Tintenchromatogramme

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Thom

Re: Tintenchromatogramme

Beitrag von Thom » 10.11.2022 22:23

mondindianer hat geschrieben:
10.11.2022 22:18
... und formen den farbigen Eisen-Tannat-Komplex.
So isses. Und der fragliche Stoff ist ja kein Eisen-Gallat-Komplex. :)

V.G.
Thomas

maggutefueller
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Re: Tintenchromatogramme

Beitrag von maggutefueller » 10.11.2022 23:16

mondindianer hat geschrieben:
10.11.2022 22:18
Thom hat geschrieben:
10.11.2022 18:57
[...]Und was die Forschungen zum Eisengallatkomplex mit den tatsächlichen Eisengallustinten und noch mehr den traditionellen zu tun haben, ist auch noch fraglich, da war kaum Gallussäure drinnen. Der EisenII-gallat-Komplex ist aber wasserlöslich und farblos und wird im Chromatogramm transportiert. [...]
OK, habe ich mich nun zu flapsig ausgedrückt. (Vor allem) in den historischen Tinten wurden Baumgallen verwendet. Sie enthalten Gallotannin, ein Ester eines Zuckers, in hoher Konzentration. In der Regel besteht Galllotannin aus einer Glucose-Grundstruktur, die mit Polyphenolcarbonsäuren (eben den Gallussäuren) besetzt ist. Diese Gallussäuregruppen reagieren mit dem Eisensulfat und formen den farbigen Eisen-Tannat-Komplex.

Forschungen werden seit den 90er Jahren durchgeführt, weil viele historische Dokumente mit EGT (bekannt dafür sind die Bach-Autographe) durch Tintenfraß geschädigt werden. Initiatoren dafür sind Museen und Bibliotheken, die sich der Restaurierung und dem vorbeugenden Schutz solcher Dokumente verpflichtet fühlen. Und zu einem umfassenden Verständnis der Zersetzungsmechanismen gehört auch die Untersuchung der Synthese des fraglichen Stoffs.

gibt es einen vorteil von galläpfeln ggü chemischer gallsäure. meine pure galläpfeltinte riecht fruchtig

Thom

Re: Tintenchromatogramme

Beitrag von Thom » 10.11.2022 23:29

Nach einer traditionellen Vorgehensweise kann man nur mit Gallussäure keine der starken Tinten machen, weil Gallussäure nicht ausreichend wasserlöslich ist. Die ersten wirklichen Gallustinten sind wahrscheinlich zufällig entstanden, wenn die Tinten verschimmelt sind, weil der Schimmelpilz einen Teil der Tannine in Gallussäure und Zucker aufgespaltet hat. Das hat man dann später auch zielgerichtet gemacht, indem man die Galläpfelmasse vor der Weiterverarbeitung erstmal verschimmeln ließ.

V.G.
Thomas

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Re: Tintenchromatogramme

Beitrag von vanni52 » 10.11.2022 23:35

Zwischendurch eine weitere Eisengallustinte, die R&K Scabiosa.
Auf der linken Seite wurde die Chromatographie sofort nach dem Probenauftrag durchgeführt, rechts 5 Tage später.

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Verbunden mit dem Wunsch nach einer Auswertung.
LG
Heinrich

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Re: Tintenchromatogramme

Beitrag von mondindianer » 11.11.2022 13:30

Thom hat geschrieben:
10.11.2022 22:23
mondindianer hat geschrieben:
10.11.2022 22:18
... und formen den farbigen Eisen-Tannat-Komplex.
So isses. Und der fragliche Stoff ist ja kein Eisen-Gallat-Komplex. :)
Ich habe weiter oben versucht, den Zusammenhang zwischen Gallotannin (das Tannate bildet) und Gallussäuren (die Gallate bilden) aufzuzeigen.
Viele Grüße
Fritz

Thom

Re: Tintenchromatogramme

Beitrag von Thom » 11.11.2022 13:49

Ich kenne die ganzen Zusammenhänge. Zusammenhänge gibt es auch zwischen Glycerin und Nitroglycerin.
Aber eines würde ich keinesfalls in Tinten verwenden.Bild

V.G.
Thomas

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Re: Tintenchromatogramme

Beitrag von vanni52 » 11.11.2022 16:11

mondindianer hat geschrieben:
11.11.2022 13:30

Ich habe weiter oben versucht, den Zusammenhang zwischen Gallotannin (das Tannate bildet) und Gallussäuren (die Gallate bilden) aufzuzeigen.
Da stellt sich die Frage, welche der beiden Verbindungen in den Chromatogrammen der Scabiosa zu sehen ist. Geht man von den Farben aus (Eisen-III-gallat (schwarz) und Eisen-III-tannat (blau-schwarz)), kommt wohl jede der beiden infrage. Wobei die Anwesenheit eines blauen Hilfsfarbstoffes die Sache noch erschwert.
LG
Heinrich

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mondindianer
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Re: Tintenchromatogramme

Beitrag von mondindianer » 11.11.2022 20:36

Thom hat geschrieben:
11.11.2022 13:49
Ich kenne die ganzen Zusammenhänge. Zusammenhänge gibt es auch zwischen Glycerin und Nitroglycerin.
Aber eines würde ich keinesfalls in Tinten verwenden.Bild

