Iridium oder nur der Name...

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Schaumburger
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Iridium oder nur der Name...

Beitrag von Schaumburger » 01.06.2019 22:44

Moin,

ich las gestern einen sehr interessanten Artikel bzw. eine Internetseite über Federspitzen
und ihre Zusammensätzung über die Jahre.
"Iridium point" ist demnach oft nicht wörtlich zu nehmen...

https://www.nibs.com/blog/nibster-writes/wheres-iridium

https://www.nibs.com/blog/nibster-write ... ut-iridium

Danke an OMASsimo auf FPN, der diese verlinkt hatte.

Es grüßt
Jens
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Tenryu
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Re: Iridium oder nur der Name...

Beitrag von Tenryu » 02.06.2019 0:32

Meines Wissens verwendet Pilot eine Iridium-Osmium-Legierung.
Wie das bei Pelikan und anderen aktuell ausschaut,. wäre interessant zu erfahren. Aber das werden die vermutlich nicht preisgeben.
Vor ca. 15 Jahren hatte ich noch Zugang zu einem Massenspektrometer. Aber damals hatte ich noch keine Füller gesammelt.

Frodo
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Re: Iridium oder nur der Name...

Beitrag von Frodo » 02.06.2019 14:28

Iridium war eigentlich nur als Begleitelement in den natürlich vorkommenden Körnchen aus der Kreidezeit in wechselnden Mischungen vorhanden. Die Legierung wurde in Deutschland "Osmiridium" und im englischsprachigen Gebiet "Iridium" genannt. Die Metalle konnten aber erst Ende der ersten Dekade getrennt werden und 1919 wurde bei Heraeus in Hanau eine synthetische Legierung mit einem Osmium- Gehalt von 80 % hergestellt. Daraus wurden Federspitzen, Grammophonnadeln, Drahtzugkegel und sogar Bestecküberzüge hergestellt.
Osmium ist alledings enorm teuer und seitdem irgendein Spezialist Schmuck aus Osmium angeboten hatte, ist der Preis auf etwa 850 E pro Gramm angewachsen (Gold etwa 38E/g) Die Weltjahresproduktion liegt etwa bei einem Volumen von 10 Liter.
Osmium kann ohne große Qualitätsverluste durch das viel billigere Ruthenium ersetzt werden.
So weit ich weis stellt Heraeus alle Federspitzen her. Das frei verfügbare Filmchen, bei dem Metallpülverchen gemixt und dann elektrisch zu Pellets verschmolzen werden enthält in den Metallen höchstwahrscheinlich kein Osmium oder Iridium, beide sind viel zu teuer geworden und ersteres kann auch nur im Vakuum geschmolzen werden da es recht schnell an der Luft zum Tetroxid verbrennt.
Gruss F

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Will
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Re: Iridium oder nur der Name...

Beitrag von Will » 02.06.2019 15:00

Frodo hat geschrieben:
02.06.2019 14:28
Iridium war eigentlich nur als Begleitelement in den natürlich vorkommenden Körnchen aus der Kreidezeit in wechselnden Mischungen vorhanden. Die Legierung wurde in Deutschland "Osmiridium" und im englischsprachigen Gebiet "Iridium" genannt. Die Metalle konnten aber erst Ende der ersten Dekade getrennt werden und 1919 wurde bei Heraeus in Hanau eine synthetische Legierung mit einem Osmium- Gehalt von 80 % hergestellt. Daraus wurden Federspitzen, Grammophonnadeln, Drahtzugkegel und sogar Bestecküberzüge hergestellt.
Osmium ist alledings enorm teuer und seitdem irgendein Spezialist Schmuck aus Osmium angeboten hatte, ist der Preis auf etwa 850 E pro Gramm angewachsen (Gold etwa 38E/g) Die Weltjahresproduktion liegt etwa bei einem Volumen von 10 Liter.
Osmium kann ohne große Qualitätsverluste durch das viel billigere Ruthenium ersetzt werden.
So weit ich weis stellt Heraeus alle Federspitzen her. Das frei verfügbare Filmchen, bei dem Metallpülverchen gemixt und dann elektrisch zu Pellets verschmolzen werden enthält in den Metallen höchstwahrscheinlich kein Osmium oder Iridium, beide sind viel zu teuer geworden und ersteres kann auch nur im Vakuum geschmolzen werden da es recht schnell an der Luft zum Tetroxid verbrennt.
Gruss F
Lieber Frodo,

ganz herzlichen Dank. Dein Beitrag verdient es aus meiner Sicht im Pen-Wiki verewigt zu werden.

