Eisengallustinte selbst gemacht für Steckfedern

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keko
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Eisengallustinte selbst gemacht für Steckfedern

Beitrag von keko »

Hallo!

Ich hab ein wenig rumexperimentiert und rausgekommen ist eine einfach herzustellende Eisengallustinte die man gut für Federhalter mit Steckfedern oder den klassischen Gänsekiel nutzen kann.
Hergestellt hab ich die Tinte so:
Man nimmt drei Beutel billigsten Schwarztee und hängt sie in eine Tasse. Dann gießt man mit heißem Wasser auf und läßt den Tee eine gute halbe Stunde ziehen. Anschließend werden die Beutel herausgenommen und verworfen. Den Tee gießt man in einen alten Topf oder einen Kochtopf aus Edelstahl. Hinzu kommen einige rostige Eisenkleinteile wie Nägel, Schrauben oder was auch immer und ein kleiner Schuß Essig. Ich hab Essigessenz genommen weil ich keinen Essig da hatte. Dieses Gebräu kocht man dann eine gute halbe Stunde und gießt wegen des Verdampfens noch eine Tasse Wasser hinzu. Anschließend gießt man das Ganze in ein altes Marmeladenglas oder ähnliches und läßt es einige Tage stehen bis es merklichen Tintencharakter hat und nicht mehr aussieht wie Schwarztee.
Dann gießt man es durch einen Kaffeefilter oder alten Strumpf und hat nun eine einfache Tinte mit den typischen Eigenschaften einer Eisengallus, das heißt sie trägt hell auf dem Papier auf und dunkelt dann nach.

Gruß,
keko
Helmut
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Re: Eisengallustinte selbst gemacht für Steckfedern

Beitrag von Helmut »

Hallo Keko,
ich erlaube mir Dein Rezept noch etwas zu verfeinern. Dein Grundmaß mit einer Tasse Tee lasse ich mal so stehen. Wiege den Tee aus, wieviel Gramm Du hier hast Pro 63 Gramm Tee gibst Du dann 7 Gramm Gummi Arabicum und 7 Gramm Eisen II Sulfat. Dann wird der Sud bis kurz vor den Siedepunkt erhitzt und die beiden Stoffe unter ständigem Rühren gelöst, mindestens 15 Minuten lang. Ist alles gelöst, dann lässt Du die Tinte mindestens 8 Tage ruhen unter täglichem Umrühren. Bist Du mit dem Resultat einverstanden, dann wird die Tinte mit einem Feinsieb vom groben Schutz befreit, das teilgereinigte Produkt wird durch einen Kaffeefilter geschickt und ist dann sogar füllertauglich, vorausgesetzt die Kanäle des Tintenleitsystems Deines Füllers sind großzügig bemessen.
Willst Du eine schwarzblaue Farbe, dann gib einfach den Farbstoff Annilinblau hinzu, menge nach Deiner Wahl und wegen der Haltbarkeit auf 77 Gramm Tinte ein Gramm Ascorbinsäure. Das verhindert die Schimmelbildung. Und immer nur soviel Tinte anmischen wie man voraussichtlich in 1 Jahr verbrauch!
Alternativ zu schwarzem Tee kannst Du auch grünen Tee verwenden oder Kaffee. Alle 3 Stoffe enthalten Tannine, also Gerbsäure. Ebenso kannst Du, statt Essig auch Rotwein der Billigklasse hinzusetzen - auch er enthält Tannine. Grüner Tee enthält ca. 10 x mehr Tannine wie schwarzer Tee.
Du siehst also, das Spektrum ist sehr breit! Pflanzentinten wurden im Übrigen früher gerne in Klöstern genutzt. In den Staatsarchiven liegen viele Klosterdokumente, welche mit solchen Tinten geschrieben sind.
Viel Spass beim Nachmachen - allerdings gibt es auf diese Rezepte weder Garantie noch Gewährleistung - diese ist schon vor Jahrhunderten ausgelaufen.
Viele Grüße
Helmut
Thom

Re: Eisengallustinte selbst gemacht für Steckfedern

Beitrag von Thom »

Helmut hat geschrieben:
16.02.2024 15:32
... Pflanzentinten wurden im Übrigen früher gerne in Klöstern genutzt. In den Staatsarchiven liegen viele Klosterdokumente, welche mit solchen Tinten geschrieben sind. ...
Das ist mal gut, gerade die Tinten im Früh- und Hochmittelalter waren häufig Pflanzentinten, weshalb wir mit den Eisengallus nur bis zum Spätmittelalter zurückgegangen sind. Allerdings die Sache mit dem Füller muss jeder selbst wissen, Klosterbrüder hatten den auch nur sonn- und feiertags in Verwendung. :)

V.G.
Thomas
Helmut
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Re: Eisengallustinte selbst gemacht für Steckfedern

Beitrag von Helmut »

