Umgang mit "alter Tinte"?

Moderatoren: desas, MarkIV, Linceo, Lamynator, JulieParadise, HeKe2

Antworten
Benutzeravatar
Orlando1212
Beiträge: 57
Registriert: 04.03.2023 12:21
Wohnort: Bremen (Norddeutschland!)
Kontaktdaten:

Umgang mit "alter Tinte"?

Beitrag von Orlando1212 »

Moin auch,

ich hatte alte Pelikan-Tinte in einem Fläschchen auf dem Flomarkt gekauft. Die Tinte soll über 30 Jahre alt sein. Nach reichlich Schütteln habe ich sie in 2 meiner LIeblingsfüller getankt.

Resultat: der Tintenfluss in beiden Füllhaltern kams ins Stocken , so dass ich kaum noch schreiben konnte.

Nachdem ich die Füller gereinigt hatte (u.a. mit meiner Waterman-Munddusche (!!!) und einem Ultraschallbad, habe ich die Tinte inspiziert und festgestellt, dass darin gallert-artige Tilie rumschwammen, die letztendlich meine Füller verstopft hatten.

Was kann das sein und kann diese alte Tinte noch retten, verdünnen oder filtern/absieben?

Gruss von Orlando aus Bremen
"Die Ontogenese ist die verkürzte Rekapitulation der Phylogenese!" :P
Benutzeravatar
mbf
Beiträge: 722
Registriert: 22.02.2020 20:43
Wohnort: Tübingen

Re: Umgang mit "alter Tinte"?

Beitrag von mbf »

Wenn man in einer Tinte irgendwelchen Bodensatz aufschütteln muss (Glitzer jetzt mal außen vor), ist das meist ein Zeichen, dass irgendwas nicht mehr stimmt. Wie das sein kann? Tja, die Tinte durchläuft einen Alterungsprozess (wissenschaftlich formuliert: sie vergammelt ;) ) und da können sich eben Ausfällungen ergeben. Und damit auch Partikel, die nicht mehr durch den Tintenleiter passen.

Zu Retten ist da wahrscheinlich nicht mehr viel. Du kannst es filtrieren (Kaffeefilter etc.), dann würde ich das Zeug aber nicht mehr mit hochwertigen Füllern nutzen wollen. Oder nur noch per Tauchfeder. Du hast auch keine Gewissheit, wie sich die Tinte danach verhalten wird, ob die Reaktionen stoppen oder weiterlaufen. Oder anderen Quatsch machen.

Oder zusammengefasst: "SITB" ist immer ein Problem.
Grüße, Matthias

--
Man kann durchaus zu viele Füller, Papiere und Tinten haben - aber niemals genug.
Benutzeravatar
vanni52
Beiträge: 6167
Registriert: 02.03.2016 17:57

Re: Umgang mit "alter Tinte"?

Beitrag von vanni52 »

Orlando1212 hat geschrieben:
09.11.2023 10:37

Was kann das sein und kann diese alte Tinte noch retten, verdünnen oder filtern/absieben?
Hallo Orlando,
da wäre zunächst die Info hilfreich, um welche Tinte es geht. Es macht einen großen Unterschied, ob es zum Beispiel die Königsblau oder etwa die Blau-Schwarz (Eisengallustinte) ist.
Allerdings kann ich keinen der Inhaltsstoffe, von denen ja viele bekannt sind, mit einer gallertartigen Substanz verbinden.
Das Thema „Alterungsprozess“ bei alten Pelikantinten ist ja an einigen Stellen hier im Forum behandelt worden.

Zum zweiten Teil der Frage würde ich an Deiner Stelle diese Tinte auf keinen Fall zu Schreibzwecken verwenden.
LG
Heinrich
Benutzeravatar
vanni52
Beiträge: 6167
Registriert: 02.03.2016 17:57

Re: Umgang mit "alter Tinte"?

Beitrag von vanni52 »

Edit: Den Beitrag von Matthias hatte ich noch nicht gesehen, da überschneidet sich einiges.
LG
Heinrich
Benutzeravatar
Orlando1212
Beiträge: 57
Registriert: 04.03.2023 12:21
Wohnort: Bremen (Norddeutschland!)
Kontaktdaten:

Re: Umgang mit "alter Tinte"?