Sonnige Wochenendgrüße

Gerd
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Re: Iridium oder nur der Name...

Beitrag von ichmeisterdustift » 05.06.2019 20:50

Ich zitiere mal Bock von deren eigener Webseite zur 250er Feder:

Erhältliche Versionen: Iridium- und Kalligraphieschreibfeder
Erhältliche Iridium-Spitzenbreiten: EF, F, M, B in Gold, Titan, Platin, Palladium und Edelstahl
Erhältliche Kalligraphie-Strichbreiten: 1.1, 1.5, 1.9 in Edelstahl


und verlinke auch noch ein Foto von der Bock-Seite, auf welchem das (Zitat) Anschweißen eines Iridiumkorns auf eine Schreibfeder gezeigt wird.
https://www.peter-bock.com/images/unter ... age006.jpg

Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein weltweit renommierter Hersteller wie Bock so ganz offen falsche Angaben macht. Bei manch Feder aus Fernost - wie z.B. Jinhaos 18kGP polierter Stahlfeder 8-) - nehme ich die Angaben aber nicht so ernst, auch nicht das häufig gesehene "Iridium Point".

Gruß,
Volker
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Re: Iridium oder nur der Name...

Beitrag von SimDreams » 05.06.2019 23:36

Massenspektrometer lügen aber auch nicht.

"I can only conclude that the word has undergone a transformation in the same way that xerox has become a copy, and a fridge is a place to keep food cool and, therefore, something other than a brand name.I do not believe there is a conspiracy among pen makers to foster ignorance, but rather a linguistic impediment that none considered worth while to overcome. If most pen sellers talk about their pen being tipped with the best quality "iridium", who would want to say that theirs contains no iridium, but is composed primarily of ruthenium, tungsten and rhenium (as is the case with Montblanc)."

Grüße, Uwe
Da die Schreibgeräteakquise nicht das einzige Hobby ist: http://www.flickr.com/photos/simdreams/

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Re: Iridium oder nur der Name...

Beitrag von ichmeisterdustift » 06.06.2019 5:49

SimDreams hat geschrieben:
05.06.2019 23:36
Massenspektrometer lügen aber auch nicht.
Grüße, Uwe
Wenn ich den Artikel von nibs.com richtig gelesen habe, wurden allerdings nur Federn aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts geprüft. Oder habe ich da etwas übersehen ?

Gruß,
Volker
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Re: Iridium oder nur der Name...

Beitrag von HeKe2 » 06.06.2019 8:40

ichmeisterdustift hat geschrieben:
06.06.2019 5:49
SimDreams hat geschrieben:
05.06.2019 23:36
Massenspektrometer lügen aber auch nicht.
Grüße, Uwe
Wenn ich den Artikel von nibs.com richtig gelesen habe, wurden allerdings nur Federn aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts geprüft. Oder habe ich da etwas übersehen ?

Gruß,
Volker
Na ja, in dem Artikel, der übrigens von 1996 ist, heißt es "The most recent tipping that we could find with iridium in the alloy was in a 1952 Parker 51 nib (2.6%)." Das heißt, dass sie keine späteren Federn mehr gefunden haben, die Iridium enthalten. Gleichzeitig heißt das aber nicht, dass ihre Suche vollständig war oder dass es nicht mittlerweile wieder Federn gibt, die Iridium enthalten.

