Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

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Querkopf
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Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von Querkopf »

Beim Durchstöbern der Colorverse-Website fiel mir was auf, was ich so noch kaum bei Tintenherstellern gesehen habe: die präzisen technischen Angaben (kannte ich bisher nur zu Dokumententinten, z. B. bei De Atramentis). Da gibt’s nicht nur exakte Farbwerte für diverse Farbräume. Sondern auch einen genauen pH-Wert für jede einzelne Tinte. Und Zahlen zur Oberflächenspannung.

Letztere reichen von 45 dyne/cm (Quasar) bis zu 67 dyne/cm (u.a. Saturn). Sieht fürs Laienauge nach dem berühmten weiten Feld aus: Von sehr fließfreudigen bis zu eher trockenen Tinten, würde ich auf den ersten Blick spekulieren (der 67er Wert liegt nicht allzu weit von dem für Wasser: bei 20°C 72,75). Der zweite Gedanke ist aber: Eventuell sind die Unterschiede gar nicht soo groß – ich weiß ja nicht, wie sich’s bei den Tinten, die ich kenne, mit Oberflächenspannung, Viskosität etc.pp. verhält, in Ermangelung von Vergleichszahlen.

Bin neugierig geworden. Deshalb frage ich mal in die Runde:

- Industrielle Hersteller arbeiten nicht Pi mal Daumen, sie definieren Sollwerte für ihre Produkte (sonst wären die Qualitätskontrolleure im Werk ja aufgeschmissen). Lassen sich irgendwo Produktdatenblätter über Tinten finden, wo man Einzelwerte nachgucken kann?
- Kennt jemand Oberflächenspannungs-Werte für ausdrücklich "trockene" und ausdrücklich "nasse" Tinten, für einen (groben) Vergleich?
- Gibt es noch weitere Parameter außer Oberflächenspannung und Viskosität, die definieren, wie sperrig oder fügsam eine Tinte in die Füller-Kapillaren krabbelt, wie "trocken" oder "nass" sie sich beim Schreiben benimmt? Wenn ja, welche?

Beim Weitergrübeln kam ich drauf, dass man Oberflächenspannung ja nicht nur durchs Tintenrezept beeinflussen kann. Sondern auch mechanisch, Glaskügelchen in der Patrone, Feder im Konverter, sowas. Es gibt aber auch Patronen und Konverter "ohne". Und es gibt den Effekt, dass gefüllte Behältnisse ihren Inhalt nur unwillig rausrücken, weil der an der Behälterinnenwand kleben bleibt. (Ok, da kommt neben Oberflächenspannung auch Grenzflächenspannung ins Spiel, aber ich will ja schreiben und keine Haare spalten :mrgreen: .) Hat’s Sinn, in Simpel-Konverter vorbeugend Kügelchen reinzupraktizieren, oder spricht was dagegen?

Fragen über Fragen...
Über ein paar Antworten würde ich mich freuen.

Und wenn jetzt wer fragt, ob ich in der Schule in Physik gepennt habe: Nee, habe ich nicht, ganz und gar nicht. Aber erstens ist das schon ein paar Tage her, zweitens kamen solche Themen da schlicht nicht vor :wink: .
Schöne Grüße
Doris
thobie
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Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von thobie »

Ich kenne den Effekt. Die Kügelchen haben sich bei mir jedenfalls nicht bewährt. Zwar blieb die Tinte nicht mehr am Rand hängen. Dafür verschließen die Kügelchen hin und wieder den Weg zum Tintenleiter. Was dann auch wieder nicht gut ist.
josi
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Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von josi »

Querkopf hat geschrieben: Hat’s Sinn, in Simpel-Konverter vorbeugend Kügelchen reinzupraktizieren, oder spricht was dagegen?

[/i]
Ich sehe das auch so, dass es nicht viel bringt, denn die Kügelchen verstopfen schnell die Verbindung zum Tintenleiter und dann fließt halt auch nix mehr richtig und man auch kann auch nicht mehr so ohne weiteres durch Vorschieben des Konverters Tinte zur Feder bringen.

Gute Erfahrungen gemacht habe ich mit den neuen Konvertern von Faber-Castell, die eine Feder drin haben. Mit denen läuft das im wahrsten Sinne des Wortes bei mir bislang ganz gut.
Gruß, Martin
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Querkopf
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Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von Querkopf »

Merci, thobie und Martin.
Die Konverter-Kügelchen-Frage ist damit geklärt: Muttnich :wink: .

Wenn jetzt auch noch jemand Antworten hätte auf meine vorherigen Physik-Zahlen-Daten-Fragen, wär's super - ich sage schon mal im Vorhinein "danke".
Schöne Grüße
Doris
Thom

Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von Thom »

Die fehlende Viskositätsangabe hast Du ja schon angesprochen. Die Kapillarität ist halt eine Resultierende aus Kohäsion und Adhäsion und je geringer die Kohäsion bei gleicher Adhäsion, desto stärker der Fluß im Füller. Und, was immer wieder erfolgreich verdrängt wird, im Papier.

