Historische Frage zur Nutzung der Füllerkappen

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Petrus
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Historische Frage zur Nutzung der Füllerkappen

Beitrag von Petrus »

Hallo zusammen,

ich weiß, es wurde hier schon öfter mal darüber gesprochen, wer mit der Kappe hinten drauf schreibt und wer sie lieber weglässt. Mich würde interessieren, ob jemand etwas Genaueres weiß über die älteren Füller (z.B. aus den 40er und 50er Jahren). Waren ihr Design so, dass man in der Regel davon ausging, sie würden mit Kappe hinten drauf genutzt? Ich komme auf die Frage, weil die Füller früher tendenziell etwas kleiner waren als heute. Heutige Füller erwecken bei mir oft den Eindruck, als hätten die Konstrkteure eher unter der Voraussetzung geplant, dass die meisten Nutzer die Kappe nicht hinten drauf stecken. So etwa kann man das beim Lamy Safari zwar machen, aber er wird dann doch recht lang und liegt ohne Kappe fast besser in der Hand. Auch die heutigen Füller aus Metall sind schon recht schwer ohne Kappe. Ein Pelikan 400 (oder auch der heutige M400) wirken dagegen ziemlich leicht und zierlich. Die Dickschiffe wie M800 und M1000 gab es damals noch gar nicht. Ich hatte mal einen Montblanc 146, da war es gar nicht einfach, die Kappe überhaupt fest hinten drauf zu drücken. Meistens löste sie sich wieder und wackelte so lange hin und her, bis man sie beiseite legte. Ich hatte den Eindruck, der Füller "wollte" ohne Kappe benutzt werden. Er wäre auch bei längerem Schreiben ziemlich schwer geworden. Meine Vermutung also: Früher wurden die Füller für den Gebrauch mit Kappe konstruiert, heute eher für den Gebrauch ohne. Das ist aber nur mein Eindruck. Weiß jemand Genaueres darüber? Noch eine Anmerkung: In alten Filmen und auf Fotos sieht man fast immer Leute, die die Kappe ihres Füllers hinten auf dem Füller haben. Vielleicht sieht es so edler aus und war gestellt, vielleicht war es aber im Alltag einfach üblich und ist es heute weitgehend nicht mehr.
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Cepasaccus
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Re: Historische Frage zur Nutzung der Füllerkappen

Beitrag von Cepasaccus »

Doch, ich denke steckbar war schon immer normal. Selbst bei meinem Calligraphy von ca. 1890 ist die Kappe steckbar.

Cepasaccus
Petrus
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Re: Historische Frage zur Nutzung der Füllerkappen

Beitrag von Petrus »

Das ist ein Missverständnis. Ich weiß, dass die Kappen steckbar waren und sind (meistens, nicht immer). Meine Frage ging darauf, ob jemand weiß, ob die Füller früher so entworfen wurden, dass normalerweise ein Gebrauch mit Kappe vorgesehen war (daher ein relativ leichter Füller, der ohne Kappe vielleicht zu leicht und klein ist), während sie heute möglicherweisel so geplant werden, dass eher ein Gebrauch ohen Kappe als "normal" angenommen wird.
newlife
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Re: Historische Frage zur Nutzung der Füllerkappen

Beitrag von newlife »

Hallo Petrus!

Ob ich das wirklich >weiß<, worauf du hinaus willst, glaube ich kaum. Bestätigen hingegen kann ich nur, dass Füller seit den 50ern "gewachsen" sind. Einen meiner liebsten Füller, den Pelikan 100, benutze ich nur mit aufgesteckter Kappe. Beim 101er hingegen ist mit der Füller dann zu lang, da lasse ich die Kappe weg. Der 400er ist ohne Kappe genauso lang wie der 101er, aber da schiebt sich die Kappe weiter auf den Schaft hinunter, sodass ich den wiederum gern mit aufgestckter Kappe benutze. Deine Frage ist also nicht unbedingt leicht zu beantworten! Meine Kaweco Dia z.B. sind alle recht kurz und für mich nur mit Kappe nutzbar. Ich habe manchmal den Verdacht, dass manche Füller sozusagen "unisex" sein sollten, damit sowohl Männlein als auch Weiblein - mit kleineren Händen! - damit schreiben konnten; wobei es wiederum den Soennecken Lady gab, der schon dem Namen nach für die holde Weiblichleit geschaffen wurde. :?

Eine allgemein gültige Antwort wird sich wohl schwer finden . . .
Grüße von Klaus!
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Cepasaccus
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Re: Historische Frage zur Nutzung der Füllerkappen

Beitrag von Cepasaccus »

Petrus hat geschrieben:Meine Frage ging darauf, ob jemand weiß, ob die Füller früher so entworfen wurden, dass normalerweise ein Gebrauch mit Kappe vorgesehen war (daher ein relativ leichter Füller, der ohne Kappe vielleicht zu leicht und klein ist),
Westentaschenfueller fallen fuer mich in die Kategorie "zu kurz ohne Kappe". Ansonsten sind alle Fueller gut ohne gesteckter Kappe zu schreiben. Ich bin auch jemand, der das nicht so gerne macht. Ich habe einen normalgrossen Sicherheitsfueller mit Gewinde am Ende auf das die Kappe zu schrauben ist. Die ersten Waterman-Sicherheitsfueller (um 1910) hatten auch so etwas.