Hallo Thom,
nette Ausführungen! Doch Eisen-Gallus-Tinte ist bereits bis ins 3 Jahrhundert v. Chr. nachgewiesen. Mögliche frühere Nutzungen sind denkbar - näheres wird jedoch die Altertumsforschung der nächsten Jahrzehnte zu Tage fördern.
Warum Pflanzentinten: Sie waren saisonal leicht, billig und schnell greifbar. Richtig! Die "Sonntagsfüller" der Klosterbrüder waren etwas anders aufgebaut als unsere Heutigen. Aber auch hier wurden Tinten auch an das Schreibwerkzeug angepasst.
Bei den Naturtinten kommt es ebenso wie bei der Eisen-Gallus-Tinte auf die Viskositätsstufe an und auf die Partikelgröße der Pigmente. So gesehen eigentlich problemlos. Das packt jeder Kaffeefilter. Ein größeres Manko sehe ich bei der Eisen-Gallus-Tinte in den Restbeständen der Gerbsäure, welche in den Tinten enthalten sind. Diese verursachen nicht nur den Tintenfraß im Papier sondern fördern auch den Rostfraß an Metallteilen des Füllers. Dem kann man allerdings mit einer geringfügigen Menge Kupfersulfat II nachhelfen - dann wird die Stahlfeder mit einer hauchdünnen Kupferschicht überzogen und vor Rostfraß geschützt. Das gilt auch für alle anderen Metallbauteile des Füllers welche mit der Tinte in Kontakt kommen.
Gut - Kupfer in der Tinte ist hinsichtlich der Lebenserwartung des heutigen Papiers nicht förderlich. Die Hersteller behaupten zwar 200 Jahre haltbar. Wenn ich jedoch 30 Jahre alte Akten meiner Dienststelle ansehe - dann habe ich da ernsthafte Bedenken.

Viele Grüße

Helmut
Thom

Re: Eisengallustinte selbst gemacht für Steckfedern

Beitrag von Thom »

Helmut hat geschrieben:
17.02.2024 9:55
... Doch Eisen-Gallus-Tinte ist bereits bis ins 3 Jahrhundert v. Chr. nachgewiesen. ...
Helmut, das Rezept ist so lange nachgewiesen und beim 3. Jh. v. Chr. ging's auch, glaube ich, nur um Schwärzung mittels Eisen-Gerbsäure. Dann gibt's noch eine Handvoll Rezepte aus dem 1. Jt., das ist aber kein ausreichender Beweis dafür, dass diese Tinte auch standardmäßig verwendet wurde, dazu müsste man schon ein paar Schriftzüge analysieren. Und Kupfer ist ganz schlecht, was uns wiedermal zum Kameraden Bach führt. :)

V.G.
Thomas
Helmut
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Re: Eisengallustinte selbst gemacht für Steckfedern

Beitrag von Helmut »

Hallo Thom,
dann lassen wir das einfach mal so im Raum stehen. Ich glaube kaum, daß uns ein Archiv Schriftgut aus dieser Zeit zur Analyse überlässt.
Ich darf zwar im örtlichen Staatsarchiv einiges mehr sehen als "Otto Normalverbraucher" aber eben auch nicht alles!

Viele Grüße

Helmut
Thom

Re: Eisengallustinte selbst gemacht für Steckfedern

Beitrag von Thom »

Helmut hat geschrieben:
17.02.2024 19:24
... dann lassen wir das einfach mal so im Raum stehen. ...
Hallo Helmut,

das würde mich schonmal interessieren. Ich habe bis jetzt aber auch noch keine entsprechende Untersuchung aus dieser Zeit gesehen, deshalb ist mir das dann zu spekulativ. Falls mal jemand eine entsprechende Analyse findet, immer her damit.

V.G.
Thomas
Helmut
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Re: Eisengallustinte selbst gemacht für Steckfedern

Beitrag von Helmut »

Hallo Thomas

dann sind wir ja beide sehr neugierig. Nach meinem bisherigen Kenntnisstand müsste eine geringfügige Probe der aus dem Geschriebenen entnommen werden. Da wird mit sehr großer Wahrscheinlichkeit kein Archivar so hinnehmen.
Wir dürften daher sehr schlechte Karten haben.
Aber ich streck mal die Fühler aus. Ob erfolgreich - ???? Aber Versuch macht klug!

Viele Grüße

Helmut
Thom

Re: Eisengallustinte selbst gemacht für Steckfedern

Beitrag von Thom »

Helmut hat geschrieben:
18.02.2024 21:14
... Wir dürften daher sehr schlechte Karten haben. ...
Helmut, wenn's einfach wäre, dann bräuchten wir beide das nicht zu machen. :) Wenn Du mich fragst, haben die in der Antike bevorzugt mit Kohlenstoff auf Papyrus geschrieben. Und als mit dem Zusammenbruch des weströmischen Reiches der Papyrus nicht mehr nach Europa kam und man auf Pergament umstieg, kamen langsam diese anderen Tinten in's Spiel. Beim Spätmittelalter bin ich dann eisengallussicher, aber diese Übergangszeit ist neblig-trüb. Die von Dir angesprochenen Pflanzentinten haben da vermutlich eine größere Rolle gespielt, wie groß weiß ich aber auch nicht.Bild

V.G.
Thomas
Helmut
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Re: Eisengallustinte selbst gemacht für Steckfedern

Beitrag von Helmut »

