Bach-Tinte

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Thea
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Re: Bach-Tinte

Beitrag von Thea » 11.10.2020 0:06

Zur Tinte:
Mein Mann hat die Tinte heute Abend mit einer Tauchfeder ausprobiert und nannte sie "Unterpigmentiert".

Zur Beschriftung:
Die Verdeutlichung der Grundform mittels Apostroph ist bei missverständlichen Namen wie Andrea/Andreas angebracht.
"Bach" hat keinen nahen Verwandten namens "Bachs" und braucht deshalb auch keinen Apostrophen zur Verdeutlichung der Namensgrundform.

Ich bin im Deutschen wie im Englischen auf Muttersprachniveau, und das Interkulturelle, das an der Schnittstelle der beiden Schriftsprachen vor allem im Bereich der Apostrophierung entsteht, fühlt sich für mich oft genug wie Zähneziehen an. Ich rücke nicht von meiner Einschätzung ab, dass der Apostroph an dieser Stelle falsch gesetzt ist.
Ich bin ein Schwarzer Nachtschatten, ich gedeihe nicht in der prallen Sonne.

meinauda
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Re: Bach-Tinte

Beitrag von meinauda » 11.10.2020 2:45

Die Ausnahme für ein Apostroph gibt es jedoch wohl bei Firmenschildern und da schrieb Wilfried damals : Eine Firma namens Bach‘s Tinte.


Suchergebnisse
Hervorgehobenes Snippet aus dem Web
Hier kann man den Apostroph setzen. Eine Ausnahme beim Genitiv gibt es, allerdings auch erst seit der Rechtschreibreform. Und zwar darf man bei Firmenschildern einen Apostroph setzten. ... Und auch wenn auf dem Firmenschild „Christina's Friseursalon“ stehen darf: In einem Fließtext darf der Apostroph nicht gesetzt werden.

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Thea
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Re: Bach-Tinte

Beitrag von Thea » 11.10.2020 13:42

Ich habe mir die Werbeaussagen zur Tinte bei Gutenberg mal durchgelesen und habe da so ein paar Zweifel an der Seriosität der ganzen Sache:
Gutenberg-Shop hat geschrieben:Unsere Naturfarbtinten werden nach mittelalterlichen Rezepten aus rein natürlichen Zutaten hergestellt, in mundgeblasene Tintenflakons gefüllt und mit Korken versiegelt. Sie sind ideal für den Gebrauch von Gänsekiel oder Federhalter (nicht für Kolbenfüller).
Von dem "mundgeblasenen Tintenflakon" in meinem Besitz habe ich mal folgende Bilder gemacht:
photo_2020-10-11_12-58-55.jpg
photo_2020-10-11_12-58-55.jpg (77.34 KiB) 2949 mal betrachtet
photo_2020-10-11_12-59-08.jpg
photo_2020-10-11_12-59-08.jpg (77.01 KiB) 2949 mal betrachtet
Für mich sieht das schon sehr nach Pressglas aus. Wenn da irgendwas mundgeblasen ist, dann wurde eine heftige Menge heißen Glases in eine nicht gut passende Form geblasen und die Formnähte hinterher nicht ordentlich entgratet. Außerdem ist das Glas mit Tinte für knapp acht Euro wirklich zu billig für Handarbeit.

