Eine unweihnachtliche Vorweihnachtsgeschichte

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antigone
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Eine unweihnachtliche Vorweihnachtsgeschichte

Beitrag von antigone »

Gestern abend sitze ich an meinem Schreibtisch, denke mir nichts böses und schreibe mit meiner wiederentdeckten Liebe, Orange Indien von Herbin, in einem Pelikan M215. Die Tinte lag einige Zeit ganz hinten in meiner Tintenschublade, gut verschlossen und noch zu 9/10teln gefüllt.

Als der Tintenfluss immer spärlicher und das Schreiben immer unangenehmer wird denke ich: nanu, vielleicht ist eine 0,75-Kalligraphiefeder ohne Iridiumkorn eben doch nicht das richtige für so eine helle Tinte. Ich hatte zwar schon eine A4-Seite damit geschrieben und mit anderen Tinten hat die Feder nie Probleme gemacht, aber manchmal sind Füllhalter eben Divas...

Ich beschloss also, die Tinte in einen Füller mit breiterer Feder zu füllen. Ich nahm das orangene Tintenglas zur Hand und füllte den Konverter ohne Umwege direkt auf; ich wollte mir das Abwischen der Feder ersparen um bald weiterschreiben zu können. Alles lief wunderbar - was sollte auch passieren - der Konverter war voll und ich tupfte nur noch schnell die Tinte vom Mundstück. Dabei sah ich etwas aus der Konverteröffnung hervorschauen. Ein Flusel vom Taschentuch?, dachte ich und packte es vorsichtig mit den Fingernägeln.
Und aus dem Konverter kam ein mindestens fünf Zentimeter langes, schleimiges, dunkeloranges lovecraft'sches OHMEINGOTTWASISTDAS?!?!?!

Ich dachte: okay, ganz ruhig. Vielleicht war es in dem Konverter. Den hatte ich nämlich bei einem spottbillig ersteigerten Füller dabeibekommen, der auch ständig unidentifizierte Substanzen von sich gibt. Ich suchte mir ein garantiert schleimfreies Umrührinstrument, rührte die Tinte im schönen Herbin-Tintenglas um.... und es kam schleimbesetzt wieder heraus! Die ganze Tinte war voller Schleim!!!

:shock:

Ich habe den Konverter weggeschmissen, den M215 ca. eine Millionen Mal durchgespült und das Tintenglas an den nächsten Exorzisten übergeben. Und ich was verdammt froh, dass das keine grüne Tinte war, sonst hätte ich echt speien müssen. So etwas ekelhaftes habe ich noch nie gesehen *SCHÜTTEL*


Ich wünsche euch allen unbehelligte Weihnachten!
secretagentman
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Beitrag von secretagentman »

Puh, sowas ist mir zum Glück noch nie passiert! Ich hoffe, das stört nicht den Verhältnis zu schönen orangen Tinten!

Einfach vergessen!

:rendeer: Frohe Weihnachten und schöne Feiertage :santa:
Nitschewo
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Beitrag von Nitschewo »

Danke Antigone!

Ich LIEBE Lovecraft! Endlich sind wir dem Rätsel auf der Spur, was den Guten zu seinem tentakeligen Cthulhu-Mythos bewogen hat. "Das ist nicht tot, was ewig liegt / Bis dass die Zeit den Tod besiegt": Hat auch HPL Tintengläschen überlagert und sich davon inspirieren lassen?

Vielleicht muss die Geschichte der Phantastischen Literatur dank Dir und Herbins Orange Indien jetzt ganz neu geschrieben werden! :lol:

Liebe Grüße - und trotzdem frohes Fest,
Bianka
absia
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Beitrag von absia »

Hallo miteinander!

Diese Tintenschleimerei ist leider nichts Neues und betrifft andere Hersteller ebenso. Vor Jahren schon musste ich zwei Rubinato-Tinten teilweise wegschmeißen, obwohl sie erst ein gutes halbes Jahr alt waren. Die eine war ebenfalls Orange, die andere Rot. Sie wiesen genau die gleichen Symptome auf, wie die von Antigone beschriebenen. Ich habe damals aber die Säfte durch Teefiltertütchen gegossen und so die letzten flüssigen Tintenreste noch erhalten können. Ob das genial war, wage ich inzwischen zu bezweifeln. Rubinato-Tinten habe ich seitdem jedenfalls aus meinem Bestand verbannt. Eigenartigerweise hatte die Versulzung keinerlei erkennbaren Einfluss auf die Farbqualität, wie offensichtlich auch bei Antigone. Seltsam! Vielleicht weiß dazu Michael Richter mehr.