Den Teil, den SimDreams zitiert, halte ich im Übrigen für sehr wahrscheinlich, nämlich dass sich der Name "Iridium Point" in der Art verselbstständigt hat wie "Tempotaschentuch", "Kleenex", "Zewatuch" usw. Insofern käme ich gar nicht auf die Idee, Firmen wie Bock usw. hier irgendeine Lüge oder Vergleichbares zu unterstellen. Der Ausdruck Iridiumspitze beschreibt hier in Ermangelung eines besseren Begriffes nur allgemeinverständlich einen Sachverhalt, der andernfalls nur sehr umständlich zu beschreiben ist und vielerlei Erklärungen bedarf.

Darüber hinaus ist Iridium, wenn es denn schon in den Spitzen enthalten ist, kaum je mit einem Anteil von über 50% an der Legierung der Spitze beteiligt gewesen. Bestenfalls sehr alte Federn enthielten mehr. Frodo wird schon recht haben mit seiner Einschätzung, dass es aus Preisgründen und Verarbeitungsgründen kaum Sinn macht, Iridium in größeren Mengen zu verwenden. Dabei bleibt die Frage offen, ob diese Veränderung der Zusammensetzung denn nur aufgrund des Preises des Iridiums erfolgte, oder ob nicht auch Überlegungen hinsichtlich der Qualität der Spitze dem zugrundeliegen. Es hat nämlich noch niemand gesagt oder festgestellt, jedenfalls nicht öffentlich, das eine Spitze mit höherem Iridiumanteil besser ist, als eine mit geringerem Iridiumanteil in der Spitze. Im Gegenteil, es scheint so zu sein, das Qualitätsverluste eben nicht auftreten. Daher würde ich auch aus diesem Gesichtspunkt heraus niemandem hier eine böse Absicht unterstellen wollen. Das ist in diesem Fall für mich nicht dasselbe, wie die Sache mit den Lederlenkrädern in Autos, die vielfach auch nicht mehr aus Naturleder sind. In letzterem Fall wird nämlich auf eine ganz bestimmte Erwartung des Kunden bezüglich der Eigenschaften des Materials abgehoben, die der Kunde auch benennen kann (Atmungsaktivität, Saugfähigkeit), die das Kunstleder nicht unbedingt hat, wohingegen er bei der Iridiumspitze gar nicht sagen kann, welche Legierung denn nun die besten Eigenschaften hat.
Beste Grüße
Hermann

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Schaumburger
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Re: Iridium oder nur der Name...

Beitrag von Schaumburger » 06.06.2019 12:37

Hallo,

mit den eingeführten Begriffen sehe ich das auch so.
Denkt nur an den "Bleistift" der auch nicht zum Graphitstift wurde.
"Iridium" ist da handlicher als "harte Metalllegierung".

Es grüßt
Jens
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Re: Iridium oder nur der Name...

Beitrag von Tenryu » 06.06.2019 13:26

Die Preise für Edelmetalle haben sich in den letzten Jahrzehnten massiv geändert. (Ich erinnere mich noch gut, daß früher Palladium kaum halb so teuer war wie Gold, und Platin fast doppelt so teuer wie Gold war.)
Insofern kann ich mir schon vorstellen, daß Iridium-Federn, die früher größtenteils aus solchem bestanden, heute nur noch einen geringen Anteil oder auch gar keines mehr enthalten. Und in zehn Jahren vielleicht wieder mehr, weil dann vielleicht Osmium teuerer geworden sein wird.

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Re: Iridium oder nur der Name...