V.G.
Thomas
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Querkopf
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Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von Querkopf »

Ja, schon klar, Thomas.
Aber wenn wir mal davon ausgehen, dass man Tinten mit unterschiedlicher Oberflächenspannung im selben Füller (=mit ähnlicher Adhäsion) und auf demselben Papier testet, müsste besagte unterschiedliche O-Spannung doch auch Unterschiedliches bewirken - oder?
Andernfalls wäre die Aussagekraft der so wunderhübsch präzise wirkenden Colorverse-Angaben faktisch nahe Null :o ...
Schöne Grüße
Doris
Thom

Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von Thom »

Man könnte natürlich auch die Adhäsion erhöhen, indem man der Tinte was auf die Oberfläche setzt.
Und als Antwort auf Deine Frage, ja, als ich den Fließverstärker erfand, sind mir die ersten Füller einfach komplett leer gelaufen. :)

V.G.
Thomas
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duckrider
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Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von duckrider »

Querkopf hat geschrieben:... Antworten hätte auf meine vorherigen Physik-Zahlen-Daten-Fragen....
Vielleicht gründet sich ja hier eine Hobbyphysikergruppe, die ihre Tintenviskositäten mittels Vinometer bestimmen und hier tabellarisch festhalten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Vinometer
Daraus könnte eine Schlussfolgerung auf den Tintenfluss im Füller zumindest größenordnungsmäßig ableitbar sin.
Vinometer gibt's günstig beim Suchen in einer der großen Suchmaschinen.
Ich hab's noch nicht probiert, vielleicht geht das ja in Hose...
4001er Königsblau als Kalibrierstandard sollte ja fast jeder -der sein Schultrauma verarbeitet hat- greifbar haben.
Damit liessen sich eventuelle Geräteunterschiede auf ein Niveau bringen.

trockene Grüße
Thomas
Thom

Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von Thom »

Ich bin mal gespannt, ob Doris mehr Wissenschaftlerin oder Ingenieurin ist. :)

V.G.
Thomas
V-Li
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Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von V-Li »

Thom hat geschrieben:Ich bin mal gespannt, ob Doris mehr Wissenschaftlerin oder Ingenieurin ist. :)
Der Unterschied ist "Ich weiß, warum es funktioniert" gegenüber "Egal, warum es funktioniert, mach weiter!".
V-Li
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Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von V-Li »

duckrider hat geschrieben:
Querkopf hat geschrieben:... Antworten hätte auf meine vorherigen Physik-Zahlen-Daten-Fragen....
Vielleicht gründet sich ja hier eine Hobbyphysikergruppe, die ihre Tintenviskositäten mittels Vinometer bestimmen und hier tabellarisch festhalten.
Konsequenter wäre wirklich ein Viskosimeter. Dafür bräuchte man halt unglaubliche Mengen Tinte (im Vergleich zum Volumen der Gläser).
Thom

Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von Thom »

Der Unterschied ist, ein Ingenieur nimmt 2 Probleme und macht daraus 1 Lösung.
Ein Wissenschaftler nimmt 1 Lösung und macht daraus 2 Probleme. :)
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duckrider
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Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von duckrider »

V-Li hat geschrieben:
duckrider hat geschrieben:
Querkopf hat geschrieben:... Antworten hätte auf meine vorherigen Physik-Zahlen-Daten-Fragen....
Vielleicht gründet sich ja hier eine Hobbyphysikergruppe, die ihre Tintenviskositäten mittels Vinometer bestimmen und hier tabellarisch festhalten.
Konsequenter wäre wirklich ein Viskosimeter. Dafür bräuchte man halt unglaubliche Mengen Tinte (im Vergleich zum Volumen der Gläser).
...und ein Viskosimeter...

Bei meiner Variante lediglich ein Vinometer, das unter 10.-€ zu haben ist.
....ratet mal meinen Beruf ;)

Thomas
SimDreams
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Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von SimDreams »

Weintrinker. :D

Praktischer Viskosimeter: eine ganz normale 2 oder 5 ml Vollpipette. Tinte aufziehen und die Zeit messen und dokumentieren, bis die Pipette leer getropft ist. Empirische Aussagen lassen sich dann durch Tintenvergleiche treffen.

Grüße, Uwe
Da die Schreibgeräteakquise nicht das einzige Hobby ist: http://www.flickr.com/photos/simdreams/
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Querkopf
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Re: Oberflächenspannung und Fließverhalten: allerlei Fragen

Beitrag von Querkopf »

V-Li hat geschrieben:
Thom hat geschrieben:Ich bin mal gespannt, ob Doris mehr Wissenschaftlerin oder Ingenieurin ist. :)
Der Unterschied ist "Ich weiß, warum es funktioniert" gegenüber "Egal, warum es funktioniert, mach weiter!".
Weder - noch. Passt beides nicht :mrgreen: .
Wenn ich über irgendwas stolpere, stelle ich bloß neugierige "Was-ist-da-los-und-warum?"-Fragen. Sehr hartnäckig :wink: ...
(Und ich liiieeebe die Sendung mit der Maus!)

@Thomas/ duckrider und Uwe: Selber messen wollte ich eigentlich nix, dazu bin ich viel zu faul. Gibt ja Angaben bzw. Festlegungen bei den Herstellern. Fragt sich halt, wie man da drankommt. Bei den Dokumententinten von De Atramentis sind sie veröffentlicht. Preisfrage: Wo findet man Entsprechendes von anderen Herstellern??
Schöne Grüße
Doris
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