Dann haben wir die Aussagen zu den Tinten:
Gutenberg-Shop hat geschrieben: (Sie)werden nach mittelalterlichen Rezepten aus rein natürlichen Zutaten hergestellt
Gutenberg-Shop hat geschrieben:Indigo (blau): Der Farbstoff der Indigopflanze wurde schon früh für Textilien und im Bereich der Schreibkunst und Buchmalerei verwendet.
Für Textilien stimmt das auf jeden Fall, die ältesten Farbstoffe, die in Mumien nachgewiesen wurden, sind indigobasiert. Aber bei Tinten ist mir das neu. Nachdem man Tinten nicht so praktisch reduzieren kann wie Küpen, muss der Indigo irgendwie in Lösung geführt und dort gehalten werden, obwohl er sich in unreduziertem Zustand als wasserunlösliches Pigment verhält. Ich hatte immer den Eindruck, dieser Prozess sei ähnlich jung wie Anilinfarben.
Gutenberg-Shop hat geschrieben:Purpur: Das rotviolette Drüsensekret der Purpurschnecke wurde zunächst nur für das Einfärben der Gewänder hochgestellter Persönlichkeiten verwendet und galt als der wertvollste Farbstoff der Antike.
Das stimmt auch. Der hohe Wert des Farbstoffs zusammen mit der beinahe-Ausrottung der Purpurschnecken führte allerdings dazu, dass es heute nur noch sehr wenige Menschen gibt, die den Prozess der Purpur-Herstellung kennen und anwenden. Purpurissimum (Purpur mit Kreide) kostet bei Kramer Pigmente gerade etwas über 70 Euro pro Gramm (Oktober 2020). Ich glaube, der Werbetext ist etwas optimistisch.
Gutenberg-Shop hat geschrieben:Austria (rot): Die hellrote Farbe wird aus der getrockneten Cochenillelaus gewonnen. Noch im letzten Jahrhundert galt dieser Farbstoff in Spanien als das nach Gold und Silber wertvollste Exportgut. Leuchtend!
Und diese Aussage ist in Verbindung mit "Mittelalterliche Rezepte" einfach schlicht falsch. Cochenille ist eine Blattlaus in Mittel- und Südamerika. Da war vor dem Ende des Mittelalters nichts zu holen - die ersten Rotfärbungen mit Cochenille gab es erst 1540, und das waren Stofffärbungen und nicht Tinten. Kann sein, dass die einheimische Kermes-Laus schon vorher für Tinten herhalten musste, aber davon steht im Text nichts.

Zum Gesamteindruck:
photo_2020-10-11_13-35-36.jpg
photo_2020-10-11_13-35-36.jpg (195.64 KiB) 2949 mal betrachtet
Mittelalter ist in, also verkaufen wir was Mittelalterliches mit geeigneten Namen.
Als Akzent kann man die Tinte an geeigneter Stelle sicherlich einsetzen, aber für den normalen Gebrauch ist sie mir zu kontrastarm. Ob sie Federn angreift oder nicht, kann ich nicht sagen, wir haben hier durchgehend Stahlfedern in Verwendung, die sehr hart im Nehmen sind, und ich habe das Fläschchen erst gestern geöffnet.
Ich bin ein Schwarzer Nachtschatten, ich gedeihe nicht in der prallen Sonne.

meinauda
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Re: Bach-Tinte

Beitrag von meinauda » 11.10.2020 13:54

Danke für die ausführliche Information!
Bei dem mundgeblasenen Flacon hätte ich auch meine Zweifel.

Thom

Re: Bach-Tinte

Beitrag von Thom » 10.06.2023 1:44

Thea hat geschrieben:
11.10.2020 13:42
... Nachdem man Tinten nicht so praktisch reduzieren kann wie Küpen, muss der Indigo irgendwie in Lösung geführt und dort gehalten werden, obwohl er sich in unreduziertem Zustand als wasserunlösliches Pigment verhält. ...
Ich bin gerade auf diesen höchst erstaunlichen Thread gestoßen. :) Sulfonieren, Indigo löst sich zwar nicht in Wasser,
aber in Schwefelsäure.