Beitrag von Frodo » 08.06.2019 20:24

Tenryu hat geschrieben:
06.06.2019 13:26
........
Insofern kann ich mir schon vorstellen, daß Iridium-Federn, die früher größtenteils aus solchem bestanden
Hi
Nein, keine Feder hat aus Iridium bestanden. Es gab immer nur Goldfedern und Stahlfedern aus Kohlenstoffhaltigem Stahl oder aus hochlegiertem Stahl V4A Supra oder V2A, Chrom- Vanadium oder Palladium- Silber. Heinze und Blanckertz hatten auch mal eine Feder aus Tantal herausgebracht und heute gibts auch Federn in Titan.
Dr Ernst Haagn hatte für seine Firma Heraeus Platinmetalle aus der natürlich vorkommenden Mischmetallegierung dargestellt und daraus neue harte und hochschmelzende Legierungen für die Verwendung in Glühlampen, elektrischen Heizgeräten, elektrischen Temperaturmessgeräten u.a. zusammengestellt. 1919 konzipierte er eine Legierung mit einem über 70%igem Gehalt an Osmium, welche für Schreibfederspitzen geeignet war. Die Legierung sollte hart, korrosionsbeständig und nicht fibrogen sein. Er fand in seinen Forschungen heraus, dass die Legierung aus ähnlichen Teilen Iridium und Osmium, wie sie in der Natur in wechselnden Mischungsverhältnissen vorkommt, an Härte gegenüber den Reinstoffen verliert (!). Es ist denkbar, dass die beiden Elemente, die im Periodensystem direkt nebeneinanderstehen, wegen ihres nur gering verschiedenen Atomradius, im Kristallgefüge statistische Plätze einnimmt, was geringe Verzerrungen erzeugt und damit den Kristall aufweicht. Auf das Iridium wurde deshalb ganz verzichtet.
In der Durchsicht des Essays von Mottishaw und Montgommery zeigt sich eine kleine Unsicherheit in der Datierung des Fortschritts der wissenschaftlichen Forschung, wenn auch die Analysen sehr interessant sind und die Folgerungen der Schreiber, dass z.B. Aluminium oder Nickel nichts in einer raffinierten Metallkomposition zu suchen haben, völlig richtig sind. Eigentlich brauchen wir nach dieser Lektüre keinen Atommassenspektrometer mehr und die intensive Lektüre der Originalliteratur ist für ein abschließendes Ergebnis sehr zu empfehlen. Hier eine Patentschrift von Haagn/ Heraeus, eingereicht 1921:
https://worldwide.espacenet.com/publica ... cale=en_EP#
Leider kann ich Haagns Erstschrift von 1919 nicht aufrufen, keine Ahnung warum, aber er verweist hier darauf.
Haagn erwähnt, dass Osmium ohne größere Härteverluste durch das häufiger vorkommende Ruthenium ersetzt werden kann.
Eine Eigenheit der amerikanischen Füllerforschung ist manchmal ein bischen das egozentrische Denken der Amis....in Europa wurden auch wichtige Dinge erfunden und die Füllhalterindustrie, die in den USA sicher Weltmachtsstellung hatte, hatte aber doch nie die Kapazitäten, Füllerspitzenlegierungen zu erforschen. Kurze Zeit später schob Heraeus noch ein weiteres Patent nach, bei dem Platin mit Wolfram und Kohlenstoff verschmolzen wurden. Dabei ergab sich Wolframcarbid, die Substanz mit dem höchsten Schmelzpunkt. Die Verbindung wurde allerdings erst bei der Herstellung moderner Kugelschreiberkugeln "wiedererfunden"
Georg und Hermann Böhler hatten sich die Exklusivrechte an Haagens Osmium- Legierung gekauft und ihren Konkurrenzvorsprung der "nie mehr abschreibbaren Feder" auch in ihrer Marke "Osmia" dargestellt. Tatsächlich sind die Federn legendäre Weltklasse und, etwas schmunzeln hinzugefügt, Parker wird wohl in den Besitz gelangt sein, indem sie 1928 gleich die ganze Firma aufkauften.

Bock hat auf keinen Fall irgendwie "gemogelt" indem er auch bei Abwesenheit von Iridium in den Federspitzen vom "Iridiumkorn", welches aufgeschweißt wird, referiert hatte. Aus einer Heraeus Firmenschrift geht hervor, dass hauptsächlich vier verschiedene Federspitzenlegierungen nachgefragt werden, die alle verschiedene Schweiß- und Schleifeigenschaften haben. Nur eine davon ist noch mit Osmium hochlegiert.