Herzliche Weihnachten auch von mir
Peter
Zuletzt geändert von absia am 21.12.2008 22:21, insgesamt 1-mal geändert.
"Du bist, wie du schreibst!" (Alfons Lüke)
DanielH
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Beitrag von DanielH »

So etwas hatte ich kürzlich mit einem Glas Pelikan schwarz aus dem Büromateriallager der Bochumer Uni. Als ich die Feder meiner Diplomat Lord eintauchte fühlte ich so etwas weiches in der Tinte und habe es dann mit einem Bleistift rausgefischt. Das war das zweite verschimmelte Glas Pelikan schwarz, das mir von meinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt worden ist. So ein scheißkram... den Lord habe ich auch gründlich gewaschen und ich hoffe jetzt mal ganz inständig, dass es jetzt besser ist - Ich nehme jetzt jedenfalls wieder Lamy schwarz.
Saarländerin
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Beitrag von Saarländerin »

Nach dem Lesen des Abenteuers von Antigone habe ich sofort meine Tintengläser inspiziert - mit dem Ergebnis: dicker Schimmel auf "Aubergine" von Dr. Jansen :(
Tinte scheint wohl ein hervorragender Nährboden zu sein für unerwünschte Pilze verschiedenster Art :cry:
Ich könnte den Schimmelteppich von der Tinte abheben - aber er wird wohl wieder auftauchen, wenn die Flüssigkeit "infiziert" ist?
Fragende Grüsse von der Saarländerin
antigone
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Beitrag von antigone »

Danke euch allen für die Anteilnahme!

Ich habe auch schon vorher mal flüchtig von dem berüchtigten Tintenschleim gehört. Aber das war die Sorte Unheil, von der ich immer dachte, dass sie mir nie passieren würde...
Anscheinend gibt es aber zwei Sorten Tintenbäh, kann das sein? Der Schimmelteppich der Saarländerin klingt nämlich eher nach der pelzigen Variante, die ich ja auch schon mal unfreiwillig gezüchtet habe. Hilft dieses SterilInk gegen beides? Wenn ja würde ich es mir anschaffen. Ich benutze gelegentlich Schreibfedern zum Eintunken - was in meinem Orange wächst, kann sich also leicht auf 50% meiner Tinten übertragen haben! Ich habe mich noch nicht getraut, die übrigen Gläser genauer anzusehen...
absia hat geschrieben:Ich habe damals aber die Säfte durch Teefiltertütchen gegossen und so die letzten flüssigen Tintenreste noch erhalten können.
Ist der Schleim danach zurückgekehrt? Ich würde meine übrige Tinte auch gerne retten, aber so ein Ding will ich nicht nochmal sehen müssen. Wir brauchen Pioniere der Tintologie!
absia
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Beitrag von absia »

Naja, Antigone,

ich zititere mich ungern selbst, aber ich habe oben schon gesagt, dass die Idee wohl nicht genial war. Lass mich das mal mit einem Analogon beschreiben: Früher (in meiner Kindheit) hat man bei schimmeligem Brot den Schimmel weggeschnitten und den Rest noch gegessen, bei verschimmelten Marmeladen hat man den Schimmel abgeschöpft und auch den Rest noch gegessen. Gestorben ist daran in meinem Umfeld keiner und Schimmel ist an den betreffenden Objekten mangels Lebensdauer auch nicht mehr aufgetaucht. Welche langfristigen Folgeerkrankungen sich aber daraus entwickelt haben konnten, wusste halt damals niemand. Ich denke, dass die Saarländerin richtig liegt, wenn sie vermutet, dass wohl die ganze Tinte umgekippt ist, wenn sie auch nur partiell herumschleimt, genauso gut wie ein ganzer Wein sauer ist, wenn's der erste Schluck schon ist. Heute mache ich solche Tintenrettungsaktionen nicht mehr. Wenn eine Tinte schimmelt, schleimt, ausflockt oder sich absetzt, schmeiße ich sie weg. Meine Füller sind mir wichtiger als so ein Gebräu!

Was die "Pioniere der Tintologie" anbelangt brauchen wir uns nicht zu beklagen. Wir haben schließlich unseren Michael! Wer den nicht kennt, kennt das Forum nicht richtig. Du hast aber insofern Recht, dass die Haltbarkeit von Tinten hier noch nie wirklich systematisch untersucht worden ist. Ich habe selbst schon lange eine solche Übersicht über die Tinten, die ich kenne, in Arbeit und ins Forum stellen wollen. Sie ist auch nahezu fertig. Allein mir fehlte bisher die Zeit. Vielleicht klappt's ja in den nächsten Tagen.