Beitrag von Orlando1212 »

vanni52 hat geschrieben:
09.11.2023 10:56
Orlando1212 hat geschrieben:
09.11.2023 10:37

Was kann das sein und kann diese alte Tinte noch retten, verdünnen oder filtern/absieben?
Hallo Orlando,
da wäre zunächst die Info hilfreich, um welche Tinte es geht. Es macht einen großen Unterschied, ob es zum Beispiel die Königsblau oder etwa die Blau-Schwarz (Eisengallustinte) ist.
Allerdings kann ich keinen der Inhaltsstoffe, von denen ja viele bekannt sind, mit einer gallertartigen Substanz verbinden.
Das Thema „Alterungsprozess“ bei alten Pelikantinten ist ja an einigen Stellen hier im Forum behandelt worden.

Zum zweiten Teil der Frage würde ich an Deiner Stelle diese Tinte auf keinen Fall zu Schreibzwecken verwenden.
Hallo,
Danke für die schnelle Antwort! Es ist eine Pelikan 4001 Königsblau. Ich werde Sie nicht mehr benutzen, dann ist sie eben überaltert und bevor ich mir wieder die Tintenleiter verstopfe, nehme ich doch lieber wieder die schwarz-blaue Tinten und lasse mir mal ein paar Proben mit anderen und auch andersfarbigen Tinten schicken.

Gruß au Bremen von Orlando
"Die Ontogenese ist die verkürzte Rekapitulation der Phylogenese!" :P
Crovax
Beiträge: 604
Registriert: 11.05.2018 11:29
Wohnort: Aachen

Re: Umgang mit "alter Tinte"?

Beitrag von Crovax »

Mit Ausnahme von Glitzertinten sollte man Tinten im Glas nicht aufschütteln. Da weckt man nur schlafende Monster.
Da gilt eher "Vor Gebrauch schütteln, nach dem Schütteln nicht mehr zu gebrauchen".

Wenn da schon Gallert drin herumwabert, dürfte das der bekannte "Slime in the bottle" sein, also ein Schimmel. Kann sein, dass der auch schon wieder tot ist, aber die Sporen können wieder aufwachen.
Die Füller bitte SEHR gründlich reinigen, damit eventuell aufgenommene Sporen nicht ins nächste Glas transportiert werden.

Wenn bei hochgesättigten Tinten mit der Zeit Farbstoff durch Wasserverdunstung ausfällt, hilft Schütteln auch nur, wenn man vorher Wasser zusetzt.

Die 4001 Königsblau ist eine der günstigsten Tinten am Markt. Da würde ich keinen Füller riskieren. Wenn dir das Tintenglas selber gefällt, Tinte wegschütten, Glas gründlich spülen und mit frischer Tinte befüllen.
gruß
stephan

Let grammar, punctuation, and spelling into your life! Even the most energetic and wonderful mess has to be turned into sentences.” ― Terry Pratchett
Benutzeravatar
Killerturnschuh
Beiträge: 5357
Registriert: 04.12.2013 17:56
Wohnort: München und Edinburgh

Re: Umgang mit "alter Tinte"?

Beitrag von Killerturnschuh »

Normales gründlich reinigen hilft bei Schimmelbefall leider nur wenig. Da würde ich tatsächlich je nach zu Spiritus greifen und den Füller über Nacht einlegen.
Salve

Angi

"Don't believe everything you read on the Internet!"
Bob Dylan
Drummer, Metallica
Benutzeravatar
Querkopf
Beiträge: 891
Registriert: 27.08.2016 16:10
Wohnort: SW-Deutschland

Re: Umgang mit "alter Tinte"?

Beitrag von Querkopf »

Vorsicht :!:
Manche (Nicht-nur-Fülller-)Materialien vertragen keinen Spiritus, kriegen dadurch raue, stumpfe Oberflächen. Und nicht immer lässt sich das wieder beheben.
Schöne Grüße
Doris
Benutzeravatar
Killerturnschuh
Beiträge: 5357
Registriert: 04.12.2013 17:56
Wohnort: München und Edinburgh

Re: Umgang mit "alter Tinte"?