V.G.
Thomas
Lieber Thomas,
ich habe versucht, mein angelesenes Wissen und meine experimentellen Erfahrungen zu EGT hier einzubringen mit dem Ziel, mein Wissen zu erweitern, zu korrigieren und zu vertiefen. Deine letzten Posts erwecken durch ihr Unsachlichkeit allerdings bei mir den Eindruck, dass du dich persönlich angegriffen fühlst. Das war und ist nicht meine Absicht.
Weil ich das alles aus Freude an der Sache, aber mit einer gewissen Ernsthaftigkeit betreibe, werde mich aus diesem Thread zurückziehen.
Viele Grüße
Fritz

Thom

Re: Tintenchromatogramme

Beitrag von Thom » 12.11.2022 0:38

Nein Fritz, es ist einfach Theorie. Wenn ich wissen will, wie sich ein Eisen-Tannat-Komplex verhält, bezüglich Alterung, im Verhältnis zur Cellulose und auch strukturell, dann muss ich den Eisen-Tannat-Komplex untersuchen und nichts anderes. Es überhaupt nicht klar, wie sich die freie Carboxygruppe tatsächlich im Eisen-Gallat-Komplex verhält, die Masseverhälnisse sind auch völlig anders. Und die Alterungen, die zum Tintenfraß führen, haben wesentlich mit realen Tinten und nicht mit idealen Laborkomplexen zu tun. Die Wissenschaftler, die diese Tests gemacht haben, wissen überhaupt nichts über die alten Tinten, außer wie sie nicht waren. Wir sollten uns aber hiermit wirklich zurückziehen, die viel bessere Adresse dafür ist der Eisengallus-Thread.

V.G.
Thomas

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Re: Tintenchromatogramme

Beitrag von vanni52 » 12.11.2022 12:40

Na, dann ein grauschleierfreies, schönes buntes Chromatogramm: Sailor Tokiwa Matsu

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LG
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Re: Tintenchromatogramme

Beitrag von DaDude » 12.11.2022 20:18

Tolle Tinte, tolles Chromatogramm! Besten Dank dafür, Heinrich.

Viele Grüße
Florian

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Re: Tintenchromatogramme

Beitrag von vanni52 » 15.11.2022 12:05

Die Ferris Wheel Press Moss Park Green ist hier im Archiv noch nicht vertreten:

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Das Chromatogramm mit einem Laufmittelgemisch aus Ethanol, Essigsäure und Wasser (links) zeigt die Trennung von Grün in Blau und Gelb besser als das Chromatogramm auf der rechten Seite (Laufmittel Wasser), dafür erkennt man hier einen rosafarbenen Bereich.

Die Tinte, die von Betty ausführlich bei den Tintenbetrachtungen vorgestellt wurde, gefällt mir so gut, dass ich noch einige Eindrücke anhänge:

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Re: Tintenchromatogramme

Beitrag von vanni52 » 18.11.2022 9:07

Tinten von Akkerman sind hier deutlich unterrepräsentiert, dank einiger Proben von einer netten Mitforistin einige Ergänzungen. Zunächst die Akkerman SBRE Brown:

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Beim Laufmittel Wasser noch nicht so deutlich, aber bei einem Gemisch aus Ethanol, Essigsäure und Wasser zeigen sich zwei Farbstoffe, innen Braun mit einem roten Einschlag, außen Orange.

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Re: Tintenchromatogramme

Beitrag von vanni52 » 18.11.2022 19:48

Und die nächste Akkerman Tinte, die Voorhout Violet:

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Wasser als mobile Phase ist offensichtlich wieder nicht ausreichend, daher ein Gemisch aus Ethanol und Essigsäurelösung:

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Immer noch recht unübersichtlich, auf jeden Fall außen ein rosapinker Farbstoff. Ansonsten abwechselnd schwarzviolette und violettrote Bereiche. Der violettrote Bereich bzw. Farbstoff direkt am Startpunkt ist offensichtlich wasserunlöslich, und zeigt sich auch beim Wassertest (stehengebliebene Gitterlinien):

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Und die etwas sonderbaren oder besser rätselhaften Chromatogramme nochmal im direkten Vergleich:

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Re: Tintenchromatogramme

Beitrag von vanni52 » 19.11.2022 19:17

Akkerman Hofkwartier Groen


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Sieht nach zwei Farbstoffen aus, einem grünen und einem türkisen. Der grüne Farbstoff stellt sich in einem zusätzlichen Chromatogramm allerdings als Mischfarbe heraus:

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Hier wird klar, dass die Tinte einen gelben Farbstoff enthält, der sich vom Startpunkt an sukzessive verankert. Der Anteil der grünen Mischfarbe hat entsprechend abgenommen.
Verantwortlich für diese Verankerung des gelben Farbstoffes können nur Ethanol und/oder Essigsäure sein, die dem Laufmittel zugesetzt wurden.
Die für mich naheliegendsten Hypothesen hierzu:
Der geringere hydrophile Charakter des Laufmittelgemisches oder eine erhöhte Reaktivität des gelben Farbstoffes gegenüber der Cellulose.


Zum besseren Vergleich beide Chromatogramm nebeneinander:

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Die Hofkwartier Groen gefällt mir von der Farbe her gut, aber auch bei den Schreibeigenschaften:

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