Cepasaccus
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Tenryu
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Re: Historische Frage zur Nutzung der Füllerkappen

Beitrag von Tenryu »

Ich denke, die Tatsache, daß Füllhalter früher kleiner waren, hat weniger etwas mit der Kappe zu tun, als mehr damit, daß sie öfter in der Tasche herumgetragen wurden.
Heute sind Füller eher etwas, das man am Schreibtisch nutzt und daher auch gerne etwas größer und repräsentativer ausfällt; wohingegen für unterwegs der Kugelschreiber am häufigsten genutzt wird.
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Andi36
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Re: Historische Frage zur Nutzung der Füllerkappen

Beitrag von Andi36 »

Tenryu hat geschrieben:Ich denke, die Tatsache, daß Füllhalter früher kleiner waren, hat weniger etwas mit der Kappe zu tun, als mehr damit, daß sie öfter in der Tasche herumgetragen wurden.
Heute sind Füller eher etwas, das man am Schreibtisch nutzt und daher auch gerne etwas größer und repräsentativer ausfällt; wohingegen für unterwegs der Kugelschreiber am häufigsten genutzt wird.
Hallo Petrus,

das mit der Umsteck-Kappe habe ich mir auch schon überlegt und ich meine:
ja - alte Füllhalter wurden ganz gezielt zum Umstecken gebaut

Zum Einen sehe ich das so wie Tenryu: viele Füller waren richtig klein, um sie in der Tasche zu tragen - den Kuli gab's damals nicht. Es gibt ja auch die eigenständige Klasse der Ringfüller. Allesamt zu klein um ohne Umgesteckte Kappe eine vernünftiges Handling zu gewährleisten.
Zum Anderen muss man auch berücksichtigen, wo die Füllhalter herkommen (abstammen). Jedes Produkt ist ein Produkt seiner Zeit - es baut in der Regel auf den Errungenschaften der jeweiligen Zeit auf, orientiert sich aber in der Regel an den Vorgängern.
Und das sind im Falle des Füllhalter der Federkiel, bzw. dessen Nachfolger die Tauchfeder - also Schreibgeräte, die eine lange und schlanke Gestalt haben.

Dieser Gestalt kommt der frühe Füllhalter erst nahe, wenn die Kappe umgesteckt ist.
Schaut euch zum Beispiel mal die Bilder früher Parker um die Jahrhundertwende an:

http://parkerpens.net/luckycurve.html

mir fällt auf, dass die meisten Kappen aussergewöhnlich lang ausgeführt wurden. Manche laufen sogar spitz zu. Das kenne ich auch von anderen Marken.
Die Kappen müssen aber bestimmt nicht so lang sein, um die Feder aufzunehmen - warum sonst wurden sie also so lang gebaut? Meines Erachtens, um im umgesteckten Zustand die Form und die Balance einer alten Tauchfeder zu erhalten.


Just my two cents.
Andi
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pelikaniac
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Re: Historische Frage zur Nutzung der Füllerkappen

Beitrag von pelikaniac »

Hi,
bei Alter Werbung sind die Füllhalter meist mit der aufgesteckten Kappe abgebildet, lässt darauf schliessen das die Füllhalter auch so genutzt wurden. Die Größe war hingegen variabel, je nach gewünschter Nutzung kaufte man das ausgewählte Modell in der präferierten Größe. Es gab viel mehr verschiedene Größen als heute. Die Begriffe "Damenfüller", "Offiziersmodell" etc stammen aus der Frühzeit des Füllhalters.
Beispiele: http://www.kaweco-pen.com/en/Info/antik ... erie_2.php
Da die Füllhalter viel mehr ausserhalb des Büros genutzt wurden musste es auch eine Möglichkeit geben die Kappe sicher aufzubewahren, das aufstecken oder -schrauben ist da perfekt.

Gruß,
der Jörg
Petrus
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Re: Historische Frage zur Nutzung der Füllerkappen

Beitrag von Petrus »

Hallo zusammen,

vielen Dank für Eure Einschätzungen. Besonders Andis Überlegungen finde ich sehr einleuchtend, aber auch die anderen geben Hinweise, die mir so noch nicht klar waren.
Ich selbst habe früher immer ohne aufgesteckte Kappe geschrieben und benutze heute dagegen die Kappe (auf den Pelikanen) öfter mal, (beim kleinen Kaweco sowieso immer). Dabei kann ich nicht sicher sagen, wie mir der Füller besser in der Hand liegt, "leider", muss ich sagen, weil ich gern eine Haltung hätte, die richtig passt und dann dabei bleiben würde. Vielleicht gelingt mir das nicht, weil ich es nur gelegentlich schaffe, den Füller beim Schreiben ganz entspannt zu halten. Obwohl ich seit langer Zeit und auch relativ viel und häufig mit Füller schreibe, ist mir eine solche entspannte, unverkrampfte Handhaltung trotz mancher Bemühungen immer nur ab und zu mal gelungen, nicht aber regelmäßig und auf Dauer. Deshalb wohl auch mein Interesse an dieser Frage.

