Warum Gold statt Stahl?

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JulieParadise
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Re: Warum Gold statt Stahl?

Beitrag von JulieParadise » 02.02.2022 20:05

andreas o. hat geschrieben:
02.02.2022 19:57
und die herstellung weicherer federn dürfte doch heutzutage keine hexerei sein, egal, aus welchem material, technisch gesehen.
also: warum nur, warum ???
wo liegt die schwierigkeit ?
Wenn man mal gesehen hat, wie selbst eigentlich geübte und gar nicht mal grobmotorische Füllernutzer oder gar -liebhaber weiche Federn bis zur Schmerzgrenze (oder gar darüber hinaus) malträtieren, beginnt man zu erahnen, welch großes Potenzial zu Zerstörung und damit Reklamation, mithin Verdruss, Ärger und Folgekosten weiche Federn bieten. Aus wirtschaftlicher Sicht sind solche heiklen, weil empfindlichen Federn also eher riskant.

Die, die es riskieren, etwa Montblanc mit der Flex-/Calligraphy-Nib, lassen sich sicher auch das Risiko von Nutzer-Fehlern hoch bezahlen. Pilot mit den FA-Federn ist da ja schon länger dabei, aber auch bei dieser speziellen Feder habe ich es schon oft erlebt, dass manche damit kein Wort schreiben können, obwohl die Nebenfrau oder der Nebenmann mit derselben Feder bestens klarkommt.
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Tintentod
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Re: Warum Gold statt Stahl?

Beitrag von Tintentod » 02.02.2022 22:13

Ich denke, eine allgemein gültige Aussage kann man zum Thema kann man nicht machen.

Der einzige Grund für mich wäre, daß Goldfedern einfach ein wenig besser aussehen - mehr nicht.
Früher war die Situation eine andere, wie schon jemand anders erzählte.

Ich habe ein paar wunderbar sanft und schön gleitende Füller mit Goldfedern - sie sehen gut und wertig aus; ich bin wirklich begeistert.
Dann habe ich aber noch den Vac700r R mit Medium Stahlfeder - auch die schreibt wunderbar weich, saftig und ist einfach nur ein Traum. Ja, und auch die sieht klasse aus. Daher gibt es für mich kaum einen Grund, noch eine Goldfeder zu kaufen; außer ich möchte noch was Blingbling im Stifteetui.
Ein Haus ohne Bücher ist ein armes Haus.

MfG Jörg

SimDreams
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Re: Warum Gold statt Stahl?

Beitrag von SimDreams » 03.02.2022 17:21

Saarländerin hat geschrieben:
10.01.2012 10:11
...wirklich nachvollziehbare Vor- und Nachteile von Gold/Stahl...
Das war die Ausgangsfrage, und sie ist relativ leicht und eindeutig zu beantworten. Gold ist beständiger gegen Korrosion. Die Tinen sind weniger korrodierend als früher und die Stähle weniger reaktiv geworden, aber letztendlich läuft es darauf hinaus.

Stahl ist drei mal elastischer als Gold (E-Modul von 200.000 zu 70.000 N/mm²). Ob eine Feder sich bei Belastung spreizt (wird im Forumsjargon als Flexibilität bezeichnet) oder mit parallelen Federschenkeln mehr oder weniger leicht nachgibt (Weichheit oder Nachgiebigkeit) oder starr ist wie ein Nagel, liegt nicht am Material, sondern an Geometrie und Materialstärke.

Die Gleiteigenschaften werden durch das Korn bestimmt, das gleich sein dürfte.

Die Kohäsionskräfte (wie sehr haftet die Tine am Federmaterial) könnte man noch beleuchten, ob es prinzipielle Unterschiede zwischen den Materialien gibt, oder ob sie von der Oberflächenqualität abhängt. Frodo vielleicht? :)

Grüße, Uwe
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runenaljoss
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Re: Warum Gold statt Stahl?