Noch eine kleine "Schrulle" am Ende (die ich schonmal erzählt hatte): Das Gebäude der Osmia in Dosseheim steht noch, natürlich in der Osmia- Straße, es wurde entkernt, renoviert und erweitert und heute ist dort "Betreutes Wohnen" angesiedelt. Zur Einweihung hielt der Träger der Einrichtung einen Vortrag, der, beseelt von der ersten Google Eintragung: "Osmia rufa, die Mauerbiene" eine etwas sehr falsche Richtung erhielt. In etwa, sinngemäß: "Unsere Alten sind gut betreut und beschützt in dicken kühlen Mauern wie die Mauerbiene Osmia rufa...."
So hatten die anwesenden alten Dossenheimer Bürger ihre ehemalige Füllhalterfabrik noch nie gesehen.....
Gruss, Frodo

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Re: Iridium oder nur der Name...

Beitrag von Knorzenbach » 08.06.2019 20:54

Danke Frodo für diesen erhellenden Bericht! Du hast uns damit ein Stück Wissenschafts- und Firmengeschichte näher gebracht.

Gruß,
Tomm

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Re: Iridium oder nur der Name...

Beitrag von Schaumburger » 08.06.2019 22:43

Frodo hat geschrieben:
08.06.2019 20:24
Tenryu hat geschrieben:
06.06.2019 13:26
........
Insofern kann ich mir schon vorstellen, daß Iridium-Federn, die früher größtenteils aus solchem bestanden
Hi
Nein, keine Feder hat aus Iridium bestanden. Es gab immer nur Goldfedern und Stahlfedern aus Kohlenstoffhaltigem Stahl oder aus hochlegiertem Stahl V4A Supra oder V2A, Chrom- Vanadium oder Palladium- Silber. Heinze und Blanckertz hatten auch mal eine Feder aus Tantal herausgebracht und heute gibts auch Federn in Titan.
Dr Ernst Haagn hatte für seine Firma Heraeus Platinmetalle aus der natürlich vorkommenden Mischmetallegierung dargestellt und daraus neue harte und hochschmelzende Legierungen für die Verwendung in Glühlampen, elektrischen Heizgeräten, elektrischen Temperaturmessgeräten u.a. zusammengestellt. 1919 konzipierte er eine Legierung mit einem über 70%igem Gehalt an Osmium, welche für Schreibfederspitzen geeignet war. Die Legierung sollte hart, korrosionsbeständig und nicht fibrogen sein. Er fand in seinen Forschungen heraus, dass die Legierung aus ähnlichen Teilen Iridium und Osmium, wie sie in der Natur in wechselnden Mischungsverhältnissen vorkommt, an Härte gegenüber den Reinstoffen verliert (!). Es ist denkbar, dass die beiden Elemente, die im Periodensystem direkt nebeneinanderstehen, wegen ihres nur gering verschiedenen Atomradius, im Kristallgefüge statistische Plätze einnimmt, was geringe Verzerrungen erzeugt und damit den Kristall aufweicht. Auf das Iridium wurde deshalb ganz verzichtet.
In der Durchsicht des Essays von Mottishaw und Montgommery zeigt sich eine kleine Unsicherheit in der Datierung des Fortschritts der wissenschaftlichen Forschung, wenn auch die Analysen sehr interessant sind und die Folgerungen der Schreiber, dass z.B. Aluminium oder Nickel nichts in einer raffinierten Metallkomposition zu suchen haben, völlig richtig sind. Eigentlich brauchen wir nach dieser Lektüre keinen Atommassenspektrometer mehr und die intensive Lektüre der Originalliteratur ist für ein abschließendes Ergebnis sehr zu empfehlen. Hier eine Patentschrift von Haagn/ Heraeus, eingereicht 1921:
https://worldwide.espacenet.com/publica ... cale=en_EP#
Leider kann ich Haagns Erstschrift von 1919 nicht aufrufen, keine Ahnung warum, aber er verweist hier darauf.
Haagn erwähnt, dass Osmium ohne größere Härteverluste durch das häufiger vorkommende Ruthenium ersetzt werden kann.
Eine Eigenheit der amerikanischen Füllerforschung ist manchmal ein bischen das egozentrische Denken der Amis....in Europa wurden auch wichtige Dinge erfunden und die Füllhalterindustrie, die in den USA sicher Weltmachtsstellung hatte, hatte aber doch nie die Kapazitäten, Füllerspitzenlegierungen zu erforschen. Kurze Zeit später schob Heraeus noch ein weiteres Patent nach, bei dem Platin mit Wolfram und Kohlenstoff verschmolzen wurden. Dabei ergab sich Wolframcarbid, die Substanz mit dem höchsten Schmelzpunkt. Die Verbindung wurde allerdings erst bei der Herstellung moderner Kugelschreiberkugeln "wiedererfunden"
Georg und Hermann Böhler hatten sich die Exklusivrechte an Haagens Osmium- Legierung gekauft und ihren Konkurrenzvorsprung der "nie mehr abschreibbaren Feder" auch in ihrer Marke "Osmia" dargestellt. Tatsächlich sind die Federn legendäre Weltklasse und, etwas schmunzeln hinzugefügt, Parker wird wohl in den Besitz gelangt sein, indem sie 1928 gleich die ganze Firma aufkauften.

