Rigide Federn: Ein Plädoyer

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Nitschewo
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Rigide Federn: Ein Plädoyer

Beitrag von Nitschewo »

Wenn Federn gerühmt werden, dann in der Regel wegen ihrer Flexibilität, ihrer Weichheit, ihres sanften Schreibverhaltens. Und ich liebe die weichen Federn meiner älteren Pelikane und das Flexverhalten von Mabie Todd & Co., keine Frage. Aber in den letzten Jahren habe ich auch die rigiden Federn immer mehr schätzen gelernt. Die Starrsinnigen haben es eigentlich nicht verdient, doch eher stiefmütterlich behandelt zu werden, meine ich. Und darum sei auch ihnen mal ein Thread gewidmet.

Die erste rigide Feder, die mich im Sturm erobert hat, war die des Sheaffer Targa. Der erste Blick auf die Inlaid Nib lässt einen eigentlich sofort an schwingende Flexibilität denken. Ein Eindruck, der gewaltig täuscht: Die Feder ist rigide. Und ihr Schreibverhalten dennoch sanfter und gleitender als das ihrer nachgiebigen Schwestern.

Nach dem Erwerb des Targa (ein Zufallsfund auf dem Flohmarkt) erlitt ich daheim den Schrecken, der vermutlich jedem in die Glieder fährt, der eine Sheaffer-Inlaid-Nib zum ersten Mal unter die Lupe nimmt: Die ist ja verbogen! Da hat jemand zu fest aufgedrückt, und nun hat die arme Feder eine Himmelfahrtsnase.

Hat sie nicht, das soll so. Die Stupsnase erweist sich als perfekter Schreibwinkel. Außerdem konnte man bei Sheaffer (vor der Übernahme duch BIC) eines absolut hervorragend, nämlich Schreibkörner schleifen. Und das alles in Kombination - starre Feder, perfekter Winkel, meisterliches Schreibkorn - macht aus dem Füller ein Schreibgerät, das ruhig und ermüdungsfrei für die Hand dahin gleitet. Ich persönlich empfinde gerade diesen unnachgiebigen "Geradeauslauf" der Feder vor allem bei längeren Texten als entspannend.

Der Targa bekam im Laufe der Zeit noch diverse imperiale Artgenossen. Und ich begeisterte mich immer mehr für starre Federn. Zu meinen Lieblingsschreibern gehören neben den Sheaffer mittlerweile auch zwei Pelikane: Ein 400NN mit einer Durchschreibfeder, aus dickerem Goldblech gestanzt als die normale Schreibfeder. Und ein Unikum: Ein 140 "Elektrographik" mit CN-Feder, von Pelikan für IBM gefertig, um mit graphithaltiger Tinte Eintragungen in Lochkarten zu tätigen.

Man sieht: Die starrsinnige Familie wächst. In dieser Woche kam ein stahlbefiederter Imperial hinzu. Und er wird nicht der letzte seiner Art sein.

Kleines Stupsnasen-Geschwader von oben ...
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... und von der Seite
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Dreimal Sheaffer: Inlaid Nib mit Diamond-Cut (Targa), Triumph Nib (Crest), Inlaid Nib mit V-Cut (Imperial)
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Pelikan Zweiloch-Durchschreibfeder
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Pelikan CN-Feder im Elektographik
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Kleines Familienfoto
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Vielleicht teilt der eine oder andere ja doch meine Begeisterung und stellt seine Starrköpfe vor? :)
Viele Grüße

Bianka

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vanni52
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Re: Rigide Federn: Ein Plädoyer

Beitrag von vanni52 »

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884D99B7-6E3B-4975-8C6E-77EE54D19E1E.jpeg (696.15 KiB) 2942 mal betrachtet
Sehr schönes Plädoyer, liebe Bianka.
Volle Zustimmung, auch bestätigt durch den Sheaffer Targa 1020 Imperial Brass (USA 1986).
LG
Heinrich
Nitschewo
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Re: Rigide Federn: Ein Plädoyer

Beitrag von Nitschewo »

vanni52 hat geschrieben:
06.09.2020 16:59
Volle Zustimmung, auch bestätigt durch den Sheaffer Targa 1020 Imperial Brass (USA 1986).
Einer der schönsten, wie ich finde, schlicht und edel. Meiner ist ein Regency Stripes.
Viele Grüße

Bianka

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JulieParadise
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Re: Rigide Federn: Ein Plädoyer

Beitrag von JulieParadise »

Recht hast Du, Bianka.

Meine Highlights sind die H-xx-Federn von Sailor; auf meiner Wunschliste steht auch noch eine PO-Feder von Pilot.
Sina / Julie Paradise julieparadise.de | @wwwjulieparadisede
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HeKe2
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Re: Rigide Federn: Ein Plädoyer

Beitrag von HeKe2 »

Ich finde, dass wirklich flexible Federn, die unproblematisch in fast jeder Hand schreiben, sehr selten sind. Zum Beispiel finde ich meinen M800 viel einfacher zu handhaben, als meinen M1005, auch wenn letzterer nicht wirklich eine flexible Feder hat. Er will einfach viel kontrollierter geführt werden. Dagegen sind die Ferdern meines Diplomat Aero oder des Platinum 3776 völlig rigide, schreiben aber sanft und problemlos. Zu meckern gibt es da gar nichts. Der Unterschied ist lediglich das Schriftbild, das sich ergibt. Ich finde das Schriftbild flexiblerer Federn schon schöner, vielleicht aber auch nur, weil man es mittlerweile viel seltener sieht.
Beste Grüße
Hermann
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NicolausPiscator
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Re: Rigide Federn: Ein Plädoyer

Beitrag von NicolausPiscator »

Hmm... ich finde am Ende eines Tages, dass die Federn gut sind, die gut schreiben, weil sie so gut sind, wie ich es von ihnen erwarte. Bei den einen sind es dann rigide und bei den anderen flexible Federn oder die dazwischen. Das Federgeflatter ignoriere ich.
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hoppenstedt
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Re: Rigide Federn: Ein Plädoyer

Beitrag von hoppenstedt »

@Bianka: Sehr schönes Thema, begeisternd bebildert!! Ja, ich bin auch nach längerem Hin und Her auch dem Flex-Trend abhold geblieben.
Nahezu alle meine Füller haben wohl das, was man rigide Federn nennen könnte, ohne dass ich es vor dem Forum so benannt hätte :lol:

Die Durchschreibfeder mit den 2 Löchern ist der Hammer! Überhaupt diese brettharten Manifold-Federn von Pelikan: ein Genuss!

Bei mir sind es die härteren B und BB, die einen ganz erstaunlich großen Genuss und dito Feedback beim Schreiben bringen.

Flex ist eine schöne Abwechslung, kommt aber z. B. meiner Schreibhaltung nicht unbedingt entgegen.

Von daher Danke für dein Plädoyer, dem ich mich gerne anschließe, allerdings ohne Bilder, da verreist... :D

DESAFINADO!

Grüße von Alfred
agathon
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Re: Rigide Federn: Ein Plädoyer

Beitrag von agathon »

Für mich ist das eine Frage des Einsatzzweckes. Ich habe ja auch im Werkzeugkasten nicht nur eine Zange liegen, sondern auch noch Hammer und Zirkel.


Grüße

agathon
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