Viele Grüße

Peter
Frodo
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Re: Historische Frage zur Nutzung der Füllerkappen

Beitrag von Frodo »

Hi Petrus
Die herstellung kleiner Füller in den historischen Zeiten der Füllhalterindustrie bezog sich auch immer auf die Materialersparnis. Galalith und Celluloid waren enorm teuer und wurden nach Gewicht verkauft. Füllhalterschäfte wurden in der Frühzeit noch aus Vollmaterial zu Vierkantstäben herausgesägt, die dann ausgebohrt und rund abgedreht wurden. Nur ein kleiner Teil des ursprünglich eingekauften Materials blieb dabei übrig. (Heutzutage wird wohl die Werbung für ein Schreibgerät den größten Teil der Produktionskosten ausmachen). Die farbigen Kleinausführungen der Füller wurden sogar als Schmuckstücke betrachtet und mit der "Ringtop" Ausführung an einer Kette um den Hals gehängt. Zu Beginn des 2. Weltkrieges wurden auch per Gesetz kleinere und dünnere Füller erzwungen.
Auch bei kleinen sowie dünnen Füllhaltern ist das aufstecken der Kappe nicht unbedingt notwendig. Der Mittelfinger liegt dabe unter dem Griffteil wobei der Anstellwinkel des Schreibgeräts steiler wird was allerdings nix für die meisten heutigen Federn ist. Diese klemmende Schreibhaltung nimmt man unwillkürlich beim schreiben mit Vogelfedern oder dünnen Schreibgriffeln ein und ermöglichte ein frei schwingendes ornamentales schreiben (flourishing). Schwere und große Schreibgeräte dagegen liegen mit einem Teil ihrer Masse in der Daumenbeuge. Reicht die Länge des Füllers dabei aus, dann braucht die Kappe nicht aufgesetzt werden.(Gilt natürlich nicht bei MBs, hier soll ja der Umgebung mit dem Emblem der soziale Status signalisiert werden).
<
Eines ist mir bei der Diskussion noch aufgefallen:
Cepasaccus hat geschrieben:Ich habe einen normalgrossen Sicherheitsfueller mit Gewinde am Ende auf das die Kappe zu schrauben ist. Die ersten Waterman-Sicherheitsfueller (um 1910) hatten auch so etwas.
Cepasaccus
Hier sollte noch ein kleines Beispiel nachgeschoben werden. Das Gewinde am Schaftende weist auf ein Kaweco- Patent hin. Ich habe dies bisher noch nie bei Waterman gesehen.
Gruss
Frodo
Petrus
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Re: Historische Frage zur Nutzung der Füllerkappen

Beitrag von Petrus »

Hallo Frodo,

vielen Dank für die sehr interessanten Erläuterungen! Du hattest mir schon vor ein paar Jahren bei einem Besuch in Deiner Heidelbeger Füllerausstellung viel über die Geschichte der Füller und ihrer Herstellung erzählt. Falls es mal wieder eine solche Ausstellung geben sollte, wird dass hoffentlich im Forum bekannt gegeben.
Zur Verwendung der Kappen fällt mir noch ein, dass für mich weniger die Verlängerung des Füllers zu einer etwas anderen Handhabung führt, als die unterschiedliche Gewichtsverteilung.

Viele Grüße

Peter
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Cepasaccus
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Re: Historische Frage zur Nutzung der Füllerkappen

Beitrag von Cepasaccus »

Hallo Frodo,
in dem Waterman-Katalog von 1908 ist das Gewinde zu sehen.
Cepasaccus
Frodo
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Re: Historische Frage zur Nutzung der Füllerkappen

Beitrag von Frodo »

oha
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Cepasaccus
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Re: Historische Frage zur Nutzung der Füllerkappen

Beitrag von Cepasaccus »

Ich hab gelesen, dass es das Gewinde nur bis 1911 gab, also die ersten paar Jahre. Vielleicht haben sie es wegen KaWeCo dann weggelassen?
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Cepasaccus
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Re: Historische Frage zur Nutzung der Füllerkappen

Beitrag von Cepasaccus »

Ich hab das grad mal ausprobiert. Mit den O-Ring-abgedichteten Watermans funktionert das aufstecken der Kappe um dann damit die Feder herauszuschrauben ganz gut. Vielleicht dachte sich Waterman 1911, dass es ohne Gewinde praktischer wäre?

Cepasaccus
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