Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

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Thom

Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von Thom »

Ich schätze mal gar nicht. Bei diesen Colorverse-Geschichten würde ich, bei etwa gleicher Viskosität wie Wasser, einen Tintenfluß zwischen Lamy Blau und Montblanc Irish Green schätzen. Soll man die Tinten nun nach Farbe oder Oberflächenspannung auswählen? Und wenn die bei der Oberflächenspannung so eine Spreizung haben, wieso messen die überhaupt? :)

V.G.
Thomas
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Querkopf
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Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von Querkopf »

Thom hat geschrieben:Ich schätze mal gar nicht...
Oooch - nichts ist unmöglich :wink: . Vielleicht weiß hier ja irgendwer irgendwas? Dann könnte man ein bisschen Puzzle spielen. (Wenn's nicht geht und keine/r irgendwas weiß, hätte sich die Frage natürlich erledigt.)
Thom hat geschrieben:...Bei diesen Colorverse-Geschichten würde ich, bei etwa gleicher Viskosität wie Wasser, einen Tintenfluß zwischen Lamy Blau und Montblanc Irish Green schätzen. ...
Heißt konkret??
Thom hat geschrieben:...Soll man die Tinten nun nach Farbe oder Oberflächenspannung auswählen? ...
:mrgreen: :mrgreen: :mrgreen:
Thom hat geschrieben:...Und wenn die bei der Oberflächenspannung so eine Spreizung haben, wieso messen die überhaupt? :) ...
Eben, das möchte ich ja wissen. Ich unterstelle mal, dass die sich was gedacht haben dabei.
Schöne Grüße
Doris
Thom

Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von Thom »

Dann probiere diese beiden Du Ingenieurin. :)
viewtopic.php?f=8&t=20378#p210851
Wenn sie sich ähnlich verhalten, hätte die Messerei vielleicht einen Sinn.
Ich habe Oberflächenspannung im Gefühl und Temperatur messe ich mit dem Zeigefinger (der ist allerdings geeicht).

V.G.
Thomas
Frodo
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Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von Frodo »

