Lieber Heinrich, lieber Hermann,
ja, Ihr habt Recht: Ein auschromatographiertes Chromatogramm kann wirklich viel Information liefern. Beispielsweise: Wie viele verschiedene Farbstoffe sind in der Tinte? Und dafür lohnt es sich, die Methode möglichst auszureizen.
Aber für mich sind auch die Chromatogramme interessant, die nicht auschromatographiert sind. Auch die Rundfilterchromatogramme finde ich klasse!
Für mich ist schon interessant zu sehen, was genau mit der Tinte passiert, wenn sie mit Lösungsmittel benetzt wird. So ist das Chromatogramm eine Methode zur vergrößerten Darstellung, wie eine Lupe oder ein Mikroskop. Weiter oben in diesem Faden habe ich gezeigt, wie sich Parker Quink Schwarz im Chromatogramm wie bei einem Regentropfen verhält, nur deutlich größer.
Wenn ich mit Wasser chromatographiere, hat das für mich auch noch eine praktische Bedeutung: So kann ich sehen, ob ich ein Päckchen mit der entsprechenden Tinte beschriften darf. Oder ob ein kurzer Regenschauer den Briefträger vor ein unentzifferbares Problem stellt. Und ich verstehe, was gemeint ist, wenn über eine Tinte gesagt wird, sie sei klebrig, trocknet nur sehr langsam oder verschmiert leicht: Dann ist ein Bestandteil der Tinte so extrem wasserliebend, dass schon die Feuchtigkeit am Finger reicht um den Farbstoff abzulösen. Das Chromatogramm erklärt mir dann, warum ich von einem Einkaufszettel, den ich mit Diamine Majestic Blue geschrieben habe, zyanfarbende Finger bekomme.
Und ich finde das Farbspiel interessant, das beim Chromatographieren entsteht. So etwas finde ich einfach schön: oft leuchtende Farben mit interessanten Gradienten.
Deshalb bin ich mit meinen Chromatogrammen normalerweise großzügiger beim Tintenauftrag als unbedingt nötig. Und nehme relativ kurze Papierstreifen mit Trennstrecken zwischen 8 und 8,5 cm. Die passen gut in die Bonbondose.
Aber jetzt wollen wir ja wissen, welche Bestandteile in der Rohrer und Klingner Verdigris ist. Ich finde die Idee super, 1-Butanol, Wasser und Essigsäure zu nehmen. Allerdings habe ich dafür nicht die technische Ausstattung. Ohne Abzug und Chemikalienschrank ist es schwierig, die Lösungsmittel zu lagern. Und auch das Chromatogramm würde ich lieber in einem Abzug laufen lassen als auf dem Wohnzimmertisch. Deshalb überlasse ich Dir, lieber Heinrich, die professionellen Lösungsmittel. Ich sehe lieber, was ich mit Lösungsmitteln hinbekomme, die ich ohne Probleme im Wohnzimmer benutzen kann. Das ist vor allem Wasser.
Ich kann statt der Bonbondose eine hohe Glasvase verwenden. Damit schaffe ich eine Trennstrecke von 18 cm, also mehr als das Doppelte von dem was ich normalerweise mache. Außerdem kann ich weniger Tinte auftragen. Und schon ist das Ergebnis deutlich informativer als mein erstes Chromatogramm mit Wasser: Auf der Auftragstelle bleibt gar nichts liegen, dann kommt lange nichts, dann Rosa, Gelb und Zyan. Dieses Zyan ist allerdings nicht extrem wasserlöslich, sondern bleibt unter der (leicht schmutzigen) Laufmittelfront. Insgesammt sieht das Chromatogramm auschromatographiert aus.
Außerdem habe ich noch ein anderes Laufmittel, das wohnzimmerkompatibel ist: 38% Ethanol in Wasser. Das gibt es im Supermarkt unter der Bezeichnung Doppelkorn
Mit dem Ethanol/Wasser-Gemisch laufen die Farben in einer anderen Reihenfolge: von unten nach oben: Gelb, Rosa, Blau (oder Zyan). Wobei sich die rosa und die blaue Farbe noch in der Laufmittelfront befinden und das Chromatogramm nicht vollständig auschromatographiert aussieht. Mit dem klaren Gelb und dem Blau-Rosa-Gradienten ist das Chromatogramm allerdings ästhetisch schöner
Ich bin gespannt auf die Ergebnisse mit Butanol/Wasser/Essigsäure.
Viele Grüße Daniel