Beitrag von Killerturnschuh »

Liebe Doris,
da stimme ich dir absolut zu.
In so einem Fall würde ich nur den Tintenleiter, Konverter, und Feder über Nacht einlegen, und den Füller in einer Frischaltebox über Nacht ins Gefrierfach legen, und dann gründlich reinigen.

Solltest du den Füller vor dieser Prozedur mit Tinte befüllt haben, wäre es sinnvoll diese zu entsorgen.
Salve

Angi

"Don't believe everything you read on the Internet!"
Bob Dylan
Drummer, Metallica
Thom

Re: Umgang mit "alter Tinte"?

Beitrag von Thom »

Orlando1212 hat geschrieben:
09.11.2023 10:37
... dass darin gallert-artige Tilie rumschwammen ...
Gallertartig in Füllertinten ist nie gut, wahrscheinlich ist es Bakterienschleim.

V.G.
Thomas
Helmut
Beiträge: 39
Registriert: 11.02.2024 23:04

Re: Umgang mit "alter Tinte"?

Beitrag von Helmut »

Hallo Kollegen,
ja, ja der Schimmel! Ursprünglich eine Qual für jeden Schreiber der Geschichte. Ursache war Bakterienbefall. Das war allerdings logisch. Früher wurde zur Tintenherstellung Fluß- und Regenwasser, gelegentlich auch Quellwasser verwendet. Und natürlich auch Galläpfel, Bier, Rotwein und gelegentlich sogar Urin. Also ne richtig schöne kleine Brutstätte. Das Ganze stellte man in die Sonne oder möglichst auf den Ofen zwischen 1 und 2 Wochen. Dann wurde abgefiltert und die Tinte an einem kühlen dunklen Ort gelagert. Und trotzdem schlug der Schimmel zu und man war gezwungen die Tinte zu entsorgen/wegschütten. Sehr schnell kamen unsere Vorfahren darauf Nelken und Nelkenöl der Tinte beizufügen. So konnte man die Haltbarkeit verlängern.
Soviel zum geschichtlichen Hintergrund!
Ursache ist im vorgetragenen Fall sicherlich ein Bakteren/Sporenbefall.
In diesem Fall dann Füller gründlich auswaschen. Die Tinte kann man einerseits entsorgen - ist allerdings in den wenigsten Fällen notwendig. Sinnvoller ist es die Tinte abzufiltern, ein dichtgewebtes Tuch aus sehr feinem Garn z.B. Hemdenstoff, Blusenstoff ist ausreichend. In 50 ml so geretteter Tinte löst man ein gute Messerspitze Ascorbinsäure auf. Das tötet Bakterien, Sporen und Pilzgeflechte ab. Das Tintenglas wird ausgewaschen und mit einer satten Lösung Ascorbinsäure gefüllt. Der Füller wird aufgezogen, die Feder in ein gefülltes Schnapsglas mit säure gefüllt. Dann lässt man das Stöffchen ca. 1 bis 2 Tage wirken. Im Anschluß wir der Füller gut durchgespült und mit der so präparierten Tinte aufgezogen.
Ascorbinsäure ist im Übrigen nichts anderes als nahezu reines Vitamin C.
Mit Ascorbinsäure versetzte ich schon seit Jahren meine selbst hergestellte Eisen-Gallus-Tinte. Diese wird mehrfach gefiltert, so daß die Schwebeteile größtenteils enfernt sind. Der Anteil von Gummi- Arabicum wurde auf 1,5 gr auf 50 m zurückgefahren. Damit ist die Tinte wieder fließfähig und im Füller verwendbar. Allerdings haben wir den Nachteil, daß die Füllerfeder dünner aufträgt als die Tauchfeder, die Eisen-Gallus-Tinte allerdings erst auf der Papieroberfläche oxydiert. Das Geschiebene ist daher etwas schlecht leserlich. Daher fügt man 4 Teilen Eisen-Gallus-Tinte bis zu einem Teil königsblauer Tinte bei. Damit ist das Geschriebene wieder sofort leserlich und das Königsblau wird später durch die schwarze Oxydpigmentierung überlagert.
Schimmelbefall hatte ich in meinen selbst hergestellten Tinten seit über 30 Jahren nicht mehr, obwohl ich immer nur einmal meinen Jahresbedarf herstelle und das ist durchschnittlich ein Liter. Eingelagert wird die Tinte in einem alten Kühlschrank auf der Kühlstufe 1 betrieben. Da Eisen-Gallus-Tinten immer wieder ausflocken aber auch sich etwas eindicken, vor Gebrauch einer neuen Faßfüllung diese filtern und nach Bedarf verdünnen.