Hallo Querkopf, hallo Füllerfreunde
Ich bin jetzt nicht so der Tintendiversizitätsfreak aber bei diesem Thema sollte doch etwas mehr Grundlagenarbeit eingeführt werden. Oberflächenspannung und Viskosität sind Teilbereiche aus der Physikalischen Chemie und da ersteres Thema die Funktion des Füllhalters nach meinem Erachten mehr tangiert, werde ich auch mit diesem Thema anfangen:
Schreiben macht Arbeit. Das haben sicher schon viele von uns leidvoll erkennen müssen:
Aus einem Tintenvolumen in einem Glas wird irgendwann ein langer Strich, der in Länge und Breite einer neu geschaffenen Oberfläche entspricht. Natürlich ist auch die Kraft, mit der der Füller auf die Unterlage gedrückt wird und mit einer mehr oder minder großen Reibung einen Weg beschreibt, eine Arbeit, die sicher größer ist als die Oberflächenarbeit, doch diese soll hier nicht besprochen werden.
Tatsächlich muss Arbeit verrichtet werden, um neue Oberfläche zu schaffen. Die Schreibarbeit kann auch Spass machen und kinderleicht sein, wie z.B. das Aufblasen von Seifenblasen.
Mit einem bestimmten Anblasdruck gegen den äußeren Luftdruck wird ein bestimmtes Volumen vergrößert, der von der sich vergrößernden Oberfläche der Seifenblase umschlossen wird.
Der Druck p (pressure) mal dem Volumen V entspricht einer Arbeit, die Einheiten sind
Newton pro Quadratmeter x Kubikmeter = Nm
Unterbricht man das hineinblasen ohne dass die Seifenblase weggeschleudert wurde, entwickelt sich der Aufblasvorgang zurück bis die glatte Lamelle sich wieder im Ring aufgespannt hat. Unter frei werden der aufgebrachten Arbeit hat sich eine Minimalfläche zurückgebildet.
In der Schwerelosigkeit werden frei schwebende Flüssigkeiten ebenfalls ein Volumen mit einer minimalen Oberfläche einnehmen, es entstehen exakte Kugeln.
Diese Oberflächenspannungen, Grenzflächenspannungen oder Oberflächenenergien sollen nun in folgendem quantifiziert werden. Der Begriff „Energie“ ist nichts weiter als der Begriff „Arbeit“, Energie ist „gespeicherte“ Arbeit oder Arbeitsfähigkeit. Jedes Energieversorgungsunternehmen preist sie an, doch hat das, was in den Hochglanzbroschüren dargestellt wird, physikalisch mit dem Begriff wenig zu tun.
Praktisch Messungen
Auf einem U- förmigen Drahtbügel, der von einem beweglichen Schieber abgeschlossen wird, wird eine Flüssigkeitslamelle aufgezogen. Zieht man mit einer Kraft F (force) gemessen in Newton am Schieber, dann vergrößert man auch die Fläche der Lamelle. Die hier gemessenen Kräfte sind ziemlich klein und bewegen sich in Bereichen von 10 hoch minus 4 Newton, für diese kleinen Kräfte hatte man den Begriff „dyn“ eingeführt:
1 dyn = 10 exp -5 N
(Viele Wissenschaftler, insbesondere Mediziner, bekommen schon beim Anblick von negativen Hochzahlen Panik, deshalb wurden solche „Vereinfachungen“ wie beim pH Wert oder bei homöopathischen Verdünnungen erfunden.)
Die als Lennardsche Bügelmethode bekannt gewordene Bestimmung der Oberflächenapannung ergibt sich dann als:
Arbeit pro Fläche und nach Kürzen: Kraft pro Länge. In Einheiten: dyn/ cm. (Die Messapparatur ist klein und die aufgespannte Fläche wird in Quadratzentimeter gemessen.
Die praktische Durchführung der Messung ist aber nicht ganz einfach, ich schlage für die Messung von Tintenoberflächenaspannungen die Nutzung des „Stalagmometers“ vor, dieser ist im Modell einem auslaufenden Füller auch recht ähnlich:
Es handelt sich hierbei um ein gerades oder gewinkeltes Glasröhrchen, ähnlich wie ein Wasserhahn, mit einem kleinen Vorratsbehälter und einer Kapillare am Ende, die in einem flachen Mundstück endet. Mit einem Quetschhahn am oberen Ende wird die Auslaufgeschwindigkeit auf etwa 3 Tropfen pro Minute begrenzt.
Die Masse eines Tropfens ist direkt proportional zu seiner Oberflächenspannung!
In der Praxis vergleicht man die Oberflächenspannung einer bekannten Flüssigkeit, z.B. Wasser mit der Oberflächenspannung einer unbekannten Flüssigkeit indem man die Masse von jeweils 10 oder 20 Tropfen ins Verhältnis setzt.
Oder man zählt die Tropfen eines jeweils definierten Flüssigkeitsvoumens und setzt diese mit den jeweiligen Dichten der Flüssigkeit und Wasser ins Verhältnis.
Die Apparatur muss bei der Messung völlig erschütterungsfrei aufgebaut werden, da sich die Tropfen keinesfalls vorzeitig ablösen dürfen. Die Gläser müssen peinlich sauber und Staub- und fettfrei sein. Früher hatten wir zur Reinigung „Chromschwefelsäure“ verwendet doch ist Chrom VI krebserzeugend und die Suppe darf nicht einfach nachher weggeschüttet werden. Schwefelsäure H2O2- Mischungen gehen auch ganz rasant ab aber durch das enorme Redoxpotential können sich auch mal unbekannte explosive Mischungen bilden.

Warum halte ich die Oberflächenspannung als den wichtigsten physilalisch- chemischen Parameter einer Tinte?

Wird ein Füllhalter senkrecht gehalten, dann bildet sich an der Federspitze ein unmerklich kleiner linsenförmiger Tropfen, der gerade so groß wird, dass er dem Druck der Flüssigkeissäule darüber gerade standhalten kann. Die Oberflächenspannung ist also notwendig um keine größeren Tropfen, die sich selbst ablösen könnten, entstehen zu lassen. Ein sogenannter „Fließverstärker“ kann das Gleichgewicht leicht umkippen.
Doch auch an einem weiteren Ort wird Arbeit verbraucht um neue Oberfläche zu schaffen: Ein Luftstrom geht in den Tintenbehälter zurück und erzeugt dort größer werdende Bläschen, die schließlich abreißen. Bei jedem Abreißvorgang ist das System kurzzeitig in einem metastabilen Zustand, den man als „schlucken“ bezeichnet. Dieser sollte jedoch gut von den Lamellen unter dem Tintenleiter geglättet werden.
Der Fließvorgang im Tintenleiter wird natürlich erst eingeleitet, wenn die Oberfläche des winzigen Tintentropfens an der Federspitze zerstört wird: Beim aufsetzen auf das Papier!
Und dann kanns ja losgehen!
Gruß, Frodo
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Querkopf
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Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von Querkopf »

@Thom: Diesen Vergleich müsste bitte jemand anderes veranstalten - mein Blau-Bedarf ist zzt. befriedricht (oder so) :mrgreen:.
So viel zur Frage "Farbe oder O-Spannung".