Beitrag von runenaljoss » 04.02.2022 9:45

In der Hoffnung nicht zu viel zu verdoppeln (alle schon geschriebenenBeitraege habe ich jetzt nicht gelesen):

1.) Psychologie: Mit was man schreibt beeinflusst,wie wir uns fuehlen... allein der Gedanke mit einer Goldfeder zu schreiben mag manchen (ich schliesze mich da nicht aus) ein wohliges, sonniges Gefuehl beim schreiben geben, welches zwar keinen Niederschlag in der phyischen Erfahrung macht, wohl aber dem Gefuehlsgesamtpaket. Ich glaube der Punkt ist nicht zu unterschaetzen. Vielleicht sogar der wichtigste, neben dem historischen, gerade auch wieder von Sim im vorletzten Post schoen zusammengefassten Grund. Der Stift soll etwas ueber uns aussagen. (Genaus koennte jemand, der sich als absoluten Vernunftsmensch sieht, ein wonniger Schauer rationalen Gluecks den Ruecken herunterlaufen, wenn er bewusst mit einer logischen Stahlfeder schreibt.)

2.) Quality Control: Goldfedern sind zwar nicht inhaerent besser als Stahlfedern... aber teurer! Und da sie teurer sind, darf man auch davon ausgehen, dass beim jeweils einzelnen Produkt (im Durchschnitt, zumindest) mehr auf Qualitaet und Qualitaetswahrung geachtet wird.

3.) Wertigkeit: Wenn der Stiel teuer -- d.h. ein Schmuckstueck -- ist, dann soll die Spitze dazu bitte auch etwas wertiges haben. Und was passt besser zum Schreibschmuck als Gold?

Cheerio & schoenen Freitag.

tt-trommler
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Re: Warum Gold statt Stahl?

Beitrag von tt-trommler » 05.02.2022 19:49

SimDreams hat geschrieben:
03.02.2022 17:21
Saarländerin hat geschrieben:
10.01.2012 10:11
...wirklich nachvollziehbare Vor- und Nachteile von Gold/Stahl...
Stahl ist drei mal elastischer als Gold (E-Modul von 200.000 zu 70.000 N/mm²). Ob eine Feder sich bei Belastung spreizt (wird im Forumsjargon als Flexibilität bezeichnet) oder mit parallelen Federschenkeln mehr oder weniger leicht nachgibt (Weichheit oder Nachgiebigkeit) oder starr ist wie ein Nagel, liegt nicht am Material, sondern an Geometrie und Materialstärke.
Vielleicht hab nur ich es "falsch gelesen"

je höher das EModul umso "steifer" ist das Material/der Werkstoff - Stahl also 3x so steif wie Gold

Allerdings spielt gerade bei Füllhalterfedern natürlich die Konstruktion, sprich die Geometrie der Feder und der Schliff des Korns eine nicht unwesentliche Rolle

Grüße
Reinhold

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Zoidberg
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Re: Warum Gold statt Stahl?

Beitrag von Zoidberg » 05.02.2022 19:51

Wo ist eigentlich unser junger Feder-Schmied abgeblieben?
Ich kämpfe mich hier durch die doppelten Maßstäbinnen :|

andreas o.
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Re: Warum Gold statt Stahl?

Beitrag von andreas o. » 07.02.2022 13:42

nach der unerwarteten »wiederbelebung« dieser diskussion sehe ich, dass es doch sehr vielfältige zugänge zum thema gibt. ich versuche, die aussagen der letzten posts (für mich) zusammenzufassen:

— der weit verbreitete gebrauch von kugelschreibern hat dazu geführt (oder zumindest dazu beigetragen), dass die federn heutzutage härter sind als früher.
dazu merke ich an: 99% aller texte werden wohl mit computertastaturen erstellt. andere baustelle.

— wirtschaftliche interessen (wenn ich das richtig gelesen habe) gehen vor kundenzufriedenheit. ausnahmen bestätigen die regel.

— flexfedern sind ein eigenes kapitel — weil den schreiber:innen wohl zugemutet wird, zu wissen, was sie tun (damit meine ich nicht nur kalligraph:innen).