V.G.
Thomas

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vanni52
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Re: Bach-Tinte

Beitrag von vanni52 » 10.06.2023 16:47

Thom hat geschrieben:
10.06.2023 1:44

Ich bin gerade auf diesen höchst erstaunlichen Thread gestoßen. :) Sulfonieren, Indigo löst sich zwar nicht in Wasser,
aber in Schwefelsäure.
Finde ich auch erstaunlich, nach meinem Kenntnisstand findet eine chemische Reaktion statt, bei der Indigo durch Sulfonierung zu Indigocarmin reagiert. (KSM aus🙂)
LG
Heinrich

Thom

Re: Bach-Tinte

Beitrag von Thom » 10.06.2023 19:38

vanni52 hat geschrieben:
10.06.2023 16:47
Thom hat geschrieben:
10.06.2023 1:44

Ich bin gerade auf diesen höchst erstaunlichen Thread gestoßen. :) Sulfonieren, Indigo löst sich zwar nicht in Wasser,
aber in Schwefelsäure.
Finde ich auch erstaunlich, nach meinem Kenntnisstand findet eine chemische Reaktion statt, bei der Indigo durch Sulfonierung zu Indigocarmin reagiert. (KSM aus🙂)
Absolut und wenn die funktionellen Gruppen einmal am Indigomolekül dran sind, dann bleibt es auch dauerhaft wasserlöslich. Allerdings wird man die Indigosulfonsäure vielleicht noch etwas reinigen müssen, aber man kann die Säure dann neutralisieren.

V.G.
Thomas

Thom

Re: Bach-Tinte

Beitrag von Thom » 11.06.2023 19:46

So, hallihallo. Der Kamerad Bach hatte aber nix mit Indigo am Hut, sondern hauptsächlich mit traditionellen Eisengallustinten, wobei die aus Sachsen einen Kupferüberschuss im Eisenvitriol hatten, weshalb die dermaßen fressen. Das führt aber zum eigentlichen Mysterium der Matthäus-Passion, der roten Tinte
Bild
(Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/ ... Nr._71.svg )

und zur Kremer-Pigmente Seite Historische Tinten. :)

V.G.
Thomas

Charlotte

Re: Bach-Tinte

Beitrag von Charlotte » 02.07.2023 15:17

Natürlich ist Bach's Tinte falsch, falscher geht es fast nicht. Es muss Bach Tinte oder Tinte von Bach lauten.

Alleine schon ein Grund, für mich zumindest, diese Brühe nicht zu kaufen. Mit den Gläsern ist auch eine glatte Lüge. Aber egal.

Hier mal etwas zum schmökern:

https://de.pons.com/p/wissensecke/gramm ... napostroph
https://www.scribbr.de/rechtschreibung/deppenapostroph/
http://www.deppenapostroph.info/

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JulieParadise
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Re: Bach-Tinte

Beitrag von JulieParadise » 02.07.2023 15:31

Charlotte hat geschrieben:
02.07.2023 15:17
Natürlich ist Bach's Tinte falsch, falscher geht es fast nicht. Es muss Bach Tinte oder Tinte von Bach lauten.

Alleine schon ein Grund, für mich zumindest, diese Brühe nicht zu kaufen. Mit den Gläsern ist auch eine glatte Lüge. Aber egal.

Hier mal etwas zum schmökern:

https://de.pons.com/p/wissensecke/gramm ... napostroph
https://www.scribbr.de/rechtschreibung/deppenapostroph/
http://www.deppenapostroph.info/
Na, wenn wir schon beim Klugscheißern sind, dann eher so: Bachs Tinte oder Bach-Tinte.

Bei Eigennamen muss man aber auch ein wenig schauen, wo sie herkommen und wann sie geprägt wurden. Erfolgte die Namensgebung von Bach's Tinte vor der Einführungen allgemein gültiger orthographischer Regeln, dann ist das so zu akzeptieren und zu belassen. (Ich mache seit ein paar Woche in einer riesigen Datenbank mit über 9000 Einträgen zu Presseerzeugnissen ab 1670 kaum anderes, als zu ermessen bzw. zu recherchieren, was ein Fehler ist und was ein Eintrag, der aufgrund seines Zitatcharakters so zu belassen ist, wie ich ihn vorfinde. Ein Riesenspaß. Nicht.)