@Frodo: Danke dir, ich lese jetzt erstmal...
Schöne Grüße
Doris
PhiSch
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Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von PhiSch »

Frodo hat geschrieben: etwas mehr Grundlagenarbeit
Anschaulich, gut zu lesen
Frodo
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Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von Frodo »

Danke für die Rückmeldung, ich werde aber den Faden nicht mehr weiterführen, da scheint kein Interesse da zu sein. Ich kenne diese Abbruch- Reaktion alledings schon länger.
Oder alle schwirren um das eigenartige "Umweltthema" herum.
Gruss, Frodo
Sabine
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Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von Sabine »

Das ist ja unglaublich! ich hätte nie gedacht, in einem Füllerforum solche Informationen zu finden.
Ganz herzlichen Dank, lieber Frodo!
Matthias MUC
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Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von Matthias MUC »

Frodo hat geschrieben:Danke für die Rückmeldung, ich werde aber den Faden nicht mehr weiterführen, da scheint kein Interesse da zu sein. Ich kenne diese Abbruch- Reaktion alledings schon länger.
Oder alle schwirren um das eigenartige "Umweltthema" herum.
Gruss, Frodo
Den Umweltthread habe ich aufgegeben zu lesen. Das mit der Oberflächenspannung und der Auswirkung auf das Gesamtsystem Tinte + Füller hätte ich eigentlich weiter interessant gefunden, insbesondere bei der Klärung, was hinter der im Thread über die Wartung älterer Pelikane zitierten Aussage, daß Silikonfett nicht ideal zum Schmieren sei, wirklich an Hintergrung steckt. Immerhin ist ja Silikonfett oder -öl ein Benetzbarkeitskiller der gröberen Art (wie anekdotisch im genannten Thread auch von meiner Wenigkeit aus eher tintenfernen Branchen berichtet wurde). Zu den Anekdoten und alten Werkstattsprüchen, warum welches Zeug ideal oder im Gegenteil des Teufels für irgendeine Reparatur oder Wartung sei, hätte ich schon gerne mehr technisch-wissenschaftliches Futter.

lG Matthias, kein Wissenschaftler, sondern skeptisch hinterfragender Inschenör...
SimDreams
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Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von SimDreams »

Ich auch (Rückzug aus dem Umweltthread).

Ich glaube, dass Silikonfett nur deshalb nicht empfohlen wird (klang das im Thread nicht sogar an?), weil es schwerer als Öl zu entfernen ist, sollte man es mal etwas übertrieben haben. Aus einem Tintenleiter dürfte es nicht mehr herauszubekommen sein, ohne das Teil zu zerstören. Und da Pelikan als Dienstleister gewährleistungspflichtig ist, sind sie vorsichtig. So jedenfalls meine Vermutung. Ich schmiere auch weiterhin sehr vorsichtig mit Kaffeemaschinenpaste - es darf halt nicht so viel sein, dass es durch die Kolbendichtung "abgeschabt" und nach vorne Richtung Leiter gedrückt wird. Da das Zeug nicht kriecht und im Milieu des Füllers einigermaßen chemisch inert sein dürfte, sehe ich keine Gefahr. Meinen Marietta habe ich regelmäßig damit abgedichtet, als ich ihn als Eyedropper benutzt habe. Zusammen mit Reinigungsmittel im Ultraschallbad ist es zumindest aus den Gewinden (von Flächen sowieso) auch wieder herauszubekommen.

Rückmeldung zu Frodos Essay oben: wenn ich die Muße finde, starte ich mal eine Kombination seiner und meiner Methode zum qualitativen Vergleich von Tinten, in dem ich Auslaufzeit und dabei entstehende Tropfenzahl ermittle.

Grüße, Uwe
Da die Schreibgeräteakquise nicht das einzige Hobby ist: http://www.flickr.com/photos/simdreams/
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desas
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Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von desas »

@Frodo

Ich genieße es, Deine Ausführungen zu lesen (obwohl ich diese hier mehrfach lesen musste, um sie vollständig zu erfassen).

Am besten finde ich wohl mal wieder den Weg ins Museum, um mir mehr erklären zu lassen.

Danke

Desas
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