— die vorteile von gold wurden ja gerade aufgezählt: hochwertigkeit (korrosionsbeständigkeit, qualitätskontrolle, und natürlich in emotioneller hinsicht)

— obwohl stahl ja eigentlich viel besser geeignet wäre für elastische / weiche / flexible federn …

nun wagte ich den sprung ins walte wasser und bestellte eine »scribo feel 14k-ef-flex« und siehe da: alles gut ! und das auch ohne »flexen« wohlgemerkt ! dank der platinierung der feder ist »das gold« in diesem fall ja gar nicht sichtbar (man/frau »weiß« es nur — wirkt aber offenbar genauso).

danke nochmals für eure ratschläge, erklärungen und die allgemeine beleuchtung des themas,
herzliche grüße,
andreas

Dino2008
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Re: Warum Gold statt Stahl?

Beitrag von Dino2008 » 07.02.2022 18:35

tt-trommler hat geschrieben:
05.02.2022 19:49
SimDreams hat geschrieben:
03.02.2022 17:21
Saarländerin hat geschrieben:
10.01.2012 10:11
...wirklich nachvollziehbare Vor- und Nachteile von Gold/Stahl...
Stahl ist drei mal elastischer als Gold (E-Modul von 200.000 zu 70.000 N/mm²). Ob eine Feder sich bei Belastung spreizt (wird im Forumsjargon als Flexibilität bezeichnet) oder mit parallelen Federschenkeln mehr oder weniger leicht nachgibt (Weichheit oder Nachgiebigkeit) oder starr ist wie ein Nagel, liegt nicht am Material, sondern an Geometrie und Materialstärke.
Vielleicht hab nur ich es "falsch gelesen"

je höher das EModul umso "steifer" ist das Material/der Werkstoff - Stahl also 3x so steif wie Gold

Allerdings spielt gerade bei Füllhalterfedern natürlich die Konstruktion, sprich die Geometrie der Feder und der Schliff des Korns eine nicht unwesentliche Rolle

Grüße
Reinhold
Nein, Du hast es nicht falsch gelesen.

Gold ist wesentlich elastischer als Edelstahl. Die Elastizität von „Stahl“ hängt zwar in einem gewissen Umfang von den jeweiligen Legierungsmetallen ab, ist aber wesentlich geringer als die von Gold.

Gruß
Dieter

andreas o.
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Re: Warum Gold statt Stahl?

Beitrag von andreas o. » 07.02.2022 20:49

also wie jetzt:

der eine behauptet »Stahl ist drei mal elastischer als Gold«,
der andere »Gold ist wesentlich elastischer als Edelstahl« …

könntet ihr euch freundlicherweise einigen und eine allgemeinverständliche klarstellung posten ?

dankesehr, bin neugierig !
andreas

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Re: Warum Gold statt Stahl?

Beitrag von SimDreams » 07.02.2022 21:07

Ich glaube, dass wir uns über Begrifflichkeiten einigen müssen.

Stahl ist steifer als Gold, das stimmt - allerdings bei gleicher Materialstärke. D.h. man würde die Stahlfeder einfach dünner machen können. Wird meines Wissens nicht gemacht, um die gleichen Titntenleiter und Hülsen nutzen zu können. Aber es geht ja um die prinzipielle Frage.

Elastizität nach meinem Verständnis ist die Fähigkeit, nach Krafteinwirkung in die Ausgangsform zurückkehren zu können, wobei möglichst wenig Energie in Wärme umgewandelt werden sollte. Und da dürfte Stahl dem Gold deutlich überlegen sein (man schaue sich das Materialvon Uhrfedern an, wo es genau auf die maximale Gangreserve ankommt). Bei der Schreibfeder ist noch wicbtig, dass sie möglichst weit ideal-elastisch verformbar ist, auch da hat meines Wissens Stahl Vorteile.

Grüße, Uwe
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Re: Warum Gold statt Stahl?

Beitrag von Dino2008 » 07.02.2022 21:24

Zur Definition des Begriffes „Elastizität“ - hier von Metallen:

https://www.chemie.de/lexikon/Elastizit ... ik%29.html

Maßeinheit des Elastizitätsmodul ist GPa = 10 hoch 9 N/m2
Gold: 82
Stahl: 190-214
Material mit hohem Elastizitätsmodul wie Stahl ist somit steifer als Material mit niedrigem Elastizitätsmodul wie Gold.


