Tintenpulver

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pipejoe
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Tintenpulver

Beitrag von pipejoe » 30.10.2018 21:22

Hallo zusammen,

ich hoffe, dass ich jetzt im richtigen Forum bin. Es gibt ja zwei zum Thema Tinte.
Folgendes: Schon als kleines Kind habe ich im Nachlass meiner Großmutter in unserem Haus auf dem Dachboden "gewühlt", sehr zum Leidwesen meines Vaters, der mir jedesmal eine Standpauke hielt, wenn er mich erwischte.
In diesem Nachlass gab es einige Schreibutensilien, wie zwei Bleistifte der deutschen Reichsbahngesellschaft und einen Buntstift der preußischen Staatseisenbahn, sowiel oder zwei Schreibfedern mit Federn von Heintze und Blanckertz, Berlin. Aber das war nicht das aufregenste. Bei diesen Stiften und Federn lagen zwei "Papierbeutelchen" mit Tintenpulver in Blau und Scharlachrot.
Der Nachlass meiner Großmutter ist mit dem Tod meines Vaters auf mich übergegangen. Ich habe das 50gr. blaue Tintenpulver und das rote Tintenpulver (im roten Beutel waren nur noch 5gr.) gemäß den Beschreibungen auf den Beuteln in Wasser aufgelöst. Tolle Tinten so von der Farbe her. Ich bin natürlich vorsichtig. Auf dem Beutel für rot steht drauf, dass die Tinte für Füllfederhalter geeignet sei, aber, wie gesagt, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Ich befülle nicht meine guten Füller damit.
Kennt sich jemand von Euch mit solchen Tintenpulvern aus und weiß auch, was man da früher zusammengemischt hat? Die beiden Beutel müssen zwischen 80 und 100 Jahre alt sein.
Würde mich über eine Antwort freuen.
Anbei noch die Bilder von den Beutel (blau nur Vorderseite, da Rückseite unbedruckt).

Christoph
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Die Kunst des geschriebenen Wortes entfaltet sich erst durch den richtigen Füllfederhalter. Die Kunst ist nicht einen zu finden, sondern einen, mit dem du schreiben willst.

Thom

Re: Tintenpulver

Beitrag von Thom » 30.10.2018 22:28

Hallo pipejoe,

wir kennen uns hier mit nix aus, von dem wir nichts wüssten. Was Du da aufgegabelt hast sind Anilintintenpulver. Das ist im Wesentlichen der Anilinfarbstoff, ein bisschen Binde- und Verdickungsmittel und, falls für den Farbstoff erforderlich, etwas zum pH-Wert einstellen.

V.G.
Thomas

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Strombomboli
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Re: Tintenpulver

Beitrag von Strombomboli » 30.10.2018 22:59

Jetzt bitte Schreibproben.
Iris

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pipejoe
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Re: Tintenpulver

Beitrag von pipejoe » 30.10.2018 23:17

Hallo Thomas,

herzlichen Dank für die schnelle Antwort. Hier kommen die Schriftproben.

V.G.
Christoph
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Strombomboli
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Re: Tintenpulver

Beitrag von Strombomboli » 30.10.2018 23:53

Vielen Dank. Schöne Farben!
Iris

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Re: Tintenpulver

Beitrag von Pelle13 » 31.10.2018 0:29

Ja, wirklich schöne Farben ... und vermutlich kann man dieses Pulver sogar einfacher und länger lagern als viele Tinten.

Liebe Grüße und Danke fürs Zeigen (Tintenpulver kannte ich noch gar nicht),
Dagmar
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Re: Tintenpulver

Beitrag von NicolausPiscator » 31.10.2018 6:50

Schöne Geschichte und schöne Farben!