Hallo Thom,
da stimme ich Dir vollkommen zu. Leicht wird das nicht und ob es klappt, daß wir diese Daten bekommen ......?
Aber wie gesagt Versuch macht klug!
Pflanzentinten sind halt relativ leicht herstellbar und saisonal immer verfügbar - auch heute noch. Und richtig aufbewahrt auch durchaus lagerfähig. Nur viele Mitbürger wissen eben nicht mehr wie sie hergestellt werden.
Eisen- Gallustinten sind deutlich schwerer herzustellen. Zuerst brauche ich hierfür eben erst mal die Gerbsäure in der erforderlichen Konzentralion. Galläpfel sind eben Saisonware und kamen auch damals nur regional vor. Verschiedene Rindensorten können ebenfalls Gerbsäure enthalten, ebenso Rotwein, Hopfen oder schlechtes Bier. Antike Rezepte gibt es da mehr als genug! Das größte Problem dürfte die Herstellung von Eisensulfat gewesen sein. Daher wurde oft rostiges Eisen in den Gallapfelsut gekippt. Um es mal so auszudrücken - das war dann eine, auf die Partikel bezogene, sehr grobe Tinte, welche dann auch in mancher Feder Scherereien machte. Und für so manchen jungen Referendar ist es vielleicht besser nicht zu wissen welche Form von Tinte er hier in seinen Händen hält. Gelegentlich wurden nämlich auch Fäkalien zur Tintenherstellung verwendet.
Rußtinten waren natürlich in der Antike weit verbreitet - keine Frage! Die Herstellung ist relativ einfach und kostengünstig. Ich selbst hatte schon Orginaldokumente in Händen welche mit solchen Tinten geschrieben wurden. Das jüngste Dokument welches mit Rußtinte geschrieben wurde und mir bekannt ist war ein Schriftstück eines Schultheissen an ein anderes Schultheissenamt. Es ging damals um ein sogenanntes Realtheilungsverfahren also dem Vorgänger des heutigen Nachlaßverfahrens (diese kamen auf 01.01.1900 in die Zuständigkeit der Gerichtsnotare. Bis 31.12.1899 waren diese Verfahren in der Zuständigkeit der Schultheissen - in unserer heutigen Sprache der Bürgermeisterämter).

Viele Grüße

Helmut
Thom

Re: Eisengallustinte selbst gemacht für Steckfedern

Beitrag von Thom »

Helmut hat geschrieben:
19.02.2024 9:35
... Gelegentlich wurden nämlich auch Fäkalien zur Tintenherstellung verwendet. ...
Ja, die alten Ferkel haben in die Tinte gepieselt, aber wie ich immer sage,
die Geschichte kennt keine Siege, nur kurze Betrachtungszeiträume. :)

V.G.
Thomas
Crovax
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Re: Eisengallustinte selbst gemacht für Steckfedern

Beitrag von Crovax »

Thom hat geschrieben:
19.02.2024 14:24
Ja, die alten Ferkel haben in die Tinte gepieselt, aber wie ich immer sage,
die Geschichte kennt keine Siege, nur kurze Betrachtungszeiträume. :)
Das haben schon die alten Römer beim Gerben gemacht.
https://de.wikipedia.org/wiki/Gerben#Gr ... che_Antike
War zwar auch eine Ferkelei aber es hat funktioniert.

Aus dem Kontext stammt auch der Spruch "Geld stinkt nicht".
gruß
stephan

Let grammar, punctuation, and spelling into your life! Even the most energetic and wonderful mess has to be turned into sentences.” ― Terry Pratchett
Thom

Re: Eisengallustinte selbst gemacht für Steckfedern

Beitrag von Thom »

Crovax hat geschrieben:
19.02.2024 14:45
Das haben schon die alten Römer beim Gerben gemacht. ...
Ja, und was ist aus denen geworden? In einer Eisengallustinte hat sowas nichts zu suchen.

V.G.
Thomas
Thom

Re: Eisengallustinte selbst gemacht für Steckfedern

Beitrag von Thom »

Ich habe gerade nochmal nachgeschaut, was die Bayern da aus dem 8. Jh. haben. Das Beschreibmaterial sieht nach Hautpergament aus und die orange Tinte könnte Zinnober sein. Aber die braune Tinte, vielleicht ist es Schlehdorn, aber natürlich hat sich die in 1000 Jahren auch chemisch verändert. Es ist einfach unmöglich zu sagen, ohne die Schriftzüge zu untersuchen.
https://www.gda.bayern.de/DigitaleSchri ... 9.20_d__e_

V.G.
Thomas
Helmut
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Re: Eisengallustinte selbst gemacht für Steckfedern

Beitrag von Helmut »

Hallo Thom,
interessanter Beschrieb!
Tinte aus Schlehenrinde ist möglich, ebenso Eichenrinde oder Walnußschalen. Kommt halt darauf an was damals regional greifbar war. Näheres kann man allerdings erst über eine Schriftprobe, welche dem Dokument zu entnehmen ist, bestimmen.
Viele Grüße
Helmut

Wenn es Dich interessiert, die Rezepte für solche Tinten habe ich!
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