nachhaken? Ich habe nämlich den "Rückweg" aus den Auffangkammern immer noch nicht wirklich verstanden: Ich denke an einen gedippten Füller. Durch das Dippen werden die Auffangkammern geflutet (die Rechtschreibkorrektur möchte hier gerne "geflötet" haben, auch schön). Der eigentliche Tank ist leer (wenn man ganz sicher gehen will, dreht man auch noch die Kolbendichtung nach unten). Trotzdem funktioniert der Füller nicht "irgendwie", sondern einwandfrei, und zwar - bei entsprechend großem Tintenzuführer - sogar über mehrere Seiten. Es müssen hier doch ziemlich große Kräfte wirken, die die Tinte uU sogar gegen die Schwerkraft in den eigentlichen Tintenkanal ziehen.

Beim Pelikan-Zuführer sehe ich die Geschichte genau so wie Volker: Der obere Teil dürfte eine andere Funktion haben: Es sieht aus wie ein Tinten-Puffer, der eine gewisse Menge von Tinte auch dann noch festhält, wenn man den Füller mit der Spitze nach oben hält.

Viele Grüße

Michael

Matthias MUC
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Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von Matthias MUC » 13.01.2018 12:17

VolkerB hat geschrieben:...Noch einmal kurz zum Thermic-Regler: Die beste Beschreibung ist ein Stapel Blumentöpfe mit dickeren Wänden unten als oben, dadurch werden die Spalten unten schmaler und die Kapillarkräfte größer. Anders als bei (intakten) Blumentöpfen kommunizieren die Kapillaren über Löcher in den Wandabschnitten.
Oder habe ich da etwas falsch verstanden?

Hier noch ein Bild:
Bild

Na ja, ab 1971 gab es dann ein einteiliges System mit engeren Kapillaren, das gar nicht erst zusammengesetzt werden mußte.

Viele Grüße,
Volker
Wenn ich die Bilder recht anschaue, ist der Tintenleiter ab 1971 ohne daß man von außen was sieht, dann sowieso komplett vom klassischen "Thermikregler" (= Blumentopfstapel aus dem Kovacs-Patent) auf das Lamellenmonster wie schon seit Ewigkeiten bei den Federaggregaten der Kolbenfüller umgestellt worden.
BildHmmmm - ich bin mal gespannt, ob ich beim Nachlaß-Auflösen meinen eigenen roten 1974er Pelikano (mutmaßlich Pelikano 4, wenn ich mich an die damals neu eingeführte Rechtshändergriffmulde recht erinnere) finde (da bin ich in die zweite Klasse gekommen), da sollten dann die Lamellen sein....
Wie zerlegt man solche Füller zerstörungsfrei? Feder nach vorne rausziehen, Tintenleiter nach hinten rausrücken? Was ist in meinem Silvexa P21 drin, das sollte genau der Systemwechsel sein, der P20 noch mit den Blumentöpfen?

VolkerB
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Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von VolkerB » 13.01.2018 15:45

Das Interessante am Thermic-Regler finde ich die zwiebelschalenartig umeinandergreifenden Lamellen, die beweisen, dass es kein Kamm sein muss.

Kapillarkräfte und Oberflächenspannung können auf kurze Distanz recht stark wirken.

In einem Tintenleiter kann auch mal der Inhalt einer halben Patrone stecken, wenn er maximal voll ist. Mich wundert es nicht, wenn ein gedippter Füller dann ganz artig seine Tinte aus dem äusseren Teil des Leiters unter der Feder durch zurückleitet und so die Tinte aus dem Überlauf wieder ihrem Zweck zuführt.

Gruss,
Volker

Thom

Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von Thom » 13.01.2018 16:34

Das sind winzige Entfernungen, die Bilder sind nur so groß. :)
Bei einem ordentlichen Schwellzug hängt der Tintenfilm, nur durch die Kohäsion der Tinte und die Adhäsion der Federbacken gehalten, 2mm frei in der Luft. Das ganze Puffern hat aber natürlich seine Grenzen. Wenn der Füller mal richtig "Sonne" abkriegt,
kleckst der trotzdem.

V.G.
Thomas

Matthias MUC
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Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von Matthias MUC » 13.01.2018 16:53

Thom hat geschrieben:Das sind winzige Entfernungen, die Bilder sind nur so groß. :)
Mit einem Wort: Diese ganzen Tintenleiterkonstruktionen sind eigentlich geniale Wunderwerke der Physik und Technik. Eine tiefe Verneigung vor Kovacz & Kollegen und vor denjenigen, die dieses feine Futzelzeug früher und heute fertigungstechnisch ausbaden müssen.

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Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von pelikanjog » 14.01.2018 11:46

Hallo Thomas, und die vorherigen Foristen - ich komme gerade von einer Reise zurück und sehe eine Fülle von guten Erklärungen -,

vielen Dank für die Infos (und die Bilder)! Ich werde die mit Muse studieren. Ich fange aber schon jetzt an, bewundernd, zu verstehen.

Hansjürgen

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Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von Pen Ingeneer » 02.11.2020 10:56

Hallo an alle

Es ist ja immer wieder spannend für mich technische Diskussionen über Füllhalter zu lesen. Einmal ist es die Breite des Sachwissens im Bereich der Geschichte aber auch das Wissen über die verschiedenen Fabrikate. Auch folge ich gerne den Gedankengängen sowohl der Fragenden als auch der Antwortenden.

Und schließlich möchte ich natürlich gerne meinen eigenen Sermon dazugeben. Aber lieber als ausgedehnte Abhandlungen daher zuschreiben, möchte ich gerne einen Link zu meiner Webseite anbieten, die sich um die Funktion des Füllhalters handelt. Ich hoffe, daß ich nicht gegen die Regeln dieses Forums verstoße, was nicht meine Absicht ist. https://fountainpendesign.wordpress.com/
mit Freundlichkeit und einem Täßchen Kaffee

______ Amadeus W.

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Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von Paperclip » 02.11.2020 19:25

Hab den Thread jetzt eben gelesen und wollte grad den Link zu Deinen Abhandlungen schreiben. Das hast Du jetzt selbst erledigt, gut!

Paperclip

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Re: Tintenleiter, Funktion der Lamellen

Beitrag von pelikanjog » 04.11.2020 18:52

Hallo Amadeus W. ,

ich habe deine website mal aufgerufen und finde sie interessant und lohnend, wenn man den inneren links folgt, vor allem, wenn man Fakten klären will (flexible, feed Funktion usw.)

Vielen Dank für den Hinweis.

Hansjürgen

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