Bock hat auf keinen Fall irgendwie "gemogelt" indem er auch bei Abwesenheit von Iridium in den Federspitzen vom "Iridiumkorn", welches aufgeschweißt wird, referiert hatte. Aus einer Heraeus Firmenschrift geht hervor, dass hauptsächlich vier verschiedene Federspitzenlegierungen nachgefragt werden, die alle verschiedene Schweiß- und Schleifeigenschaften haben. Nur eine davon ist noch mit Osmium hochlegiert.

Noch eine kleine "Schrulle" am Ende (die ich schonmal erzählt hatte): Das Gebäude der Osmia in Dosseheim steht noch, natürlich in der Osmia- Straße, es wurde entkernt, renoviert und erweitert und heute ist dort "Betreutes Wohnen" angesiedelt. Zur Einweihung hielt der Träger der Einrichtung einen Vortrag, der, beseelt von der ersten Google Eintragung: "Osmia rufa, die Mauerbiene" eine etwas sehr falsche Richtung erhielt. In etwa, sinngemäß: "Unsere Alten sind gut betreut und beschützt in dicken kühlen Mauern wie die Mauerbiene Osmia rufa...."
So hatten die anwesenden alten Dossenheimer Bürger ihre ehemalige Füllhalterfabrik noch nie gesehen.....
Gruss, Frodo
Hallo Frodo und Tenryu,

danke für Eure Beiträge, da habe ich einiges gelernt.
Hätte ich noch anorganische Analytik zur Hand, wären 14K Goldlegierungen von historischen Flexfedern ein interessantes Thema...

Beste Grüße
Jens
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Re: Iridium oder nur der Name...

Beitrag von Frodo » 09.06.2019 7:17

Schaumburger hat geschrieben:
08.06.2019 22:43
.........
Hätte ich noch anorganische Analytik zur Hand, wären 14K Goldlegierungen von historischen Flexfedern ein interessantes Thema...

Beste Grüße
Jens
Hi Jens
die Flexibilität von Federn ist viel überwiegender eine Folge der Geometrie und des Herstellungsprozesses der Feder. Die prozentuale Zusammensetzung der Legierungsbestandteile wird für diese Funktion sehr überschätzt. Das sollte aber in diesem Faden nicht weiter besprochen werden.
Gruss Frodo

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HeKe2
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Re: Iridium oder nur der Name...

Beitrag von HeKe2 » 09.06.2019 8:22

Frodo hat geschrieben:
08.06.2019 20:24
Bock hat auf keinen Fall irgendwie "gemogelt" indem er auch bei Abwesenheit von Iridium in den Federspitzen vom "Iridiumkorn", welches aufgeschweißt wird, referiert hatte. Aus einer Heraeus Firmenschrift geht hervor, dass hauptsächlich vier verschiedene Federspitzenlegierungen nachgefragt werden, die alle verschiedene Schweiß- und Schleifeigenschaften haben. Nur eine davon ist noch mit Osmium hochlegiert.
Danke für für die Aufklärung, genau solche Gründe hatte ich mir für diese Legierungen zusammengereimt. Ganz herzlichen Dank auch für die historischen Einblicke. So versteht man die Entwicklung viel besser.
Beste Grüße
Hermann

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