Gruß
Dieter

K15
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Re: Warum Gold statt Stahl?

Beitrag von K15 » 08.02.2022 19:52

Gibt es eigentlich auch Füller mit Keramik-Feder? Das könnte ein gutes Material sein, dann ohne extra Schreibkorn. Keramik sollte hart genug sein. Klar, die Federn sind dann nicht flexibel, aber das sind viele andere ja auch nicht....

Viele Grüße Daniel

Chia
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Re: Warum Gold statt Stahl?

Beitrag von Chia » 08.02.2022 20:08

K15 hat geschrieben:
08.02.2022 19:52
Gibt es eigentlich auch Füller mit Keramik-Feder? Das könnte ein gutes Material sein, dann ohne extra Schreibkorn. Keramik sollte hart genug sein. Klar, die Federn sind dann nicht flexibel, aber das sind viele andere ja auch nicht....

Viele Grüße Daniel
Hm, was wäre denn dMn der Vorteil von Keramik als Federmaterial? - also mal abgesehrn davon dass Schreibkorn entbehrlich wäre.
Und stellst Du dir das dann in normaler Federform vor? Wäre Keramik in dieser Dünne und Form nicht sehr bruchgefährdet? 🤔

Früher gab es diese gezwirbelten Glasfedern die man heute nur noch als Tauchfedern findet auch auf richtigen Füllern, glaube ich.

Crovax
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Re: Warum Gold statt Stahl?

Beitrag von Crovax » 09.02.2022 14:29

2017 hat Wahl-Eversharp eine Neuauflage des klassischen Skyline produziert, die eine ""semi-flex ceramic gold-plated stainless steel nib"" hat.

Die Details sind leider unbekannt, bei FPN gab es eine kurze Beschreibung:
https://www.fountainpennetwork.com/foru ... ramic-nib/

"Ceramic coating is a thin top layer. While inquiring minds want to know all, its proprietary to the subcontractor who developed the process and applies it. The process contributes to the smooth nib to paper feel and seals the nib to protect the nib body from oxidation if the steel below. The story goes that it was developed for Caran dAche but never put into production because it would have made others of their nibs less desirable and hurt sales of earlier produced Pens on factory and dealers shelves. When WAHL-EVERSHARP came back to life it was a new ball game so it was adopted on the gold plated steel nibs."
gruß
stephan

Let grammar, punctuation, and spelling into your life! Even the most energetic and wonderful mess has to be turned into sentences.” ― Terry Pratchett

Horsa

Re: Warum Gold statt Stahl?

Beitrag von Horsa » 09.02.2022 17:06

Ürsprünglich war die Goldfeder ja wegen ihrer Beständigkeit gegen chemische Angriffe von Seiten der Tinte vorzugswürdig.
Der heutige "Edelstahl" wird diese Problematik mit den heutigen Tinten sicher ebenso gut meistern.
Daneben ist Stahl aber auch ein ganz wunderbarer Werkstoff, dem man mit gekonnter Kunst nahezu alle interessanten Eigenschaften entlocken kann. Ich bin sogar davon überzeugt, dass mit Stahl bei entsprechend guter und liebevoller Bearbeitung deutlich mehr geht, als mit Gold. Dem Stahl fehlt es aber natürlich erheblich an Prestige. Kaum jemand wäre bereit, für eine fantastische Stahlfeder ebenso viel auszugeben wie für ein Goldfeder.
Ich vermute, es ist deshalb so, wie es ist. Also das Angebot an Federn aus Gold oder Stahl.
Bei Damaszenerstahl oder einem vergleichbaren Marketingtrick würden die Kunden vielleicht gelockt werden können. Ist dann ja ein wenig mehr hip und nicht nur schnöder Stahl.
Und die pauschale Behauptung, eine Goldfeder sei elastischer als eine Stahlfeder, halte ich für totalen Quatsch.

Liebe Grüße

Horsa
Zuletzt geändert von Horsa am 09.02.2022 17:13, insgesamt 1-mal geändert.

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