Viel schlimmer, als Deppenapostrophe sind mir da, die Kommas die viele Leute inzwischen willkürlich, in ihre Texte streuen. Sie sind oft zielsicher, da wo sie nicht hingehören. (Ich habe im vorigen Satz etwas übertrieben, aber wie man solche Sätze mit den so verteilten Kommas, die ja auch als Anzeige einer Sprechpause dienen können, gelesen werden sollen, ist mir schleierhaft. Wer da nicht Schnappatmung bekommt und bemerkt, dass irgendwas nicht stimmt, der hat ein Problem.)
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Re: Bach-Tinte

Beitrag von Strombomboli » 02.07.2023 15:57

So gesellen wir dem Deppenapostroph nunmehr das Deppenkomma hinzu.

Und wenn's nur das wäre! Mir scheint, daß sich die Grammatik insgesamt in Auflösung befindet. Das größte Grauen ist das ständige falsche Plusquamperfekt, aber es ist nicht das einzige.
Iris

Mein Avatar ist ein Gemälde von Ilja Maschkow (1881-1944): Selbstporträt; 1911, das in der neuen Tretjakow-Galerie (am Krimskij Wal) in Moskau hängt, wo ich es fotografiert habe.

Thom

Re: Bach-Tinte

Beitrag von Thom » 02.07.2023 18:02

JulieParadise hat geschrieben:
02.07.2023 15:31
Viel schlimmer, als Deppenapostrophe ...
Ich dachte, das wäre ein obenliegendes Komma. Bach-Tinte ist komplett falsch. Der Mann war Musikant und hatte von Tinte etwa so viel Ahnung wie ich vom Orgeln (bei mir würde die Orgel vermutlich auch fressen). :)

V.G.
Thomas

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JulieParadise
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Re: Bach-Tinte

Beitrag von JulieParadise » 02.07.2023 18:38

Thom hat geschrieben:
02.07.2023 18:02
JulieParadise hat geschrieben:
02.07.2023 15:31
Viel schlimmer, als Deppenapostrophe ...
Ich dachte, das wäre ein obenliegendes Komma. Bach-Tinte ist komplett falsch. Der Mann war Musikant und hatte von Tinte etwa so viel Ahnung wie ich vom Orgeln (bei mir würde die Orgel vermutlich auch fressen). :)

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Thomas
Wenn man zwei Begriffe koppelt, vor allem bei ungewöhnlichen Zusammensetzungen, die transparent bleiben sollen, verwendet man einen Bindestrich. Ob das inhaltlich sinnvoll ist, tut dabei nichts zur Sache. Wir könnten auch von Sina-Sport reden oder vom Thomas-Stern. ;)
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Thom

Re: Bach-Tinte

Beitrag von Thom » 02.07.2023 18:45

JulieParadise hat geschrieben:
02.07.2023 18:38
... Ob das inhaltlich sinnvoll ist, tut dabei nichts zur Sache. ...
Jules, das ist das Grundproblem unserer Zeit. Aber zum Glück gibt's ja uns beide. :)

V.G.
Thomas

Thom

Re: Bach-Tinte

Beitrag von Thom » 03.07.2023 2:20

So, um der Sache mal ein bisschen Sinn zu verleihen. Die Tintenrezepte sind größtenteils nicht aus dem Mittelalter, eher aus dem frühen 19.Jh., blaufließende Eisengallustinten gab es vorher auch noch nicht. Das sind aber keine Füllertinten und eine Tinte die mit Tauchfeder geschrieben wird, kommt auch mit einer etwas geringeren Farbsättigung zurecht, weil die Tintenschicht etwas dicker wird. Darüberhinaus hatte ich mal eine Anfrage: Ich hätte gerne eine Tinte wie im Mittelalter, geht die auch im Füller? Ich hatte damals ja gesagt und die so gemacht, das es geht. Aber die korrekte Antwort ist: Nein.

V.G.
Thomas

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