Grüßle
Peter
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Frodo
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Beitrag von Frodo »

Hi Füllerfreunde
In der "guten alten Zeit" waren die Tinten noch mit Phenol konserviert. Das Zeug ist nicht krebserzeugend und hat den alten Tinten noch den unvergleichlichen Krankenhausduft verliehen. Allerdings wird wegen der maßigen Giftigkeit der Chemikalie der Einsatz in Tinten verboten worden sein.
Es ist zu vermuten, dass in den heutigen Tinten größere Mengen Phosphat zugesetzt werden um eventuell anfallende feste Oxidationsprodukte komplex in Lösung zu halten. Von diesem Phospat ernährt sich ein Schleimpilz. Der wucherte in unserem Labor früher sogar in 1/3 Molarer Phosphorsäure, deren Titer dann auch recht schnell vervespert wurde. Der einzig denkbare Pfad, wie der Pilz sich in die eigentlich chemisch reinen Gefäße verirren konnte, war das entmineralisierte Wasser, welches aus einem Ionenaustauscher entnommen wurde. Der Pilz wandert aus dem Trinkwassernetz ein und kann recht bequem im Harz des Austauschers überleben. ( Die Trinkwassernetze vieler Städte müssen regelmäßig gegen Legionellen eine Extrachlorung erhalten)
Da Tinten wegen einer genau einzuhaltenden Rezeptur mit enthärtetem Wasser hergestellt werden, ist eine Verseuchung mit dem Pilz auf diesem Weg denkbar. Die Hersteller sollten darauf aufmerksam gemacht werden. Der Pilz lässt sich aber mit einiger Sicherheit durch Erhitzen abtöten, allerdings kann ich für die Temperaturstabilität der Inhaltsstoffe nicht garantieren.
Gruss, Frodo
DanielH
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Beitrag von DanielH »

Der Tintenschleim und peliziger Belag auf der Tinte (ich hatte schon beides in verschiedenen Pelikan Brilliantschwarz-Fässern) ist mit Sicherheit auf den Befall durch verschiedene Mikroorganismen zurückzuführen. Wie es schon richtig geschrieben wurde ist in so einem Fall definitiv die Entsorgung der ganzen Tinte fällig. Benutzen sollte man sie auf keinen Fall mehr. Ich habe allerdings noch ein Fass verschimmelte Tinte im Büro stehen (meine ich zumindest). Ich hatte mal überlegt, ob ich damit mal einen Feldversuch mache: Mehrere bekannte schwarze Tinten kaufen und mit der schimmeligen Tinte "beimpfen" - und gucken, was passiert. Bislang ist mir Schimmel nur bei Pelikan schwarz aufgefallen, ich habe aber auch schon bei anderen Tinten davon gehört. Übrigens wird selbst das bereits erwähnte Phenol von einer ganz erklecklichen Zahl von Mikroorganismen gefuttert, so dass nicht mal das eine Garantie wäre. Da müsste man glaube ich schon härtere Geschütze auffahren. Ich wüsste nur zu gerne mal, was in diesem Sterilink drin ist....
FidelZastro
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Beitrag von FidelZastro »

Wie gehe ich in einem solchen Fall mit den verwendeten Füllern / Konvertern um? Meine erste Idee wäre medizinisches Desinfektionsmittel, aber bei so agressivem Zeug hätte ich Angst um das Innenleben des Füllers...
Cori
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Beitrag von Cori »

Antigone, das muss bemerkt sein... das war der Bericht des Jahres 2008. Ich hab, entschuldige, herzlich gelacht. Dich lassen wir katastrophale Nachrichten erzählen! Alles wirkt luftig und leicht.

Zum Schleim - herzlichen Glückwunsch, Du hast einen Liebesbrief verschleimt. Mir ist das noch nie passiert, aber es stellt sich die Frage, ob man den Schleim zurückschicken darf und ein unbeschleimtes bekommen kann? Tinte ist nicht billig, zumindest zumeist.

Lg cori
isegrimmgo
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Registriert: 03.02.2007 13:16

Beitrag von isegrimmgo »

Hallo,
für die Reinigung von garstig versifften Füllern verwende ich meist Ammoniak. Gute Erfolge habe ich auch schon mit Wasserstoffperoxid erzielt.
Bis dato habe ich nur "Plastik" damit behandelt. Ich kann nicht sagen, wie sich diese Chemikalien auf andere Materialien auswirken.

Krankenhausdesinfektionsmitteln sind oft aufregende Mischungen verschiedener Substanzen. Vorsicht - keine Händedesinfektionsmittel benutzen, da diese meist rückfettende Substanzen enthalten!

Grüße
Wolfgang
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