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pipejoe
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Re: Tintenpulver

Beitrag von pipejoe » 01.11.2018 10:45

Vielen lieben Dank für Eure lieben Rückmeldungen! Diese Tinten hüte ich wie mein Augapfel, zumal sie ja erst beide seit 3 Wochen in flüssiger Form existieren. Von ihren 80 - 100 Jahren Existenz haben sie 10 Jahre auf dem Dachboden bei Kälte und Hitze und dann 30 Jahre im feuchten Keller in meinem Elternhaus gelegen.

Beste Grüße
Christoph
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Re: Tintenpulver

Beitrag von Tenryu » 01.11.2018 12:58

Schade, daß es so etwas heute nicht mehr gibt.

Thom

Re: Tintenpulver

Beitrag von Thom » 01.11.2018 13:12

Davon kann ich Dir 10kg mischen, zieh's Dir aber nicht rein. :)

V.G.
Thomas

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Re: Tintenpulver

Beitrag von V-Li » 01.11.2018 13:13

Tenryu hat geschrieben:
01.11.2018 12:58
Schade, daß es so etwas heute nicht mehr gibt.
Das Wasser aus der Tinte in einer Glasschale verdunsten lassen, fertig.

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Re: Tintenpulver

Beitrag von Eliza Winterborn » 01.11.2018 15:28

Wirklich schöne Farben! Toll, dass sie so unverwüstlich sind … danke für die Hintergrundgeschichte.
Thom hat geschrieben:
01.11.2018 13:12
Davon kann ich Dir 10kg mischen, zieh's Dir aber nicht rein. :)
Und ich bereite die Tütchen für den Nachdruck vor :lol: ;)
Viele Grüße
Eliza

Thom

Re: Tintenpulver

Beitrag von Thom » 02.11.2018 0:47

Na ja, Eliza und ich sind sowieso ein Spitzenteam, da hab' ich nicht den geringsten Zweifel. Aber, ich habe ja nicht grundlos Anilintintenpulver geschrieben. Es gab auch Eisengallustintenpulver. :)

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Re: Tintenpulver

Beitrag von tanja13 » 16.09.2023 8:38

Gibt es Eure Tintenpülverchen denn nun zu kaufen @Thom und @Eliza Winterborn?
Liebe Grüße
Tanja

Thom

Re: Tintenpulver

Beitrag von Thom » 16.09.2023 9:25

Jetzt machen wir welches. Also, wir nehmen 3 Teile pharmazeutisches Tannin, das hat eine hohe Reinheit, 1 Teil Eisen(II)-sulfat-Heptahydrat und 0,5 bis 1 Teil sprühgetrocknetes Gummiarabicum und das mischen wir gut durch. Das Tannin entspricht gut 4 Teilen Galläpfel, wir wollen zwar keinen großen Gerbsäureüberschuss, aber keinesfall einen geringen Eisenüberschuss, also im Zweifel besser 3,1 als 2,9. Das Pulver mischen wir bei Bedarf 10:1 bis 5:1 mit Wasser. Wenn sich in den ersten Stunden ein Bodensatz bildet, kann man die Tinte abgießen solange der Bodensatz hell ist, beige, hellbraun sowas. Die Tinte wird in flüssiger Form schnell oxidieren und dadurch eine ausreichende Anfangsfärbung liefern. Das Pulver ist nicht konserviert, die Tinte ist es dann auch nicht, die Eisenionen werden die Verkeimung etwas verzögern, aber nicht lange. Die Tinte wird relativ schnell schimmeln, deshalb sollte man nicht zuviel anmischen. Wenn die Tinte zu schimmeln beginnt, wollen die Aspergillus an den Zucker im Tannin, dazu spalten sie mittels ihres Enzyms Tannase einen Teil des Tannins in Zucker und Gallussäure auf, das würde die Schriftzüge schwärzer machen. Die Tinte ist für Tauchfeder gedacht und ihre Schriftzüge haben bei entsprechender Lagerung bessere Chancen die nächsten 300 Jahre zu überstehen, als das meiste Vergleichbare, das es heute in flüssiger Form zu kaufen gibt.

V.G.
Thomas

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