Viel Spass

Helmut
Benutzeravatar
mondindianer
Beiträge: 285
Registriert: 20.05.2013 17:39
Wohnort: Wendland

Re: Umgang mit "alter Tinte"?

Beitrag von mondindianer »

Hallo,
ich bin bislang mit Euxyl PE 9010 gut gefahren. Das ist ein milder Konservierungsstoff, der in vielen kosmetischen Produkten ebenso wie in Kugelschreibertinten eingesetzt wird. Die Lösung ist stabil bis pH12, also für die meisten Füller-Tinten geeignet. Damit habe ich schon sehr alte Tinten kuriert, die bereits gekippt waren. Eine Zugabe von 0,5 Vol-% zur gefilterten Tinte war dazu völlig ausreichend.
Viele Grüße
Fritz
Helmut
Beiträge: 39
Registriert: 11.02.2024 23:04

Re: Umgang mit "alter Tinte"?

Beitrag von Helmut »

Hallo Fritz,

den Wirkstoff habe ich bisher noch nicht ausprobiert. Danke für den Tip!
In PE 9010 ist ja der Wirkstoff Penooxyethan zu 90% vertreten. Die restlichen 10% sind ja Glycerin.
Glycerin habe ich einmal auch einen Kolben mit Versuchstinte beigemischt. Ich hatte den Eindruck daß sich dieFleißfähigkeit der Tinte etwas verbessert hatte. Allerdings bin ich der Sache dann nicht weiter nachgegangen. Muss ich aber wohl noch machen, da ich noch größere Restbestände von Isopropanol und Glycerin im Laborbestand habe und Covid im Wesentlichen überstanden ist. Man lässt ja nichts Verkommen!
Grüße
Helmut
Benutzeravatar
mondindianer
Beiträge: 285
Registriert: 20.05.2013 17:39
Wohnort: Wendland

Re: Umgang mit "alter Tinte"?

Beitrag von mondindianer »

Hallo Helmut,
ich verwende das auch im demineralisierten Wasser zum Aufnehmen oder Verdünnen alter Tinten. Das aqua conservata aus der Apotheke wirkt nur bis zu einem leicht alkalischen Milieu, und einige Tinte haben einen deutlich höheren pH. So bin ich auf der sicheren Seite, auch ohne jedes Mal zu messen.
Viele Grüße
Fritz
Helmut
Beiträge: 39
Registriert: 11.02.2024 23:04

Re: Umgang mit "alter Tinte"?

Beitrag von Helmut »

Hallo Fritz,
offen gesagt, den PH-Wert meiner selbst hergestellten Tinte habe ich seit runden 30 Jahren nie gemessen. Ich habe einfach nach dem Bauchgefühl dosiert - und es hat geklappt. Aber ich verwende ja ausschließlich nur meine selbst hergestellte Eisen-Gallus-Tinte. Den blau-schwarzen Farbton erreiche ich durch Beimischen von Blauholztinte. Man kann allerdings auch käufliche königsblaue Tinte beimischen aber auch blaue Druckertinte nehmen (ist deutlich billiger - der Liter liegt in der Regel zwischen 10 und 20€), bei reiner schwarzen Tinte geht auch ein Beimischen von schwarzer Druckertinte. Der Blauton ist sehr angenehm beim Schreiben und wird in der Trocken- und Oxydationsphase der Tinte durch schwarz überlagert. Da ich meinen Tintenbedarf einmal jährlich abdecke/herstelle wird die Überschußmenge kühl und gegen Licht geschützt in einem alten Kühlschrank eingelagert. Daher auch die Beigabe von Vitamin C. Bei der nächsten Charge werde ich Euxyl PE 9010 ausprobieren.
Viele Grüße

Helmut
Antworten

Zurück zu „Die Tinte und der Tintenfluss / Ink and the ink flow“